Die Kolonie Tongalen

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3.

Marac Kresnan war ein gewöhnlicher Bürger von Curanien und lebte mit Frau, Tochter und Sohn etwas außerhalb der Hauptstadt Curania.

Seine Eltern hatten die Gründung des Staats noch miterlebt, waren jedoch einige Jahre später gestorben. Nachdem sie auf der Erde unter größter Armut ein kümmerliches Dasein gefristet hatten, bauten sie sich in Curanien eine neue Existenz auf.

Marac und seine Familie waren, wie schon seine Eltern und alle Curaner, sehr gläubige Menschen, die streng auf Sitte und Moral achteten. Sie glaubten an ein Leben nach dem Tod und an die Heilige Dreifaltigkeit.

Marac, der einzige Sohn, hatte nach dem Tod seiner Eltern das Haus übernommen. Er verdiente seinen Unterhalt mit dem Verkauf von Nahrungsmitteln, die in den ländlichen Gebieten produziert wurden. Daher hatte er meist in den Städten zu tun, wo er seine Erzeugnisse anbot.

Sein Unternehmen wuchs zusehends, denn er hatte ein feines Gespür für die Bedürfnisse der Menschen. Diese Eigenschaft verhalf ihm sogar zu einer kleinen Niederlassung auf der Erde, da man auch dort auf die Qualität seiner Produkte aufmerksam geworden war.

Das Unglück, welches sein ganzes Leben in eine völlig andere Bahn lenken sollte, geschah zu einem Zeitpunkt, als er sich geschäftlich auf der Erde aufhielt.

Ein gewaltiges Seebeben erschütterte die südliche Hemisphäre des großen Ozeans von TONGA-II. Auf dem Meeresgrund schoben sich zwei tektonische Platten übereinander und hoben sich gegenseitig mehrere Dutzend Meter an. Die dadurch entstandene Wasserverdrängung löste einen gigantischen Tsunami aus.

Eine Flutwelle von fast hundert Metern Höhe breitete sich mit über eintausend Kilometern pro Stunde als konzentrischer Ring vom Epizentrum des Bebens aus.

Kurz bevor die Welle auf den Kontinent traf, zog sich das Meer mehrere Hundert Meter zurück, bevor die gewaltige Wasserwand einige Minuten später herangebraust kam.

Nichts konnte dieser Urgewalt standhalten. Häuser, Fabriken, Brücken und Bauten jeglicher Art sowie Pflanzen und Wälder wurden innerhalb weniger Sekunden dem Erdboden gleichgemacht, Menschen auf der Stelle erschlagen. Die Wassermassen drangen mehrere Hunderte Kilometer weit ins Landesinnere ein und verschonten nichts und niemanden.

Als Marac Kresnan von seiner Geschäftsreise von der Erde nach TONGA-II zurückkehrte, existierte Curanien nicht mehr. Der Tsunami hatte das gesamte Land und sämtliche Einwohner vernichtet. Eine riesige Schneise der Verwüstung, mehrere Hundert Kilometer in Breite und ebenfalls mehrere Hundert Kilometer weit ins Landesinnere reichend, war das Einzige, was übrig geblieben war.

Tongalen hingegen war bei dieser Katastrophe relativ glimpflich davongekommen. Die Ausläufer der Flutwelle hatten zwar auch die Nordküste des Kontinents erreicht, jedoch bereits in so abgeschwächter Form, dass außer einigen harmlosen Überschwemmungen keine nennenswerten Schäden entstanden waren.

Für Marac Kresnan brach die Welt zusammen. Er, der bisher das perfekte Leben gelebt, eine glückliche Familie und ein erfolgreiches Geschäft besessen, der bisher nie mit großen Rückschlägen, geschweige denn mit Katastrophen zu tun gehabt hatte, stand plötzlich vor dem Nichts.

Da, wo vor kurzem sein Haus gestanden, wo sich seine Firma befunden hatte, wo seine Kinder zur Schule gegangen waren, wo sich eine ganze Stadt erstreckt hatte, gab es nur noch Trümmer.

Eine Rückkehr war unmöglich.

