Loe raamatut: «Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation»
Christine Becker
Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation
Eine empirische Untersuchung von Online-Diskussionen im universitären Landeskundeunterricht
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-8233-0084-7
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Inhalt
Dank
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund2.1 Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien2.1.1 Blended Learning2.1.2 Computervermittelte Kommunikation im Fremdsprachenunterricht2.1.3 Aufgaben für CMC-Szenarien2.1.4 Rolle der Lehrenden in CMC-Szenarien2.1.5 Zusammenfassung2.2 Kulturbezogenes Lernen2.2.1 Landeskunde: Geschichte, Begriffe und Probleme2.2.2 Kulturwissenschaftlich orientierte Landeskunde2.2.3 Zusammenfassung2.3 Integrierter Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht2.4 Epistemisches Schreiben2.5 Zusammenfassung und Ausblick
3 Der Landeskundeunterricht an der Universität Stockholm3.1 Das Fach Deutsch an der Universität Stockholm3.1.1 Sprachliche Voraussetzungen der Studierenden3.2 Das Landeskundeseminar3.2.1 Lehr- und Lernziele3.2.2 Technische Medienkompetenz3.2.3 Themenauswahl3.2.4 Integration von Fremdsprachen- und Fachunterricht3.2.5 Blended Learning und asynchrone computervermittelte Kommunikation
4 Forschungsmethode4.1 Erkenntnisinteresse4.2 Forschungsverständnis4.2.1 Gütekriterien qualitativer Forschung4.2.2 Lehrende als forschende Subjekte4.2.3 Kulturgebundenheit des forschenden Subjekts4.2.4 Generalisierbarkeit der Forschungsergebnisse4.3 Forschungsdesign4.3.1 Methoden der Datenerhebung und -aufbereitung4.3.2 Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen4.3.3 Verfahren der Datenanalyse4.3.4 Das Forschungsdesign aus forschungsethischer Perspektive
5 Ausgewählte Einflussfaktoren und Merkmale der Online-Diskussionen5.1 Beschreibung der Aufgabenstellung5.2 Anzahl und Länge der Beiträge5.3 Bearbeitungszeiten und Bedeutung der zeitlichen Vorgaben5.4 Zeitlicher Abstand zwischen den Beiträgen5.5 Sprachliches Niveau und Wahl der Sprache5.6 Verwendung von Hyperlinks und Emoticons5.7 Einflussfaktoren in der Aufgabenbearbeitung5.8 Interaktion zwischen den Studierenden5.8.1 Einfluss der Lehrperson auf die Interaktion5.8.2 Beitragslänge und sprachliche Besonderheiten5.8.3 Interaktion initiierende Inhalte5.9 Lehrerrolle5.10 Rolle der Studierenden mit Deutsch als L1
6 Kulturbezogenes Lernen6.1 Aufgaben und Modi ihrer BearbeitungSachfragen bzw. Fragen zum Text/FilmFrage zu eigenen ErfahrungenAbfrage von VorwissenFrage zur eigenen Meinung/VermutungEigene FragePerspektivenübernahme6.2 Sachwissen6.2.1 Umgang mit Sachfragen6.2.2 Vor- und Nachteile von Sachfragen in asynchronen Online-Diskussionen6.3 Begriffs- und Deutungsreflexionen6.3.1 Begriffsreflexionen6.3.2 Deutungsreflexionen6.3.3 Potenziale von asynchronen Online-Diskussionen für Begriffs- und Deutungsreflexionen6.4 Gegenwartsbezüge6.4.1 Von den Studierenden selbständig angebrachte Gegenwartsbezüge6.4.2 Potenzial von Gegenwartsbezügen für landeskundliches Lernen in asynchronen Online-Diskussionen6.5 Perspektivenübernahme6.5.1 Umgang mit Aufforderungen zu diachronen Perspektivenübernahmen6.5.2 Besonderheiten der Perspektivenübernahmen: Apologetische Tendenzen6.5.3 Kreative diachrone Perspektivenübernahmen6.5.4 Potenziale und Probleme von diachronen Perspektivenübernahmen für kulturbezogenes Lernen in asynchronen Online-Diskussionen6.6 Narrative Zugänge6.6.1 Wahl narrativer Zugänge6.6.2 Besonderheiten der erzählten Inhalte: Erinnerungen aus dem Familiengedächtnis6.6.3 Potenzial und Probleme narrativer Zugänge in asynchronen Online-Diskussionen
