Geliebtes Carapuhr

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Geliebtes Carapuhr
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Billy Remie

Geliebtes Carapuhr

Söhne des Nordens

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Chroniken der Bruderschaft: Band 3

Warnung:

Vorwort

Prolog

Teil 1: Angst

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Teil 2: Werkzeuge

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Teil 3: Feindliche Brüder

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Epilog

Über mich

Impressum neobooks

Chroniken der Bruderschaft: Band 3

Desith Airynn, Sohn des Kaisers von Elkanasai, wusste immer, dass er nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Gegen dessen Willen entschied Desith sich bereits in seiner Jugend, seinem Herzen zu folgen und der Heimat den Rücken zu kehren. Er schwor dem Großkönig von Carapuhr – dem Land im rauen Norden – einen Treueeid, um den Fängen seines strengen Vaters zu entkommen. Jahre später soll ihm sein unbedachter Schwur schließlich zum Verhängnis werden, denn als er nach einer Mission aus dem Dschungel Zadests in seine Heimat zurückkehrt, verlangt der Großkönig von ihm, sich mit seinem neuen Erben zu vermählen, um das Bündnis ihrer beiden Reiche zu stärken. Mit Händen und Füßen wehrt er sich gegen diese Ehe, da er sich nicht wie eine Hure verkaufen lassen wollte. Vor allem nicht an den Mann, der versucht hatte, ihn zu töten.

Desiths einzige Rettung scheint der Neffe des Großkönigs. Vynsu war rein äußerlich der geborene Barbar, jedoch noch sehr jung und auf der Suche nach sich selbst. Desiths Schicksal berührt das große Herz des Barbaren, und er nimmt sich seiner an. Jedoch hätte er niemals damit gerechnet, dass ihn Desiths kalte, berechnende Art derart anziehen könnte, und statt zu tun, was richtig wäre, lässt er sich von seinen Gefühlen leiten und hilft Desith aus seinem Eid zu entkommen, selbst wenn es ihm den Kopf kostet.

Gemeinsam schlittern sie in ein gefährliches Spiel um die Krone des Nordens. Plötzlich können sie nur noch einander vertrauen, wodurch Vynsu schnell eine tiefe Zuneigung gegenüber Desith entwickelt, die ihm nicht immer guttut, aber ihn zum ersten Mal wahre Leidenschaft spüren lässt.

Doch auch wenn Desiths Leib offenherzig scheint, sein Herz bleibt Vynsu verschlossen.

Zwischen Intrigen und Verrat müssen sie letztlich entscheiden, wohin ihr Weg sie führt – und ob sie ihn bis zum Ende gemeinsam gehen.

Warnung:

Fantasy-Handlung mit (gelegentlicher) expliziter Gewalt und explizitem homoerotischen Sex (kein SM). Kämpfe, Intrigen, Blutvergießen, geistige und physische Gewalt.

Bitte lesen!

Einige Protagonisten handeln in diesem Roman nicht immer sehr moralisch – natürlich sind ihre Ansichten nicht die meinen – und neben ein paar wenigen Gewaltszenen gibt es auch einige anstößige Inhalte.

Ich habe nichts davon verherrlicht, dennoch gibt es Leser, die so etwas einfach nicht lesen wollen. Das möchte ich mit dieser Warnung respektieren.

Für mich persönlich passt es in meine Welt und meine Geschichte, ich finde es auch nicht zu hart. Es ist eben einfach Fiktion. Aber was für mich gilt, gilt nicht unbedingt für andere, denn letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er lesen möchte.

Meine Warnung bezieht sich auf Nebencharaktere, im Voraus möchte ich versichern, dass die Hauptprotagonisten selbstverständlich keine gewalttätige (weder körperlich noch psychisch) Beziehung zueinander halten. Aber ihren Feinden könnte es eben auch mal schlecht ergehen.

 

Aber es handelt sich hier auch nicht um Dark Fantasy, davon ist es weit entfernt.

Vielen Dank.

Was bisher geschah...

