Loe raamatut: «Geliebtes Carapuhr», lehekülg 8

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Vynsu zuckte vor der Beleidigung zurück, fing sich jedoch schnell wieder mit einem Blinzeln. »Ich … Desith, ich … ich muss dir…«

»Nichts musst du«, zischte Desith ihn an und musterte ihn abwertend, »außer Rechenschaft vor dir selbst ablegen. Ich weiß nicht mal so recht, ob ich ihr davon erzählen soll – oder ob ich ihr den Schmerz erspare. Aber glaub ja nicht, ich sehe tatenlos dabei zu, wie du sie hintergehst. Mach heute was du willst, Vyn, aber ich bin Lohnas Bruder, und ich werde dafür Sorge tragen, dass du sie behandelst, wie sie es verdient. Du solltest dich glücklich schätzen, sie ist ein Juwel, du…«

»Sie ist tot.«

Desith verstummte. Es dauerte, bis er diese drei winzigen Worte richtig verstanden hatte. Sein Verstand schien noch immer große Probleme damit zu haben, einschlägige Neuigkeiten zu verarbeiten. Er glaubte, sich verhört zu haben, schüttelte verwirrt den Kopf.

»Sie ist … was?« Er lachte unsicher, aber Vynsu blickte ihn betreten an. »Das kann nicht sein.«

Statt etwas zu erwidern, starrte Vynsu zu Boden und biss sich auf die Lippe.

Desiths Herz krampfte sich zusammen, er keuchte auf und rieb sich die Brust. »Was? Wie?«

Er wollte es nicht wahrhaben, verschloss sich davor. Das war einfach unmöglich.

»Sie wurde ermordet«, erklärte Vynsu und schluckte vernehmbar. Seine Stimme wurde leiser, als er bat: »Bitte vergib mir, Desith, ich war nicht da, um sie zu schützen.«

Lohna war … fort? Tot?

Die Erkenntnis zog ihm den Boden unter den Füßen weg, er krachte einfach auf die Knie, konnte in diesem Moment weder weinen noch brüllen. Er kniete im Dreck und kam sich vor, als wäre er eingeschlafen und in einer völlig fremden, verkehrten Welt aufgewacht.

»Das kann nicht sein«, flüsterte er benommen, »sie kann nicht einfach tot sein.«

Vynsu trat hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Desith wollte wütend auf ihn sein, wollte aufspringen und auf ihn einschlagen. Aber er konnte nicht, saugte die Geste und die Berührung auf wie trockene Erde sanften Regen.

»Sie kann nicht tot sein, Vyn, sie kann nicht… Ich war nicht da, ich war … ich war nicht … Sie darf nicht tot sein!«

Vynsu drückte seine Schulter. »Es tut mir so leid, Desith. Das ist das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst.«

Desith schüttelte den Kopf, seine Sicht verschwamm. Er war gefangen in einem fortwährenden Alptraum.

»Ich muss nach Hause, Vyn.«

Er spürte, wie Vynsu hinter ihm nickte. »Ich weiß.«

Kapitel 10

»Wie?«

Sie saßen in Vynsus privatem Zelt, ein Kartentisch stand zwischen ihnen, Vynsu hatte jegliches Pergament mit einem Wisch seines Arms beiseitegeschoben, lautstark zwei Becher auf die Platte gestellt und einen vollen Krug Wein geholt. Er war rot, Desith hatte darum gebeten. Roter, teurerer elkanasaischer Wein aus dem Privatvorrat des Großkönigs.

Desith saß ihm gegenüber eingesunken auf seinem fellbesetzten Hocker und wirkte noch immer wie benommen, die blauen Augen gerötet und schwimmend, aber er weinte nicht. Der Zelteingang lag in seinem Rücken, leichter Wind bewegte die Plane, Kerzen und Feuerschalen spendeten warmes Licht, fluteten den Raum regelrecht, es war feucht, durch den heißen Regen, der seit wenigen Augenblicken wieder auf das Dach prasselte.

»Räuber«, erklärte Vynsu und spürte den alten Zorn wieder in sich aufsteigen. Er griff zum Krug und schenkte erst Desith und dann sich ein. »Zumindest haben sie es so aussehen lassen.«

Desiths Augen rollten langsam in seine Richtung, als fiele es ihm schwer, seinen Worten zu folgen. Als würde er die Welt um sich herum nicht mehr richtig wahrnehmen.

Vynsu kannte das Gefühl, ihm war es ebenso ergangen, als er von Lohnas Tod erfahren hatte. Das Gefühl, aus dem Leben gerissen worden zu sein und sich selbst von hinten zu sehen, als Unbeteiligter. Diese Leere im Kopf.