Er flog zur Erde zurück. Seinen einzigen Besitz trug er am Körper und in seinem Gepäck. Die guten Geschäftsbeziehungen halfen ihm, hier Fuß zu fassen und so gut es ging zu überleben. Mit seinen dreiunddreißig Jahren hatte er sein Leben praktisch noch vor sich. Die neue Umgebung sollte es ihm einfacher machen, über den schmerzlichen Verlust hinwegzukommen.

In den nächsten Jahren schaffte er es, dank seinen guten Fähigkeiten als Vermittler, für sich alleine eine neue Existenz aufzubauen. Auch wenn ihm die von wirtschaftlicher Korruption und heuchlerischer Bigotterie geprägte Gesellschaft der Erde nicht behagte, hatte er TONGA-II nie wieder aufgesucht.

Curanien wurde nicht wieder aufgebaut. Man hielt das Risiko für zu groß, dass es noch einmal zu einer ähnlichen Katastrophe kommen könnte.

Tongalen hingegen blühte weiter auf. Es wurde ein Frühwarnsystem für unterseeische Beben und Tsunamis eingerichtet. Es blieb weiterhin ein religionsloses Land, geprägt von offener Meinungsäußerung und Freizügigkeit ohne falsche Tabus. Neue Kolonisten, die sich diesem Lebensstil nicht unterordnen konnten, bildeten eine kleine Minderheit.

Langsam geriet die Tatsache, dass Curanien je existiert hatte, in Vergessenheit.

4.

Ernest Walton saß in seiner Lieblingsbar im Raumhafen von Geneva und nippte an einem Glas Four Roses. Zum wiederholten Mal sah er auf seine Uhr, obwohl jedes Mal nicht mehr als ein paar wenige Minuten verstrichen waren, und stieß einen leisen Fluch aus.

»Pünktlichkeit scheint heute aus der Mode gekommen zu sein«, brummte er vor sich hin, doch niemand beachtete ihn.

Ernest Walton war ein Phänomen. Mit seinen hundertneunundzwanzig Jahren und dem Aussehen eines knapp Siebzigjährigen stellte er die Fachwelt vor ein Rätsel. Ärzte und Wissenschaftler vermuteten, er sei bei einem seiner Raumflüge in den Einflussbereich einer fremdartigen Strahlung geraten.

Mit seiner schlanken, eins achtzig großen Figur und dem silbergrauen Haar, das er im Nacken zu einem Zöpfchen zusammengebunden trug, hinterließ er einen kräftigen und drahtigen Eindruck. Doch in seinem Gesicht widerspiegelte sich ein sympathisches Wesen. Seine Augen strahlten Güte und Wärme aus. Seine Nase erinnerte an die eines stolzen Indianerhäuptlings.

Bis vor knapp dreißig Jahren hatte er Abenteuerromane geschrieben, die sich zu der damaligen Zeit in Form von digitalen Hörbüchern sehr gut verkauften. Dieses Medium war zwar ein Relikt aus der Zeit zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts, hatte sich jedoch erstaunlich lange halten können.

Ernest Walton hatte sich mit den Einnahmen seiner Romane eine beträchtliche Summe auf die Seite legen können, von der er bis heute nur einen kleinen Teil verbraucht hatte. Er benötigte im Leben nicht viel, um glücklich zu sein. Seine Bescheidenheit wurde allgemein geschätzt.

Als der Konsum von digitaler Hörliteratur unter den Menschen aus der Mode kam, vor allem jüngere Generationen immer mehr Interesse an technischen Spielzeugen zeigten, die man für alles Mögliche verwenden konnte, hatte er mit dem Schreiben aufgehört und beschlossen, selbst Abenteuer zu erleben. Dazu kaufte er sich von seinen Ersparnissen einen kleinen Raumgleiter und gründete das interstellare Transportunternehmen Space Hoppers Limited.

Sein Unternehmen hatte sich auf Aufträge spezialisiert, für die sich andere Transportunternehmen nicht interessierten oder sich wegen bestimmter Umstände oder mangelnder finanzieller Lukrativität zu schade waren.

Doch bald merkte Ernest, dass er sein Unternehmen nicht mehr alleine führen konnte, und bot seinem langjährigen Freund Eric Daniels an einzusteigen. Eric ließ sich nicht zweimal bitten.

