Die Kolonie Tongalen

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Wenig später stand er Ernest gegenüber und sah ihm vertrauensvoll in die Augen. Ernest kannte ihn nicht, konnte sich nicht vorstellen, wer das war. Trotzdem wurde er den Eindruck einer großen Vertrautheit nicht los.

»Hallo Ernest.« Die Stimme eines gewöhnlichen Jungen, freundlich, nichts Bedrohliches.

»Wer bist du?«

»Nenn mich Ahen.«

»Wo bin ich hier?«

»An einem zeitlosen Ort.«

Ernest sah den Jungen verwirrt an. Etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass er auf weitere Fragen keine Antworten erhalten würde.

»Ich muss dir eine Botschaft übermitteln«, sprach der Junge weiter.

»Mir? Eine Botschaft? Warum gerade mir?«

»Diese Botschaft musst du in dir tragen und mit niemandem darüber sprechen.«

»Worin besteht dann der Sinn dieser Botschaft?«

»Wenn die richtige Zeit gekommen ist, wirst du den Sinn erkennen. Dann sollst du darüber reden, sie an andere Menschen weitergeben.«

»Wie weiß ich, wann es soweit ist?«

»Du wirst es merken.«

»Wie lautet die Botschaft?«

»Eine große Gefahr geht von deinem Heimatplaneten aus. Sie bedroht das gesamte Universum.«

»Was für eine Gefahr?«

Der Junge antwortete nicht, sah ihm nur in die Augen.

»Verstehe. Du kannst mir nicht auf alles antworten. Aber wie kann ich etwas gegen die Bedrohung tun?«

»Du wirst den Zeitpunkt erkennen, wann du diese Botschaft den Menschen mitteilen musst.«

»Wann wird das sein?«

Keine Antwort.

»Vielleicht lebe ich nicht lange genug, bis dieser Zeitpunkt eintritt.«

»Du wirst lange genug leben.«

Wieder starrte Ernest den Jungen verwirrt an.

Plötzlich streckte Ahen seinen Arm aus und zeigte mit dem Finger auf einen der skurrilen Türme. »Schau.«

Ernests Blick folgte dem Finger. Sofort sah er, was der Junge ihm zeigen wollte. Der Turm veränderte fortwährend seine Form.

»Was ist das? Ein Lebewesen?«

»Es ist dasselbe wie das, worauf du stehst.«

Sofort blickte Ernest nach unten auf die Plattform, dann zum Rand, der nach wie vor von Wellen überspült wurde. Auch dieser veränderte ständig seine Form, zwar nur minimal, aber doch deutlich erkennbar.

»Lebt dieses Material etwa?«

»Nein, aber es ist von Leben erfüllt.«

»Aber das ist doch …«

»… ein Widerspruch, wolltest du sagen.« Ahen bückte sich, legte seine flache Hand auf die Oberfläche der Plattform und wartete einen Moment.

Ernest starrte gebannt hinunter und sah, wie die Hand des Jungen bis etwa zur Hälfte in dem mattblauen Material versank, als würde es schmelzen. Dann hob er die Hand und hielt Ernest die Innenfläche entgegen. Sie war übersät mit einem feinen, blauen Pulver, das sich auf der Haut zu bewegen schien.

»Was ist das?«

»Leben. Behalte es gut in Erinnerung.«

Bevor Ernest seiner erneuten Verwirrung Luft verschaffen konnte, begann es um ihn herum zu flimmern. Erneut wurde er von Lichtpunkten eingehüllt, bis er von der Umgebung, dem hellleuchtenden Firmament, den skurrilen Türmen, den Plattformen und von Ahen nichts mehr sehen konnte.

Im nächsten Augenblick stand er im Gleiter vor dem großen Panoramafenster, als wäre nichts geschehen. Draußen schwebte die leuchtende Kugel, die sich langsam entfernte und wenig später aus seinem Blickfeld entschwand.

Der Gleiter tauchte wieder in den Hyperraum ein und setzte den Rückflug ungehindert fort.