7 Zusammenfassung, didaktische Implikationen und Ausblick7.1 Einflussfaktoren auf die asynchronen Online-Diskussionen7.2 Potenziale und Probleme der AufgabenbearbeitungsmodiSachwissenBegriffs- und DeutungsreflexionenGegenwartsbezügePerspektivenübernahmeNarrative Zugänge
Literaturverzeichnis
Anhang1. Verzeichnis der im Unterricht verwendeten TexteInternetquellen (ohne Angabe des Verfassers/der Verfasserin)Sonstiges2. Seminarplan Präsenzunterricht (Sommersemester 2014)3. Informationen für Studienteilnehmer/-innen4. Einverständniserklärung5. Hintergrundfragebogen6. Kursevaluation7. Interviewleitfaden
Abkürzungen
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Dank
Diese Arbeit ist als Dissertation an der Universität Stockholm und an der Justus-Liebig-Universität Gießen entstanden. Mein Dank gilt meinen Betreuern in Stockholm und Gießen: Prof. Dr. Elisabeth Wåghäll Nivre, die nicht nur in wissenschaftlichen Fragen eine exzellente Ansprechpartnerin ist, und Prof. Dr. Dietmar Rösler: Vielen Dank für die sehr inspirierende und engagierte Betreuung! Ich danke ebenso Dr. Frank Thomas Grub für die sehr wertvolle Betreuung vor allem in der Schlussphase.
Ohne die Teilnahme von vielen Studierenden an meiner Studie wäre diese niemals zustande gekommen. Ihnen sei an dieser Stelle ganz besonders gedankt!
Darüber hinaus möchte ich mich bei Jun.-Prof. Dr. Katrin Biebighäuser für die hervorragende Begutachtung meines Manuskriptes im Rahmen des Schlussseminars bedanken.
Verschiedene schwedische Stiftungen haben mir während meiner Doktorandenzeit wichtige Konferenzreisen und die Anschaffung von Literatur ermöglicht: Helge Ax:son Johnson Stiftelse, Sven och Dagmar Saléns Stiftelse und K & A Wallenbergs Stiftelse. Der Universität Stockholm danke ich für das Stockholms universitets donationsstipendium.
Ich danke auch den Mitgliedern der Sektion 8 des Gießener Graduiertenzentrum Kulturwissenschaften für die freundliche und kollegiale Aufnahme in ihren Kreis.
Allen meinen Stockholmer Kollegen und Kolleginnen am Institut für Slawische und Baltische Sprachen, Finnisch, Niederländisch und Deutsch danke ich für die freundliche und offene Arbeitsatmosphäre. Ich danke Dr. Anna Callenholm für die Freundschaft und dafür, dass sie mir in der Schlussphase vollständig den Rücken frei gehalten hat. Bei den Teilnehmerinnen des Germanistischen Kolloquiums möchte ich mich für das Interesse und das kontinuierliche Feedback bedanken. Mein besonderer Dank geht hier an Dr. Susanne Tienken, Dr. Charlotta Seiler Brylla und Prof. Dr. Elisabeth Herrmann. Dr. Beate Schirrmacher danke ich für das Interesse an dieser Arbeit und die vielen wertvollen Gespräche und Kommentare.
Mein Dank gilt Judith Anastasiu und Torun Gille West für die Hilfe bei allen administrativen Belangen, Dr. Barbro Landén für ihre Unterstützung und ihr Vertrauen in den letzten zehn Jahren. Dr. Kerstin Lundström, Sara Eriksson, Dr. Annika Johansson und Dr. Sara Van Meerbergen haben meinen Arbeitsalltag sehr bereichert. Ich bedanke mich zudem auch bei Dr. Camilla Amft, Julia Baumann, Alice Duhan, Andrea Eppert, Dr. Caroline Merkel, Henrike Messer, Christine Schlagmann und Dr. Karolin Viseneber für das genaue Korrekturlesen des Schlussmanuskripts. Eventuelle Fehler gehen auf meine Kappe!
Mein größter Dank aber gilt meinen Eltern und Jens. Ihnen – und Jonathan – ist diese Arbeit gewidmet.
