Seewölfe - Piraten der Weltmeere 467

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 467
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-875-1

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Auf Beutekurs

Der Konvoi zog nordwärts – bis die Seewölfe zuschlugen

Don Lope de Sanamonte, Kommandant von Fort St. Augustine, blies zur großen Jagd auf die beiden Ausbrecher, von denen ihn allerdings nur der „ketzerische Hugenotte“ interessierte, der ein Kumpan des berüchtigten Seewolfs zu sein schien. Und da Don Lope seine Offiziere und Soldaten für Idioten hielt, leitete er selbst die „Jagd“ – hoch zu Pferde, versteht sich. Vom hohen Roß holten ihn denn auch die beiden Ausbrecher herunter, und da war es aus mit der großen Jagd. Jetzt bestimmten Jean Ribault und Roger Lutz das Geschehen, das darin gipfelte, die eigene Crew aus dem Festungskerker zu befreien, die Kriegskaravelle „Chubasco“ im Hafen zu besetzen und auf See zu verschwinden. Und als dann Breitseiten donnerten, war das Spiel für Don Lope verloren …

Die Hauptpersonen des Romans:

Ben Brighton – sichtet als Kapitän der „Chubasco“ einen Geleitzug und muß eine Entscheidung treffen.

Don Juan de Alcazar – besorgt auf der „Chubasco“ die Navigation und steuert auf den Punkt.

Thorfin Njal – geht mal wieder hart ran mit seinem düsteren Viermaster.

Philip Hasard Killigrew – entwickelt die Taktik für eine Geleitzugschlacht.

Mac O’Higgins – ein irischer Bootsmann, der „von der Fahne“ geht.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Die beiden Lampen, die das Mannschaftslogis der „Chubasco“ erhellten, waren in ihrer Form ungewöhnlich. Aus Bleiglas waren große, eiförmige Behälter hergestellt worden, die wie Vogelkäfige aussahen und lotrecht zwischen Spanten und Planken befestigt waren. Die Öllichter brannten mit stetiger Flamme in den Käfigen. Raffiniert angelegte Frischluftkanäle führten offenbar vom Hauptdeck bis hinunter in die Lampenkäfige. Die neuen Eigner der ehemals spanischen Kriegskaravelle hatten noch keine Gelegenheit gehabt, solche Einzelheiten näher zu ergründen.

Die Männer hockten beiderseits einer blankgescheuerten Planke, die als Tisch diente. Ihre Mucks waren mit Dünnbier gefüllt, ein Krug zum Nachschenken stand bereit. Sie kauten auf Brotkanten und bissen von geräucherter Dauerwurst ab, aus der das Fett triefte.

Regenschauer hatten die Männer von der Kuhl vertrieben. Der April des Jahres 1595 ging im Seegebiet nördlich der Kleinen Bahama Bank auf eine Art und Weise zu Ende, wie er seinem Namen in England kaum besser Ehre gemacht hätte.

Seit sie sich von Hasard, dem Wikinger und Jean Ribault getrennt hatten, lag die „Chubasco“ auf südöstlichem Kurs. Während sich die Männer für die Nacht stärkten, nahm Ben Brighton in der Kapitänskammer die letzten Logbuch-Eintragungen unter dem Datum des 30. April vor. Welch einen Tanz in den Mai es noch geben sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt keiner der dreizehn Männer, die unter Ben Brightons Kommando an Bord der erbeuteten Kriegskaravelle fuhren.

Bill, the Deadhead, nahm einen gurgelnden Schluck und stellte seine Muck krachend auf die Planke.

„Wir kriegen anderes Wetter“, behauptete er.

Die anderen blickten ihn an – kauend, schluckend, grinsend. Sie kannten den grobschlächtigen Mann aus der Crew Thorfin Njals zur Genüge. Manchmal, wenn es ihn irgendwo piekte, redete er etwas daher, nur, um Streit anzufangen. Seinen Namen hatte er von dem handtellergroßen Totenkopf aus Gold, den er an einer groben Halskette trug.