15.

Weitere zweieinhalb Wochen später wurden die Überlichttriebwerke vom System automatisch abgeschaltet. Das Schiff verließ den Hyperraum. Auf dem Ortungsschirm war eine Sonne zu sehen, die von mehreren Planeten umkreist wurde.

Ernest und Eric saßen im Cockpit und betrachteten auf dem Kontrollschirm die Sternenkarte, die das TONGA-System und die gegenwärtige Position der Space Hopper zeigte.

»Der zweite ist unser Ziel.« Ernest zeigte mit dem Finger auf den Schirm. »Den äußersten haben wir bereits passiert.«

Christopher und Michelle betraten das Cockpit und setzten sich auf ihre Plätze. Christopher gab an seinem Terminal ein paar Befehle ein und blickte gespannt auf den Bildschirm, während Michelle sich ein Headset aufsetzte und den Funkverkehr überwachte.

»Alle Systeme arbeiten einwandfrei«, bestätigte Christopher kurz darauf.

»Bisher keine Kommunikationssignale auf den Normalfrequenzen«, informierte Michelle.

»Dafür sind wir noch zu weit weg«, erklärte Ernest.

Im Panoramafenster wuchs der Planet zu einer großen Kugel heran, die um den Äquator einen hellen Streifen besaß. An der West- und Ostküste des Kontinents gab es sowohl in der nördlichen wie auch in der südlichen Hemisphäre eine grünblaue Zone. Das Innere war ebenfalls hell, während die Polkappen weiß leuchteten. Der Rest des Planeten wurde von Wasser bedeckt.

»Wir kriegen Besuch«, meldete sich Michelle. »Ich empfange gerade die Botschaft einer Planetenpatrouille.«

»Schalte sie bitte auf die Lautsprecher.«

Michelle tippte auf der Tastatur den entsprechenden Befehl ein, worauf sich aus den Lautsprechern eine Stimme meldete, begleitet vom üblichen Funkrauschen.

»… Planetenpatrouille von Tongalen an unbekannten Raumgleiter, bitte identifizieren Sie sich. Commander Ferris von der Planetenpatrouille von Tongalen an den unbekannten Raumgleiter, bitte identifizieren Sie sich.«

»Transportschiff Space Hopper an Planetenpatrouille«, antwortete Michelle freundlich. »Wir können Sie empfangen und bitten um Landeerlaubnis auf dem Raumhafen von Tongala.«

»Bitte übermitteln Sie uns Ihre Transportdaten. Die notwendige Übermittlungsfrequenz und den dazugehörigen Code haben wir soeben an Ihr Bordsystem geschickt.«

Michelle gab ein paar Befehle ein und erhielt sofort die entsprechenden Daten auf dem Monitor angezeigt. Mit einem weiteren Befehl rief sie die Transportdaten vom System ab und leitete sie zusammen mit dem Code an die Übermittlungsfrequenz.

Die Lautsprecher blieben eine Weile stumm.

»Was machen die denn so lange?«, murrte Ernest ungeduldig. »Wenn Mark unseren Transport korrekt registriert hat, sollten sie die Daten im System haben.«

Kaum hatte Ernest den Satz beendet, erklang aus den Lautsprechern eine andere Stimme. Im Panoramafenster tauchte plötzlich ein Schiff ohne Kennzeichen auf und blieb in einer bestimmten Distanz vor ihnen stehen.

»Wir möchten Sie bitten, uns unauffällig zu folgen«, befahl die fremde Stimme.

»Was hat das denn zu bedeuten?« Ernest sah Eric verwundert an.

»Dürfen wir fragen, wer Sie sind und was Sie von uns wollen?«, erkundigte sich Michelle. »Wir haben eine lange Reise hinter uns und würden gerne landen.«

»Folgen Sie uns einfach, und es wird für Sie keine Probleme geben«, wiederholte der Mann. »Wir haben unsere Waffen auf Sie gerichtet. Wir wissen, dass Ihr Schiff nur über eine minimale Bewaffnung verfügt.«

»Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr«, sagte Ernest gereizt.

