Loe raamatut: «Macht in der Sozialen Arbeit», lehekülg 9

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13 Ebenda.

14 A.a.O., S. 257 f.

15 Wir wollen uns, abweichend von der Auffassung Webers, an dieser Stelle dem Herrschaftsbegriff Friedbergs anschließen und im folgenden „Herrschaft“ als jene strukturelle Voraussetzung von Macht begreifen, die die Asymmetrie der Zugangschancen zu notwendigen Ressourcen in der Machtbeziehung bezeichnet.

16 Zur Vielgestaltigkeit des Gewaltbegriffes vgl. Han 2011.

17 So etwa im Begriff der „strukturellen Gewalt“ bei Galtung 1975.

18 Vgl. Arendt 1970. Ferner Habermas 1976.

19 Vgl. Girard 2006.

20 Siehe etwa Krämer/Koch 2009.

21 Vgl. Kerner 2009.

22 Vgl. Simmel 1991.

23 Vgl. Schwartländer 1973, S. 869 f.

24 Klenner 1990, S. 115.

25 Eine Übersicht von Theorieansätzen auf diesen verschiedenen Ebenen gibt Witte 2001, S. 4.

26 Vgl. Parsons 1960 und 1963.

27 Vgl. Willke 1995.

28 French/Ravem 1968; Raven 1993.

29 Kelman 1991.

30 Vgl. etwa Staub-Bernasconi 1986.

31 Vgl. Kraus 2013, 2015, 2019, 2021.

32 Vgl. Krumrey 1977.

33 Galbraith 1987.

34 Vgl. Russell 1938. Dort wird zwischen Macht durch physische Gewalt, Macht durch Strafen und Belohnen und Macht durch Propaganda unterschieden.

35 Vgl. etwa Paris 1998, S. 13; oder ders. 2005, S. 28 f.

36 Plessner 1981.

37 Popitz 1968; ders. 1986.

38 Vgl. Malinowski 1986, S. 197.

39 Vgl. Mann 1986.

40 Herausragend hier Goffman 1981.

41 Vgl. Sofsky/Paris 1983 und Paris 1998.

42 Vgl. Elias 1986; Elias/Scotson 1990.

43 Vgl. Galtung 1975.

44 Vgl. Gruen 1996.

45 Vgl. Strotzka 1988.

46 Vgl. Bourdieu 1998; oder ders. 2005.

47 Ein interessantes Konzept, welches die Formen der Macht danach unterscheidet, welche Motivation seitens der Beherrschten durch den Machteinfluss erreicht werden soll (vgl. Baumann 1993).

48 Vgl. Luhmann 1988.

49 Vgl. Galbraith 1987, S. 16 ff.

50 Vgl. Krumrey 1977, Popitz 1986, Galbraith 1987.

51 So ließen sich etwa die „Grundformen der Macht“, die Noack unterscheidet, hier einordnen (vgl. Noack 2012, S. 40 f.).

52 Vgl. zur Androhung von Gewalt als Gewalthandlung Hügli 2005, S. 28 f.

53 Obschon bei der charismatischen Macht das Moment des physisch ausgeübten Zwanges wegfällt, sind die beiden Formen der Macht insofern vergleichbar, als sie beide für den/die Mindermächtigen nahezu keine Spielräume bei den Handlungsalternativen zulassen.

54 Diese erfolgt freiwillig, also ohne unmittelbaren Zwang. Der Machtbegiff Webers ist daher hier nicht anwendbar. Allerdings besteht insofern ein selektiver Zwang, als die Handlung in ihrer Konkretheit selbst relativ festgelegt ist.

55 Nicht selten verschmilzt Ressourcenmacht mit Autorität: Denn sofern der/die Mächtige über jenes verfügt, was der/die Mindermächtige erst erstrebt, und ihm/ihr dies nicht einfach zugefallen ist, steht seine/ihre Lebensführung für jene Erfolge, die den Mindermächtigen verwehrt bleiben. Der/die Mindermächtige kommt daher nicht umhin, die Mächtigeren nicht nur als reicher, sondern auch als kompetenter anzuerkennen.

56 Die Unterscheidung zwischen „repressiver Macht“ und „kompensatorischer Macht“ findet sich bei John Kenneth Galbraith 1987.

57 Maturana 1991, S. 169.

58 Zu weiteren Grundlagen der konstruktivistischen erkenntnistheoretischen Position siehe den Beitrag von Kraus in diesem Buch, Abschnitt 1.1.1.