Ernest leerte sein Glas, worauf der androide Barkeeper ihn fragte, ob er nachschenken dürfe. Ernest nickte und legte die Finger seiner rechten Hand auf den Zahlscanner, von denen es direkt in den Tresen integriert an jedem Sitzplatz einen gab. Mit dem kurzen Aufleuchten eines kleinen grünen Quadrats auf dem Display bestätigte das Gerät das Erkennen des Fingermusters. Ernest tippte seinen Geheimcode ein. Ein weiteres grünes Quadrat besagte, dass der Betrag für das Getränk von seinem Konto abgebucht worden war.

In dem Moment, als er das Glas an seine Lippen führte, setzte sich ein Mann in einer schäbigen Kunststoffjacke neben ihn, klappte sein Hoverboard zusammen und legte es unter den Sessel. Er war völlig außer Atem.

»Na endlich!« Ernest zeigte sich verstimmt. »Dachte schon, du kreuzt heute gar nicht mehr auf.«

Mark Henderson atmete ein paar Mal tief durch, bevor er antwortete. »Die ließen mich mit meinem Gleiter in der Luft hängen, konnte nicht landen. Anscheinend gab es irgendein technisches Problem.«

Kaum hatte Mark zu Sprechen begonnen, tänzelte auch schon der Barkeeper heran und fragte ihn mit seiner übertrieben freundlich klingenden Stimme: »Was darf ich Ihnen servieren?«

»Ein kaltes Bier, bitte«, antwortete Mark, worauf sich die synthetischen Hände des Roboters sogleich daran machten, ein Glas voll aus dem Hahn zu zapfen.

Als Ernest den Drink bezahlen wollte, winkte Henderson ab und erledigte dies mit seinen eigenen Fingerabdrücken. »Kommt nicht in Frage. Wenn ich schon zu spät komme, kann ich wenigstens meinen Drink selbst begleichen.« Dann hob er das Kunststoffglas und sagte: »Zum Wohl.«

Ernest hob ebenfalls sein noch halb volles Whiskyglas und murmelte: »Ich verstehe nicht, wie du dieses synthetische Zeugs trinken kannst.«

»Mir schmeckt’s. Du solltest dir lieber mal Gedanken über einen neuen Raumgleiter machen«, nuschelte Henderson, nachdem er das Glas zur Hälfte geleert und sich den Schaumstreifen an der Oberlippe mit dem Jackenärmel abgewischt hatte.

»Bei jedem neuen Auftrag nervst du mich damit. Der Kahn tut‘s noch allemal für mich. Mit den neuartigen Dingern komm ich sowieso nicht mehr klar. Die haben zu viel technischen Schnickschnack.«

»Ach, das ist gar nicht so schlimm. Du hättest es auf jeden Fall einfacher, und es wäre wesentlich sicherer. Ich mache mir jedes Mal Gedanken darüber, ob du von den Aufträgen überhaupt wieder zurückkehrst.«

»Bis jetzt hab ich es immer ohne Probleme geschafft.«

»So ganz ohne Probleme auch wieder nicht. Ich möchte dich nur ungern an deinen vorletzten Auftrag erinnern.«

 

»Meinst du etwa den Schlamassel mit den exotischen Viechern?«

»Ja, genau den.«

»Da konnte ich doch nichts dafür. Mit meinem Gleiter hatte das auch nichts zu tun. Diese Dinger waren ausgebüxt und hatten mein Schiff verwüstet. Was glaubst du, warum keine andere Gesellschaft diesen Auftrag übernehmen wollte.«

»Du warst praktisch manövrierunfähig. Nicht auszudenken, wenn du nicht zufällig den Weg einer Patrouille gekreuzt hättest.«

»Ich wäre auch ohne die zurechtgekommen«, winkte Ernest ab.

