Seewölfe Paket 8

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8.

Sehr spät in dieser Nacht wurde in der Nähe der Sandbank geschuftet und geschwitzt.

Die „Isabella“ war ankerauf gegangen und befand sich jetzt achterlich vom Flaggschiff.

Carberry hatte mit zwei Booten Anker ausgefahren und sie weit hinter der Galeone in den Grund gesetzt.

Einige der Seeleute Drakes begriffen nicht so recht, was der narbengesichtige Profos plante, und sie mußten sich so manches spöttische Wort anhören, wenn Carberry die Arme in die Hüften stemmte und seine Donnerstimme erhob.

„Ja, begreift ihr lausigen Kojenpisser denn nicht, wie das Manöver abläuft, was, wie? Die Trossen werden jetzt auf dem Flaggschiff belegt und laufen über unsere Winschen. Willig, willig, ihr Kanalsegler, pullt sie hinüber! Belegt das!“

In Drakes Beibooten mühten sich fluchende und schwitzende Männer ab, die schweren Taue hinüberzuwuchten. Es war eine Plackerei, eine schweißtreibende Arbeit, und immer wieder passierte es, daß Drakes Männer fast hilflos dastanden, und sich viele der Handgriffe erklären lassen mußten, was Carberry immer wieder mit saftigen Flüchen begleitete.

Vom Achterdeck des Flaggschiffes sahen Drake und Thomas Fenner zu. Sie zuckten jedesmal zusammen, wenn der Profos von triefäugigen Kakerlaken, Kanalratten und Affenärschen sprach und den Burschen Feuer unter den Achtersteven versprach, wenn sie nicht hart zupackten und sofort kapierten, was er wollte.

„Was sind das nur für Männer!“ sagte Kapitän Fenner immer wieder kopfschüttelnd zu Drake. „Diese Kerle klotzen heran, packen zu, und schon sitzt jeder Handgriff. Es ist beschämend, daß unsere Mannschaft das nicht schafft. Sie ist nicht halb so gut aufeinander eingespielt wie diese Seewölfe. Die stekken uns ganz verächtlich in die Tasche.“

Drakes Lippen waren zwei schmale Striche.

„Ich weiß, ich weiß“, sagte er ungeduldig, „aber Sie haben diesen Killigrew selbst kennengelernt und wissen nun, wie er ist. Und die Kerle sind genauso hart, unnachgiebig und erfahren wie er. Sie haben die ganze Welt umsegelt, Fenner, haben Erfahrungen gesammelt, und sind von diesem Seewolf immer wieder hart rangenommen worden. Unsere Leute sind zu einem Großteil gepreßt und schlecht ausgebildet, sie sind mürrisch und plagen sich für einen bescheidenen Sold ab. Die haben keine Lust, und sie sind auch nicht frei wie Killigrews Seewölfe. Vielleicht ist das der feine Unterschied.“

Unterdessen wurden immer mehr Taljen und Blöcke eingesetzt, um den Kraftaufwand so gering wie möglich zu halten. Die Trossen wurden mit den Taljen und Blöcken verschäkelt und durchgesetzt.

Die ersten Männer stemmten sich in die Spillspaken und warteten auf das Kommando. Auch auf dem Flaggschiff brüllten Bootsmänner und der Profos und trieben die Leute ans Spill.

Ed Carberry umrundete mit dem Beiboot zuerst die „Isabella“, dann das Flaggschiff, überprüfte die Ankertrossen, untersuchte die Taljen und Blöcke und sah hinauf. Im Mondlicht sah sein Gesicht noch narbiger und grimmiger aus als bei Tage.

„Legt euch in die Spaken, wenn ich es sage, ihr lausigen Sandrutscher!“ rief er hinauf. „Und setzt alle Kräfte ein, sonst fressen euch die Dons mit Haut und Haaren, wenn sie hier aufkreuzen. Orientiert euch nach uns, richtet euch genau nach dem Kommando!“

Überall lauerten sie an den Spaken der Spills. Zu dritt und zu viert standen sie eng beisammen, die Muskeln gespannt, die Blicke nach vorn gerichtet.

„Hol durch!“ schrie Ed.

Unter lautem Gebrüll, sich gegenseitig anfeuernd, legten sich die Männer in die Spillspaken. Sie traten auf der Stelle, bis die erste Trägheit der steifen Trossen überwunden war, und stemmten sich dann hart von den Planken ab.