59 V. Foerster 1993, S. 343 f.

60 Vgl. hier und im Folgenden Kraus 2013, S. 128 ff., aktuell 2019.

61 Kraus 2015, 2019.

62 Vgl. Bateson 1981, S. 624 f.

63 Bateson 1979, S. 223. Der Satz enthält im Grunde eine Paradoxität: Wenn die Macht nur ein Mythos ist, dann kann sie selbst auch nicht korrumpieren; dass sie aber weniger als der Mythos korrumpiert, bedeutet, dass sie nicht nur ein Mythos sein kann.

64 Es ist nachgerade ein Spezifikum, dass Machtverhältnisse infolge der Fraglichkeit ihrer Legitimität dazu genutzt werden, das hinter ihnen stehende Machtpotenzial zu verschleiern oder zu verleugnen. Sie verbindet ihre je spezifischen Wirkungsfaktoren mit einer zusätzlichen „Verschleierungmacht“, etwa indem sie strukturell ein hohes Maß an Intransparenz arrangiert oder weite Teile ihres Operierens der Öffentlichkeit verbirgt. Macht schützt sich so vor der Gefahr, dass illegitime Grundlagen der Machtpotenziale bzw. eine illegitime Ausweitung ihrer Nutzung offenbar werden und ihre Anerkennung verlieren. Zur „Verschleierungsmacht“ vgl. Wetzel 2018, S. 166 ff.

65 Eine beispielhafte Übersicht über diese Kontroverse geben die Beiträge in der Zeitschrift für systemische Therapie Jg. 4, 1986, H. 4.

66 Vgl. Levold 1986, S. 251.

67 Vgl. Böse/Schiepek 1994, S. 107.

68 Freilich wird eine physikalische Destruktion in der Regel (d. h. sofern sie sinnlich zu bemerken ist) ihrerseits das autopoietische System irritieren und strukturelle Veränderungen provozieren. Für die Art der Wirkung des beeinflussenden Systems ist es dennoch wichtig, dass physikalisch destruktive Veränderungen des beeinflussten Systems außerhalb der autopoietischen Organisation (etwa die Schädigung oder Entfernung eines Organsystems) von Veränderungen unterschieden werden, deren Kompensationen sich innerhalb der autopoietischen Organisation, also in Form von Strukturveränderungen vollziehen.

69 Der Sprache (Ansprache) kommt dabei eine hohe Bedeutung zu, insofern sie beim Angesprochenen das Auflodern einer Widerstandsempfindung gegen den Aufforderungsinhalt mindert. Sprachlich zu kommunizieren suggeriert offensichtlich grundsätzlich, dass Einverständnis hergestellt werden kann und soll. In Alltagsinteraktionen sind etwa einfache sprachliche Aufforderungen wie „oh, schauen Sie doch mal da vorn…” oder der Hinweis von Vorbeigehenden „Vorsicht, bitte!” von unmerklicher Mächtigkeit; nimmt uns jedoch jemand wortlos bei Seite und gibt nicht zu erkennen, was er von uns will, empfinden wir einen deutlichen Widerwillen und sind weniger bereit, angedeuteten Aufforderungen zu entsprechen.

70 Levold, a.a.O., S. 247.

71 Ebenda.

72 Hejl spricht hier von „sozial erzeugten Realitätskonstrukten“: „Diese Realitätskonstrukte werden in der Regel zusammen mit Handlungskompetenzen ausgebildet, die von den Systemmitgliedern als dem gemeinsamen Realitätskonstrukt angemessen aufgefasst werden.“ (Hejl1992, S. 193).

73 Krieger 2004, S. 558. Wir haben an anderer Stelle analog zwischen „zwingender Macht“ (als physischer Macht) und „subversiver Macht“ (als Form der Provokationsmacht) unterschieden (vgl. Krieger 2004, S. 557 ff.).

74 Der Begriff „ontologisch“ bezeichnet im konstruktivistischen Sprachgebrauch nach Ernst von Glasersfeld stets Voraussetzungen jenseits der kognitiven Wirklichkeiten, also Bedingungen der physikalischen Realität. Annahmen hinsichtlich dieser Realität, die für den Konstruktivisten selbst nicht der Erfahrung entspringen können, sondern allenfalls hypothetisch erschlossen werden, nennt von Glasersfeld „ontologisch“. Der Begriff differiert damit von einem idealistischen oder phänomenologischen Ontologiebegriff und spielt eher auf die „ontologische Methode“ zur Gewinnung einer Erkenntnis des absoluten Seins (Metaphysik) an, wie sie etwa in den Gottesbeweisen Anselm von Canterburys zu finden ist.