(Band 3 der Reihe, ihr solltet zumindest die ersten Bände dieser Reihe kennen, bevor ihr dieses Buch lest, sonst befürchte ich, dass es zu kompliziert wird. Dennoch habe ich mich zur Auffrischung an einem "Was bisher geschah..." versucht und wie immer, wiederhole ich für die Geschichte wichtige Ereignisse an den dafür wichtigen Stellen noch einmal in kurzen Sätzen.)

König Desiderius M`Shier von Nohva ist tot. Er fiel im Kampf gegen eine fremde Göttin, die gekommen war, um die Welt der Sterblichen zu versklaven. Während der König von Nohva sein Leben gab, schlossen seine Söhne im Gewölbe des Turms von Zadest ein außer Kontrolle geratenes Götterportal. Doch die Magie war zu mächtig und zu ungestüm, sie drohte, alles zu verschlingen.

Um sie zu bannen, musste Sarsar – Sohn des Desiderius´ – die göttliche Macht aus dem Portal auf alle im Raum Anwesenden verteilen. Seitdem tragen diese zehn jungen Männer einen Teil der fremden Magie in sich eingeschlossen, um sie vor der Außenwelt zu verstecken. Sarsar, Xaith, Riath, Vaaks, Desith, Derrick, Kacey, Place, Korah und Doragon sind von nun an unwiederbringlich miteinander verbunden, sie vereint ein Schicksal, auch wenn sie sich überall in der sterblichen Welt verteilten.

Der mächtige Blutdrache Doragon blieb mit seinem Freund Fen, mit dem er eine jahrelange innige Verbindung pflegte, im Dschungel von Zadest zurück, sie gingen ins Exil. Bei ihnen blieben Korah und Place, die nach dem Kampf im Turm ebenso heimatlos und ziellos waren, da Place aus einer anderen Welt stammte und er nun nicht mehr durch das Portal zurückkahm, und Korah seine beiden Väter, den Wächter Bellzazar und den Meergott Levi, im Kampf gegen die fremde Macht verloren hatte.

König Desiderius´ letzte, verbliebene und anerkannten Söhne kehrten nach Nohva zurück, doch nur Riath und Vaaks – der nur ein Ziehsohn des Königs war – blieben in der Familienfestung, während Riaths leiblicher Bruder Xaith von Trauer zerfressen sein Seelenheil nur in der Flucht vor der Heimat sah und wortlos davon ging.

Desiderius‘ Erbe sollte jedoch keiner seiner Söhne werden, er vermachte seine Krone seinem langjährigen Geliebten, Wexmell Airynn. Ganz zu Riaths Groll, der sich auf dem Thron seines Vaters sah.

Sarsar M’Shier erbrachte das gleiche, tragische Opfer wie sein Vater, er gelangte nie aus dem Turm heraus, denn nachdem das Portal geschlossen und die göttliche Macht gebannt war, stürzte der Turm über ihm zusammen und begrub ihn spurlos. Derrick, dessen Leben Sarsar gerettet hatte, indem er ihm eine uralte Drachenseele eingepflanzt und ihn zum Blutdrachen gemacht hatte, konnte sein Verschwinden nicht akzeptieren, so blieben er und sein Gefährte Desith im Dschungel zurück, um nach Sarsars Leiche zu suchen. Doch Desith war ein Sohn des Kaisers und somit Prinz von Elkanasai, und seine Pflichten sollten ihn bald einholen…

Vorwort

Von Vätern und Söhnen…

…von zweiten Chancen…

…und neuen Schicksalen.

Prolog

Er tauchte aus dem tiefsten und schwärzesten Gewässer seit Anbeginn der Zeit auf.

Dem eigenen Bewusstsein.

Und es war ein kalter Ort, aus dem er emporstieg. Dunkel und eisig, wie eine Eishöhle in den Höhen der berühmten Gletscher Carapuhrs, dem Land am oberen Ende der Karte.

Doch er war nicht im hohen Norden, das wusste er in dem Moment, da die Kälte seinen Verstand freigab. Sein erster Gedanke galt der Tatsache, dass er sich wie ein Eisklumpen fühlte und seinen eigenen Körper nicht spüren konnte.

Sein zweiter Gedanke war, dass dies hier das schwarze Reich zwischen den Welten sein musste.

