Loe raamatut: «Brennpunkt Ukraine», lehekülg 3

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Wir haben jetzt wieder einen brüchigen Waffenstillstand. Es soll Verhandlungen geben. Was ist Ihre Perspektive für den Ansatz einer Lösung dieser Krise und des Bürgerkriegs?

Der Waffenstillstand ist aufgrund des Drucks der Europäer, denke ich, zustande gekommen. Poroschenkos33 Sicht ist, dass er gegen Russland keinen Krieg führen und gewinnen kann. Darauf beruht die eigentliche Idee des Waffenstillstands. Die freiwilligen Bataillone, die von Kolomojskij finanziert werden, vor allem haben eigentlich kein Interesse an diesem Waffenstillstand. Russland hat ein Interesse daran, die Kontrolle über die Region zu behalten. Wenn Russland Kontrolle über die Region in der einen oder anderen Art erhält, könnte der Waffenstillstand halten, wenn die Kiewer Regierung die freiwilligen Bataillone irgendwie unter Kontrolle bekommt und entwaffnet. Aber da bin ich noch von großem Zweifel behaftet.

Das ganze große Problem der Verhandlungen ist, dass sie von Leuten geführt werden, die eigentlich nicht das Sagen haben. Wir haben heute keine Verhandler, die in der Lage sind, zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union zu vermitteln. Wir haben keine Persönlichkeiten, die agieren, die von allen Seiten gehört werden. Wenn wir bedenken, dass Herr Kutschma als ehemaliger Präsident ein Einreiseverbot für Russland hat, wie sollen die Russen, die Kutschma nicht akzeptieren, mit ihm verhandeln? Gleichzeitig nimmt die Separatistenführer ebenfalls niemand ernst, weil es Banditen und Kriminelle sind. Es gibt keine Figuren, die als Garant für die verschiedenen Regionen stehen. Das heißt, wir müssen dazu zurückkommen, die Wirtschaftseliten, die auch den Aufbau des Landes betreiben, an einen Tisch zu holen und auf der Ebene dieser Wirtschaftseliten eine Garantie zu finden, dass die Leute eine Perspektive für die Zukunft bekommen. Denn in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten, ebenso wie in Dnipropetrowsk, in Charkiw, aber auch in Lwiw und Riwne und den anderen Regionen, muss das wirklich auf der Basis der regionalen Eliten geschehen. Die müssen zusammengeführt werden und zusammen zu einer Form kommen, wie man den neuen Staatsaufbau organisiert. Nur das ist eine Möglichkeit, zu einer Zukunft zu finden. Heute die ehemaligen Vertreter der Partei der Regionen auszuschließen, die wirklich die Vertreter der regionalen Wirtschaften sind, ist ein verheerender Fehler, und wir werden noch sehr teuer dafür bezahlen.

Das Assoziierungsabkommen ist unterzeichnet worden. Das ukrainische Parlament hat es inzwischen ratifiziert. Wie sehen Sie aus dieser Perspektive die weitere EU-Annäherung oder die weitere Zukunft dieses Abkommens?

Inzwischen gibt es keine Alternative zum Abkommen. Jetzt heißt es, implementieren und auf die Hilfe der EU und der internationalen Investoren hoffen, dass die Ukraine wirtschaftlich und damit auch als Staat überleben kann und nicht, wie bereits einige Analysten prophezeien, zu einem gescheiterten Staat wird. Poroschenko hatte genügend Druckmittel auf die Abgeordneten, um seinen Willen durchzudrücken. Denn diejenigen, die sich heute gegen dieses Assoziierungsabkommen stellen, wird der Präsident wirtschaftlich und politisch vernichten.

Wie beurteilen Sie die Rolle der EU in diesem Konflikt, in diesem ganzen Jahr eigentlich? Hat die EU in einer gewissen Art von Desinteresse oder Unverständnis diese Entwicklung selbst mitverschuldet?

Wir haben uns als EU mit einer Arroganz gegenüber Russland aufgestellt – was wir nicht hätten machen dürfen. Wir hätten das Gespräch mit den Russen suchen müssen, und dem haben wir uns verweigert. Das war der erste große Fehler. Das heute, im Nachhinein, zu machen, sehr viel mehr Geld auf den Tisch zu legen, als es uns damals gekostet hätte, und in einer Situation des Krieges zu leben, zeugt eigentlich davon, dass die EU nach wie vor nicht verstanden hat, wie man als Global Player zu reagieren hat. Und die Lehre daraus ist, dass man, wenn man sich einem Dialog verweigert, wie es die EU gemacht hat, eigentlich jegliche außenpolitische Konsequenz in diesem Bereich verliert. Und hier ist der Ansatz. Und da ist die Mitschuld der Europäischen Union für die Entwicklung in der Ukraine zu sehen.