75 Weber 1976, S. 28.

76 Sofsky/Paris weisen darauf hin, dass das „auch“ in Webers „auch gegen Widerstand“ anzeige, dass das Widerstreben „keinesfalls offen artikuliert werden (muss), es reicht vollkommen aus, dass es überwunden werden kann“ (Sofsky/Paris 1994, S. 10). Also setzt Macht nicht unbedingt einen offenen Konflikt voraus.

77 Krüll 1986, S. 231.

78 Wir haben deshalb an anderer Stelle empfohlen, in der Diskussion des Machtproblems zwei Ebenen auseinander zu halten, die Ebene der Legitimation der Machtmetapher in sozialen Beziehungen und die Ebene der Ontologie des Machtphänomens (Krieger 2004, S. 554).

79 „Meisterlich“ inszeniert ist die Obskurität der Macht beispielsweise im Verhalten von politischen Führungen in gewissen totalitären Staaten, die ihre politischen Gegner durch den Geheimdienst recht offensichtlich vergiften oder umbringen lassen, dann aber jeden Zusammenhang zwischen der Tat und der Staatsmacht ablehnen und sich so der formalen Verantwortung entziehen, während doch zugleich das willkürliche Obwalten ihrer Macht, faktisch und mehr noch als grundsätzliches Potenzial, einem jeden deutlich gemacht wird und werden soll.

80 Übrigens demzufolge auch in einer Gegenreaktion: Sie zu benennen, heißt die Mächtigen anzuklagen.

81 Diese Zusammenfassung bildet allerdings keineswegs einen Katalog konsentischer Kriterien; einige machttheoretische Ansätze würden das eine oder andere Kriterium nicht als notwendig erachten bzw. weitere Kriterien beanspruchen.

82 Vgl. Hradil 1980.

83 Michel-Schwartze 2002, S. 100.

84 Vgl. Lochmeier 1986, Sagebiel/Pankofer 2015.

85 Vgl. Abschnitt 2.3.

86 Vgl. Herriger 2002, S. 69.

87 Wurr 1981, S. 17.

88 Herriger 2002, S. 196.

89 Hierzu gehören auch die Kausalerklärungen, die der/die Professionelle während des Hilfeprozesses für neue Vorfälle und auftretende Schwierigkeiten auf der Grundlage der Person des Klienten/der Klientin in Anspruch nimmt.

90 Olk spricht daher in einem von der „Diagnose- und Verordnungsmacht“ der SozialarbeiterInnen (Olk 1986).

91 SozialarbeiterInnen haben auch die Definitionsmacht zu bestimmen, wann von einer Kooperationsbereitschaft der KlientInnen nicht mehr die Rede sein kann.

92 Groonemeyer 1988, S. 35.

93 Winter 1973.

94 Immerhin scheint es in der Sozialen Arbeit einen Typus zu geben, für den diese Hypothese explizit zutrifft: Maja Heiner hat in ihrer Untersuchung zur Professionalität in der Sozialen Arbeit einen Typus von MitarbeiterInnen beschrieben, den sie als „Dominanzmodell“ skizziert hat. Kennzeichnend ist für diesen Typus eine geringe Meinung über die Entwicklungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft des Klientels, ein wenig partizipatives Handlungskonzept, ein hohes Maß an Kontrolle der Klientel und an Einschränkung ihrer Handlungsspielräume und ambivalentes Selbstbewusstsein der HelferInnen. (Vgl. Heiner 2004, S. 92 ff.)

95 Die Diffusität des Auftrags eröffnet quasi „Machtspielräume“, in welchen der Klient/die Klientin als Nicht-ExpertIn von vornherein der/die Mindermächtige ist. Michel-Schwartze sieht hier das Zusammenwirken zweier Entscheidungsspielräume: „Aus diesen Vorgängen ergibt sich eine Machtstellung der SozialarbeiterInnen, die sich aus Diffusität auf beiden Seiten nährt: der Diffusität des selbst zu definierenden Zuständigkeitsbereiches und der Diffusität des Klientenmandats. Denn der Kompetenzbereich ist von Fall zu Fall ebenso definierbar, wie das Klientenmandat interpretierbar ist.“ (Michel-Schwartze 2002, S. 98)

96 Vgl. Olk 1994.

97 Eingehend beschreibt dieses Dilemma von Vertrauen und Risiko in asymmetrischen Machtbeziehungen Wagenblass (2004, S. 197 ff.).