Ein Nichts aus ewiger Finsternis, kein Leben, kein Licht wohnte hier, wo ein regelrechter Leereraum zwischen den verschiedenen Reichen herrschte.

Wie lange er schon dort war, wusste er nicht, es gab keine Zeit an diesem Ort, der gar nicht wirklich existierte. Aber vor allem hätte er nicht dort sein dürfen.

Als er wieder vermochte, zu denken, kam er sich vor, als wäre er nur einen Augenblick in der Leere verblieben, als hätte der Riss ihn gerade erst verschluckt und hierhergebracht. Er sah nichts, er fühlte nichts, aber er wagte zu glauben, dass er seinen kalten Leib zusammengekrümmt hatte, ihm war es, als würde er schweben. Wie ein Säugling im Leib seiner Mutter.

Dann spürte er den Sog, der ihn zu sich riss. Es fühlte sich an, als würde er auftauchen, obwohl es an diesem Ort weder oben, noch unten gab. Er wurde immer schneller und schneller, sein Herzschlag beschleunigte sich wieder, taute auf, erwachte zu neuem Leben. Seine Brust brannte, seine Kehle wurde eng, wie ein Ertrinkender, der Wasser schluckte. Es gab hier keine Luft, er würde ersticken.

Und dann war es ihm, als würde er abermals sein Bewusstsein verlieren, genau in dem Moment als er durch die schwarze Oberfläche brach. Flüchtig blendete ihn ein greller Schein, als stiege er aus einem tiefschwarzen Keller hinaus ins helle Sonnenlicht, dann wurde es wieder schwarz.

Doch in dieser alles verschlingenden Schwärze erklang plötzlich eine Stimme. Eine dunkle, gedämpfte Stimme, die immer kräftiger wurde und ihn festzuhalten schien.

»Kämpfe«, sagte sie streng, »kämpfe, mein Sohn. Dein Herz brennt, es kennt den Weg. Kämpfe! Gib nicht auf. Gib niemals auf.«

Mit aller Willenskraft stemmte er sich gegen sein eigenes Bewusstsein. Er stellte sich vor, sein Körper wäre eingefroren und er müsste nur die Eisschale zerbrechen, die ihn einhüllte, um nach Hause zu gelangen. Er kämpfte dagegen an, wieder hinab zu sinken, spürte, wie nach und nach ein schwerer Panzer von ihm abfiel, erst die Zehen, dann die Finger, bis die Arme und Beine frei waren und er durch das kalte Wasser schwimmen konnte. Es war, als erlebte er seine Geburt erneut. Er sah nichts, er hörte nichts, aber er spürte ein Kitzeln in seinem Bewusstsein, das ihm die Richtung vorgab, wie ein innerer Kompass, ein Instinkt.

Er war der Vogel, der die Richtung nach Süden kannte, wenn der Winter Einzug erhielt.

Als er zum zweiten Mal durch die Oberfläche brach, blendete ihn warmes Licht, das sofort auf seinen kalten Wangen prickelte. Er schnappte tief nach Luft, mehrmals, noch bevor er sich gewahr wurde, wo er sich befand. Der Drang zu atmen war übermächtig und wichtiger, als die Augen zu öffnen.

Seine Lungen brannten und er musste husten, hatte zu viel Wasser geschluckt, aber es tat so gut, zu atmen, dass er weiter nach Luft schnappte, obwohl ihm hohe Wellen ins Gesicht schlugen und er salziges Wasser schmecken konnte.

Nach und nach wurde ihm bewusst, dass er auf dem offenen Meer trieb. Es war warm, die Sonne stand am höchsten Punkt am Himmel und verbrannte ihm beinahe augenblicklich das Gesicht, sodass er sich nach der Kälte in der Leere zurücksehnte. Er schwebte auf der Oberfläche, paddelte sacht mit den Beinen, war aber zu kraftlos, um zu schwimmen. Die Wellen schwemmten ihn an Land, da spürte er die Schwere seiner Knochen. Der Sand des Ufers war weich und nass, sog ihn beinahe ein. Still blieb er liegen, konnte sich nicht bewegen, kam sich vor, als bestünde er aus Stein. Sein Blick war noch verschwommen, die Augen brannten, aber er genoss das Gefühl des Windes und der Sonne auf seinem Leib, während die Wellen über ihn schwappten. Das Licht blendete ihn, er sah schwarze Punkte vor sich, die von den Schatten kreischender Möwen unterbrochen wurden.