Anfangs schienen die Trossen brechen zu wollen, in den Taljen und Blöcken knarrte und quietschte es, und dann ging es nicht mehr weiter. Die Trossen waren zum Zerreißen gespannt.

„Ruht euch ja nicht aus, ihr Müdmänner!“ brüllte Ed. „Geht keine Spanne zurück, holt durch, holt durch! Willig, willig!“

Sturzbäche von Schweiß liefen über die Gesichter. Die Muskeln traten hart hervor, und es hatte den Anschein, als würden die Kräfte der Männer unter dem ungeheuren Zug schon jetzt erlahmen.

„Das ist nur der Anfang“, sagte Carberry. „Das dauert solange, bis der Kasten kapiert, daß er nicht mehr dagegen an kann, und dann gibt er nach. Hol weiter durch!“

Was er brüllte oder schrie, galt nur für die anderen. Den Seewölfen brauchte er es nicht zu sagen, die wußten, was sie zu tun hatten und feuerten sich gegenseitig an.

Auf der „Isabella“ ging plötzlich ein Schrei hoch.

„Ar-we-nack!“ brüllte jemand, und sofort pflanzte sich der alte Kampfschrei der Seewölfe fort, jagte den Soldaten und Seeleuten einen kalten Schauer über die Rücken und animierte sie dazu, alles herzugeben, was in ihren Kräften stand.

Schaurig laut und beängstigend klang dieses „Ar-we-nack“ durch die Nacht, bis es unter dem Kiel des Flaggschiffes zum ersten Male hörbar zu knirschen begann. Der Ruck war durch das ganze Flaggschiff zu spüren. Es wälzte sich schwerfällig über den Sand, das Spill drehte sich für Augenblicke schneller, es ging etwas leichter, und die „Elizabeth Bonaventura“ rutschte eine Handbreite achteraus.

Dieser Erfolg wurde von einem orkanartigen Brüllen begleitet und stachelte die Männer an. Dazwischen klang Carberrys Stimme wie Donnergrollen.

„Holt durch, holt durch!“ schrie er. „Holt weiter durch, ihr Rübenschweine, bis euch das Wasser im Hintern kocht. Seid ihr Säuglinge oder Wickelkinder, was, wie?“

Carberrys Worte versetzten Drakes Seeleute in Raserei und nötigten ihnen einen ungeheuren Kraftaufwand ab. Wenn sie sich in die Spaken legten und schrien, dann war das blanke Wut, und die ließen sie im Geiste an dem tobenden und brüllenden Profos aus, ganz so wie Ed das beabsichtigt hatte. Was sie in den Händen hielten, waren Knüppel, um den Profos damit zu erschlagen, diesen narbigen Rauhbautz, der sie zutiefst beleidigte.

Ed hockte im Boot, grinste fürchterlich und schrie sich die Kehle heiser, bis die ersten Flüche erschallten.

„Du Hund, du lausiger!“ schrien einige, mit Wut bis zum Bersten angefüllt. „Warte es nur ab! Dir werden wir es schon zeigen!“

„Ha, ihr kraftlosen Säcke!“ brüllte Carberry zurück. „Ihr habt ja keinen Mumm in den Knochen!“

Ihr Brüllen steigerte sich, und ihre Wut wuchs, und gleich darauf erfolgte der nächste Ruck. Unter dem Kiel schabte es, die schwere Galeone legte sich unmerklich auf die Seite, und als sie sich erneut grimmig in die Spaken legten, zog sich das Flaggschiff wie von Geisterhänden bewegt, noch weiter achteraus.

Carberry versprach, lockte, drohte und bepöbelte die Kerle, versprach ihnen die Hölle auf Erden, drohte ihnen mit der Neunschwänzigen und schaffte es, den Haufen Kerle in eine niegekannte Raserei zu versetzen, indem er sie lauthals beleidigte und mit allem möglichen Ungeziefer verglich.

„Die hassen ihn so, daß sie ihn später totschlagen werden“, sagte Thomas Fenner erschüttert.

„Aber er erreicht, was er will“, erwiderte Drake. „Und wenn wir frei sind, werden sie ihn nicht totschlagen, sondern ihm um den Hals fallen. Dieser Mann hat eine unglaubliche Begabung mit den Leuten genau richtig umzuspringen. Im Geist haben sie ihn tausendmal umgebracht.“

Fenner sagte gar nichts mehr. Ein neuer Ruck erfolgte und brachte sie wieder ein Stück von der Sandbank herunter. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Flaggschiff frei war, denn jetzt wollten es die tobenden Männer ganz genau wissen, um dem Profos zu beweisen, daß sie es schafften und er Unrecht hatte.