Aber das heißt, es ist unbedingt notwendig, dass auch jetzt ein Dialog zwischen der EU bzw. ihren starken Mitgliedstaaten und Putin und Moskau geführt wird?

Ich sehe vor allem die Europäische Union als solche, als Ganzes, und nicht als Deutschland. Es ist ganz wichtig, dass gerade die EU geschlossen auftritt. Und vielleicht hat die neue italienische Außenbeauftragte die Möglichkeit, einen Neuanfang in diesem Dialog zu suchen. Ohne Russland wird es keine Stabilität in Europa geben. Es kann nur Stabilität in Europa mit Russland geben. Im Umkehrschluss heißt das, es kann eine Zukunft für die Ukraine nur mit und nicht gegen Russland geben. Wenn wir das nicht schaffen, dann wird es keine dauerhafte Stabilität an den Außengrenzen der Europäischen Union geben.

DIE EINHEIT DER UKRAINE MUSS IN DER ERSTEN INSTANZ VON UKRAINERN SELBST GESCHAFFEN WERDEN
Gespräch mit Jack F. Matlock

JACK F. MATLOCK (*1929) ist ein amerikanischer Diplomat und Historiker. Er war Botschafter der USA in der Tschechoslowakei und von 1987 bis 1991 in der Sowjetunion. Sein Buch Autopsy on an Empire. The American Ambassador’s Account of the Collapse of the Soviet Union beschreibt das Ende der Sowjetunion.


CHRISTIAN WEHRSCHÜTZ: Wenn man sich die Geschichte der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion ansieht, ist es sehr interessant, dass in der Tat zwei führende Persönlichkeiten der KPdSU, Chruschtschow und Breschnew34, eine besondere Beziehung zur Ukraine hatten. Chruschtschows Familie übersiedelte 1908 ins Donezbecken, Breschnew stammte aus Dneprodserschinsk.

JACK F. MATLOCK: Ich denke, dass die östliche Ukraine allgemein ziemlich gut in Russland integriert war. Die Partei hatte jedoch besonders im Osten mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem in den Bergbaugebieten und in der Schwerindustrie. Die Volksdeputierten, vor allem aus Donezk, standen vielen Wirtschaftsreformen, die von Moskau ausgingen, sehr kritisch gegenüber.

Ich denke also, dass es in der östlichen Ukraine Widerstand gegen die Perestroika gab, insbesondere gegen Gorbatschows35 Versuche, einen Großteil der Wirtschaft aus der Kontrolle der Partei zu befreien. Nach dem Scheitern und dem Putschversuch dort entschied man sich also dafür, die Unabhängigkeit zu unterstützen, um zu vermeiden, dass sie unter eine strengere Kontrolle von Moskau kommen. Sie haben also gemeinsame Sache mit den Nationalisten im Westen gemacht. Aber ich glaube, dass dies eine Zweckehe war, die nie richtig funktioniert hat – die Ergebnisse sehen wir noch heute.

Aber bedeutet das, dass dies eine Entscheidung für die Unabhängigkeit war, um die Reformen zu vermeiden? Ich meine, wenn die Partei ihre Macht verloren hätte und es weiter abwärts gegangen wäre, hätte sich eine Art Marktwirtschaft entwickelt, wenn man es so nennen darf. Und das hätte wohl auch für die Bergbaugebiete sehr, sehr schmerzhafte Reformen bedeutet?

Ja, in der Tat. Aber darum denke ich, dass die Haltung im Westen der Ukraine, vor allem in Galizien, wirklich kulturell anti-russisch war – und im Osten war sie nicht anti-russisch. Aber viele waren Russen oder russlandfreundliche Ukrainer. Immerhin etwa 44 % der Bevölkerung – ich habe die Umfragen gesehen – sprechen lieber Russisch, das gilt natürlich für fast alle ethnischen Russen. Ein beträchtlicher Anteil der ethnischen Ukrainer, vor allem im Osten, ist wirklich in der russischen Kulturwelt aufgewachsen und spricht lieber Russisch. Natürlich gibt es dabei auch eine Spaltung: Vor allem im Osten wird Ukrainisch eher in den ländlichen Gebieten gesprochen, während das Russische die Sprache in den Städten ist. Es existiert also auch noch eine Land-Stadt-Trennung.