Er hustete gelegentlich, das Brennen in seiner Kehle und in seiner Brust nahm nicht ab, wie Sand fraß sich das Salz durch seine Lungen, doch er war zu schwach, um es abzuhusten.

Aus der Ferne hörte er Stimmen, helle Rufe, und schon bald fielen Schatten auf ihn. Er zwang ein Auge auf, musste blinzeln. Er brauchte nicht klar zu sehen, um die vielen Pfeilspitzen zu erkennen, die auf sein Gesicht zielten. Sie blitzten im Sonnenlicht tödlich auf. Sein Herz machte einen Satz, doch sein Körper wollte sich nicht rühren.

Schluckend versuchte er, Worte zu formen. »Nein«, wollte er sagen, »ich bin kein Feind. Ich will nur heim. Ich will nur nach Hause, bin doch nur ein Reisender.« Doch er brachte keinen Ton heraus, und die grimmigen, dunklen Gesichter hätten wohl auch kaum ein Interesse an seinen Beteuerungen gehegt.

Er spürte, wie er unsanft gepackt wurde, noch immer fühlte er sich zu schwer, um sich selbst zu bewegen, die nassen Kleider klebten an ihm und waren so schwer wie ein Eisenpanzer. Erschöpft ließ er den Kopf in den Nacken fallen und konnte zusehen, wie die Sonne hinter einem dichten Blätterdach verschwand und die satten Grüntöne des Dschungels ihn umfingen.

Teil 1: Angst

Ein Korn, gesät tief in der Seele, genährt durch eigene Gedanken, wächst und wächst, immer höher, immer breiter, überragt das eigene Ich, erstickt, geißelt. Angst ist ein Dämon, der in uns allen wohnt, der an uns zerrt und uns lenkt, der uns einsperrt und verhöhnt. Angst ist ein Wesen aus einer dunklen und kalten Welt, das zu besiegen bedeutet, sich selbst herauszufordern. Doch was, wenn die Angst das ist, was du am meisten liebst?

Kapitel 1

Er rannte und rannte, buchstäblich über Stock und Stein. Äste peitschten ihm ins schmutzige Gesicht, Dornen zerrissen ihm das Hemd wie tollwütige Krähen. Aber nichts hätte Desiths Lauf stoppen oder auch nur ins Stocken bringen können. Er flüchtete vor dem sicheren Tod, hinein in dichte Blätterwände. Das Immergrün zog sich wie eine Schlinge um ihn herum zusammen, die Pflanzen schienen ihn festhalten zu wollen. Er fiel immer wieder auf die Knie, doch die Furcht trieb seine Füße weiter, selbst wenn er noch nicht wieder richtig stand. Hinter ihm knackte und krachte es, als wäre ihm eine Horde Elefanten auf den Fersen. Desith wünschte, es wäre so. Mit stillen Tränen auf den Wangen erträumte er, er würde sich umdrehen und nur eine wildgewordene Herde verblödeter Wildtiere entdecken. Doch das gefährliche Kitzeln in seinem Nacken ließ sich nicht von einer dummen Träumerei täuschen.

Er steckte in der Scheiße. Und zwar so richtig tief.

Seine Lungen brannten ihm genauso stark wie seine Muskeln, aber er konnte nicht stehen bleiben. Blind preschte er durch den dichten Dschungel, wusste gar nicht, wohin er rannte, hatte längst die Orientierung verloren. Bunte Vögel und Insekten stoben auf, und als er abermals hinfiel, biss ihn eine Schlange in den Arm.

Nur wenige Schritte weiter rannte er in ein Hornissennest und schlug wild um sich, während wütendes Gesumme ihn umhüllte. Schmerz pochte in seiner Wange auf, als eines dieser riesigen Biester ihn mitten ins Gesicht stach.

Und hinter ihm erhob sich ganz nah das Gebrüll des Drachen.