98 Heiner 2004, S. 124.

99 Bourdieu 1998, S. 82.

100 Vgl. Reichertz 2020.

101 Insofern es hier um die Beeinflussung eines fremden Willens geht und nicht um das Übergehen des fremden Willens, geht dieser Machtbegriff über Max Weber hinaus. „Macht“ wird verstanden als ein Beeinflussungspotenzial ohne Gewalt und Herrschaft, d. h. ohne direkten oder indirekten Zwang.

102 Paris thematisiert diese Aspekte der „helfenden Macht“ in seinem Kapitel „Raten – Helfen – Empowerment. Über altruistische Macht“ in Paris 2015, S. 309 ff.

103 Vgl. Braun/Brück/Sadel 2015, S. 232.

104 Levold a.a.O., S. 247.

105 Heiner 2004, S. 96.

106 Vgl. Friedberg, a.a.O., S. 109 ff.

107 Vgl. Friedberg, a.a.O., S. 113 ff.

108 Ebenda, S. 116.

109 Friedberg, a.a.O., S. 256.

110 Herriger 2002, S. 69.

111 Friedberg, a.a.O., S. 125.

112 Ebenda.

113 Herriger verweist auf eine Parallele zu Illichs Begriff der „sozialen Iatrogenese“: Durch die Aneignung der Verantwortung produzieren Professionelle immer neue Formen von Unmündigkeit bei ihrem Klientel, deren Folgen sie wiederum selbst zu „bewältigen“ haben. Damit schwinden die eigenständigen Bewältigungsressourcen der Klientel und die Abhängigkeit von Professionellen nimmt zu. (Herriger 2002, S. 69)

114 Vgl. Paris 1998, S. 165, auch Paris 2015, S. 73 ff.

115 Vgl. Paris a.a.O., S. 155.

116 Formen diffusen Drohens können auf Sprache verzichten, etwa der „drohende Finger“.

117 Eine Übersicht über Strukturmerkmale der Drohung gibt Popitz 1986, S. 80 ff.

118 Külp 1965, S. 38.

119 Die Wirksamkeit einer Bedrohung hängt aber auch davon ab, ob sich der/die Bedrohte nicht der Situation entziehen kann, ob er/sie die Drohung nicht erwidern kann, um die Drohenden einzuschüchtern, oder ob er/sie eine Möglichkeit findet, den Drohenden einen alternativen Weg zur Erreichung ihrer Ziele aufzuzeigen, welcher die Schädigung der Bedrohten vermeidet.

120 Vgl. Wolf 2000, S. 201, Hunold 2018, S. 69 ff. Diese Hürde haben auch all jene zwangsorientierten „pädagogischen“ Konzepte zu nehmen, die auf Konfrontation ohne Verständnis setzen, wie Konfrontative Pädagogik, Anti-Agressions-Programme, Heimerziehung in geschlossener Unterbringung etc. (vgl. Heuer 2012).

121 Zu Machtquellen im Bereich der Jugendhilfe vgl. etwa Urban-Stahl 2012, S. 145 ff.;

122 Eine neue Sicht des Umgangs mit dem Hilfe-Kontrolle-Problem, weg vom Paradox zum gelingenden Mischungsverhältnis, deutet Heiner 2004, S. 29 an. Hier ist u. E. Skepsis angebracht, denn dialektische Widersprüche bedürfen der Aufhebung, nicht der Durchmischung.

123 Das gleiche Dilemma stellt sich in Konzepten der systemischen Therapie. ExpertInnenwissen kann auch hier als ein Mittel der Macht eingesetzt werden; vereinzelt wird daher tatsächlich „Wissensabstinenz“ empfohlen, meist aber ein flexibler Balanceakt zwischen Kontrolle und Zurückhaltung. Es gilt, Wissen einzubringen und dennoch den Klienten/die Klientin nicht instruieren zu wollen. Ludewig spricht hier von der „Durchführung hilfreicher Dialoge” (Ludewig 2002, S. 166). In ähnlicher Weise spricht Paris von der „Autoritätsbalance des Lehrers“ (vg. Paris 2015, S. 251 ff.).