Aber ich denke, ich habe in meinem Buch über Stalin beschrieben, wie er Galizien, die anderen westlichen Territorien, die baltischen Staaten und die Republik Moldau nach dem Hitler-Stalin-Pakt einnimmt und dann natürlich am Ende des Zweiten Weltkrieges zurückerobert – und wie das Integrieren in die Sowjetunion einen „Krebs“ in das System brachte. Ich bin noch immer nicht davon überzeugt, dass die Sowjetunion auseinandergebrochen wäre, wenn das Band von Territorien – das Baltikum – zumindest nominell unabhängig geblieben wäre und der Rest dort gelassen worden wäre, wo er war, in Polen und der Slowakei, der Tschechoslowakei dann. Aber das ist Spekulation, wir wissen das. Und ich habe in dem Buch beobachtet, dass die Balten in allen anderen Republiken tatsächlich eine Opposition zum sowjetischen Zentrum organisierten. So veröffentlichten die Esten zum Beispiel regimekritische Zeitungen in kasachischer Sprache. Sie teilten die Sowjetunion auf, jeder nahm drei oder vier Republiken und versuchte, eine unabhängige Bewegung in ihnen zu fördern. Ich bin mir nicht sicher, ob das entscheidend war, aber der wirkliche Impuls in der Ukraine kam natürlich vom Westen und war sehr nationalistisch. Und da war natürlich die Art und Weise, wie die vereinigte Kirche unterdrückt worden war. Eigentlich gab es mehr Gewalt dort im Westen, weil eine Art Guerillakrieg für mehrere Jahre am Ende des Krieges fortgeführt wurde, bis zu einem gewissen Grad unterstützt vom Westen, wenn auch heimlich.

Obwohl das Referendum im Dezember 1991 mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit war, war das, glaube ich, eine Zweckehe zwischen den Nationalisten im Westen und der Partei im Osten. Und diese dauert in der unabhängigen Ukraine weiter an.

Aber auf der anderen Seite bedeutet russischsprachig doch nicht prorussisch?

Nein, das ist richtig, absolut. Nun, russischsprachig bedeutet nicht, dass die Menschen unbedingt in Russland leben und in die aktuelle Russische Föderation wollen. Ich denke, es bedeutet, dass sie im Wesentlichen in einer Welt leben wollen, die der russischen Kultur verpflichtet ist. Sie wollen sich sicher fühlen, dass die Verwendung von Russisch sie nicht zu Bürgern zweiter Klasse macht. Ich denke also in diesem Sinne, dass die erste Abstimmung nach der Maidan-Revolte vornehmlich darauf zielte, das Ukrainische zur einzigen Amtssprache zu machen. Ehrlich gesagt, das war einfach nur dumm, weil die Ukraine nicht weiter zusammenbleiben wird, wenn man es aufgrund von Sprachdifferenzen nicht schafft, eine gemeinsame Loyalität zur ukrainischen Nation zu entwickeln. Die Regelung zur Amtssprache muss auch Russisch beinhalten, wenn man die Russisch sprechenden Menschen, unabhängig davon, ob sie russischer oder ukrainischer Herkunft sind, als vollwertige ukrainische Bürger mit einer Loyalität gegenüber dem Staat mit einschließen will.

Im Osten ist das Sprachproblem auch ein Problem der Generationen. Dort gibt es ältere Menschen, die mit einer gewissen Nostalgie an die Sowjetunion zurückdenken. Für sie sah es damals stabiler aus und vielleicht hatten sie dort einen Platz. Am Beispiel der Babuschkas36, die sich in Donezk aufgelehnt haben, und der ebenfalls älteren Frauen, die Stalin-Bilder mit sich tragen, lässt sich das gut zeigen. Das ist aber ein Phänomen, das man nicht nur in Teilen der Ukraine findet. Es gibt eine Reihe dieser Splits und ich möchte damit nicht sagen, dass eine große Zahl der russischsprachigen Menschen im Osten der Ukraine tatsächlich Teil Russlands sein will. Die Dinge in Russland auf der anderen Seite der Grenze sind nicht so viel besser. Aber die Menschen wollen respektiert werden und ich denke, dass dies eine Grundsatzfrage ist – ein Problem, das die führenden Politiker im Westen noch nicht ganz verstanden haben.