»Ich glaube, wir sollten tun, was er sagt«, riet Eric. »Die sind stärker.«

Ernest wartete.

Wenig später meldete sich die fremde Stimme erneut. »Wir werden nun losfliegen und hoffen, Sie folgen uns. Ansonsten werden wir Ihr Schiff in den Traktorstrahl nehmen und hinter uns herziehen.«

»Darf ich Sie noch mal fragen, was das alles zu bedeuten hat? Sie sind doch nicht von der Planetenpatrouille«, wiederholte Michelle.

»Ich bitte Sie. Hören Sie auf zu fragen und folgen Sie uns. Sie werden noch früh genug erfahren, was wir wollen.«

»Piraten!«, hauchte Ernest. »Die wollen uns die Fracht abnehmen.«

»Die werden aber immer dreister«, schimpfte Eric. »Direkt vor der Haustür von TONGA-II.«

»Schnallt euch an und haltet euch fest!«, rief Ernest.

Blitzschnell betätigte er ein paar Schalter, worauf das Schiff nach unten absackte und stark beschleunigte. Die Gravitations-neutralisatoren konnten dieses Manöver nicht vollständig ausgleichen, weshalb die Crew unsanft durchgeschüttelt wurde. Dabei flogen auch einige Gegenstände durch das Cockpit.

»In unseren Kabinen wird es aussehen wie auf einem Schlachtfeld«, jammerte Eric und verdrehte die Augen.

Ernest, der das Schiff manuell steuerte und es mit einem waghalsigen Manöver aus dem Einflussbereich des fremden Schiffs gebracht hatte, blickte konzentriert aus dem Panoramafenster. Die grünblaue Gegend des Planeten rückte näher, während ein immer stärker werdendes Summen das Cockpit erfüllte.

Plötzlich wurde der Gleiter durchgeschüttelt. Ernest hatte Mühe, ihn wieder in eine ruhige Lage zu versetzen.

»Die schießen tatsächlich auf uns«, rief Christopher. »Bei dieser Stärke hält unser Schutzschirm das nicht lange aus.«

Ernest ließ den Gleiter noch einmal heftig absacken, manövrierte ihn in einen bestimmten Winkel zur Planetenoberfläche und beschleunigte wieder, worauf das Panoramafenster allmählich zu glühen begann. Zu dem Summton mischte sich zusätzlich ein heftiges Dröhnen, begleitet von einem beängstigenden Vibrieren.

Der Eintritt in die Planetenatmosphäre bremste den Raumgleiter heftig ab. Ernest hielt den Steuerknüppel mit beiden Händen fest umschlossen und starrte hinaus. Das Panoramafenster war mittlerweile vollständig von lodernden Flammen bedeckt. Die Anzeige über die Belastung des Schutzschirms näherte sich unaufhörlich dem Maximum. Das Vibrieren steigerte sich in ein heftiges und geräuschvolles Rumpeln, begleitet von metallischem Ächzen und Knarren.

»Wenn das so weitergeht, fliegt uns gleich der ganze Kahn um die Ohren!«, schrie Eric.

Ernest ließ sich nicht beirren, hielt weiterhin den Steuerknüppel mit beiden Händen fest umklammert und starrte geradeaus.

 

Ein langgezogenes Kreischen durchfuhr den Gleiter und quälte ihre Gehörnerven bis aufs Äußerste.

Plötzlich war der Spuk vorbei. Das Dröhnen und Vibrieren verschwand. Vor ihnen erschien, soweit das Auge reichte, eine riesige grüne Waldfläche. Darin eingebettet waren unzählige kleinere Seen und Flüsse.