124 Vgl. May 2005, S. 212 ff.

125 Zu Methoden einer solchen „Beteiligungsorientierung“ vgl. exemplarisch Krieger 2014, S 40 f.

Macht – Hilfe – Kontrolle Relationale Grundlegungen und Erweiterungen eines systemisch-konstruktivistischen Machtmodells Björn Kraus

Vorbemerkung

Konstruktivistischen Positionen wird des Öfteren eine unüberwindbare Befangenheit in der Subjektperspektive vorgeworfen. Es sei aus dieser Perspektive nicht möglich, so heißt es, die Bedeutung des Sozialen und der Umwelt für den Menschen angemessen zu berücksichtigen oder gar zu erklären, und so müssten etwa Fragen der Macht und Kontrolle notwendig ausgeblendet werden.

Diesen Vorwürfen soll hier ein Machtansatz entgegengestellt werden, der auf der erkenntnis- und sozialtheoretischen Grundlage des Relationalen Konstruktivismus1 basiert. Im Rahmen dieses Betrags soll das Phänomen „Macht“ aus dieser Perspektive erörtert und im Unterschied zu den gerade im radikal-konstruktivistischen „Machtdiskurs“2 üblichen „Entweder-oder-Positionen“ (entweder gibt es Macht oder eben nicht) eine „Sowohl-als-auch-Position“ vorgestellt werden. Den Nutzen der Differenzierung in „instruktive Macht“ vs. „destruktive Macht“ verdeutlicht der Beitrag exemplarisch durch die Anwendung auf die Frage nach den Möglichkeiten von Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit.

1 Macht – eine relational-konstruktivistische Perspektive3

Mit Blick auf die Interaktion zwischen Fachkräften und Adressat*innen der Sozialen Arbeit stellt sich bezüglich der Wirksamkeit von Interventionen einerseits und der Autonomie der Adressat*innen andererseits grundlegend die Frage nach dem Phänomen der Macht. Dabei scheint es zunächst, als wäre Macht ein konstituierender Bestandteil von Interaktionsverhältnissen in der Sozialen Arbeit, die sich pointiert als grundsätzlich strukturell asymmetrisch beschreiben lassen. Denn zumindest dem Anschein nach verfügen die Fachkräfte der Sozialen Arbeit über ein relevantes Mehr an Ressourcen, sei es nun durch die Verfügung über materielle Hilfen und deren Vermittelbarkeit, sei es durch kommunikative Kompetenzen oder einfach den Zugang zu relevanten Informationen. Andererseits lassen sich auch Beispiele finden, die aufzeigen, dass dieses Mehr an Ressourcen nicht gewährleistet, dass die Fachkräfte der Sozialen Arbeit ihren Adressat*innen gegenüber stets ihren Willen durchsetzen können.

Hier könnte vermutet werden, dass die Gegenmacht der Adressat*innen die Durchsetzung des Willens der Fachkräfte behindert. Fraglich ist allerdings, ob Macht überhaupt ein brauchbares Erklärungsmodell zur Beschreibung zwischenmenschlicher Beziehungen ist. Um die Klärung dieser Frage geht es im Folgenden. Das Augenmerk liegt dabei weder auf der Erscheinung und Verteilung von Macht noch auf deren moralischer Legitimation, sondern auf der Frage, was überhaupt mit dem Begriff der Macht beschrieben werden kann und ob Macht als Faktum oder als Metapher zu kategorisieren ist.

Diese Klärung nun ausgerechnet auf Basis konstruktivistischer Überlegungen angehen zu wollen, mag insofern überraschen, als doch konstruktivistisch angenommen wird, dass menschliche Kognition selbstreferentiell operiert und sich deswegen jedem Versuch zielgerichteter Einflussnahme von außen entzieht. Also scheint die Frage nach Möglichkeiten von Macht konstruktivistisch vorerst dahingehend beantwortet, dass Macht im Sinne der externen Steuerung menschlicher Kognition unmöglich ist. Diese Position vertritt beispielsweise Bateson, wenn er die Existenz der Macht in die Grenzen der autonomen Konstruktivität des Subjekts verweist und jeden anderen Existenzanspruch mit harten Worten als „erkenntnistheoretischen Schwachsinn“ und „gefährlichen Mythos“4 verneint. Allerdings folgt aus einer konstruktivistischen Anthropologie nicht zwingend, dass Macht nur durch die Zuschreibung der Ohnmächtigen zu Stande kommt und daher Batesons Position die einzig mögliche Folgerung sein muss.