Bevor wir auf die aktuelle Situation zu sprechen kommen, habe ich noch eine historische Frage: Warum wurde die Ukraine nach dem Ersten Weltkrieg in dieser Form gegründet, ohne die westlichen Teile? Und auch die Krim war kein Teil davon, Donezk und Lugansk waren wiederum russische Gebiete des zaristischen Russlands. Es gab keine Ukraine im zaristischen Russland – und das erinnert mich ein wenig an die Situation, wie sie im ehemaligen Jugoslawien war: Nach dem Ersten Weltkrieg war Slowenien in drei Teile aufgeteilt. Es gab ebenfalls Probleme, es gab kein Slowenien als Nationalstaat, sondern nur die Provinz Slowenien. Auf der anderen Seite hatte man unter Titos Zeiten eine autonome Republik, die autonomen Gebiete Kosovo und Vojvodina und dann war da immer die Kritik der serbischen Nationalen oder serbischen Intellektuellen, dass ein starkes Jugoslawien immer ein schwaches Serbien bedeuten würde. Was waren für die kommunistische Führung am Ende der Revolution und nach dem Bürgerkrieg die Gründe, die Ukraine zu bilden? Geschah dies, um Russland zu schwächen, oder was war der Grund? Was meinen Sie dazu?

Nun, wenn es um Nationalitäten geht, war Stalin wahrscheinlich die wichtigste Figur. Er hat wirklich versucht, Menschen zusammenzubringen, die nicht unbedingt zusammen sein wollten, also Abchasien mit Georgien und Südossetien mit Georgien anstatt mit Nordossetien usw. Ein Ziel seiner Nationalitätenpolitik war es, „gemischte“ Bereiche zu schaffen – was jeden Schritt in Richtung echte Unabhängigkeit behindert hat. Ich bin zumindest dieser Behauptung begegnet und natürlich hat man im Donbass daran erinnert, dass die Kosaken eine verächtliche Haltung gegenüber den Ukrainern, den Bauern, einnahmen. Sie wurden Khokhol genannt. Das bedeutet auf Russisch „Wasserspeier“, eine Art Schimpfwort für die Ukrainer. Und doch waren diese Länder die Kosaken-Länder, die sich im 17. Jahrhundert Russland angeschlossen hatten. Aber auch sie wurden geteilt, weil die Kosaken im Wesentlichen Russisch sprachen und sich selbst als Russen sahen. Sie waren entlaufene Leibeigene, die ihre Unabhängigkeit von ihren Herren bekamen, aber in die Grenzgebiete gingen und in der Tat eine Miliz bildeten. Die Kosaken wurden zum Puffer gegen die Nomadenvölker, die gelegentlich die Gegend überfielen.

Ich denke also, dass die Ukraine tatsächlich „Grenzland“ bedeutete, so wie dies für die „Ostmark“ im Osten des Frankenreichs galt. Da Stalin und die anderen bolschewistischen Führer wollten, dass man die nicht-russischen Nationalitäten respektierte, teilten sie diese Republiken auf und gaben ihnen Namen, die normalerweise vielleicht die Mehrheit der Bevölkerung vertraten, manchmal nicht einmal die Mehrheit. Aber sie behaupteten: Okay, wir haben keinen großen russischen Chauvinismus, wie die Zaren ihn hatten, und wir respektieren diese Nationalitäten. Natürlich wurde von allen Nationalitäten erwartet, loyal zu den Bolschewiki und zum Kommunismus als Ideologie zu sein. Natürlich entwickelten sie auch die Idee, dass der neue sowjetische Mensch fast frei von diesen nationalistischen Tendenzen sein und eine höhere Treue zum Gesamtstaat haben müsse.

Ich glaube, Gorbatschow hat die Kraft des lokalen Nationalismus nie wirklich verstanden. Er dachte tatsächlich, man hätte einen sowjetischen Menschen in diesem Sinne geschaffen. Und das ist – zusammen mit KGB-Desinformation – ein Grund dafür, dass ihm nicht bewusst war, wie stark einige dieser Tendenzen waren. Ich meine, ihm wurde zum Beispiel durch den KGB gesagt, dass nicht viele Litauer Landsbergis37 etc. wirklich unterstützten, was einfach nicht der Wahrheit entsprach.