Sein Herz stockte und er rannte mit noch immer geschlossenen Augen und wild rudernden Armen weiter, der Hornissenschwarm folgte ihm, er schrie bei jedem Stich schmerzerfüllt auf. Das Gift der Insekten war stark, stärker, als er es sich hätte vorstellen können, er spürte, wie ihm schwindelig und übel wurde. Oder war es nur die Erschöpfung, die ihm den Atem raubte?

Bäume fielen um ihn herum, wurden umgestoßen. Der Drache brüllte nah, der Laut vibrierte in der Luft wie ein nahendes Gewitter, und Desith stolperte schreiend auf die Knie, während er die Hände auf die Ohren schlug. Er hasste Drachengebrüll, die Furcht zog ihm durch Mark und Bein, wie ein eiskalter Wind.

Das Krachen und Knacken wurde immer lauter, die wütende Flugechse trampelte umher, Desith hörte ihren Schwanz durch die Luft peitschen. Stämme von dünneren und jüngeren Bäumen fielen kreuz und quer um ihn herum ins Unterholz, es war ein Wunder, dass er nicht getroffen und zermalmt wurde. Die Erde bebte. Er hielt die Augen und Ohren geschlossen, krümmte sich zu einem Kloß zusammen und hoffte naiverweise, sich klein genug machen zu können, dass der Drache einfach über ihn hinweglaufen würde.

»Bitte, bitte, bitte…«, stammelte er tonlos vor sich hin, die Angst hatte ihm Stimme und Atem geraubt, sein Herz schlug so schnell, dass er befürchtete, es würde in seiner flatternden Brust einfach in unzählige Splitter zerspringen.

 

Ich hätte ihn nie verfolgen sollen. Nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren dachte er genau das, aber wie hätte er einfach umkehren können? Wie hätte er ihn im Stich lassen können, wobei er jäh spürte, dass es keinerlei Verbindung mehr zu dem Mann gab, der dem Drachen innewohnte.

Desith versteinerte, obwohl er zuvor noch gezittert hatte wie Espenlaub. Im Nacken spürte er den heißen Atem des Drachen, und sein leises Grollen vibrierte über Desiths Rücken.

Für einen Moment konnte Desith sich nicht bewegen, dann nahm er langsam die Hände von den Ohren und drehte zögerlich den Kopf mit geweiteten und blutunterlaufenen Augen herum.

Der Drache thronte direkt hinter ihm, die schwarzen Schuppen matt, die Stacheln auf seinem Kamm aufgestellt. Drohend hoben sich die Lippen und entblößten eine Reihe weißer Reißzähne.

Desith überkam eine Woge Trauer, er verzog das Gesicht und wimmerte: »Rick, bitte…«

Aber er erkannte ihn nicht, schon lange nicht mehr. Der Drache hob den Kopf, um den Hals zu beugen, und sog regelrecht die Luft um Desith herum in seinen Rachen. Das, was folgen würde, brauchte Desith sich nicht auszumalen, er wusste es. Sein Überlebensinstinkt war stärker als es jede Jugendliebe hätte sein können. Er rollte sich zur Seite, sprang auf und rannte los. Der blaue Strahl aus Geistfeuer explodierte auf der Stelle, wo er zuvor noch gekniet hatte, versengte alles und hinterließ einen schwarzen, toten Fleck. Wütendes Gebrüll erhob sich, als er dem Biest abermals entkam. Mit einem giftigen Fauchen warf der Drache jedoch den Kopf herum und spie Desith einen weiteren Feuerstoß hinterher. Die Spitzen der Flammen holten ihn im vollen Lauf ein, eine regelrechte Druckwelle riss ihn von den Füßen, als hätte ein Sturm ihn von hinten erfasst.

Desith brüllte auf, obwohl er den Schmerz noch gar nicht spürte, aber er sah die Flammen, die sich seinen Arm hinauf schlängelten. Schreiend warf er sich hin und her, rollte sich hektisch über den Boden, während er mit der Hand auf sein brennendes Hemd einschlug. Es roch nach Rauch, versengtem Stoff und verbranntem Fleisch.