Zum Aufbau: Zunächst werden einige zentrale Grundannahmen konstruktivistischer Erkenntnistheorie dargelegt. Danach werden ausgewählte radikal-konstruktivistische Positionen dargestellt, die die Möglichkeit von Macht grundlegend in Frage stellen. Hierzu wird sowohl Dells Position aufgegriffen, dass instruktive Interaktionen unmöglich sind, als auch Heinz von Foersters Position, dass Menschen keine trivialen Maschinen sind, weshalb sie auch nicht extern gesteuert werden können. Aus diesen Überlegungen folgert nun Portele, dass das, was wir als Macht beobachten, nur durch die Unterwerfung der Ohnmächtigen möglich ist. In Auseinandersetzung mit dieser Position soll der Beitrag verdeutlichen, dass „Entweder-oder-Positionen“ nicht in der Lage sind, das Phänomen Macht umfassend zu beschreiben.

Mit der Unterscheidung zwischen „instruktiver Macht“ und „destruktiver Macht“5 wird ein alternativer Vorschlag entfaltet, der von einem konstruktivistischen Paradigma ausgehend die Machtmöglichkeiten gegenüber dem Körper und der Kognition eines Menschen diskutiert. Abschließend wird die Logik dieser Unterscheidung auf eine der Kernfragen Sozialer Arbeit transformiert, nämlich auf die Frage nach der Möglichkeit zu Hilfe und Kontrolle. Grundlegend ist dabei die Annahme, dass die menschliche Strukturentwicklung einer grundsätzlichen Doppelbindung unterliegt und das Macht, Hilfe und Kontrolle relationale Konstruktionen sind, die immer aus Beobachter*innenperspektiven bestimmt werden.6

1.1 Grundlagen – Zur grundsätzlichen Doppelbindung der Strukturentwicklung lebender Systeme

Insofern die folgenden machttheoretischen Überlegungen auf der erkenntnis- und sozialtheoretischen Perspektive des Relationalen Konstruktivismus7 basieren, ist es erforderlich, einige der diesbezüglich wesentlichen Grundannahmen zu benennen. Dabei begegne ich einerseits der Unterstellung einiger Kritiker*innen, konstruktivistische Positionen würden „solipsistisch“ die Relevanz der Umwelt für die subjektive Wirklichkeitskonstruktion grundsätzlich ignorieren oder gar verneinen, wie ich auch andererseits den Überziehungen der Subjektivperspektive widerspreche, die gerade in der populärwissenschaftlichen Ausprägung konstruktivistischer Diskurse die Relevanz der Umwelt zu übersehen scheinen.

Ausgangspunkt ist die Frage nach den Bedingungen unseres Erkennens und die in der Philosophie immer wieder zu findende Skepsis bezüglich unserer Erkenntnismöglichkeiten.8 Die Möglichkeit Sicherheit über die Beschaffenheit eines „Objektes“ zu erlangen wird bezweifelt, da menschlicher Kognition immer nur die Ergebnisse unterschiedlicher Wahrnehmungsprozesse, nicht aber deren Anlässe zugänglich sind. Diese Überlegung entfaltet prominent Immanuel Kant, indem er verdeutlicht, dass wir die Realität nicht unmittelbar, sondern nur im Rahmen unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten erfahren können.

„Der Gegenstand der Vorstellung, der nur die Art enthält, wie ich von ihm affiziert werde, kann von mir nur erkannt werden, wie er mir erscheint, und alle Erfahrung (empirische Erkenntnis), die innere nicht minder als die äußere, ist nur Erkenntnis der Gegenstände, wie sie uns erscheinen, nicht wie sie (für sich allein betrachtet) sind.“9

Ob aber die Gegenstände, wie sie uns erscheinen, die Gegenstände abbilden, wie sie tatsächlich sind, ist unüberprüfbar. Denn dies würde voraussetzen, dass wir unsere Wahrnehmungsbedingungen umgehen und die Ergebnisse eines Wahrnehmungsprozesses mit den zu Grunde liegenden realen Wahrnehmungsanlässen direkt vergleichen können ohne dabei erneut unsere gerade zu überprüfenden Wahrnehmungsmöglichkeiten zu benutzen. Dies ist aber – wie schon von den Vorsokratikern problematisiert – praktisch nicht möglich, da wir unsere Wahrnehmungsmöglichkeiten an keiner Stelle umgehen können und somit immer nur Wahrnehmungsprodukte mit anderen Wahrnehmungsprodukten vergleichen können.