»Das bezweifle ich, aber reden wir nicht mehr darüber.«

»Dann lass mal die Katze aus dem Sack. Warum bewegst du deinen Hintern höchstpersönlich hierher? Geht‘s um einen neuen Auftrag? Bisher ging das doch reibungslos über den Kommunikator.«

Mark Henderson war seit Jahrzehnten mit Ernest befreundet. Sein schütteres, hellgraues Haar unterstrich seine zweiundsechzig Jahre. Sein erweiterter Bauchumfang zeugte nicht von ausgesprochen sportlichen Aktivitäten. Als eingefleischter Fan von Elvis Presley, der noch immer als Legende verehrt wurde, trug er an seinen Wangen dieselben Koteletten, die jedoch in den letzten Jahren ziemlich ergraut waren.

Mark leitete früher eine Agentur für Autoren jeglicher Art und war Ernests Vermittler gewesen, als dieser noch Abenteuerromane geschrieben hatte.

Als Ernest mit dem Schreiben aufhörte, verkaufte Henderson seine Agentur und eröffnete ein Transportvermittlungsunternehmen. Zur damaligen Zeit war das eine zukunftsträchtige Branche, da die Transporte in den erforschten Bereichen der Galaxie immer mehr zunahmen.

Ernest wiederum bekam all seine Aufträge von Mark Henderson und kam damit sehr schnell ins Geschäft mit lukrativen Auftraggebern.

Henderson nahm einen weiteren Schluck Bier, stellte das Glas auf die Theke und dachte eine Weile nach. Dann kramte er eine digitale Datenkarte aus seiner Tasche und schob sie Ernest zu, der sogleich seine Hand darauf legte und sie in seiner Jackentasche verschwinden ließ.

»Daten für einen neuen Auftrag?«, fragte Ernest nicht überrascht.

»Genau. Eigentlich sind es zwei.«

»Gibt‘s dafür doppelte Prämien?«

»Hör erst mal zu. Der eigentliche Auftrag kommt vom Astronomical Museum of London. Die haben Gesteinsproben und Mineralien bestellt, die vom zweiten Planeten des TONGA-Systems zur Erde transportiert werden müssen. Und wenn ihr schon dahin fliegt, könnt ihr auf dem Hinweg etwas mitnehmen.«

»Und das wäre?«

»Ein paar chemische Substanzen, die dort zu einem neuen Medikament verarbeitet werden. Der Pharmakonzern Norris & Roach Labs Inc. betreibt in der Kolonie Tongalen eine Forschungsniederlassung.«

»Was ist an den beiden Aufträgen so besonders, dass du persönlich hierherkommst?«

»Einerseits war ich zufällig in der Gegend, und andererseits wollte ich sicher gehen, dass unser Gespräch nicht abgehört wird.«

»Gibt‘s irgendwelche Probleme mit einem der beiden Aufträge?«

»Sagen wir es mal so: Der Konzern möchte nicht, dass die Konkurrenz mitbekommt, was ihr transportiert. Du weißt ja, es gibt immer Möglichkeiten, ein digitales Gespräch abzuhören.«

»Das Ganze ist doch legal, oder?« Ernest sah seinen Vermittler skeptisch an.

»Was denkst du denn.« Henderson lachte spontan. »Habe ich dir jemals einen unseriösen Auftrag vermittelt? Mal im Ernst. Es geht eigentlich nur darum, dass euch nicht irgendein Auftragspirat die Fracht abknöpft. Du weißt doch, dass so was immer wieder vorkommt.«

»Wir hatten bisher Glück. Die bisherigen Begegnungen mit Piraten sind jeweils glimpflich ausgegangen. Aber wir waren ja auch erst ein paar wenige Male außerhalb des Sonnensystems, wo das bekanntlich öfter vorkommt.«

»Da hast du recht.«

»Warum wird dieses Medikament in Tongalen produziert und nicht hier auf der Erde?«

»Auf dem Planeten existiert ein pflanzlicher Rohstoff, den es auf der Erde nicht gibt.«

»Das klingt einleuchtend. Aber warum sagt mir mein Gefühl, dass da noch irgendetwas anderes ist?«

»Du kannst beruhigt sein. Es ist alles in Ordnung. Auf der Karte befinden sich die Auftragsdaten für beide Aufträge sowie die Kommunikationscodes für die Kontaktaufnahme mit den entsprechenden Leuten vor Ort.«