Die Space Hopper sank tiefer und näherte sich dem Urwald. Mit horrender Geschwindigkeit raste der Gleiter in geringer Höhe über dieses Naturparadies hinweg. Gigantische Urwaldriesen türmten sich in die Höhe und breiteten ihr skurriles Astwerk in alle Richtungen aus, als wollten sie sich gegenseitig übertreffen und verdrängen. Zwischen den Bäumen herrschte derart dichter Pflanzenwuchs, dass vom Boden nichts zu sehen war. Einzig die Flüsse und Seen, manchmal waren es auch nur kleinere Tümpel, vermittelten in etwa den Eindruck, wie tief unten der eigentliche Waldboden lag.

»Die sind ebenfalls in die Atmosphäre eingetaucht und haben uns wieder im Visier«, warnte Eric, worauf Ernest den Gleiter in einer scharfen Kurve nach links zog.

Rechts von ihnen zischte ein Strahlenschuss vorbei. Wieder ließ Ernest den Gleiter ein Stück tiefer absacken. Die Urwaldriesen kamen ihnen bedrohlich nahe, während sie nach wie vor mit horrendem Tempo über sie hinwegrasten.

Plötzlich wurde das Gebiet hügeliger. Es tauchten Schluchten auf, die von schroffen Felswänden flankiert wurden und in denen sich Flüsse hindurchschlängelten.

Ernest reagierte blitzschnell, ging noch tiefer und lenkte den Gleiter in eine dieser Schluchten. Zu beiden Seiten ragten scharfkantige Felsvorsprünge heraus, denen er immer wieder ausweichen musste.

Michelle starrte verängstigt aus dem Panoramafenster und klammerte sich mit beiden Händen an ihren Armlehnen fest.

Obwohl Eric solche waghalsigen Manöver schon einige Male miterlebt hatte, war es trotzdem ein nervenaufreibendes Ereignis. Eine von Ernests großen Fähigkeiten war es, einen Gleiter durch solch unwegsames Gebiet zu fliegen. Es gab heutzutage nur noch wenige Piloten, die einen Gleiter vollständig manuell fliegen konnten, geschweige denn in einer so schmalen Schlucht.

»Christopher, wie wär‘s, wenn du eines von unseren Ostereiern abwerfen würdest?«, schlug Ernest vor.

»Gute Idee.« Er tippte ein paar Befehle ein.

»Was sind Ostereier?«, fragte Michelle verwundert.

»Damit bezeichnen wir kleine Sprengkörper, die einen verblüffend ähnlichen Effekt erzeugen wie der Absturz eines Gleiters«, erklärte Christopher beiläufig.

Wenige Sekunden später gab es hinter ihnen eine Explosion. Auf dem Monitor konnte Christopher eine Feuerwand aufsteigen sehen, die die gesamte Schlucht ausfüllte.

»Nun werden sie glauben, sie hätten uns getroffen oder wir wären an der Felswand zerschellt«, frohlockte Ernest. »Und in dieser Schlucht können sie uns nicht orten.«

Zu beiden Seiten rasten die Felswände mit schwindelerregendem Tempo an ihnen vorbei. Ernest wich jedem Hindernis mit unglaublicher Behändigkeit aus. Manchmal schien es, als würde der Gleiter die obersten Wipfel der Bäume berühren. Aber das war nur eine Täuschung.

»Wir müssen irgendwo landen«, sagte Eric nach einer Weile.

»Wir können jetzt nicht aus der Schlucht aufsteigen«, erwiderte Ernest, während er konzentriert aus dem Panoramafenster starrte. »Die würden uns sofort wieder orten.«

»Im Moment haben sie uns auf jeden Fall verloren«, meldete Christopher. »Ich bekomme kein Peilsignal mehr von ihnen.«

»Na dann, auf zu einem Landeplatz«, sagte Eric beruhigt.

»Ich werde dieser Schlucht bis zu ihrem Ende folgen«, sagte Ernest. »Dann schauen wir uns die Gegend mal an. Vielleicht finden wir etwas Passendes zum Landen.«

Eine halbe Stunde später dehnte sich die Schlucht aus. Vor ihnen erschien ein breiter Talkessel mit niedrigen Pflanzen und Gras. Mittendrin erstreckte sich ein kleiner See, der am anderen Ende von einem Wasserfall gespeist wurde.