„Wenn der Hahn kräht auf dem Mist“, sagte Barry Winston, der glatzköpfige Engländer, „ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie’s ist. Ist ’ne alte Bauernregel. Gilt aber auch auf See. Ich habe mir von Ed Carberry sagen lassen, daß die Hühner auf der ‚Golden Hen‘ verdammt gute Wetterfrösche wären. Auf die könne man sich voll und ganz verlassen, wenn …“

„Red’ keinen Stuß“, knurrte Bill, the Deadhead. „Wenn ich sage, wir kriegen anderes Wetter, dann ist das nicht aus der Luft gegriffen. Klar?“ Herausfordernd blickte er in die Runde. „Ich kann so was nämlich begründen. Das haben schon Gelehrte herausgefunden. Man muß sich nur mal bemühen, auf die kleinen Dinge im Leben zu achten.“

„Was für Dinger denn?“ fragte Tammy begriffsstutzig. Der stiernackige Kreole mit der Hasenscharte würgte ein Stück Dauerwurst fast unzerkaut herunter.

„Nicht Dinger – Dinge, du Blödmann!“ sagte the Deadhead fauchend. „Es gibt Zeichen aus der Natur, und die haben verdammt nichts mit dem alten O’Flynn und seinen Spukgeschichten zu tun. Ich rede davon!“ Er deutete mit schulmeisterhaftem Zeigefinger auf einen der Lampenkäfige.

Die Männer starrten den Bleiglasbehälter und das Öllicht an, konnten aber nichts Ungewöhnliches daran feststellen.

„Erstklassige Handwerksarbeit“, sagte Pedro Ortiz, der schwarzhaarige Portugiese.

„Fragt sich nur, was das Motiv war“, fügte Diego Valeras hinzu, der wie ein Bruder Pedros aussah. „Haben unsere verehrten Vorgänger die Kästen so aufwendig gebaut, weil sie ihr Können beweisen wollten? Oder war es eher ein besonderes Sicherheitsbedürfnis?“

Die anderen bewegten nachdenklich die Köpfe hin und her. Als ein Mann, der lesen und schreiben konnte, wurde Diego stets ernst genommen. Was er sagte, hatte Hand und Fuß, das hatten die Männer aus der Wikinger-Crew mehr als einmal feststellen können.

„Ist doch völlig egal“, erklärte the Deadhead und würgte damit die von Valeras in Gang gesetzten Überlegungen ab. „Ihr habt es eben noch nicht gelernt, eure Klüsen richtig zu benutzen. Seht euch die Flamme an, nur die Flamme.“ Beinahe lauernd blickte er einen nach dem anderen an – so, als sei er der erfahrene Schulmeister, dem es nun endlich zu glücken schien, die ihm anvertraute Horde von tumben Bälgern auf den richtigen Weg zu führen.

Der hagere, dunkelhaarige Engländer, den alle nur als den Boston-Mann kannten, räusperte sich. Seine Miene drückte Unwillen aus. Jeder wußte, daß er äußerst schweigsam war und nur dann redete, wenn es wirklich sein mußte.

„Die Flamme brennt ruhig und gleichmäßig, Bill“, sagte er. „Mehr ist daran nicht festzustellen.“

„O doch“, widersprach der Mann mit dem goldenen Totenkopf auftrumpfend. Er lächelte überlegen und gab damit zu verstehen, daß er nun die Katze aus dem Sack lasse. „Es ist die Farbe der Flamme, versteht ihr? Die Farbe! Bis vor ein paar Minuten war die Flamme noch dunkelrot. Jetzt ist sie hellrot. Das ist der Punkt.“

„Aha“, sagte Barry Winston trocken. „Und was für Wetter bedeutet hellrot?“

„Sauwetter“, antwortete the Deadhead grinsend. „Vom Regenguß bis zum Hurrikan ist da alles möglich. Wartet’s ab.“

Schweigen kehrte ein. Niemand vermochte dem Mann mit dem Totenkopf zu widersprechen. Denn niemand hatte darauf geachtet, wie die Flamme der Ölfunzel vorher ausgesehen hatte. Also ließ man dem grinsenden Wetterpropheten sein Vergnügen und vermied damit einen möglichen Streit, von dem man nicht wußte, ob Bill ihn vielleicht doch im Hinterkopf hatte.

Der Boston-Mann hatte die nötige Autorität, um das Thema zu wechseln.

„Was auch passiert“, sagte er, „mit diesem Schiffchen werden wir nicht viel Verdruß haben.“

Die anderen nickten zustimmend.