»Sie war auf dem Weg zu einer Freundin«, fuhr er fort und stellte den Krug ab, als er ihnen jeweils einen Becher randvoll gefüllt hatte. »So hat man es mir zumindest erzählt. Sie haben sich auf allerlei Festlichkeiten kennengelernt, eine Fürstentochter oder Fürstenschwester, ich weiß es gar nicht genau. Sie schrieben sich oder so, und sie wurde zu einem offiziellen Empfang eingeladen. Also fuhr sie hin, glücklicherweise ohne die Kinder, weil die Kleine einen Schnupfen hatte und meine Mutter sich um die beiden kümmerte…«

Desith starrte ihn mit leicht geöffneten Lippen an, im Kerzenschein stachen die dunklen Sprenkel auf seinem Gesicht noch mehr von seiner blassen Haut hervor. »Moment… sagtest du gerade … sagtest du, ihr habt Kinder?!«

Vynsu senkte den Blick auf die Tischplatte. Verdammt, wieso vergaß er immer, dass Desith die letzten Jahre im Dschungel verbracht hatte und mit nichts im Bilde war? »Ja. Aegir müsste jetzt fünf Winter sein, und Heda wird jetzt bald vier Winter alt.« Er musste lächeln. »Sie sehen dir ähnlich.«

Er hatte sagen wollen, dass sie Lohna ähnlich sahen, aber das stimmte irgendwie nicht. Sie hatten seltsamerweise die gleichen kantigen Züge wie ihr Onkel. Ihm, ihrem Vater, sahen die beiden überhaupt nicht ähnlich.

Desith blinzelte ihn an, irgendwie schien er durch die Neuigkeit wieder mehr in die Wirklichkeit zurückzufinden. Er lehnte sich auf den Tisch und umfasste seinen Becher. »Erzähl mir mehr«, bat er leise, dann beugte er sich vor und schlürfte den Wein ab, ehe er es wagte, den übervollen Becher anzuheben. »Von dem Überfall.«

Vynsu atmete so tief ein, dass sein Lederhemd über der Brust spannte. »Es war grauenhaft, selbst für unsere Verhältnisse. Sie überfielen sie auf der Straße. Zwei Leibwächter und der Kutscher waren mit Pfeilen gespickt, Lohna fand man in der Kutschte mit …« Er musste sich räuspern. »Mit aufgeschlitzter Kehle und gehäutetem Gesicht, nur an ihrem Haar und ihrem Kleid zu erkennen.« Vynsu ließ Desith einen kurzen Moment zeit, das schockierende Bild zu verdauen, ehe er weitersprach. »Der dritte Leibwächter ist bis heute spurlos verschwunden, vermutlich war er mit den Räubern im Bunde oder wurde von ihnen gefangen genommen und als Sklave weiterverkauft.«

»Ich dachte, Melecay ahntet Sklaverei mit dem Tod«, murmelte Desith vor sich hin. Ein Grauen stand vor seinen Augen, als sähe er seine gesichtslose Schwester vor sich.

Vynsu wandte ein: »Das hält die Unterwelt nicht davon ab, mit Menschen zu handeln. Je verbotener etwas ist, je höher die Preise.«

»Wurde sie geschändet?« Desith fragte nicht ängstlich, sondern wütend, wie ein Mann, der auf Rache sann.

Vynsu schüttelte den Kopf. »Nein.«

Desith runzelte die Stirn und sah ihn an. »Das ist seltsam. Das Gesicht haben sie ihr abgezogen, aber sie ließen sie unberührt?«

Es war nicht so, dass sie es Lohna gewünscht hätten, aber Vynsu musste zustimmen. Es wirkte seltsam, denn Lohna war eine Frau, eine sehr attraktive noch hinzu, kein Mann hätte die Gelegenheit verstreichen lassen, sie sich zu eigen zu machen.