Ernest bremste den Gleiter scharf ab, während er sanft nach links abdrehte.

»Das reinste Paradies«, schwärmte Michelle, die gebannt aus dem Panoramafenster blickte.

»Am linken Ufer gibt es eine kleine Fläche«, bemerkte Eric. »Da könnten wir landen.«

Ernest hatte die Stelle ebenfalls entdeckt, umrundete sie einmal und sah sie sich näher an. Dann fuhr er die Landestützen aus und setzte das Schiff sanft auf dem Boden auf.

16.

Nachdem die Triebwerke verstummt waren, öffneten sie ihre Sicherheitsgurte, blieben jedoch noch eine Weile sitzen.

»Was nun?«, fragte Christopher ratlos.

»Wir sitzen ganz schön in der Tinte«, knurrte Ernest.

»Ganz schön dreist, wie sich dieser Pirat vor der Haustür von Tongalen verhalten hat«, meinte Eric. »Mark wird staunen, wenn wir ihm das erzählen.«

»Er wird es bestimmt wieder herunterspielen«, winkte Christopher lakonisch ab. »Aber so, wie es aussah, wollten die uns entführen.«

»Wir müssen unbedingt mit den Leuten Kontakt aufnehmen, denen wir die Substanzen abliefern und von denen wir die Mineralien bekommen sollen«, schlug Eric vor.

»Die in unseren Auftragsdaten enthaltenen Kommunikationsfrequenzen sollten uns automatisch mit den richtigen Leuten in Verbindung setzen«, erklärte Christopher. »Aber anscheinend ist das nicht geschehen, sonst hätte sich nicht plötzlich ein Fremder gemeldet.«

»Das waren definitiv nicht die Leute, denen wir etwas abliefern oder etwas überbringen sollten.«

»Dann schick mal auf der Kommunikationsfrequenz eine manuelle Nachricht. Sag den Leuten doch einfach, wir wären eingetroffen und mit einer Panne im Dschungel gestrandet.« Ernest wirkte gereizt.

Christopher verfasste zwei Nachrichten, eine für die Lieferanten der Mineralien und die andere für die Niederlassung von Norris & Roach, las aus dem Bordsystem die Frequenzen aus und fügte sie den Nachrichten hinzu. Danach verschlüsselte er sie und schickte beide ab.

»Wir werden eine Bestätigung bekommen, in der wir sehen, wann und von wem die Nachrichten abgerufen wurden«, erklärte er.

»Sehr gut«, lobte Ernest.

»Dann werden wir sofort sehen, ob sie jemand abfängt.«

Keine Viertelstunde später traf die erste Antwort ein. Ein Mann namens Daniel Beckman teilte ihnen mit, man könne ihnen keine technische Unterstützung bieten, man solle sich doch an die Wartungsgesellschaft im Raumhafen wenden. Diese würde das Schiff bestimmt wieder flottkriegen. Er schrieb außerdem, wo man die Ladung mit den Mineralien abholen könne und dass man auf sie warten würde.

Michelle nahm daraufhin Kontakt mit der Wartungsgesellschaft auf, gab die Position der Space Hopper an und nannte als Grund der Panne einen Triebwerksschaden. Eine weibliche Stimme antwortete ihr, man werde sich am nächsten Tag darum kümmern, und sie sollten an der gegenwärtigen Position verbleiben.

Kurz darauf traf die zweite Antwort ein. Eine Sachbearbeiterin von Norris & Roach namens Afra Melinn bedauerte ihr Missgeschick und bot ihnen an, die chemischen Substanzen abholen zu lassen. Man werde ein paar Leute mit einem Fluggleiter schicken, denen sie die Fracht übergeben könnten.