Am Horizont begann es dämmrig zu werden. Da hatten sie sich längst die Kehlen heiser geschrien und waren total erschöpft. Sie hatten auch keinen Haß mehr auf den Profos, denn sie erkannten seine Taktik, mit der er bis aufs Blut gereizt und immer wieder angespornt hatte.

Das Flaggschiff war frei, es hatte wieder Wasser unter dem Kiel.

Drake ließ an die Männer Rum ausgeben, und als Carberry an Bord kletterte, sahen sie ihn stumm an, bis einer der Soldaten erschöpft grinsend das Gesicht verzog und auf ihn deutete.

„Seht euch diesen Himmelhund an“, sagte er, „seht euch diesen häßlichen Klotz genau an. Wollten wir ihn vorhin nicht in einzelne Fetzen reißen? Ich sage Hurra, er kriegt die Hälfte von meinem Rum.“

„Hätte ich von euch gar nicht erwartet, ihr Hurensöhne!“ sagte Ed und grinste sie an.

Die Hurra-Rufe wurden lauter und lauter, und dann war Ed Carberry der Held des Tages. Sie ließen ihn hochleben und schrien, bis Francis Drake sich oben auf dem Achterdeck an Fenner wandte, der wie gebannt auf die Szene starrte.

„Ein merkwürdiger Vorgang“, sagte er. „Zuerst wollten sie ihn umbringen, und jetzt küssen sie ihm die Stiefel. So ähnlich habe ich mir das gedacht. Können Sie sich in die Lage des Schiffsvolkes versetzen, Mister Fenner?“

„Nein“, sagte Fenner erschüttert, „nein, Sir, das kann ich nicht, wirklich nicht.“

„Mitunter begreife ich es auch nicht. Vielleicht hätte ich ihn damals doch nicht so zurückstellen sollen.“

Das Flaggschiff schwamm jetzt. Die beiden Schiffe lösten sich vorsichtig voneinander und suchten tieferes Wasser auf.

Ferris Tucker, Big Old Shane und der Zimmermann des Flaggschiffes waren damit beschäftigt, einen neuen Bugspriet zu zimmern. Tucker verwendete dazu das afrikanische Hartholz, das sie auf der „Isabella“ mitführten, eine Holzsorte, die sich bisher allerbestens bewährt hatte.

Dabei konnte der Schiffszimmermann von Tucker einiges lernen, was Schnelligkeit und äußerste Genauigkeit betraf, denn Big Old Shane und Tukker waren ebenfalls aufeinander eingespielt, so daß alles reibungslos und ohne große Worte verlief und der Zimmermann sich immer wieder verblüfft den Schädel kratzte, wenn er Tucker bei der Arbeit zusah. Der rothaarige Kerl schien den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als neue Bugspriets einzusetzen.

 

Und wenn er seine riesengroße, beängstigend scharfe Axt hoch über den Kopf schwang, dann schlug er nie daneben, und traf immer genau das, was er auch wollte.

Der Respekt vor den Seewölfen wuchs, gleichzeitig aber bemerkte die Mannschaft auch, daß der Admiral immer wieder nachdenklich auf die Seewölfe blickte und seine eigene Crew fast geringschätzig musterte. Sie alle wußten, daß sie sich von diesen Kerlen eine große Scheibe abschneiden konnten, denn die hatten es ihnen in dieser Nacht überdeutlich bewiesen, was echte Seemannschaft hieß.

Einige vertrugen das nicht, andere nahmen es gelassen hin, und der Rest war ziemlich beschämt.

Im Morgengrauen ging es ankerauf, und die Segel wurden gesetzt. Beide Schiffe schwangen auf Südkurs und nahmen Fahrt auf.

9.

Das erste Schiff, das im Laufe des Morgens gesichtet wurde, war die „Dreadnought“ unter Kapitän Robert Seymour, die von Norden heransegelte und sich dem Flaggschiff anschloß.

Die „Elizabeth Bonaventura“ und die „Isabella“ segelten langsam weiter, damit die anderen Zeit hatten, aufzuschließen.

Etwas später gesellten sich die „Rainbow“ unter Kapitän John Wight, die „Golden Lion“ geführt von Vizeadmiral William Borough und zwei schwerarmierte Galeonen der Londoner Kaufleute hinzu.