Seufzend lehnte sich nun auch Vynsu auf den Tisch und griff nach einer Silbermünze, die aus dem Ledersäckchen gefallen war, das er auf der Karte hatte liegen lassen. Er spielte damit. »Ich glaube nicht, dass es um Raub ging«, gestand er flüsternd. Er spürte Desiths neugierigen Blick auf sich und fuhr ernst fort: »Viele Fürsten waren gegen unsere Heirat, sie hätten mich lieber mit ihren eigenen Töchtern vermählt, und halten nichts von dem Bund mit Elkanasai. Einigen ist langweilig, Desith, viele Männer sehnen sich nach Krieg.«

»Du meinst, es war ein Komplott.«

»Es war Mord«, bestätigte er und schloss die Faust um die Münze, ehe er sie mit einem dumpfen Laut auf den Tisch schlug. »Ich weiß, dass es Mord war.«

Desith schüttelte verwirrt den Kopf. »Hast du einen Verdacht, wer es gewesen sein könnte?«

Das war das Problem. Vynsu rieb sich die Stirn vor Verlegenheit. »Ich hatte viele im Verdacht und ging dem nach, aber diese Wiesel konnten sich alle herauswinden. Ich wollte sie vernichten, ich wollte sie…« Er hielt inne, presste die Lippen aufeinander und suchte Beherrschung. In seinem Herzen flammte wieder das Feuer auf. »Der Großkönig hielt mich auf.«

»Wieso? Liegt ihm nichts an…«

»Was denkst du denn?« Vynsu sah Desith eindringlich in die Augen. »Natürlich ist auch er stink wütend, und er will es sich nicht gefallen lassen, dass jemand seine Pläne durchkreuzt hat. Aber stell dir vor, wir hätten deinem Vater mitgeteilt, dass ein Fürst und kein Räuber deine Schwester ermordete. Dass es ein hinterlistiger Plan gegen die Krone und gegen das Bündnis mit ihm war. Dein Vater hat schon genug getobt. Und Melecay ist sich sicher, dass der Mörder sich irgendwann verrät. Dann wird er den Schuldigen an das Kaiserreich aushändigen, aber bis dahin, versucht er, die Wogen zu glätten, die ich …« Er brach ab und blickte kopfschüttelnd zur Seite.

»Was meinst du damit, die Wogen, die du…?«, hakte Desith nach, es war ihm nicht entgangen.

»Ich hätte da sein müssen«, gestand Vynsu ein, »aber das war ich nicht. Es war meine Schuld. Sie hatte Angst, sie hat mich gewarnt, dass man sie nicht in Carapuhr willkommen hieß, aber ich versicherte ihr, dass ich sie beschützen würde. Doch ich war nie da… ich war immer… bei Onkel oder mit einer Schar Barbaren unterwegs, Raubüberfälle auf verfeindete Fürstentümer, Reisen über das Meer zu unbekannten Orten, noch mehr Kämpfe, Blut und Tod und Weiber… all die Weiber…« Er spürte Desiths wütende Augen, die ihn aufspießten, und schüttelte abermals bedauernd den Kopf, ließ ihn hängen. »Es tut mir leid, Desith, ich hätte sie keinen Augenblick aus den Augen lassen dürfen. Sie war einsam, hat sich nach einer Freundin gesehnt. Wäre ich dort gewesen, hätte ich sie selbst hingebracht.«

»Bist du sicher, dass ihre Freundin nicht Teil des Plans war?«

Vynsu hob ratlos die Schultern. »Natürlich habe ich das geglaubt, aber es war ein offizieller Empfang, zu dem das ganze Land eingeladen wurde. Jeder, der dort gewesen war, wusste, dass auch Lohna anreisen würde. Jeder verdammte Fürst ist verdächtig, Desith. Jeder. Und ich kann sie leider nicht alle auf Verdacht hin töten – so gern ich es vor ein paar Mondzyklen noch getan hätte. Es bringt sie nicht zurück.«

Daraufhin herrschte betretenes Schweigen, doch seltsamerweise kam es Vynsu nicht so vor, als hätte er mit diesem Geständnis eine Kluft zwischen ihnen heraufbeschworen, irgendwie fühlte er sich befreit, seine Schuld ausgesprochen zu haben.

»Sie war nicht hierfür gemacht«, sagte Desith irgendwann. Überrascht fuhr Vynsus Blick zu ihm auf, aber da war keine Wut, keine Verabscheuung, nur Ernüchterung. »Lohna war eine richtige Prinzessin«, er lächelte liebevoll, »Vater hätte sie niemals an dich verheiraten dürfen. Sie war nicht für die raue Welt der Barbaren gemacht. Der Stärkste siegt, aber sie war nicht stark.« Er nahm den Becher wieder auf und hob ihn an die Lippen. »Sie hat Angst gezeigt, das war ihr Todesurteil. Wie ein Schaf unter Wölfen.«

Vynsu dachte darüber nach. Vielleicht stimmte das, aber das änderte nichts an seinem schlechten Gewissen. Er war ein arroganter, selbstsüchtiger Wicht gewesen, der seine Frau nur zu Vorführungszwecken und zur Fortpflanzung beachtet hatte. Er hatte Lohna behandelt wie ein Juwel, wie ein weiterer Schritt zur Krone. Wie ein Objekt, kein Lebewesen. Dass sie ihm genommen wurde, hatte ihm den Boden unter den Füßen fortgerissen. Es war keine Liebe, die ihn an sie band, es war das Versprechen, dass er sich ändern würde. Er musste es tun, damit die Leben ihrer Kinder sicher waren.