„Mal was anderes“, sagte Pedro Ortiz. „Richtig schön, so eine schnelle Ziege unter den Füßen zu haben. Wenn man an unseren klotzigen Viermaster denkt, weiß man das erst richtig zu schätzen.“

„Soll das heißen, der Schwarze Segler paßt dir nicht mehr?“ sagte Bill, the Deadhead, aufbrausend.

Pedro Ortiz hieb mit der Faust auf die Planke.

„Nein, zum Teufel, das soll es nicht heißen. Wenn du von anderen erwartest, daß sie genau hinsehen sollen, dann solltest du dir besser die Ohren waschen. Ich habe gesagt, es ist mal was anderes. Ich bin nicht so dämlich, um nicht zu wissen, was wir an dem Schwarzen Segler haben. Begriffen?“

Bill, the Deadhead, starrte den Portugiesen an. Weder Pedro noch einer der anderen krochen ins Mauseloch, damit sie ihre Ruhe hatten. Zu sehr konnte man sie nicht herausfordern. Das mußte auch Bill begreifen. Er durfte nicht übertreiben. Und Pedro, dieser Prachtkerl von der iberischen Halbinsel, schien in der Stimmung zu sein, ein bißchen mit seinem Messer zu zaubern. Das ließen jedenfalls seine zornig blitzenden Augen vermuten. Nein, man durfte es wirklich nicht auf die Spitze treiben.

„Schon gut, reg dich ab“, sagte der Totenkopf-Mann einlenkend. „Mir geht’s ja nicht anders als dir, Pedro. Stell dir vor, du lebst an Land und hast jahrelang eine fette Schwarzhaarige als Eheweib. Plötzlich läuft dir eine schlanke Blonde über den Weg. Wer würde da nicht mal die Abwechslung genießen?“

 

Die Männer lachten schallend.

Barry Winston goß den restlichen Inhalt des Kruges in seine Muck.

„Wie steht’s eigentlich mit den Getränkevorräten an Bord? Ich meine, haben unsere Vorgänger vielleicht irgendwo heimliche Reserven angelegt? Könnte doch sein, daß da irgendwo in der Kielschweingegend ein feines Faß mit spanischem Rotwein schlummert.“

„Da müßten die Dons ganz schön blöd gewesen sein“, entgegnete Tammy. „So was Feines hat man doch immer in Reichweite.“

Wieder gab es dröhnendes Gelächter. Die Stimmung war nach den Geschehnissen um Fort St. Augustine bestens. Ein großer Erfolg war es gewesen, die spanischen Festungsanlagen mit ein paar wohlgezielten Breitseiten zu zerdonnern. Dabei waren denn auch die Hafenanlagen und die noch vorhandenen Kriegsschiffe gleich mit in Stücke geschossen worden.

Die „Golden Hen“ mit Jean Ribault und seiner Crew sowie Renke Eggens und fünf Mann von der „Wappen von Kolberg“ befand sich auf dem Marsch nach Havanna. Nachdem dies auf Anhieb nicht geglückt war, galt es nun endlich, Arne von Manteuffel über den neuen Stützpunkt zu unterrichten. Nach dem Untergang der Schlangen-Insel hatte der Bund der Korsaren einen neuen Schlupfwinkel in der Cherokee-Bucht an der Ostseite von Great Abaco gefunden. Wichtig war in erster Linie der Aufbau der neuen Brieftaubenverbindung von Havanna zum neuen Stützpunkt.

Aufgabe der „Chubasco“ unter Ben Brighton war es, die Cherokee-Bucht anzulaufen und den Stützpunkt zu verstärken. Die Kriegskaravelle, von Jean Ribault und seinen Männern erbeutet, war für den Bund der Korsaren ein wertvoller Zuwachs – armiert mit immerhin acht Culverinen und zwölf Drehbassen je Seite.

Tammy, der Kreole, erklärte sich bereit, gemeinsam mit Barry Winston eine Kurz-Erforschung der möglicherweise versteckten Vorräte an Trinkbarem vorzunehmen.

Mit einer Laterne ausgerüstet, krochen die beiden Männer durch die Unterdecksräume.

Tammy hüstelte, als sie sich in der Segellast kurz umgesehen hatten.