Der Verband wuchs im Laufe des Tages weiter an, als weitere Segler hinzustießen. Einige der Schiffe, die für Aufklärungs- oder Wachdienste eingesetzt waren, lagen in der Größenordnung von fünfundzwanzig, fünfzig und hundert Tonnen.

Hasard sah immer wieder zu den Schiffen hinüber, die jetzt eine beachtliche Kampfkraft darstellten. Fast stündlich begann der Verband anzuwachsen.

„Wie hat Drake sich das eigentlich vorgestellt?“ fragte Ben Brighton den Seewolf. „Sollen wir zu allem Ja und Amen sagen, was er anordnet? Nehmen wir Befehle von ihm entgegen? Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht.“

„Drake ließ sich nicht genau darüber aus, er will erst eine Lagebesprechung ansetzen, sobald der Verband komplett ist. Ich bin bereit, kräftig mitzumischen, allerdings nicht unter Drakes Kommando, sondern frei und unabhängig. Das habe ich dem Admiral in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben.“

„Und wie hat er es aufgenommen?“

„Wie ich es erwartet habe. Er war leicht verärgert, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen.“

„Vermutlich, weil er in unserer Schuld steht. Drake kann so etwas nicht verkraften. Er ist der Admiral, und die anderen haben gefälligst zu gehorchen.“

„Er hat viel eingesteckt“, sagte Hasard, „und es hat ihm auch zu denken gegeben. Ich weiß nicht, ob er seine Ansicht über uns revidiert hat, ich weiß auch nicht, was er denkt, ich kann nur Vermutungen anstellen. Ein Mann seines Kalibers begreift nicht, daß wir frei sein wollen, er sieht nur seine Karriere, die ihm über alles geht. Dabei verliert er etwas die Übersicht. Er denkt nicht sehr viel weiter, er führt das aus, was ihm aufgetragen wird und versucht ständig, Ruhm an seine Flagge zu heften, um noch besser und glorreicher dazustehen.“

„Ja, so wird es wohl sein“, sagte Ben nachdenklich. „In der Gesellschaft bornierter Höflinge und Intriganten färbt das alles ein wenig ab. Ich möchte in diesen Kreisen jedenfalls nicht verkehren.“

„Dazu wirst du auch kaum Gelegenheit erhalten. Wir bleiben, was wir sind, und eher holt mich der Teufel lotweise, als daß ich mich Drake unterstelle.“

„Konsequenz imponiert dem Admiral aber“, sagte Ben.

„Mag sein, es ist mir gleichgültig. Er wird es jedenfalls nie zugeben. Wir haben ihm bewiesen, was wir können, und daraus soll er Konsequenzen ziehen, wie er will. Ich liege mit Drake nur nautisch auf einem Kurs, und das nur vorübergehend. Geistig haben sich unsere Wege längst getrennt.“

Sie segelten weiter, den Tag hindurch, dann in die Dämmerung und in die Nacht hinein, und immer wieder stießen kleinere und größere Schiffe zu dem Verband.

Am 26. April erreichte der Verband siebzehn Meilen querab von Lissabon seinen Treffpunkt.

Noch immer stießen vereinzelte Schiffe zu ihnen, die im Lauf des Tages herankrebsten und sich anschlossen.

Die Ansammlung wurde größer und wuchs beängstigend an.

Ein einmastiger Segler von fünfundzwanzig Tonnen galt als verloren. Vermutlich war er bei dem fürchterlichen Sturm am Kap untergegangen. Niemand hatte ihn seither gesehen.

Am Nachmittag näherte sich ein kleines Boot der „Isabella“, in dem der Profos des Flaggschiffes saß. Er enterte auf und grüßte den Seewolf respektvoll.

„Admiral Drake läßt Ihnen seine Einladung zu der angesetzten Lagebesprechung überbringen, Sir, und fragt an, ob er mit Ihrer Anwesenheit rechnen kann.“

„Wo hast du denn diese geschwollenen Sätze her?“ fragte Carberry den Mann und grinste.

„Die habe ich auswendig gelernt“, knurrte der Profos. „Man hat sie mir zehnmal vorgekaut.“

„Ja, ich werde daran teilnehmen, lassen Sie den Admiral das wissen, Profos. Sind die anderen schon da?“

„Sie sind unterwegs, Sir?“

„Gut, fiert das Beiboot ab“, befahl Hasard. „Zwei Mann genügen, die mich hinüberpullen.“

Als der Profos wieder abenterte, grinste der junge O’Flynn.