»Wie gefährlich sind diese chemischen Substanzen?«

»Solange man sie nicht zu sich nimmt, richten sie keinen Schaden an. Sie sind in bruchsicheren Behältern luftdicht verpackt und sollten sogar einen Absturz überstehen. Wenn ihr sie also nicht mit Gewalt öffnet, sollte nichts passieren. Eine genaue Dokumentation für das Vorgehen in einem Schadensfall befindet sich ebenfalls auf der Datenkarte.«

Ernests Miene verfinsterte sich erneut. »Dann geht der Pharmakonzern davon aus, dass unter Umständen etwas passieren könnte?«

»Eigentlich ist es so gut wie unmöglich, dass die Behälter während des Transportes zerstört werden können. Aber mit dieser Dokumentation erfüllt der Konzern lediglich die Sorgfaltspflicht, die von der Versicherungsgesellschaft gefordert wird.«

Ernest gab sich mit dieser Erklärung zufrieden, hob sein Glas und nahm einen weiteren Schluck. »Wann müssen wir aufbrechen?«

»Es wäre gut, wenn ihr möglichst schnell starten könntet.«

Ernest überlegte kurz. »Meine Leute befinden sich gerade nicht in der Nähe. Eric macht Urlaub, und Christopher befindet auf einer Fotosafari.«

»Wie schnell können sie hier sein?«

»Theoretisch innerhalb eines Tages. Die Frage ist nur, ob sie darüber begeistert sein werden, ihre momentane Tätigkeit abzubrechen.«

»Eure Reise wird gut bezahlt. Es sind ja zwei Aufträge.«

»Damit kannst du sie nicht ködern. Geld ist ihnen nicht wichtig.«

»Dir wird schon etwas einfallen. Ich würde den Auftrag ungern jemand anderem geben.«

»Ich bin überzeugt, das brauchst du auch nicht.« Ernest lächelte versöhnlich.

»Wo steht euer Raumgleiter?«

»In einem Hangar hier in Geneva. Eigentlich hätte er mal wieder eine Generalüberholung nötig.«

»Solltet ihr technische Probleme haben, im Gelände des Raumhafens von Tongala befindet sich eine Zweigstelle einer irdischen Wartungsgesellschaft, in der ihr euren Raumgleiter vor dem Rückflug kontrollieren und überholen lassen könnt.«

»Ich hoffe nicht, dass wir Probleme haben werden.«

»Man kann nie wissen. Wart ihr schon einmal im TONGA-System?«

»Nein, bisher nicht. Was weißt du über den Planeten und die Kolonisten?«

»Ihre Sozialstruktur ist ziemlich einfach. Ursprünglich waren es Auswanderer aus den verschiedensten Ecken der Erde. Ihre Technik hat sich jedoch seit der Besiedlung des Planeten nur in bestimmten Bereichen weiterentwickelt. Die Leute pflegen einen sehr einfachen Lebensstil. Es gab nie Probleme mit ihnen. Aber wenn alles nach Plan verläuft, werdet ihr mit der Bevölkerung kaum Kontakt haben.«

»Wie sind die klimatischen Bedingungen?«

»Der Sauerstoffgehalt und die Gravitation sind etwas geringer als auf der Erde. Es gibt nur einen einzigen großen Kontinent. Der Rest besteht aus einem riesigen Ozean.«

»Temperaturen?«

»Kommt drauf an, wo ihr landet. Die Polkappen sind vereist, am Äquator ist es zu heiß und zu trocken. Unmittelbar nördlich davon befindet sich eine feuchtwarme Tropengegend. Tongalen selbst befindet sich an der Westküste in gemäßigten Breitengraden der nördlichen Hemisphäre. In den äquatorialen Trockengebieten und im Inneren des Kontinents gibt es riesige Sandstürme, die sich kilometerweit auftürmen, während es in den tropischen Gegenden heftige Unwetter mit sintflutartigen Regenfällen und Überschwemmungen geben kann.«

»Keine Gegend für Urlaub.«

»Definitiv nicht. Kannst du mir bis morgen Abend Bescheid geben?«

»Kein Problem Ich werde sofort mit Eric und Christopher Kontakt aufnehmen.«

5.