1 Einleitung
Digitale Medien haben heute einen immensen Einfluss auf alle Bereiche des privaten, beruflichen und schulischen Alltags und werden auch herangezogen, um das Lehren und Lernen von Fremdsprachen zu unterstützen. Die Fremdsprachendidaktik erforscht daher, welchen didaktisch sinnvollen Beitrag digitale Medien für Sprachlehr- und -lernprozesse leisten können. Ein Teil dieser Forschungsbeiträge nimmt den Nutzen für den Erwerb sprachlicher Fertigkeiten in den Blick und fragt beispielsweise, welche Rolle didaktisierte Chaträume für die Entwicklung der Sprechfertigkeit spielen. Das Potenzial für landeskundliches Lernen wurde bislang in erster Linie im Rahmen von interkultureller Telekollaboration untersucht, wobei E-Mail und Online-Diskussionsforen den Austausch zwischen Fremdsprachenlernern und L1-Sprechern oft erst ermöglichen. Landeskundliches Lernen wird in diesem Zusammenhang häufig als interkulturelles Lernen verstanden, das mit Zielen wie Fremdverstehen und interkultureller Kommunikationsfähigkeit verbunden ist.
Ein Desiderat stellt die Auseinandersetzung mit dem Potenzial digitaler Medien für kulturwissenschaftlich orientierten Landeskundeunterricht dar. Seitdem der cultural turn, d.h. die Hinwendung der Geistes- und Sozialwissenschaften zu einem semiotisch und konstruktivistisch geprägten Kulturbegriff, auch die Fremdsprachendidaktik erreicht hat, sind einige kulturwissenschaftlich orientierte Ansätze entstanden, deren gemeinsamer Nenner ist, dass sie auf die Vermittlung von Kultur im Sinne geteilter Wissensbestände abzielen (vgl. vor allem Altmayer 2004). So ist festzustellen, dass aufgrund der Orientierung der Fremdsprachendidaktik an den Kulturwissenschaften eine Trendwende im Hinblick auf die wissenschaftliche Fundierung der Landeskunde stattgefunden hat: Für die Unterrichtspraxis liegt eine Reihe von konzeptuellen Arbeiten vor, die an kulturwissenschaftliche Fragestellungen und Ergebnisse anknüpfen und die Frage nach ‚sinnvollen‘ Unterrichtsinhalten vor allem mit einem Rückgriff auf erinnerungs- und gedächtniswissenschaftliche Forschung zu beantworten versuchen. Mit Recht wird argumentiert, dass das kulturelle Gedächtnis einen Zugang zu sozial geteiltem Wissen darstellt (vgl. Bärenfänger 2008, 49). Zugleich mangelt es aber an empirisch gesicherten Erkenntnissen über landeskundliche bzw. kulturbezogene1 Lehr- und Lernprozesse; diese sind jedoch unerlässlich, um die Praxis des Landeskundeunterrichts optimieren zu können.
Die vorliegende Arbeit leistet einen Beitrag zu einem besseren Verständnis landeskundlicher Lehr- und Lernprozesse und untersucht zum einen die Rolle von konkreten Kontextfaktoren, indem gefragt wird, welches Potenzial asynchrone computervermittelte Kommunikation für landeskundliches Lernen besitzt. Diese Arbeit ist somit an der Schnittstelle der Forschungsbereiche Landeskundedidaktik und Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien verortet. Während die Frage, warum der Einsatz von asynchroner computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht sinnvoll ist, dank einer aktiven Forschungstätigkeit relativ univok beantwortet werden kann, liegen im Bereich der Landeskundedidaktik erst in jüngster Zeit Forschungsergebnisse vor, an die mit dieser Arbeit angeknüpft werden soll. Indem diese Arbeit auf den Einfluss des Mediums und die konkreten Unterrichtsbedingungen fokussiert, soll aufgezeigt werden, wie Landeskundeunterricht gestaltet werden kann, um kulturbezogene Lernprozesse zu initiieren. Zum anderen wird untersucht, inwiefern bestimmte Aufgabenstellungen zu gewissen Strategien der Aufgabenbearbeitung führen können und wie diese im Hinblick auf das landeskundliche Lernen einzuschätzen sind. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise, in Anknüpfung an gedächtniswissenschaftliche und geschichtsdidaktische Forschung, die Frage aufgeworfen, welche Rolle das (Weiter-)Erzählen von Erinnerungen für landeskundliches Lernen spielt und welche Funktion kreatives Schreiben übernehmen kann.