„Dann wirst du dich ja in sehr erlauchter Gesellschaft bewegen, Hasard. Stinkvornehme Herren, denen der Kalk durch die Gebeine rieselt. Glaubst du, du wirst dich wohlfühlen?“

„Halt die Schnauze, Mister O’Flynn“, sagte Carberry gemütlich, „sonst stopfe ich sie dir! Der Seewolf ist keinem unterstellt, egal, was die Kerle auch immer denken, kapiert!“

„Was, wie?“ sagte Dan. „Das hast du eben noch vergessen.“

Carberry, trat einen Schritt vor, aber Dan räusperte sich nur und drehte sich um. Grinsend verschwand er.

„Ich werde mich ganz sicher nicht wohlfühlen“, sagte Hasard. „Da hat Dan ganz recht, ich bin es nicht mehr gewohnt.“

„Du wirst schon mit ihnen fertig, wenn sie überhaupt etwas von dir wollen“, meinte Brighton. „Die trauen sich doch gar nicht, sich mit dir anzulegen.“

Etwas später war das Boot unterwegs und pullte dem Flaggschiff entgegen, wo bereits andere Boote lagen. Neue gesellten sich hinzu, und Hasard sah die ersten Kapitäne, die oben an Deck empfangen und zu Drakes Kammer geleitet wurden.

Einige waren stutzerhaft gekleidet und hatten hochmütige und blasierte Gesichter aufgesetzt.

Als Hasard in Drakes Kammer erschien, verstummte das Geraune, und alle Augen starrten ihn an.

Er gab den Blick gelassen zurück, zählte einschließlich Drake, fünfzehn Kapitäne und nickte ihnen zu. Auch Fenner war dabei, der den Seewolf mit einem wohlwollenden Blick bedachte.

Drake erhob sich und deutete auf den Seewolf. In der Kammer wurde es totenstill.

„Ich möchte Ihnen Kapitän Philip Hasard Killigrew vorstellen, Gentlemen“, sagte er, „von der ‚Isabella acht‘.“

Mißtrauische Blicke wurden auf den Seewolf gerichtet, die ehrenwerten Herren murmelten etwas und blickten ziemlich hochmütig und arrogant aus ihrer Kleidung.

Drake stellte nun seinerseits die Gentlemen mit einer schnellen Handbewegung vor, aber Hasard konnte die Namen, die da auf ihn einprasselten nicht alle behalten. Lediglich ein Mann stach aus der Menge hervor: William Borough, der Kommandant der „Golden Lion“, der dem Seewolf freundlich zunickte.

„Killigrew?“ hörte er sie tuscheln. Sie genierten sich nicht, seinen Namen durchzukauen und genüßlich in die Länge zu ziehen.

„Killigrew – der Seewolf“, sagte einer, ein blasierter aufgeblasener Typ, der Hasard fast geringschätzig musterte. „Da war doch vor einigen Jahren mal etwas. Hieß es nicht, dieser Mann habe Konflikte mit der Königin gehabt?“

„Er soll einen Teil der Schätze beiseite geschafft haben“, murmelte unüberhörbar ein anderer, „Schätze, die eigentlich der Krone zustanden und gehörten.“

„Ach, das ist der Killigrew?“

Irgendwo an der langen Tafel wurde leise und hämisch gekichert. Zwei gekkenhaft gekleidete Männer zwinkerten sich zu.

Hasard musterte sie eisig. Von ihm strömte eine eiskalte und gefährliche Atmosphäre aus, die den stutzerhaft gekleideten Kapitän schlagartig verstummen ließ.

Einen kurzen Augenblick sah er in die eisblauen Augen, dann blickte er auf die Tafel, scharrte mit den Füßen und begann unruhig zu werden, als der Blick des Seewolfs immer noch unheilverkündend auf ihm hing.

„Gentlemen“, sagte Drake kalt, „ich wünsche hier keine Reibereien und keinen Streit. Ich muß Sie bitten, sich zusammenzunehmen. Falls Sie persönliche Differenzen haben, dann tragen sie die nicht hier aus! Ich habe eine Lagebesprechung angesetzt und keinen Klatschabend.“

Die Männer schwiegen sofort. Aber dem Seewolf entging nicht das versteckte Grinsen, mit dem sie zum Ausdruck brachten, wie sie über ihn dachten.

Er sah sie lange an, einen nach dem anderen unterzog er eine genaue Musterung.