Für die Annahme, dass wir mittels unserer Wahrnehmung keine unabhängige Realität abbilden können, sprechen auch Ergebnisse neurobiologischer Forschung.10 Nun würde ich keineswegs erkenntnistheoretische Positionen neurobiologisch begründen oder gar beweisen wollen, gleichwohl bringen neurobiologische Forschungen Ergebnisse hervor, die mit konstruktivistischen Überlegungen zumindest vereinbar sind. Etwa die Erklärung, dass Wahrnehmung kein passiver Vorgang, sondern eine aktive Tätigkeit unserer Sinne und unseres Gehirns ist. Diese aktive Tätigkeit bildet nicht einfach die physikalischen Eigenschaften eines Wahrnehmungsobjektes ab, da sie nach den Regeln der Sinne und des Gehirns erfolgt.11

Im Sinne dieser Annahmen wird nun gefolgert, dass Kognition selbstreferentiell operiert und so dem Menschen nie die Realität an sich, sondern immer nur die eigenen relativ veränderten Bewusstseinszustände zugänglich sind. Diese Überlegung bringt Roth12 folgendermaßen auf den Punkt:

„Das Gehirn kann zwar über seine Sinnesorgane durch die Umwelt erregt werden, diese Erregungen enthalten jedoch keine bedeutungshaften und verläßlichen Informationen über die Umwelt. Vielmehr muß das Gehirn über den Vergleich und die Kombination von sensorischen Elementarereignissen Bedeutung erzeugen und diese Bedeutung anhand interner Kriterien und des Vorwissens überprüfen. Dies sind die Bausteine der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit, in der ich lebe, ist ein Konstrukt des Gehirns.“13

Nun betonen diese Positionen sehr stark die Subjektivität jeglicher Wirklichkeitskonstruktion und auf Basis dieser Positionen wird in der Kritik, vor allem gegen den Radikalen Konstruktivismus, dieser zuweilen mit einem Solipsismus gleichgesetzt. Berechtigt ist diese Kritik dann, wenn vereinzelt tatsächlich Verkürzungen auf die Subjektperspektive vertreten werden, die die kognitive Konstruktivität als beliebig erscheinen lassen. In diesem Zusammenhang lassen sich dann auch Äußerungen finden, die durchaus solipsistisch im Sinne Max Stirners interpretiert werden könnten, derart, dass einzig das dem Bewusstsein Gegebene real ist und überhaupt keine vom Wissenden unabhängige Realität existiert. Allerdings stehen derartige Überziehungen der Subjektperspektive im Widerspruch zum konstruktivistischen Erklärungsmodell sozialer Interaktionen. Sie sind gerade nicht das zwingende Ergebnis konstruktivistischer Theorienbildung schlechthin, sondern ergeben sich m.E. aus einem vorschnellen Abbruch in der Rezeption konstruktivistischer Argumentation.

1.2 Strukturelle Koppelung – Viabilität

Konstruktivistische Prämissen führen keineswegs zwingend oder notwendig zur Verneinung der Existenz einer Realität. Selbst innerhalb radikal-konstruktivistischer Diskurse wird nicht die Existenz einer tatsächlichen Realität bestritten, sondern deren Erkennbarkeit. Sprachlich lässt sich hier unterscheiden zwischen dem Begriff der „Wirklichkeit“ und dem der „Realität“, wobei dann der Begriff „Realität“ die physikalische Welt bezeichnet, hingegen der Begriff „Wirklichkeit“ die subjektive Erlebenswelt.14 Das Verhältnis zwischen Realität und Wirklichkeit lässt sich an meiner Anwendung dieser Unterscheidung auf den im Diskurs der Sozialen Arbeit gängigen Begriff der „Lebenswelt“15 verdeutlichen. Relational-konstruktivistisch begründet wird der Begriff der „Lebenswelt“ dem Begriff der „Wirklichkeit“ zugeordnet und dem Begriff der „Lebenslage“ der Begriff der „Realität“.16 Derart beschreibt dann der Begriff Lebenswelt die subjektive Wirklichkeit eines Menschen, welche dieser unter den Bedingungen seiner Lebenslage konstruiert. Die Lebenslage hingegen gilt als der für diesen Menschen relevante Ausschnitt der Realität, seine materiellen und immateriellen Lebensbedingungen. Und ebenso wenig wie die subjektive Wirklichkeit eines Menschen die Realität abbildet, ist die Lebenswelt eines Menschen das Abbild seiner Lebenslage. Daraus folgert aber nicht, dass Lebenswelt und Wirklichkeit beliebige Konstrukte sind. Beides sind relationale Konstrukte, die unter den Bedingungen der Lebenslage bzw. Realität bestehen müssen, insoweit diese die ermöglichenden und begrenzenden Voraussetzungen des Konstruierens stellen.