Eine Weile lag Desiths forschender Blick auf ihm, noch immer schwammen dessen Augen, manchmal stärker, manchmal nur sehr schwach, aber es stand Wut in seinem Blick, die selbst Vynsu einen eiskalten Schauder eintrug, obwohl er doppelt so breit und groß wie Desith war.

Aber in Desiths Augen… Vynsu konnte es nicht beschreiben, da stand etwas, das ihm zugleich vertraut war und ihn verunsicherte.

Es gab Menschen, die besaßen eine Wärme, die ihnen regelrecht aus dem Gesicht strahlte, und es gab Menschen, deren Antlitz war wie die dicke Eisfläche eines zugefrorenen Sees. Wenn man ihnen ins Gesicht blickte, waren sie undurchdringlich und kalt. Nur Härte, keine Wärme. Das waren Desiths Augen. Sie waren Eis.

Sie waren Frost.

»Warum folgen dir Söldner?«, fragte Desith nach einer Weile. »Und warum wollte Melecay Derrick zurückholen?«

Es war an der Zeit, dass sie alle Karten offen auf den Tisch legten.

»Derrick wird sein Erbe«, Vynsu drückte den Rücken durch und trank von seinem Wein, der sich wie ein Pelz über seine Zunge legte. »Ich wurde aberkannt.«

Das überraschte Desith nun doch sehr. »Weil du Lohna nicht beschützen konntest…?«

»Nein, weil ich nach ihrem Tod in Selbstmitleid badete und weggelaufen bin.«

Desith schüttelte nur verwirrt den Kopf, sodass seine roten Strähnen hin und her schwankten.

»Ich lief davon, verstehst du? Wie ein Feigling. Vor meiner Pflicht, es abzuhaken und weiter zu leben. Ich habe mich nicht stark verhalten. Ich wollte ihren Mörder finden, verfolgte die Räuber, folterte sie, aber sie gaben nichts preis. Es sieht alles danach aus, als ob es sich wirklich nur um einen Raubüberfall handelte. Unsere einzige Spur war eine Sackgasse, die Räuber beteuerten selbst unter Folter, dass sie sie wegen ihrem Schmuck ausgeraubt hatten. Aber ich kann das nicht glauben. Und nur rumzusitzen und zu warten … das noch etwas passiert, das widerstrebte mir. Die Schuldgefühle, der Drang nach Rache, der Selbsthass…« Er blinzelte in die Vergangenheit. »Habe mich in Schenken rumgetrieben, habe drei Tage durchgesoffen, mich geprügelt, habe gesagt, ich würde auf die Krone scheißen. In irgendeinem Dorf hat Jori mich aufgegabelt, nachdem ein Berg mich verprügelt und im Schweinedreck zurückgelassen hatte. Ich blieb eine Weile bei ihnen, vielleicht ein halbes Jahr. Als ich hörte, dass Melecay nach Derrick suchen wollte, besann ich mich, ging zurück. Und hier bin ich.«

»Bekehrt und kastriert«, stellte Desith richtig fest und wandte den Blick ab.

Vynsu nickte vor sich hin. »Ich hatte seitdem kein Weib, Desith, ich fühlte mich schmutzig. Denn als ich rumhurte, war sie so allein, dass sie sogar ihre kleinen Kinder allein ließ, um wenigstens eine einzige Freundin zu finden.«

Als man ihm die Frau genommen hatte, war ihm erst so richtig bewusst geworden, wie angreifbar er war. Vielleicht war er selbst stark und ein guter Kämpfer, aber wenn ein Mann seine eigene Familie nicht schützen konnte, hatte er seine Pflicht nicht getan. Dann war er nach carapuhrianischem Recht kein Mann.

Es war nicht viel Zeit seit Lohnas Tod vergangen, trotzdem kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Die Wochen danach, die er nach dem Mörder suchte, die Tage darauf, besoffen auf der Straße, die Rettung durch Jori und das Versprechen, das er sich selbst gab. Zu sich selbst zurückzufinden und alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um für die Sicherheit seiner Kinder zu sorgen. Und wenn das hieß, die Krone zu vergessen und auf der Burg seines Vaters zu leben, Pferde und Rinder zu züchten, statt über ein Land zu herrschen, dann würde er das tun. Wenn es bedeutete, Melecay in den Arsch zu kriechen, dann würde er das tun.