Nein, er paßte nicht mehr in diese Kreise und fühlte sich beileibe nicht wohl. Dan O’Flynn hatte das ganz richtig gesehen. Hier saßen wirklich verstaubte karrieresüchtige Burschen herum, die sich von den Höflingen, Intriganten und Lordschaften wie Pembroke kaum unterschieden. In Plüsch und Pomp, Samt und Seide saßen sie da, verstaubten Marionetten ähnlich, die man auf irgendeinem Speicher oder Keller vergessen hatte. Engstirnige, bornierte Gents, voller Überheblichkeit, die mit Macht nach oben drängten, zur Spitze gehören wollten und auf ihrem Weg nach oben keine Hinterhältigkeit scheuten.

Lediglich dieser Borough unterschied sich von ihnen deutlich. Das schien ein aufrechter, ehrlicher und offener Mann zu sein, mit klaren Augen und geradem Blick, der nicht den Kopf senkte oder dämlich grinste, wenn man ihn ansah.

Auch die Kapitäne der Kauffahrer unterschieden sich nicht sonderlich von den anderen. Sie hatten die Gelegenheit beim Schopf gepackt und gierten nach Ruhm, Beute und Ansehen. Nach Hasards Ansicht waren es Leisetreter, die den offenen, ehrlichen Kampf scheuten und nur aus dem Hintergrund operierten.

Seine Lippen kräuselten sich verächtlich, und als Kapitän Borough das sah, und die Gedanken hinter der Stirn des Seewolfs zu erkennen glaubte, da begann er plötzlich zu lächeln, und nickte Hasard ein zweites Mal freundlich zu.

Der Seewolf gab dieses Lächeln zurück. Zwischen den beiden Männern bestand ein plötzliches Einvernehmen und Verstehen.

Drake hatte spanischen Rotwein kredenzen lassen und nahm am Kopfende der Tafel Platz.

„Ich möchte Ihnen jetzt mitteilen, um was es geht, meine Herren“, sagte er. „Unser Verband wird weitersegeln in Richtung Cadiz. Dort werden wir blitzartig den Hafen überfallen und angreifen. Für seine Allerkatholischste Majestät, König Philip, wird das ein überraschender Schlag sein, trotz allem, was ich bisher gehört habe, was uns aber nur am Rande interessiert. Ich halte es zu einem großen Teil für Gerüchte. Angeblich ist man unterrichtet, daß ein englischer Verband unterwegs sei, wie Kapitän Killigrew andeutete.“

Hasard rührte sich nicht. Er hob den Becher und trank einen Schluck. Über den Rand des Bechers sah er dabei Francis Drake genau in die Augen.

„Cadiz also“, sagte Borough mit seiner klaren Stimme. „Das wird den Dons sicher einen Schock versetzen. Dürfen wir über das Vorgehen mehr erfahren, Sir? Einzelheiten, wie wir operieren, wie sich der Verband aufgliedert, und was der Dinge mehr sind.“

Drake musterte den Kapitän, der als siegreicher Führer eines Seegefechtes gegen die Dänen hervorgegangen war, und dabei ausgezeichnete Qualitäten bewiesen hatte.

„Ich sagte, wir überfallen Cadiz, Kapitän Borough“, erwiderte Drake scharf. „Das genügt vorerst.“

„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen widerspreche, Sir“, sagte der Kapitän ruhig. „Aber wenn wir den Hafen überfallen und angreifen, dann muß dem ein detaillierter Plan zugrunde liegen. Aus diesem Grund bitte ich um nähere Einzelheiten. Es erscheint mir gelinde gesagt, absurd, Sir, wenn wir im ganzen Verband einfach drauflossegeln und jeder das tut, was ihm gerade einfällt.“

„Das erscheint Ihnen absurd?“ brauste Drake auf. „Ich habe Ihnen einen klaren und unmißverständlichen Befehl gegeben, Kapitän, und Sie wagen es von absurd zu sprechen! Für Einzelheiten haben wir vor Cadiz Zeit, noch sind wir nicht da.“

 

Hasard sah, wie Borough rot anlief und seinen Weinbrecher mit der Hand umkrampfte.

Sehr ruhig und gelassen hob Hasard den Kopf.