Der Punkt ist, dass Stalin und die anderen bolschewistischen Führer die Fassade des Respekts für die nicht-russischen Völker aufrechterhalten wollten – ohne dass sie wirklich die Kontrolle über sie hatten. Einige der ersten Säuberungen in der Ukraine waren natürlich gegen Angehörige der ukrainischen Nationalität gerichtet. Galizien und die westlichen Gebiete waren in den 1920er- und 1930er-Jahren noch nicht einmal Teil der Ukraine. Aber auch damals gab es eine historische Trennung zwischen den Bereichen westlich von Kiew, die Teil des Königreichs Polen und Litauen gewesen waren, und denen, die weiter östlich lagen, die russisches Grenzland gewesen waren. Und wenn man diese Dinge alle zusammensetzt, schafft man jene Situation, die wir heute haben. Und natürlich ist die Krim noch einmal eine völlig andere Frage.

Glauben Sie, dass eine Art militärische Lösung mit vertretbarem Aufwand überhaupt möglich ist?

Ich habe keine Ahnung. Ich bin nicht nah genug dran. Man sieht so viele widersprüchliche Berichte, wer was tut, und offensichtlich war die russische Propaganda sehr stark. Aber ich denke, auch Kiew hat uns nicht immer ein vollständiges Bild von dem gegeben, was geschehen ist. Alle verzerren die Berichte in ihre eigene Richtung. Offenbar war die ukrainische Armee viel besser organisiert als in Slowjansk, offenbar sind auch viele militante Kräfte von dort einfach nach Donezk gegangen. Es wird viel schwieriger, in Donezk, einer viel größeren Stadt, zu agieren, mit all der Zivilbevölkerung. Ich denke, dass diese „Rebellen“ professionelle Kämpfer sind. Man könnte sie Söldner oder Veteranen nennen, sie sind ziemlich hart.

Es ist keine Frage, dass die Russen diese Rebellion gefördert haben. Auf der anderen Seite bin ich nicht sicher, dass Russland sie vollständig kontrolliert, obwohl sie zusätzlich zu den öffentlichen Appellen zweifellos ihre verdeckten Verbindungen haben, über die sie Nachrichten weitergeben. Aber auch wenn Putin wirklich wollte, dass sie ihre Waffen niederlegen, vermute ich, dass sie es nicht tun können. Aber es gibt so viel, ich würde sagen, Mangel an Glauben auf beiden Seiten, es gibt offensichtlich auf beiden Seiten kein Vertrauen, dass man zu einer zufriedenstellenden Vereinbarung kommt, die die andere Seite halten wird. Ich denke, es ist eine sehr schwierige Situation. Aber sicherlich kann ich nicht hier sitzen und sagen, wie es weitergeht.

Ich weiß nicht, wie viel Unterstützung die aktuelle Regierung in Kiew tatsächlich hat. Ich bin aber ziemlich sicher, dass die meisten Menschen in der Region Donezk nicht Teil der Russischen Föderation werden wollen. Auf der anderen Seite sind es wahrscheinlich nicht alle, die für Petro Poroschenko sind, in Anbetracht seines Hintergrunds.

Sie haben in einem Ihrer Blogs erwähnt, dass die Ansicht der meisten Medien über die Unruhen zu sein scheint, dass der eine oder der andere die Ukraine gewinnen oder verlieren wird. Und Sie haben gesagt, glaube ich, dass dies ein fundamentaler Fehler sei. Auf der anderen Seite war es Zbigniew Brzeziński38, der diesen berühmtesten Ausspruch über die Ukraine und Russland machte: Ohne die Ukraine wird Russland niemals wieder ein Imperium sein, und mit der Ukraine wird Russland fast sicher wieder ein Imperium …

Ich stimme dem nicht zu … dieser Art zu denken. Zbig ist ein Pole – und Polen, glaube ich, waren noch nie in der Lage, eine vernünftige Ansicht von Russland zu haben und dies intellektuell auszudrücken. Okay, man kann sagen, Russland ist ein Imperium, weil dort 20 % Muslime leben. Sind die USA ein Imperium? Ich meine, das ist nicht wirklich die Art, wie ich es betrachten würde. Brzeziński fand ebenfalls die These von Mackinder sehr attraktiv, dass derjenige, der das „Kernland“ kontrolliert, die Welt kontrolliert39 – was nie wahr gewesen ist. Wenn jemand überhaupt das Kernland kontrolliert hat, hat er das Kernland kontrolliert und sonst nichts. Das ist die Geschichte: Großbritannien war nicht das Kernland, aber das britische Empire kontrollierte, als es eine Seemacht war, mehr von der Welt als alle anderen Staaten zu der Zeit. Jetzt geht es auch um die Macht in der Luft, im Weltraum usw. und das Kernland, wie es dort definiert ist, neigt dazu, ein riesiges Gebiet zu sein. Ich meine also, einige dieser abstrakten Theorien, die Brzeziński angezogen haben, sind meines Erachtens nachweislich nur falsch.