»Er ging wegen Sarsar«, raunte Desith plötzlich in die Stille hinein.

Vynsu sah stirnrunzelnd auf, aber Desith erwiderte seinen Blick nicht, er starrte in eine Ecke des Zeltes, schien aber mit seinen Gedanken nicht im Hier und Jetzt zu sein. Wieder schimmerten Tränen in seinen Augen.

»Rick verwandelte sich wegen Sarsar.« Desith schluckte geräuschvoll. »Wir hatten einen Streit, ich wollte endlich nach Hause, flehte, aber er konnte nicht umkehren, er glaubte zu sehr daran, dass er es Sarsar schuldete, nach ihm zu suchen. Er wollte nicht wahrhaben, dass Sarsar tot ist. Auch wenn wir keine Leiche fanden. Ich wurde zornig, brüllte ihn an, schlug ihn, wollte ihn zwingen, zurückzugehen – da verwandelte er sich.« Desith drehte den Kopf, das Gesicht vor Zorn verhärtet. »Ich verfolgte ihn zwei Jahre lang, Vyn. Zwei Jahre. Also glaub mir, wenn ich sage, ich hätte es versucht. Und nein, ich habe ihn nicht einfach aufgegeben, er gab mich auf. Für Sarsar. Es war seine freie Entscheidung.«

Die Endgültigkeit in Desiths Worten ließen Vynsu keinen Zweifel daran, dass er die Wahrheit sprach. Warum sollte er sich auch so etwas ausdenken, er hatte Derrick geliebt, das wusste Vynsu.

»Er hat mich verlassen«, schloss Desith ab und griff wieder nach seinem Becher, »vor zwei Jahren. Er hat mich verlassen.«

Vynsu spürte Mitleid aufkommen, doch obwohl er Desith gern eine Hand auf den Arm gelegt und brüderlich zugedrückt hätte, hielt ihn irgendeine seltsame Befangenheit davon ab. So nahe hatten sie sich nie gestanden.

Der Wein und der viele Met, den er mit Vala getrunken hatte, zeigten ihre Wirkung. Er merkte, dass ihm ungewöhnlich warm war, als hätte er ein Kaminfeuer in seinem Bauch entzündet, seine Gliedmaßen waren entspannt und seine Augenlider müde. Trotzdem spürte er durch das Gespräch mit Desith eine deutliche Schwermut auf sich lasten. Wie einen zu schweren Eisenpanzer.

»Rick kommt nicht zurück, um in Melecays Fußstapfen zu treten.« Desith griff nach Vynsus Hand, öffnete dessen Finger und entwand ihm die Silbermünze, um sie zwischen den eigenen Fingern zu drehen und zu betrachten. »Selbst wenn sie ihn dazu brächten, sich zu verwandeln. Er wird einfach umdrehen und gehen.«

»Wieso?«, raunte Vynsu, konnte seltsamerweise nicht die Augen von Desiths langem Gesicht nehmen.

»Als er im Dschungel ein Pfeil ins Herz bekam«, erzählte Desith bereitwillig, »konnte Sarsar ihn retten, indem er ihm die alte Seele eines Drachen einpflanzte. Er ließ die beiden Seelen verschmelzen und machte ihn zum Blutdrachen. Rick denkt, er schuldet Sarsar sein Leben.«

Daher wehte der Wind. Oh Derrick… oh Bruder…

Bedauernd schüttelte Vynsu den Kopf. »Derrick. Dieser pflichtbewusste Narr. Er sieht nicht, was er aufgibt.«

Desith hielt überrascht damit inne, die Münze zu drehen, und blickte Vynsu in die Augen.

»Ich meine«, er räusperte sich, »er verletzt dich vermutlich nicht mit Absicht, er geht einfach seinem Herzen nach. Er muss um jeden Preis seine Schuld begleichen, vermutlich ist ihm nicht bewusst, dass er dich vergisst.«

Noch immer starrte Desith ihn so seltsam an, Vynsu glaubte bereits, er wäre zu Stein erstarrt, da rührte er sich wieder mit einem Murmeln: »Ja. Vermutlich.« Doch dann fügte er noch hinzu: »Oder als er starb und wiederbelebt wurde, hat sich etwas in ihm verändert.«

»So wie sich etwas in dir veränderte?«

Darauf antwortete Desith nicht, er senkte wieder den Blick auf die Münze. Vynsu musste sich auf die Lippe beißen, um nicht weiter nach zu bohren. Aber innerlich ließen ihn die Fragen über Desiths wundersame Gesundung einfach nicht los.