Die Flammen waren noch nicht gänzlich erstickt, als der Drache auf ihn zuhielt. Desith stolperte auf die Füße und floh vorwärts, mit panischem Blick über die Schulter. Er rutschte unter einem umgestürzten Baumstamm hindurch, der Drachenkopf schnappte nach ihm, blieb aber stecken. Das brachte ihm für wertvolle Augenblicke einen Vorsprung ein.

Nur der Schatten des Biestes war zwischen den Bäumen zu erkennen, aber er holte schnell auf. Brennende Blätter schwebten durch die Luft, es knisterte im Dschungel, während Desith Haken wie ein junges Kaninchen schlug und durch riesige, dichte Blätterwände preschte, ihm peitschte allerlei Geäst um die Ohren, sodass sein Gesicht bald aussah, als hätte er mit einem Puma gerungen.

Noch immer klopfte er auf die blauen Flammen, die sich nicht löschen lassen wollten. Bis er in seiner blinden Hast über eine Wurzel stolperte und vornüber einen Hang hinabfiel. Er überschlug sich mehrfach, brach sich mindestens eine Rippe und verdrehte sich den Arm. Der aufkommende Schmerz war nicht mehr zu beschreiben, es fühlte sich an, als müsste er sterben.

Als er endlich gegen einen Baum krachte, der seinen Fall abrupt gebremst hatte, blutete er aus einer Stirnwunde und übergab sich.

Der Drache wütete noch immer. Benommen und völlig erschöpft sah Desith den Hang hinauf, er konnte das viele Grün nur noch verschwommen wahrnehmen, immer wieder blitzte Schwärze vor seinen Augen auf, alles drehte sich. Der Schwanz der Flugechse zuckte flüchtig über die Schlucht, dann erklang das schwere Pochen seiner Schwingen, das Blätterdach raschelte und sein wütendes Brüllen entfernte sich. Er hatte wohl nicht mitangesehen, dass Desith den Hang hinabgestürzt war. Oder er hatte etwas Größeres gewittert. Vermutlich war es letzteres. Desith konnte die anderen Drachen in der Nähe rufen hören, es war Paarungszeit und sie suchten ihre Partner. Vielleicht lenkte auch das Rick ab.

Desith schaffte es noch, sich bis zu einem nahen Fluss zu schleppen, am Ufer brach er jedoch zusammen. Sein rechter Arm hing schlaff hinab, er konnte ihn nicht mehr bewegen, bei dem Sturz musste er ihn sich ausgekugelt haben. Jeder Atemzug, sei er noch so flach, stach so heftig wie ein Dolch, der in seinen Rippen steckte. Noch immer sah er nur verschwommen und immer wieder musste er sich übergeben. Seine rechte Seite war versengt, regelrecht verkohlt, er traute sich gar nicht, hinzusehen, umklammerte den verletzten Arm mit der anderen Hand.

Die Verbrennung fühlte sich seltsam an, nicht wie von normalen Flammen, mehr wie eine Eisverbrennung. Desiths Haut war abgeplatzt, aber darunter herrschte nur Kälte und eine schreckliche Leere, als ob das Feuer ihm den Teil der Seele ausgebrannt hatte, die in seinem Arm gewohnt hatte. Da war kein Gefühl mehr – und das nicht nur, weil der Arm verdreht war.

Von der Leere und der Wut in seinem Herzen ganz zu schweigen.

Rick … war fort.

Seine Knie sanken tief ins feuchte Ufer, als er sich vorbeugte und Wasser schöpfen wollte, doch da übermannte ihn der Schmerz und die Erschöpfung, die Enttäuschung und die Leere. Mit dem Gesicht voran fiel er in den Fluss und es gelang ihm gerade noch, sich im Wasser auf den Rücken zu drehen, bevor ihn die sanfte Strömung einige Flussmeilen mit sich schleppte. Es war ein sachtes Wiegen, das ihn schläfrig machte, und das kühle Nass linderte den Schmerz seiner zahlreichen Wunden. Sein Körper war nur noch ein Haufen zerstochenes, versengtes, gebrochenes Fleisch.