Wenn alles russischer Imperialismus ist, sogar in einem Gebiet mit mehrheitlich Russen, die in Russland sein wollen, was wahrscheinlich auf die Krim zutrifft, wenn das Imperialismus ist, was ist dann mit der Selbstbestimmung? Sind es nur Russen, die kein Recht auf Selbstbestimmung haben? Ich meine, das ist so, wie es den Russen scheint, und das ist nicht so sehr übertrieben. Denn obwohl es eine Abstimmung auf der Krim gab, ob man in der Sowjetunion bleibt (und die Abstimmung für die Unabhängigkeit war etwas über 50 %, wenn ich mich erinnere, die im Dezember 1991), gibt es keine Frage, dass die Mehrheit der Russen dort zumindest kulturell nie das Gefühl hatten, ukrainisch zu sein. Und sie wurden nie gefragt: Würden Sie es vorziehen, in Russland oder der Ukraine zu sein? Nie wurde das gefragt. Dieses neueste Referendum, das nicht frei war, beantwortete angeblich diese Frage. Aber ich vermute, im Einklang mit den Meinungsumfragen, dass weit über 50 %, vielleicht nicht viel mehr als sechzig, nicht überwältigend, schon gar nicht 90 % wirklich lieber in Russland sein würden. Und sicherlich hat Russland die Krim als Teil des russischen Territoriums angesehen, seit Katharina die Große die Halbinsel von den Tataren übernahm. Damit wird dies zu einer sehr emotionalen Angelegenheit. Ich denke, es hat wirklich nichts damit zu tun, ob Russland wieder ein Reich sein wird oder nicht. Es scheint mir, dass das eine sehr engstirnige polnische Ansicht ist.

Die Ukraine ist ein Nachbarland Russlands, sie unterhält enge Beziehungen zu Russland. Für die Vereinigten Staaten ist sie nur ein Teil, eine Bevölkerung, ein Staat im geopolitischen Streit und geopolitischer Gewinn. Auf der anderen Seite ist die Ukraine für Russland wirklich von lebenswichtiger Bedeutung. Wie sehen Sie das, wenn Sie vergleichen, was die Ukraine für die Vereinigten Staaten und was die Ukraine für Russland bedeutet?

Ich glaube nicht, dass die USA tief in diese Fragen einbezogen werden sollten. Ich verstehe, dass es ein Prinzip der Souveränität und der Störungen gibt, die territoriale Integrität, all das, das sind wichtige Fragen. Dies sind wichtige Prinzipien, aber es gibt auch andere, Selbstbestimmung ist eines von ihnen. Wir haben die Richtlinien der Schlussakte von Helsinki. Aber meiner Ansicht nach war der Angriff auf Serbien im Kosovo ohne UN-Mandat, sondern nur durch die NATO – und dann die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die USA und eine Reihe von NATO-Verbündeten – eine direkte Verletzung der Verpflichtungen von Helsinki. Diese besagen ja, dass, wenn es Änderungen der Grenzen gibt, dies in gegenseitigem Einvernehmen geschehen muss. Jetzt hat natürlich nicht die NATO oder eines ihrer Mitglieder das Gebiet des Kosovo eingenommen, aber die USA und einige andere haben den Kosovo zumindest als unabhängig angesehen – mit dem Effekt, dass Krieg gegen Serbien geführt wurde, obwohl kein Angriff gegen ein NATO-Mitglied vorlag. Wie Sie gut wissen, erkenne ich das schreckliche humanitäre Problem an, das wir damals hatten, aber: Wenn wir auf absolute Rechtmäßigkeit in unseren internationalen Maßnahmen bestehen, waren es die NATO und die USA, die diese dann verletzten – so ja auch der Vorwurf Putins. Er geht allerdings noch einen Schritt weiter und annektiert tatsächlich die Krim, anstatt sie einfach als unabhängig anzuerkennen. Und natürlich verletzte auch die amerikanische Invasion im Irak die völkerrechtlichen Standards. Damals dachten wir, dass wir einen guten Grund dafür hätten. Ich persönlich habe dies nicht geglaubt, aber die Sache ist, denke ich, die: Putin kann nun diese Präzedenzfälle, nicht streng nach den völkerrechtlichen Normen zu handeln, nehmen, um zu sagen: Dies gibt mir das Recht, auch die Normen zu brechen, wenn ich sehe, die Situation rechtfertigt dies. Ich glaube nicht, dass diese Logik richtig ist, aber besonders wir Amerikaner und auch andere NATO-Mitglieder sollten bedenken, dass wir selbst in der Vergangenheit bei der Einhaltung all dieser abstrakten Prinzipien nicht so streng waren.