»Ich bin nicht dein Feind, Desith«, sagte er rau.

Desiths Augen schnellten wieder zu ihm auf, fixierten ihn.

»Du kannst mir vertrauen«, setzte er hinterher.

Desiths rechter Mundwinkel zuckte, er lächelte zynisch. »Sag es nicht nur«, flüsterte er und legte die Münze auf den Tisch, dann schielte er wieder zu Vynsu auf, fordernd, »beweis es mir.«

Es war nur ein Knurren, aber es durchfuhr Vynsu stärker als es ein Brüllen getan hätte.

Er wusste genau, worauf Desith anspielte. Das Versprechen, ihn nach Hause zu bringen.

»Oder bist du…«, Desith nahm die Arme von der Tischplatte und drehte seinen schlanken Körper zur Seite, um so elegant wie eine Katze aufzustehen, »ein Mann, der sein Wort bricht?«

Vynsu hob die Augenbrauen zum Haaransatz. »Nein. So ein Mann bin ich nicht mehr.«

»Nicht mehr«, wiederholte Desith, sein weißes Hemd raschelte, als er es aus dem Hosenbund zog und er um den Tisch herumschlenderte, wie eine grazile, anpirschende Löwin. Er lachte leise, schmutzig, wie ein Dieb. »Und was für ein Mann bist du?«

Vynsu runzelte die Stirn. Desiths Hand glitt über seinen Arm, über die Schulter zu seiner Brust. Eine federleichte, sinnliche Berührung…

Vynsu packte das schmale Handgelenk und hielt es grob fest. »So ein Mann bin ich auch nicht«, betonte er sanft, aber endgültig, und sah ernst zu Desith auf. »Ich liege nicht bei Männern, Desith, das weißt du. Und du bist Derricks Gefährte.«

Das beeindruckte Desiths keineswegs, er lächelte milde, fast bemitleidend, und legte arrogant seinen roten Schopf schief. »Ich will nicht dein Herz, noch geht es mir um dich als Mann. Fleisch ist Fleisch, Vynsu, und wenn du solange keine Frau mehr hattest, wie ich keinen Mann, ist es erst recht gleich. Für uns beide.«

Vynsu presste die Lippen zusammen und schüttelte entschieden den Kopf. Er wollte etwas erwidern, da sprach Desith jedoch bereits weiter.

»Rick ist gegangen«, er klang bitter, »ich bin frei. So frei wie du.« Er zwang ein schlankes, kurzes Bein über Vynsus Schenkel und glitt so geschmeidig auf dessen Schoß, dass dieser ihn nicht aufhalten konnte. Er war schlicht zu langsam und zu überrascht von dem, was Desith vorschlug. Bei allen Himmeln, daran hätte er niemals einen Gedanken verschwendet.

Es regte sich lediglich eine ferne Sehnsucht in ihm, als der warme Körper auf ihn glitt. Gleichwohl verstand er natürlich Desiths Wunsch nach Nähe, nach allem, was er durchlitten und gerade erfahren hatte. Er suchte nur nach dem Gefühl, lebendig zu sein. Vynsu wollte ihn sanft von sich schieben, hielt sich zurück, um ihn nicht zu grob von sich zu weisen, er wollte Rücksicht nehmen, aber Desith spannte die Schenkel an und klammerte sich an ihm fest wie eine Klette.

»Denk nicht darüber nach«, raunte Desiths ihm zu, »schenk mir ein kurzes, heftiges Vergessen, um mehr geht es nicht. Fleisch ist Fleisch.«

Desiths kühle Finger strichen über die kahlgeschorenen Seiten seines Schädels hinauf zu seinem Haaransatz und krallten sich in den dicken Zopf. Er war zu fest, um ihn zu lösen, aber Desiths dünne Krallen fanden einen Weg, sich festzuhaken. Vynsu ließ zu, dass sein Kopf in den Nacken gezogen wurde, drehte aber das Gesicht mit eiserner Miene zur Seite, als Desiths warmer Mund ihm zu nahekam.

Das hielt den Wildfang jedoch nicht auf. Er drückte seine weichen Lippen einfach auf Vynsus Wange und glitt an ihr hinab, knabberte provozierend die Linie des Kiefers entlang zum Kinn und wanderte tiefer und tiefer. Vynsu schluckte, als die Lippen seine empfindliche Kehle trafen. Seitjeher war der Hals seine Schwachstelle, und wie es schien, war es gleich, welche Lippen und Zunge ihn dort berührten, es genügte, dass sie warm und zärtlich waren.