Eric Daniels saß in der Lobby des Concorde El Salam Hotels in Kairo und blätterte auf seinem Kommunikator in einem digitalen Reiseprospekt. Er hatte jedoch nicht vor, eine Rundreise zu den Pyramiden zu buchen, sondern betrachtete die Bilder lediglich aus Langeweile, da sich sein persönlicher Touristenführer wieder einmal verspätete.

Das Concorde El Salam lag im modischen Heliopolis auf der Ostseite Kairos, nur wenige Kilometer vom internationalen Raumhafen und etwa fünfundzwanzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.

Trotz seiner fünfundsechzig Jahre war Erics Tatendrang und seine Abenteuerlust noch lange nicht verblasst. Er hatte das Schreiben aufgegeben, weil es seiner Ansicht nach nichts mehr über die Erde zu schreiben gab. Seine Bücher hatten vorwiegend grenzwissenschaftliche Bereiche thematisiert. Zu Beginn seiner Karriere wurden seine Thesen von der Fachwelt nur belächelt. Man hatte ihn sogar als Scharlatan bezeichnet, schrieb er doch vorwiegend von Außerirdischen, die in der Frühzeit der menschlichen Evolution die Erde besucht und sich mit den damaligen Urmenschen vermischt hätten.

Als sich die Menschheit in jüngster Zeit anschickte, den Weltraum zu erobern und eines Tages auf einem fernen Planeten eines anderen Sonnensystems Spuren von humanoiden Wesen entdeckte, wurde Eric als Visionär gefeiert. Doch sein Ruhm verblasste schnell, und es dauerte nicht lange, da ging der Erfolg seiner Veröffentlichungen massiv zurück. Nachdem seine Thesen nicht mehr kontrovers genug waren, interessierte sich praktisch kein Mensch mehr dafür.

Eric hatte in den letzten Jahren an Leibesfülle etwas zugelegt, was ihm mit seiner Größe von einem Meter siebzig nicht zum Vorteil gedieh. Sein dunkelgraues, kurzes Haar trug er meist nach hinten gekämmt.

Seine Hektik aus früheren Zeiten hatte sich etwas gelegt, doch auch heute hielt er es nur schwer an einem Ort aus. Andererseits war er immer bereit für ein ausgelassenes Fest, bei dem es stets die allerbesten Weine zu trinken gab. Als ehemaliger Hotelier war er ein exzellenter Fachmann.

Mit seinem Beitritt zu Ernests Transportunternehmen begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Nachdem er auf der Erde genug geforscht hatte, nahm er sich vor, die Tiefen der Galaxis zu ergründen.

Das Summen des Kommunikators riss ihn aus den Gedanken. Im Hörer des Headsets vernahm er Ernest Waltons Stimme. »Hallo Eric, immer noch im Urlaub?«

»Klar, was denkst du denn? Wenn ich schon mal auf der Erde bin. Ist ja in letzter Zeit selten genug vorgekommen.«

»Dann schwing deinen Hintern nach Geneva. Es gibt Arbeit. Ich wohne im Intercontinental an der Chemin Du Petit Saconnex.«

»Ich weiß, wo das ist. Ist es denn so dringend?«

»Scheint so. Dafür werden die Aufträge gut bezahlt.«

»Du sprichst in der Mehrzahl. Das riecht nicht nur nach Arbeit, sondern nach viel Arbeit.«

»Nicht unbedingt. Es sind zwei Aufträge, die wir in einem Flug erledigen können.«

»Das klingt schon besser.« Eric atmete erleichtert aus.

»Wann kannst du hier sein?«

»Rein theoretisch könnte ich sofort aufbrechen.«

»Okay. Ich versuche noch, Christopher zu erreichen. Ich weiß gar nicht, wo der sich gerade herumtreibt.«

»Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, war er gerade in Kalkutta. Soviel ich weiß, wollte er zu einem Gletscher im Himalaja.«

Ernest bedankte sich und unterbrach die Verbindung.

Eric erhob sich aus dem Kunstledersessel und begab sich zur Rezeption. Er checkte aus, bezahlte seine Rechnung und buchte einen direkten Flug nach Geneva.

Eine Stunde später saß er in einem halbgefüllten Fluggleiter und blätterte weiter durch den Prospekt über Pyramiden.

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