„Nichts wie weg hier, Barry. Hier ist die Luft staubtrocken.“

Der Engländer nickte bereitwillig. Nirgendwo zwischen dem gerollten und gestapelten Tuch gab es auch nur eine Spur von gebräuntem Faßholz.

Sie drangen weiter vor: Auf dem Weg in Richtung Vorschiff erreichten sie kurze Zeit später die Vorpiek. Das Rauschen des Wassers, das vom schlanken Bug der „Chubasco“ zerschnitten wurde, war hier deutlicher zu hören als in den übrigen Unterdecksräumen. Das stete Geräusch verdeutlichte, welch gute Fahrt die Karavelle lief.

Und da war ein Schmatzen und Gurgeln, das von Zeit zu Zeit das Gleichmaß des Rauschens störte. Wenn man sich in die Gedankenwelt des Old Donegal Daniel O’Flynn versetzte, war man nicht fern von der leisen Ahnung, daß da draußen, außerhalb des Schiffsrumpfes, ein lebendiges, unheimliches Wesen gegen die Beplankung anrannte.

Ja, glaubte man solchen Schauermärchen, dann war das Meer ein heimtückisches Ungeheuer, das nur darauf wartete, einen Angriffspunkt zu finden, um sich des erbärmlichen Menschenwerks zu bemächtigen, das da „Schiff“ genannt wurde.

„Nicht gerade gemütlich hier“, sagte der Kreole erschauernd.

Barry Winston nickte nur. Er wußte haargenau, was sein Gefährte dachte. Es kam immer darauf an, wie man die Dinge betrachtete. Hatte man den genügenden Abstand, dann war ein Leck eben ein Leck, durch das es logischerweise hereinsuppte. Hockte man aber beispielsweise in so einer stinkigen und feuchten Vorpiek, hilflos, gefangen, dann waren einem die krausen Gedankenbilder wahrhaftig nicht fern.

Dann wurde aus dem Leck eine furchtbare Wunde im schlanken Schiffsleib, und aus stinknormalem Salzwasser wurde jenes Ungeheuer, das seine Pranke in den waidwunden Leib hieb, hineindrängte und immer wieder neu zuhieb. Ein brüllendes und tobendes Monstrum war es dann, das wieder und wieder gegen den von Menschenhand geschaffenen hölzernen Körper anrannte.

„Möchte nicht wissen“, sagte Barry Winston gedehnt, „wie viele Gefangene die Dons hier unten haben krepieren lassen.“

Tammy zog unwillkürlich den Kopf zwischen die Schultern.

„Du meinst – einfach verhungern lassen?“

„Was denn sonst? Nun tu bloß nicht so, als ob du die Dons nur vom Hörensagen kennst.“

Tammy senkte die Laterne ein Stück tiefer, um Spanten und Beplankung zu untersuchen.

„Schwarze Schafe gibt es überall“, murmelte er. „Nimm doch mal Don Juan de Alcazar. Glaubst du, der würde einen Gefangenen hilflos verhungern lassen?“

„Umgekehrt wird ein Schuh draus“, entgegnete Barry Winston grinsend. „Für die Mehrzahl der Spanier ist Don Juan ein schwarzes Schaf. Weil die Mehrzahl der Spanier raubt, plündert und mordet. Was treiben sie denn hier, in der Neuen Welt? Und hat nicht Don Juan am eigenen Leib erfahren, was es heißt, von seinen eigenen Landsleuten festgehalten zu werden?“

„Ja, schon, aber …“

„Kein Aber, Tammy. Wenn der gute alte Ed Carberry unseren spanischen Freund nicht aus dem Untergangsstrudel der ‚San Jorge‘ gefischt hätte, dann wäre es aus gewesen. Dieser Bastard de Moncayo hat ihn doch mit voller Absicht nicht aus dem Kabelgatt befreit. Don Juan sollte elendiglich ersaufen. Und jetzt sagst du gleich wieder, dieser de Moncayo war natürlich nur ein schwarzes Schaf, was?“

„Bestimmt ist es so, Barry. Die Menschen sind doch nicht durchweg schlecht. Bei den Dons ist es wahrscheinlich bloß so, daß die Halunken das Sagen haben. Deshalb ist Don Juan ja auch ausgestiegen.“

Barry Winston schüttelte energisch den Kopf.