Ja, es war verdammt lange her, aber nicht lange genug. Noch immer war eine Blockade in seinem Kopf, auch wenn ein angenehmer Schauer seinen Rücken entlang kribbelte und sich die Härchen an seinen Armen aufstellten, unterhalb seines Gürtels rührte sich nichts.

Er räusperte sich wenig beeindruckt, war sich Desiths Gewicht auf sich bewusst, empfand aber nicht den Reiz, auf sein Angebot einzugehen.

»Desith«, er wollte aufstehen, »selbst wenn mein Kopf wollte, mein Körper…«

Desith stieß ihm eine flache Hand vor die Brust und warf ihn rückwärts um. Er landete auf dem Bärenpelz, der vor seinem Bett ausgebreitet auf dem Boden lag. Desith schmiegte sich auf seine Brust wie eine Dirne, die einen fetten Geldbeutel am Gürtel ihres Freiers erspäht hatte.

Vynsu fühlte sich wie ein erlegter Hirsch unter dem hungrigen Wolf.

»Lass den Körper meine Sorge sein«, raunte Desith ihm zu, dabei umwickelte er einen Finger mit der Kordel, die Vynsus Hemd zusammenhielt, und zog die Schnürung langsam auf. »Schließ die Augen.«

Vynsu hob die Arme und wollte Desith von sich stoßen, doch dieser war schneller, beugte sich hinab und leckte ihm die Kehle. Vynsu entfuhr ein Knurren, und statt Desith von sich zu schubsen, umfasste er dessen schmale Schultern.

»Schließ die Augen!« Ein ungeduldiger Befehl.

»Desith…«

»Und spüre nur…«, er glitt tiefer und drückte seine Lippen zwischen Vynsus Brustmuskeln direkt in den dichten Flaum, auf dem der Schweiß glänzte, »einen geschlechtslosen Mund.«

Vynsu schluckte erneut, seine Kehle war wie ausgetrocknet. Warum wehrte er sich nicht?

Schenk mir ein kurzes, heftiges Vergessen…

Scheiße, was tat er da nur? Seine Lider schlossen sich, er leckte sich die Lippen. Ein fernes Kitzeln erwachte in seinen Lenden.

Desith öffnete sein Hemd noch weiter, schob eine Hand darunter und fegte das Leder zur Seite, seine Fingerspitzen glitten flüchtig über Vynsus Brustwarzen, die sich sofort zusammenzogen und ein Prickeln durch seine Venen sandten.

Das Kitzeln wurde stärker, wie ein heißer Nieselregen.

»Spüre nur«, raunte Desith, »deinem Fleisch ist es gleich, wer ihm Lust bereitet, versprochen. Denk nicht nach. Mein Mund ist nur ein Mund, meine Hand nur eine Hand. Jeder hat doch eine Hand, oder? In dieser Hinsicht fühlen wir uns alle gleich an. Du denkst zu eingeschränkt, das steht einem Barbaren nicht gut zu Gesicht. Fühle nur.« Er strich erneut über die Brustwarze, als könnte er von Vynsus Miene ablesen, wo er besonders gerne berührt wurde. Er wusste genau, was er tat, und was er wollte.

»Eine geschlechtslose Hand«, raunte er. Dann beugte er sich hinab und fuhr mit seiner breiten Zunge durch die ersten beiden Hügel der Bauchmuskeln. »Eine geschlechtslose Zunge.«

Vynsu grunzte, seine Hand fand wie von selbst in Desiths Haar. Desiths langes, seidiges Haar.

Geschlechtsloses Haar.

Er packte zu, die Lider geschlossen, und knurrte genervt: »Hör auf zu reden.«

Und Desith hörte auf zu reden.

*~*~*

Vynsu hatte sich wirklich verändert. Oder besser gesagt, hatte er die Unbeschwertheit der Jugend abgestreift und feststellen müssen, dass zum Mannsein mehr gehörte als Kämpfe, Siege, Weiber und Becher voll Met. Ebenso wie Desith hatte feststellen müssen, dass Jugendliebe nicht ewig währte.

Liebe? Sie hatte ihm nichts als Enttäuschung und Schmerz gebracht, vergeudete Jahre im Dschungel.

Das Leben war nicht immer schön, so war das eben, er würde deshalb nicht in Selbstmitleid baden und sein Dasein beklagen. Und es bedeutete auch nicht, dass er fortan im Zölibat leben oder verzweifeln würde. Ganz im Gegenteil, nach dem Aufeinandertreffen mit Rick und nach dem er vom Tod seiner Schwester erfahren hatte, wollte er noch nie so sehr wie in diesem Moment der Lust frönen. Denn ganz gleich, wie übel ihm das Schicksal mitspielte, solange er noch vögeln konnte, würde er dieser Freude nachgehen, um neue Kraft zu schöpfen. Sich zu erinnern, dass er – auch wenn andere tot waren – noch am Leben war und am Leben sein wollte.