Abgesehen von einem abstrakten Interesse am Recht des ukrainischen Volkes auf seine Unabhängigkeit, haben wir kein wesentliches Interesse an der Ukraine. Und es scheint mir, dass der Versuch, die Haltung von jenen Kreisen im Westen zu stärken, die eindeutig anti-russisch in ihrer Sicht sind, keine kluge Politik war. Denn entsprechend ihrer Lage wird die Ukraine immer wichtiger für Russland sein als für die weiter entfernten USA. Genauso wie auch Nordkorea viel wichtiger für China ist als für die USA.

Aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass die USA und die EU vollständig transparent mit den Russen arbeiten, um die Ukrainer zu ermutigen, ihre eigenen Bereiche zu entwickeln und das Land nicht zu teilen. Der wirtschaftliche Druck, den Russland auf die Ukraine ausübte, vor allem im letzten Jahr, und der Versuch, sie vom Abkommen mit der EU abzuhalten, denke ich, war absolut unangebracht. Ich glaube nicht, dass das tatsächlich im Interesse Russlands ist. Aber es scheint mir, was all das treibt, sind die Aussicht, dass, wenn jene im Westen die Kontrolle über die Ukraine weiterhin halten, die Ukraine ein NATO-Mitglied werden dürfte, und die Tatsache, dass wir noch nie bereit waren, diese Linie wirklich zu ziehen – ich meine mit „wir“ die NATO als Ganzes. Ich kann mir nicht vorstellen, wie die europäischen Verbündeten der NATO jemals erlauben werden, die Ukraine einzubinden. Dennoch denke ich, dass die Russen dies befürchten. Putins Aussagen über die Marinebasis in Sewastopol machten ziemlich klar, dass er bei den Verhandlungen mit der EU einfach die Art von Vorteil sah, die Ukraine in die NATO einzubinden – und das Nächste, was passieren würde: Sewastopol würde zu einer US-Marinebasis. Das war sein Albtraum und er machte Aussagen in diese Richtung. Ich glaube nicht, dass das je realistisch sein könnte, aber einige unserer Maßnahmen und Strategien haben diese Wahrnehmung wohl unterstützt. Ich verstehe nicht, warum Kiew nicht verstehen konnte, wer immer in Kiew war, dass das eine Sache ist, die sie nicht tun können: um die Mitgliedschaft in der NATO zu buhlen. Keine russische Regierung kann das akzeptieren.

Aber auf der anderen Seite ist Georgien zwar nicht NATO-Mitglied, aber es gibt eine sehr enge militärische Zusammenarbeit zwischen den USA und Georgien. Auch wenn die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird, kann diese eine sehr enge militärische Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten anpeilen. Das wäre wohl ein weiterer Albtraum für die Russen?