„Ich teile die Ansicht Kapitäns Borough“, sagte er. „Ich kenne auch den Hafen von Cadiz genau. Man hat mich in der Festung von Cadiz zum Tode durch Erschießen verurteilt, aber meine Männer haben dort eingegriffen und mir zur Flucht verholfen, bevor die Dons ihr Urteil vollstrecken konnten. Das liegt jedoch schon einige Jahre zurück und ist kaum noch einer Erwähnung wert. Etwas anderes interessiert in diesem Zusammenhang allerdings mehr, Sir!“

Er sah Drake an und erkannte, daß dem Admiral das alles überhaupt nicht paßte, denn Drake trommelte nervös mit den Fingern seiner Rechten auf der Tischplatte herum. Aber Hasard war das völlig gleichgültig, es galt, Drake vor einem schweren Fehler zu bewahren und unnötige Verluste an Menschenleben und Schiffen zu vermeiden.

„Ich mußte in einer Bucht etwa fünfzig Meilen südlich von Cadiz Schutz suchen, um nicht von den spanischen Verbänden entdeckt zu werden“, fuhr er fort und berichtete, was sich dort, und auch später, alles auf der Reede von Cadiz zugetragen hatte.

Drake starrte ihn an. Seine Gesichtsfarbe hatte eine unnatürliche Blässe angenommen.

„Sie wollen damit sagen, Mister Killigrew, daß Sie also insgesamt drei der großen spanischen Zweidekker, unter ihnen die Admirals-Galeone, versenkt haben?“

Der Seewolf nickte kühl und warf gleichzeitig einen Blick auf Borough, der sich interessiert vorgeneigt hatte und ihn mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen ansah.

Drake sprang auf, er konnte sich nicht mehr beherrschen.

„Wissen Sie eigentlich, Mister Killigrew, daß Sie mit Ihrer Eigenmächtigkeit mein ganzes Unternehmen gefährdet haben?“ schrie er außer sich vor Wut. „Ich werde Sie …“

Auch der Seewolf hatte sich erhoben und blitzte Drake an.

„Nichts werden Sie, Admiral, gar nichts. Von einer Eigenmächtigkeit meinerseits kann gar keine Rede sein, denn ich habe nicht gewußt, daß Sie mit Ihrem Verband in diesen Gewässern kreuzen. Trotzdem rate ich Ihnen, von Ihrem Plan Abstand zu nehmen. Die Spanier sind durch den Verlust ihrer drei Schiffe gewarnt, die Reede von Cadiz wird bestimmt überwacht – ich denke an Galeeren. Wenn Sie so vorgehen, wie Sie das vorhaben, dann wird es bei Ihnen schwere Verluste geben. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen, Sir.“

Drake atmete schwer. Dann blickte er Hasard kühl an.

„Das alles war sehr interessant und aufschlußreich, Mister Killigrew“, sagte er eisig, „aber auch ich kenne den Hafen und habe die Details im Kopf. Es ist also nicht nötig, daß Sie mir Angriffsvorschläge unterbreiten. Ich danke Ihnen trotzdem für Ihr Engagement.“

Er warf Hasard einen verletzenden Blick zu und freute sich insgeheim, dem Seewolf eine der vielen Ohrfeigen, die er erhalten hatte, zurückgegeben zu haben.

„Keine Ursache“, sagte Hasard ebenso kalt. „Dann darf ich mich wohl von Bord melden.“

„Heißt das, Sie haben nicht die Absicht, für England zu kämpfen?“ rief Drake mit rotem Kopf.

„Sie haben mich mißverstanden, Admiral. Natürlich werde ich jederzeit für England kämpfen, aber ich möchte nicht das Leben meiner Männer vorsätzlich gefährden, indem ich mich einem närrischen, planlosen Unternehmen anschließe. Ich sehe darin leider keinen Sinn, Sir! Es war mir ein Vergnügen, Gentlemen.“

Aus den Augenwinkeln registrierte Hasard, wie die erlauchten Gentlemen in eine merkwürdige Starre verfielen, wie Drake einen puterroten Kopf kriegte und pausenlos schluckte und Kapitän William Borough ganz offen grinste und alle Mühe hatte, über Killigrews Worte nicht laut zu lachen.

Drake stand wie festgeschraubt am Tisch, sah ihm wütend nach und setzte sich empört, als Hasard den Raum verließ.

Nein, dachte der Seewolf, als er zur Kuhl ging, Konzepte dieser Art behagen mir ganz und gar nicht. Entweder legt Drake seine Karten offen auf den Tisch, so daß man jederzeit mitspielen kann, oder aber er deckt sie zu und spielt allein weiter. Deshalb setze ich nicht das Leben meiner Männer aufs Spiel. Das hieße nichts anderes, als Drake blindlings in seinem Kielwasser zu folgen und den Affen zu spielen.

Ein leichtes Lächeln lag auf Hasards Lippen, als er ins Boot stieg und sich zurückpullen ließ.