Und Vynsu war schlicht und ergreifend gerade zugänglich, zudem auch noch äußerst leicht zu manipulieren. Er war ja so voller Schuld wegen Lohnas Tod, so bemüht, Desith nicht wehzutun. Wie ein großer, dummer Troll, der ein Vögelchen zertreten hatte und danach mit mütterlicher Hingabe die verwaisten Küken aufzog, um eine Schuld zu begleichen.

Desith hatte es gleich gewittert, Vynsus schlechtes Gewissen, mit dem man ihn lenken konnte wie einen alten Gaul vor einem Karren.

Vynsu war schwach. Natürlich nicht körperlich schwach, der Kerl war ein Bulle, das wurde Desith noch einmal deutlicher bewusst, als er auf diesem rohen, rauen Tier saß. Vynsus Wille war schwach, es war ein Kinderspiel, ihn flach zu legen. Buchstäblich natürlich.

Sein Atem wurde immer lauter, rauer, animalischer. Es war so leicht gewesen, ihn zu verführen.

Es hatte fast keinen Spaß gemacht. Aber nur fast.

Nachdem Desith ihm die Hose geöffnet und sie bis zu den Schenkeln hinabgezerrt hatte, waren nur zwei Zungenstriche nötig gewesen, um ihn hart zu lecken. Verführerisch hatte Desith mit der Zunge die Eichel umkreist, Vynsu war ein Grunzen entkommen. Seine Härte zuckte, pulsierte unter den Küssen und dem Lecken, wurde dicker und dicker, zur Schmerzgrenze prall. Ein Lusttropfen nach dem anderen quoll glitzernd hervor. Diese Barbaren schmeckten erstaunlich gut, bedachte man ihren Gestank. Vynsus Schwanz und Samen schmeckte herb, schmeckte würzig. Männlich. Es entlockte Desith wohlschmeckende Laute, während er ihn hingebungsvoll leckte und sich daran ergötzte, wie das Geschlecht unter ihm hungrig zuckte. Er kraulte die Hoden, die sich fest zusammengezogen hatten, glitt an dem stark geäderten Schaft herab und leckte die harten Bälle, die ihn an dicke, heranreifende Pflaumen erinnerten. Stöhnend hob ihm Vynsu immer wieder seine Kronjuwelen entgegen, die er mit der Zunge anstupste, um ihn zu reizen, eher er sie wieder leckte und einsaugte.

Er machte weiter, immer weiter, bis er fürchtete, dass der Barbar seinen Saft zu voreilig vergoss. Immerhin wollte Desith ihn in seiner engen, bereits zuckenden Pforte spüren, wenn es soweit war.

Desith zog sich nur die Hose aus, für mehr war keine Zeit, er wollte nicht riskieren, dass Vynsu sich doch noch besann. Obwohl da nicht die geringste Sorge zu bestehen schien.

Desith hatte das kleine Tongefäß mit dem Fett für das Leder von Vynsus Tisch geangelt, es hatte neben dem Silberbeutel gestanden und ihn auf diese Idee gebracht.

Nun ritt er den Barbaren mit skrupelloser Wildheit und Gier.

Ihre Leiber waren heiß, waren nass, sie klatschten in einem ungleichen Rhythmus aufeinander. Es war ihnen gleich, es konnte weder zu hart noch zu schnell noch zu tief sein. Es schien sogar so, dass alles zu wenig war, sie mussten sich anstrengen, um ihr Verlangen zufrieden zu stellen.

Desiths war geübt, was die Aufnahme eines anderen Geschlechts anging. Das hatte er Vynsu zugeraunt, während er sich selbst vorgedehnt und sich anschließend langsam auf Vynsus eingefettete Härte niedergelassen hatte. »Nicht zurückhalten, ich bin es gewohnt.« Nun flutschte sie ohne großen Wiederstand rein und raus, der anfängliche Schmerz war verschwunden, nur Wonne und Hitze waren geblieben. Vynsus Lider waren geschlossen, die Adern an seiner Schläfe traten zunehmend hervor. Sie hatten beide die Zähne gebleckt, Desiths Finger krallten sich in Vynsus riesige Brustmuskeln, während Vynsus Hände in Desiths Schenkeln vergraben waren.

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