„Du kannst reden, was du willst. Für mich sind die Spanier ein Volk von schwarzen Schafen. Spanien – das ist Europas finsterster Winkel, mein Lieber. Von da kann gar nichts Gutes kommen.“

Tammy richtete sich auf und blinzelte verwirrt.

„Vorhin hast du noch gesagt, Don Juan wäre ein schwarzes Schaf. Wer denn nun?“

Der Engländer faßte sich an die Stirn.

„Mann! Warum versuche ich bloß, dir irgendwas zu erklären! Da strengt man sich an, dir was begreiflich zu machen, und du hörst gar nicht richtig zu.“

Tammy schüttelte energisch den Kopf.

„Irrtum, Mister Winston. Ich hab schon genau zugehört. Nur widersprichst du dir. Erst ist Don Juan ein schwarzes Schaf und dann alle anderen. Scheint so, als ob du nicht genau weißt, was du willst.“

Barry Winston holte tief Luft und wollte noch etwas sagen, gab es aber auf. Kopfschüttelnd beobachtete er seinen Gefährten, wie dieser fortfuhr, die Oberfläche des Holzes zu betasten.

„Hör mal“, sagte der Engländer nach einer Weile. „Wollten wir nach was Trinkbarem suchen oder nach Fleisch?“

Tammy sah beinahe erschrocken aus, als er sich aufrichtete.

„Fleisch?“

„Klar. Sieht doch so aus, als ob du Bohrwürmer aufspürst, nicht?“

Einen Moment sah ihn der Kreole aus großen Augen an. Dann prustete er los, brach in schallendes Gelächter aus und konnte sich kaum wieder beruhigen.

„Bohrwürmer! Fleisch! Mann, du bist vielleicht gut!“ Es dauerte eine Weile, bis Tammy sich von seinem Keuchen erholt hatte. „Nein, im Ernst, ich hab nur mal das Holz befühlt. Meinst du, daß dieses Schiffchen aus einheimischem Holz gebaut ist?“

„Woher soll ich das wissen?“ Winston zog die Schultern hoch. „Überlaß das Hesekiel Ramsgate und den anderen Holzwürmern. Die wissen darüber besser Bescheid.“

„Hm.“ Der Kreole nickte, bückte sich und betastete das Holz von neuem. „Kommt mir nur so vor, als ob es sich anders anfühlt als europäisches Holz.“

„Himmel!“ sagte Barry Winston stöhnend. „Kann schon sein. Ist das denn so wich …“

„He!“ unterbrach ihn Tammy plötzlich aufgeregt. „Barry, hier! Fühl mal. Das ist wie – als ob einer was eingeschnitzt hat.“ Er senkte die Laterne noch tiefer, um seine Fundstelle besser zu beleuchten. „Buchstaben, Barry, das sind richtige Buchstaben.“

„Woher willst du das wissen? Seit wann kannst du lesen?“

„Ich weiß aber, wie die Dinger aussehen.“

„Also gut, in Ordnung“, sagte der Engländer mit mühsam erzwungener Geduld. „Da hat einer Buchstaben in ein Spant geritzt. Vielleicht ist es ein dreckiger Witz. Kann doch sein, daß sich ein Gefangener die Zeit damit vertrieben hat. Stimmt’s?“

Tammy tastete weiter.

„Dann ist es aber ein sehr kurzer Witz, verehrter Mister Winston. Sind nämlich nur ein paar Worte.“

„Wie willst du das beurteilen? Es gibt Wörter, die haben nur zwei Buchstaben.“

Tammy wandte den Kopf und blickte zu ihm auf.

„Wenn Euer Lordschaft sich mal herbemühen würden? Wenn du schon immer alles besser weißt, dann kannst du mir deinen dreckigen Witz wenigstens vorlesen.“

Tief seufzend, als müsse er ein schweres Los erdulden, ging der glatzköpfige Engländer in die Knie und sah sich die Stelle an, die der Kreole entdeckt hatte.

Nach ein paar Sekunden runzelte Winston die Stirn.