Die Bedeutung der physikalischen Realität für die subjektive Wirklichkeit kann im Anschluss an das Viabilitätskonzept von Ernst von Glasersfeld und Maturanas Überlegungen zur „strukturellen Koppelung“ diskutiert werden. Mit beiden Modellen lässt sich verdeutlichen, dass die Lebenswirklichkeit eines Menschen zwar die subjektive Konstruktion seiner Kognition ist, dass diese Konstruktion dennoch keineswegs beliebig ist.

Ernst von Glasersfelds Konzept der „Viabilität“ von Konstruktionen betont, dass sich das subjektive Konstrukt Wirklichkeit unter den Bedingungen der Realität bewähren muss und nur, wenn die subjektiven Wirklichkeitskonstrukte der Realität nicht widersprechen und das auf ihrer Basis erprobte Handeln zum erwarteten Erfolg führt, können sie Bestand haben oder mit seinen Worten „viabel“ sein.17

Maturanas Konzept der strukturellen Koppelung18 beschreibt das Verhältnis zwischen dem Menschen als einer strukturdeterminierten Einheit und dem Medium, in dem er existiert. Dabei meint „strukturdeterminiert“, dass die Weiterentwicklung des kognitiven Systems zwar durch externe Perturbationen angeregt werden kann, strukturell dabei aber durch nichts anderes bestimmt wird als durch seine eigenen Zustände. Insofern gelten Menschen als informationell geschlossene Systeme, was impliziert, dass Informationen einzig und allein innerhalb dieser Systeme generiert werden können. Damit ist zwar die Übertragung von Informationen ebenso ausgeschlossen wie die Möglichkeiten externer Steuerung. Entscheidend ist aber, dass lebende Systeme dennoch nicht unabhängig von ihrer Umwelt existieren können und dass lebende Systeme trotz informationeller Geschlossenheit notwendig energetisch offen sind. Böse und Schiepek bringen es auf den Punkt:

„Lebende Systeme bedürfen trotz operationaler Schließung einer Umwelt, um existieren zu können. Die Umwelt muß die physikalischen Elemente bereitstellen, die das lebende, autopoietische System zur Produktion seiner Bestandteile benötigt. Bezüglich des Energie- und Materieaustauschs sind lebende Systeme also offen.“19

Durch diese Offenheit ist es möglich, dass lebende Systeme sich mit Veränderungen ihrer Umwelt strukturell koppeln, indem sie für diese gewissermaßen „sensibel“ werden und sich von diesen perturbieren lassen. Ebenso können sich lebende Systeme auch untereinander wechselseitig perturbieren und damit ihre strukturelle Entwicklung aneinanderkoppeln. In Folge dessen gehe ich davon aus, dass die Strukturentwicklung lebender Systeme einer grundsätzlichen Doppelbindung unterliegt.20

Gerade diese Doppelbindung war für die Entwicklung des Relationalen Konstruktivismus grundlegend und ist auch für die folgenden Überlegungen entscheidend. Der Relationale Konstruktivismus betont, dass der Fokus weder ausschließlich auf den erkennenden und handelnden Subjekten liegen kann, noch auf den sozialen und materiellen Strukturen und Umweltbedingungen, sondern das gerade die Relationen zwischen dem einen und dem anderen beachtet werden müssen. Dies darf allerdings nicht zur Beschränkung auf die Relationen führen, sondern es geht um die Beachtung von Subjekten (als Konstrukteur*innen), Umwelten (als Konstruktionsvoraussetzungen) und deren Relationen (als Konstruktionsbedingung). Damit argumentiere ich auch gegen eine Auffassung des Konstruktivismus, die ausschließlich die Prämisse im Blick hat, dass menschliche Kognition informationell geschlossen operiert und die dabei die Bedeutung der energetischen Offenheit eines Organismus ebenso übersieht, wie die daraus resultierenden Möglichkeiten und Notwendigkeiten der strukturellen Koppelung des Menschen an seine Umwelt.21

2 Was ist Macht? Ausgangspunkt und relational-konstruktivistische Redefinition