„Das ging aber schnell“, sagte Ed. „Veranstalten die anderen jetzt einen Saufabend?“

„Sie begnügen sich mit dummem Geschwafel und hören einem störrischen Hitzkopf zu, der gar nicht daran denkt, sie in seine Pläne einzuweihen. Ich habe die Karten hingeschmissen, Ed. Wir gehen ankerauf und lösen uns von dem Verband.“

„Richtigen Streit mit Drake?“ fragte der Profos.

„Meinungsverschiedenheiten. Wir haben grundlegend andere Ansichten. Während Drake irgendwo dort oben auf dem Mond hockt, stehe ich noch auf der Erde. Wir heizen den Dons selbst ein und gehen Kurs auf Cadiz.“

„Das wird Drake aber freuen, Sir.“

„Sicher, er hatte ja schon lange nichts mehr zu lachen. Mir ist dieses bornierte Hornochsengeschwader zuwider, bis auf eine Ausnahme, und das ist Kapitän Borough. Der nimmt kein Blatt vor den Mund und wird mit Drake noch öfter zusammenrasseln.“

Auf der „Isabella“ wurden kurz darauf der Anker gehievt und die Segel gesetzt.

In diesem Augenblick sah Hasard auch, wie Kapitän Borough über das Deck stürmte und das Flaggschiff verließ. Die anderen blieben noch und redeten Drake vermutlich so nach dem Maul, wie er es wünschte.

Außerdem hatte Drake schamhaft verschwiegen, auf welche Art und Weise er den Seewolf erneut kennengelernt hatte. Von der Sandbank und der blamablen Niederlage war kein einziges Wort gefallen, das hatte Drake immer noch nicht verkraftet.

Während die „Isabella“ weiterhin Südkurs lief, ließ der Seewolf vor seinem geistigen Auge noch einmal den Hafen Cadiz erstehen und überlegte sein Vorgehen.

Es wurde mit der gesamten Mannschaft genau besprochen.

Am 28. April 1587 erreichte die Galeone spät nach Mitternacht den Hafen und schlich ungesehen in eine winzige Nebenbucht südlich von Puerto de Santa Maria, genau der Stadt und Festung von Cadiz gegenüber. Dort versteckte sie sich und ging vor Anker. Zu dieser Zeit hielt Drake die zweite Besprechung ab und rasselte prompt mit Kapitän Borough zusammen.

„Sobald wir Cadiz erreichen“, sagte Drake, „wird es blitzartig und nach alter Freibeuter-Art überfallen, Gentlemen. Und damit Schluß und basta.“

„Ich muß Ihnen noch einmal widersprechen, Sir“, sagte Borough zum Entsetzen der anderen Kapitäne. „Ich sehe in diesem Überfall keinen richtigen Sinn, er scheint mir zu konzeptlos. Ich schließe mich der Meinung des offenbar sehr überlegt handelnden Kapitäns Killigrew voll und ganz an. Der Mann denkt in ganz anderen Dimensionen, er plant sorgfältig, wägt ab und trifft dann seine Entscheidung. Das hat ihn auch bis heute am Leben erhalten, und ich bedaure es zutiefst, daß er uns verlassen hat und weitersegelte. Sie hätten auf ihn hören sollen, Sir!“

„Zum Teufel!“ brauste Drake auf. „Ich befehlige das Flaggschiff, Kapitän Borough, und ich verbitte mir jede Einmischung von Ihrer Seite. Ihr Befehl lautet ganz einfach und verständlich, dem Flaggschiff zu folgen, nicht mehr und nicht weniger.“

„Und was sollen wir sonst noch tun, wenn wir dem Flaggschiff folgen, Sir?“ fragte der Kapitän aufsässig.

„Sie sollen auf alle Spanier, die Sie sehen, feuern. Zu was, zum Teufel, haben Sie denn Ihre Kanonen!“

Borough verzog das Gesicht und ließ seinen Blick über die anderen Gesichter wandern, die zu jedem Wort Drakes nur nickten.

„Schön“, sagte er patzig, „dem Flaggschiff folgen und auf jeden Spanier feuern, sehr einleuchtend, Sir.“

„Damit ist die Besprechung beendet, Gentlemen“, sagte Drake. „Ich hoffe, Sie haben nun auch endlich begriffen, Kapitän.“

„Aye, Sir, jedes Wort. Es war ein völlig klarer Befehl, und demnach kann auch nichts schiefgehen.“