Sie würden sich darüber Sorgen machen, ja. Ich denke, dass wir in Georgien zu weit mit unserer militärischen Zusammenarbeit gegangen sind. Zuerst haben wir Putins Genehmigung erhalten, als wir einige Ausbilder schickten, denn das war, um eine gewisse Kontrolle über die Grenzen wiederzuerlangen. Die ganze Situation ist sehr komplex, aber es scheint mir, dass vor allem während der Bush-Regierung, als Georgien Truppen in den Irak schickte, die Georgier zu einem bestimmten Zeitpunkt das drittgrößte Kontingent dort waren. Wir haben viel in militärische Hilfe gesteckt. Ich glaube, wir haben Saakaschwili40 nicht geraten, Südossetien anzugreifen, aber Tatsache ist, dass die georgischen Aktionen in der Wahlkampagne von McCain41 2008 Unterstützung fanden. Die Sache war, so denke ich, ein Fehler. Wir hätten den Georgiern klarmachen sollen, dass sie nicht in der Lage sein werden, das Problem in Abchasien oder Südossetien mit Gewalt zu lösen. Sie hätten ihre Wirtschaft aufbauen und ihre Seite der Grenze attraktiver als die andere machen müssen. Schewardnadse42 hat das wohl verstanden, aber Saakaschwili offenbar nicht. Ich denke, wir haben auch zu viel Militärhilfe gegeben. Ich glaube aber nicht, dass der Zweck der war, dort amerikanische Stützpunkte zu errichten. Zumindest unser Militär ist den Russen aus dem Weg gegangen, um sicherzustellen, dass die Russen verstanden, dass wir die Dinge nicht heimlich hinter ihrem Rücken taten.

Wie sehen Sie jetzt die Entwicklung, nachdem die Ukraine das Assoziierungsabkommen unterzeichnet hat? Denken Sie, dass dieser Zeitraum von zehn Jahren, in dem die Ukraine ihre Wirtschaft an die europäischen Standards anzupassen hat, eine Art von Entscheidung für die weitere Orientierung der Ukraine bringen wird? Gibt es etwas, das getan werden kann, dass Russland endlich damit leben kann? Denn die Russen argumentieren damit, dass die US-Wirtschaftsinteressen durch diese Vereinbarung versteckt werden. Wie denken Sie darüber?

Das ist schwer vorherzusagen. Es ist offensichtlich: Solange die Ukraine nicht zusammenwächst und ein Land ist, wird es sehr schwer sein, diese Reformen durchzuführen. Auch unter den besten Umständen. Ein Problem ist, denke ich, das wirtschaftliche Defizit des ganzen Landes und das Ausmaß der Unterstützung, das es von außen bekommen wird. Ein weiteres Problem ist, dass vor allem die östliche Ukraine sehr abhängig von russischem Gas und russischer Energie ist, die für einen Großteil dieser Zeit unterhalb der Marktpreise geliefert wurde. Viel davon wurde einfach verschwendet, es gab keine Entwicklung der Wirtschaft. Viele dieser wirtschaftlichen Gründe bedeuten, dass die Art von Reformen, welche die EU und der IWF fordern werden, äußerst schwierig durchzuführen sein werden, selbst wenn man Russland nicht miteinbezieht. Nun, wenn man versucht, die Reformen in einer Weise durchzuführen, dass Russland der Auffassung ist, sie seien gegen seine Interessen, dann hat es offensichtlich die Mittel, sie undurchführbar zu machen. Lassen Sie uns realistisch sein, auch hier weiß ich nicht, wie man es vorhersagen kann.

Aber es scheint mir, wenn die EU und die USA von Anfang an (ich meine, mindestens ein Jahrzehnt zurück) abgestimmt hätten, welche Vorschläge wir als Unterstützung für die Modernisierung der Wirtschaft in der Ukraine zu machen hätten, hätten wir Russland die gleichen Vorschläge gemacht. Denn Russland braucht die gleichen Reformen. Wenn Russland die Ukraine in so etwas wie die Wirtschaftsunion sperrt, die Putin vorschlägt, wird das das ganze Gebiet zurückhalten. Ich meine, es wird in einem viel kleineren Bereich, etwa der Sowjetunion, sein und es wird scheitern. Das ist schade, weil man vor Ort einfach die Kontrolle der Oligarchen stützt und man sieht ein korruptes System, das sich von beiden Ländern ernährt. Sie leiden beide unter einer unzureichenden Reform des Sowjetsystems. Seien wir ehrlich, in vielerlei Hinsicht ist die Ukraine nicht so weit wie Russland in den Reformen gegangen. Daher ist dies eine sehr schwierige Frage. Ich denke, es ist bedauerlich, dass offenbar nicht erkannt wurde, dass es praktisch gesehen keine Alternative dazu gibt, diese Dinge in Zusammenarbeit mit Russland zu tun. Denn wenn sie sie als unvereinbar mit ihren Interessen ansehen, haben sie viele Mittel, sie zu untergraben und nicht zu unterstützen. Zudem war die Elite in beiden Ländern bis vor fünfundzwanzig Jahren die gleiche, die gleiche Einrichtung, die gleichen Sicherheitsleute usw.