»Na toll!« Ernest verdrehte verärgert die Augen. »Dann sitzen wir hier erst einmal fest. Wenn wir starten, werden wir von den Piraten sofort wieder geortet.«

Christopher hatte während der Wartezeit verschiedene Analysen durchgeführt. Die Luft in dieser Gegend war mit hoher Feuchtigkeit gesättigt, die Temperaturen bewegten sich etwas über dreißig Grad, die des Sees um sechsundzwanzig Grad. Die Sonne hatte Mühe, mit ihren Strahlen die feuchte Atmosphäre zu durchdringen, aber vereinzelte Schatten zeugten davon, dass es ihr an einigen Stellen trotzdem gelang.

»Betrachten wir es doch als Urlaub.« Christopher zeigte mit dem Finger durch das Panoramafenster nach draußen. »Das ist das reinste Paradies.«

»Ich würde sehr gerne schwimmen gehen«, schwärmte Michelle. »Scheint ja angenehm warm zu sein.«

»Na ja, wenn ihr wollt«, brummte Ernest. »Für mich ist das zu anstrengend. Bei dieser Luftfeuchtigkeit halte ich es sowieso nicht lange aus.«

»Aber du könntest trotzdem kurz nach draußen kommen«, meinte Eric. »Ein bisschen frische Luft schadet auch dir nichts.«

»Ja, das schaff ich bestimmt noch. Aber wenn es ungemütlich wird, verziehe ich mich wieder ins Schiff.«

»Ich werde die Mobilkonsole unseres Bordsystems mitnehmen«, sagte Christopher. »Am besten schalten wir auch noch den Spiegelschirm ein.« Er tippte den entsprechenden Befehl ins System ein. Dann verließ er das Terminal, verschwand kurz in seiner Kabine und zog sich leichtere Kleider an.

Als er zurück in den Aufenthaltsraum kam, waren alle außer Michelle bereit, das Schiff zu verlassen.

»Frauen brauchen immer etwas länger, um sich umzuziehen«, spöttelte Ernest.

Kaum hatte er den Satz beendet, kam Michelle den Gang entlang und betrat, nur mit einem weißen, bauchfreien Top mit dünnen Spaghettiträgern und dunkelblauen Shorts bekleidet, den Aufenthaltsraum.

»Da bin ich schon.« Sie sah die anderen der Reihe nach an.

Ernest und Eric starrten sie mit offenem Mund an, während Christopher ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

»Gehen wir?«, fragte sie, worauf Ernest und Eric sich wieder auf ihr Vorhaben besannen und verlegen zum Ausstiegsschott trotteten.

Die beiden hatten sich eine leichte Tasche umgeschnallt, in der sie ihre Raucherutensilien mitführten, und waren mit Shorts und Poloshirts bekleidet, während Christopher bereits nur noch eine Badehose und ein T-Shirt trug.

»Was ist ein Spiegelschirm?«, fragte Michelle, nachdem sie ins Freie getreten war und neben Christopher herging.

»Ein ganz spezieller Energieschirm, der von außen wie Tausende winziger Spiegel wirkt. Dadurch wird der Raumgleiter aus der Höhe praktisch unsichtbar, weil sich die Umgebung in allen möglichen Winkeln nach oben und zur Seite spiegelt.«

»Genial.«

»Innerhalb dieses Spiegelschirms befindet sich der eigentliche Energieschirm, der jegliche Energiestrahlung, die das Schiff abgibt, ebenfalls abschirmt.«

»Dann kann der Gleiter gar nicht entdeckt werden.« Michelle zeigte sich beeindruckt.

»So soll es auch sein.«

»Was lässt sich mit der Mobilkonsole alles anstellen?«

»Damit kann ich den Gleiter praktisch fernsteuern, mich in die Ortung und in das Kommunikationssystem einschalten. Umgekehrt meldet mir die Konsole alles, was im Gleiter vor sich geht. Jede Ortung, jeder Funkspruch wird auf die Konsole übertragen.«

Hintereinander wanderten alle vier das leicht abschüssige Gelände in Richtung Seeufer, das sich etwa hundert Meter von der Landefläche entfernt vor ihnen ausbreitete. Eric ging voran und inspizierte zwischendurch einige Pflanzen, während Ernest, an zweiter Stelle gehend, sich mehr für den Himmel interessierte. Es folgte Michelle. Christopher schließlich bildete das Ende der Kolonne und hielt auf dem Display der Mobilkonsole Ausschau nach Ortungssignalen.