Als er wieder aufwachte, hatte sich sein Fuß in etwas verfangen, und das sanfte Wiegen war zu einem beständigen Strom ausgewachsen. Er blinzelte, sah verschwommen das Dach des Dschungels über sich, und da bemerkte er auch, dass er nicht mehr im Fluss trieb, sondern er über den Boden geschleift wurde wie ein Sack Mehl.

Er bewegte leicht den Kopf hin und her, in seinem Schädel hämmerte es dumpf, und der Schmerz verursachte ihm sofort wieder Übelkeit. Verdammt, wenn ihn die Stämme erwischt hatten, war es vorbei. Nicht alle Stämme duldeten Fremde in ihrem Wald, so tief im Osten Zadests waren sie stets nur auf feindlich gesinnte Kriegerinnen gestoßen, die alle Arten von Männern lieber tot oder versklavt sahen, als frei herumstreifen zulassen.

Doch die Worte, die er dann vernahm, klangen klar und deutlich zu ihm durch. Sie entstammten der Sprache des Westens. »Er ist wach«, sagte eine monotone Stimme über ihm.

Desith blinzelte erneut, als er grob abgelegt wurde und dunkle Schatten auf ihn fielen. Sofort riss er die Augen auf, war jedoch zu schwach, um zurückzuweichen. Drei – vielleicht gab es noch mehr – in dunkle Umhänge gewandete Gestalten beugten sich über ihn, an ihren Oberarmen trugen sie purpurne Bänder, und unter ihren Kapuzen lag nur Finsternis, keine Gesichter. »Lest seine Erinnerungen«, sagte ein anderer gefühllos, seine Stimme klang nicht wie von dieser Welt, mehr wie ein raues, kaltes Flüstern, das einem Alptraum entsprungen war. »Tötet ihn, wenn ihr wisst, wo der andere ist.«

Desiths Herz machte einen Satz, er wollte sich wehren, wollte vor diesen gesichtslosen Dämonen davonkriechen, aber er war schlicht zu geschwächt. Sein Verstand versagte ihm den Dienst, er verdrehte die Augen, als sich eine in Leder gehüllte Hand nach seinem Gesicht ausstreckte, als wollte sie ihn verschlingen.

Dann wurde es schwarz.

Etwas schlug ihm hart ins Gesicht.

Erschrocken fuhr er auf, die Augen geweitet. Sofort packte ihn wieder die Angst mit kalten Klauen, aber nun sah er klarer, und die Dämonen waren fort. Ein Gesicht schwebte über seinem. Weiße Haut, ein Barbarenzopf und tiefbraune Augen mit purpurnen Sprenkeln.

»Wir haben ihn gefunden! Er lebt!«, rief jemand in seiner Nähe, dann hörte er viele Schritte um sich herum, und das Rascheln der Sträucher.

Hatte er nur geträumt? Träumte er jetzt?

»Desith!« Prinz Vynsu schüttelte ihn und verpasste ihm noch eine Backpfeife. Er war älter geworden, wenn Desiths Verstand ihn nicht täuschte, auch seine Hand fühlte sich größer, sogar rauer an. »Desith! Hörst du mich? Wo ist Derrick, Desith? Wo ist er?«

»Rick…?«, hauchte er, aber er wusste nicht, ob er wirklich sprach oder es einfach nur dachte, denn seinem Körper entglitt jegliches Gefühl. »Rick … ist … ver … verloren.«

Er wollte mehr antworten, aber die Schwärze holte ihn zurück. Seine Augen verdrehten sich, sodass der Prinz von Carapuhr langsam verschwand. »Holt den verdammten Schamanen hierher!«, hörte er Vynsu wütend brüllen, doch seine Stimme klang gedämpft, als hätte Desith Wasser in den Ohren.

»Desith!« Vynsu – nun besorgt – entfernte sich immer weiter. »Desith, bleib bei mir. Alles ist gut, wir sind jetzt hier. Wir bringen dich heim.« Er sagte noch mehr, doch das verstand Desith nicht, er versank tiefer und tiefer im Traum. Noch spürte er die große Hand, die sich vorsichtig unter seinen Kopf schob, um ihn zu stützen, aber auch sie nahm er bald nicht mehr wahr. Er wollte nur noch … heim. Und dann wachte er für eine ganze Weile nicht mehr auf.