„Hm – hm …“

„Ist das alles?“ Tammy kratzte sich mit der freien Hand am Hinterkopf. Er imitierte den grunzenden Lautklang seines englischen Gefährten. „Hm – hm – das steht da wirklich?“

„Unsinn“, sagte Barry Winston, ohne sich umzudrehen. „Das ist irgend so ein spanischer Dialekt. Muß ich erst mal rauskriegen.“

„Wenn du die Stelle hast, an der gelacht werden muß, sag Bescheid.“

Winston knurrte nur unwillig. Dann, in den nächsten Sekunden war er vollständig in seine Entzifferungsarbeit vertieft. Schließlich richtete er sich auf, und seine Miene war wie versteinert.

„Das ist kein Witz“, sagte er tonlos.

„Danach siehst du auch nicht aus“, entgegnete Tammy trocken.

„Tammy“, Winston packte ihn an der Schulter, „was du da gefunden hast, das sind die letzten Worte irgend so eines armen Schweins.“

„Von einem, der hier unten verhungert ist?“

„Schon möglich.“ Barry Winston schluckte, und sein Adamsapfel bewegte sich ruckend auf und ab.

Der Kreole schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

„Du gefällst mir gar nicht mehr, Mister Winston. Siehst richtig bleich und mitgenommen aus. Wenn ich nicht die ganze Zeit bei dir gewesen wäre, würde ich meinen, dir sei gerade der Geist deines eigenen Urgroßvaters begegnet.“

„Ich glaube nicht an Geister und solchen faulen Zauber“, entgegnete Winston giftig.

„Was bringt dich dann aus dem Häuschen?“

Barry Winston schluckte noch einmal. Er packte Tammys Schulter fester und schüttelte ihn.

„Tammy, das ist ein Fluch!“

„Ein Fluch?“

„Ja, zum Teufel!“ brüllte der Kahlkopf entnervt. „Muß man dir denn immer alles zweimal sagen?“

„Sehe ich so aus?“ erwiderte der Kreole beleidigt. „Also, was ist es?“

Winston senkte seine Stimme zum Flüsterton.

„Verflucht seien Kapitän und Mannschaft, Tammy.“

Der Kreole stierte ihn an.

„Um Himmels willen, wie kannst du so was sagen!“

Barry Winston verdrehte die Augen.

„Der Himmel steh mir bei!“ schrie er. „Das sage nicht ich, du Blindfisch! Das hat das arme Schwein geschrieben! Geritzt! Ins Holz! Kapiert?“

„Ach, nein“, sagte Tammy grinsend. „Dein dreckiger Witz? Sieht so aus, als ob du’s jetzt gar nicht mehr zum Lachen findest.“

„Nein“, fauchte der Engländer. „Sieht so aus! Vielleicht hämmerst du mal in deinen Quadratschädel, was das bedeutet. Hier hat einer Kapitän und Mannschaft verflucht. Kapitän und Mannschaft dieses Schiffes!“

„Na und?“ entgegnete Tammy nüchtern. „Was geht uns das an?“

Winston verdrehte abermals die Augen.

„Gehören wir nicht zur Mannschaft dieses Schiffes? Und ist Ben Brighton nicht unser Kapitän?“

„Mann“, sagte Tammy fassungslos. „Jetzt haut mich’s aber aus den Stulpen. Hast wohl dem alten O’Flynn zuviel gelauscht, was? Am besten, du marschierst gleich los und sagst Ben Bescheid.“ Tammy rollte mit den Augen und ahmte mit Kopfstimme den Tonfall eines verängstigten kleinen Mädchens nach. „Sir, mit Verlaub, Sir, sehen Sie bloß nicht zu genau hin. Ich habe nämlich gerade die Hosen voll. Aber das liegt daran, daß ich ein furchtbares Geheimnis entdeckt habe. O ja, Sir, wir stehen alle unter einem bösen, bösen Fluch. Wir sind dem Untergang geweiht, Sir. Wir werden alle …“ Tammy brach ab und schaffte es gerade noch, einem Fausthieb seines Gefährten zu entgehen.

Dann brachen sie beide in röhrendes Gelächter aus.

 

„Da sucht man spanischen Wein“, sagte Barry Winston schnaufend, „und was findet man? Einen dreckigen spanischen Witz!“

„Verdammt, ja“, kicherte Tammy. „Ein richtiger Witzbold muß das gewesen sein, der hier unten seinen letzten Seufzer getan hat.“

Keiner der beiden Männer wollte zugeben, daß ein leichtes Unbehagen blieb, als sie die Vorpiek verließen und sorgfältig wieder abschotteten.

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