»Bis jetzt ist der Himmel sauber«, bemerkte er, als sie das Seeufer erreicht hatten.

»Ich habe auch nichts herumfliegen sehen«, bestätigte Ernest.

»Dann können wir ja beruhigt schwimmen gehen«, freute sich Michelle.

»Wir sollten uns noch vergewissern, dass im Wasser keine Gefahren lauern«, warnte Eric. Er öffnete seine Tasche, entnahm ihr ein paar kleine tellerförmige Gegenstände und warf einen nach dem anderen in weitem Bogen ins Wasser, jeden in eine andere Richtung.

»Was sind das für Dinger?« Michelle sah den Scheibchen hinterher, bis sie im Wasser versanken.

»Sensoren«, antwortete Christopher. »Sie messen Bewegungen, Energie- und Wärmestrahlungen und Nerven- und Hirnströme. Wenn sich ein Wesen auf etwa hundert Meter einem Sensor nähert, meldet er es der Mobilkonsole. Somit werden wir rechtzeitig vor eventuellen Gefahren gewarnt.«

»Wir sollten noch eine Weile warten, bevor wir ins Wasser gehen«, schlug Eric vor. »Wenn die Sensoren in dieser Zeit nichts melden, sollte keine Gefahr bestehen.«

»Eric hat recht«, bestätigte Ernest. »Lieber etwas zu vorsichtig als umgekehrt.« Er ließ sich langsam auf einen großen Stein nieder, griff in die Tasche und holte seine Tabakpfeife hervor. Eric setzte sich neben ihn auf den von Moos und Pflanzen bedeckten Boden und tat es ihm gleich.

»Oh je, jetzt werden wir eingenebelt«, beklagte sich Christopher.

 

»Ihr könnt euch etwas abseits von uns hinsetzen«, schlug Ernest vor, was Christopher und Michelle sofort taten.

Als sie sich in einiger Entfernung auf den Boden gesetzt hatten, sah Christopher Michelle von der Seite an und sagte: »Du hast nie viel aus deiner Vergangenheit erzählt.«

»Du hattest nie danach gefragt.«

»Ich wollte dich nicht bedrängen. Ich dachte, wenn dir danach ist, wirst du es von selbst tun.«

»Na ja, vielleicht hat sich nie die passende Gelegenheit ergeben.«

»Über unser Team wolltest du aber eine Menge wissen.«

Michelle lächelte. »Es hat mich interessiert.«

»Kann es sein, dass du damit von dir ablenken wolltest? Wolltest du vielleicht, dass ich keine Gelegenheit bekomme, dir Fragen über dich zu stellen?«

»Eigentlich nicht, aber mir war nie danach, über mich zu reden. Es hat wirklich nichts zu bedeuten. Es ist meine Art, mich nicht so sehr in den Vordergrund zu stellen.«

»Das ist auch eher meine Art.«

An ihrer rechten Schläfe bahnte sich langsam ein Schweißtropfen den Weg nach unten, am Auge vorbei zur Wange. Er beobachtete dieses dünne Rinnsal eine Weile, bevor er mit seinem Zeigefinger sanft den Weg des Tropfens auf ihrem Gesicht nachzeichnete.

Für einen kurzen Moment schloss sie ihre Augen, atmete tief ein und wieder aus. Dann wandte sie ihm das Gesicht zu und lächelte verlegen.

»Es ist sehr schwül«, sagte sie, um dem Moment etwas die Spannung zu nehmen. »Am liebsten würde ich mich jetzt ins Wasser stürzen.«

»Na, dann lass uns eintauchen.« Christopher stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. Sie griff danach und zog sich hoch.

Teised selle autori raamatud