Untersucht werden dazu asynchrone Online-Diskussionen, die Teil eines Blended-Learning-Seminars zur Landeskunde der deutschsprachigen Länder sind und in denen die Studierenden sich mit geteilten Wissenbeständen auseinandersetzen. Dies geschieht in den meisten Fällen in der Beschäftigung mit zeitgeschichtlichen Themen, da mit ihrer Hilfe die Genese geteilter Wissensbestände aufgezeigt werden kann. Das hier untersuchte Seminar ist Teil des Germanistik-Studiums an der Universität Stockholm; aus den Sommersemestern 2013 und 2014 stammen die Produktdaten der Online-Diskussionen, die qualitativ und partiell auch quantitativ ausgewertet wurden. Zudem wurden mit einem Teil der Studierenden semistrukturierte Leitfadeninterviews zu ihren Erfahrungen mit den Online-Diskussionen durchgeführt. Mit Hilfe der Interviews konnten die Ergebnisse der Produktdatenanalyse trianguliert werden. Auch von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern ausgefüllte Hintergrundfragebogen, Prozessdaten, die mit Hilfe der verwendeten Lernplattform gewonnen wurden, sowie anonyme Kursevaluationen wurden, sofern sinnvoll, mit in die Analyse einbezogen.
Es handelt sich bei dem untersuchten Unterricht also um universitären Landeskundeunterricht, wie er im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen häufig zu finden ist und in dem Fremdsprachenunterricht mit der Vermittlung von Fachinhalten verbunden wird. Anders als der schulische integrierte Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht stellt die universitäre Lehre noch kein etabliertes Forschungsgebiet dar. In diesem Kontext können die in dieser Arbeit vorgelegten Forschungsergebnisse Impulse für die Unterrichtspraxis in Fremdsprachenstudiengängen geben.
In dem auf diese Einleitung folgenden Kapitel 2 wird der theoretische Hintergrund skizziert; das Unterkapitel zu Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien (2.1) ist, nach einleitenden Kapiteln zu Blended Learning und computervermittelter Kommunikation im Fremdsprachenunterricht, dem Potenzial von asynchroner computervermittelter Kommunikation gewidmet. Dabei wird zwischen einer allgemeindidaktischen und einer fachdidaktischen Perspektive unterschieden. So wird asynchrone computervermittelte Kommunikation beispielsweise allgemein dann eingesetzt, wenn die Lerner mehr Zeit für Reflexion bekommen sollen, was für den Fremdsprachenunterricht bedeutet, dass die Beiträge der Lerner vor allem sprachlich besser ausgearbeitet werden können bzw. für den Landeskundeunterricht, dass auch inhaltlich mehr Reflexion stattfinden kann.
Zwei Komponenten, die Unterricht maßgeblich beeinflussen (und zwar unabhängig davon, ob er im Präsenz- oder Online-Modus stattfindet), rücken sodann in das Blickfeld: Lernaufgaben und die Rolle der Lehrenden. Der Fokus liegt hier auf der Frage, welche Besonderheiten sich für diese beiden Einflussfaktoren im Kontext asynchroner computervermittelter Diskussionen feststellen lassen. Insgesamt werden die theoretischen Ausführungen, sofern sie sich in der Analyse als besonders relevant zeigen, in den Kapiteln der Datenauswertung (Kapitel 5 und 6) näher erläutert.
Das Unterkapitel zu landeskundlichem Lernen (Kapitel 2.2) skizziert die Geschichte sowie den aktuellen Stand der Landeskundedidaktik und führt in die kulturwissenschaftlichen Landeskundeansätze ein, an die mit dem hier untersuchten Unterricht angeknüpft wird.
Auf diese Kapitel zu den theoretischen Hintergründen folgen zwei kürzere theoretische Kapitel, deren Inhalte für die Datenanalysen relevant sind: Kapitel 2.3 behandelt das Thema integrierter Fremdsprachen-Sachfach-Unterricht und zeigt auf, in welcher Situation sich der universitäre Fachunterricht befindet, der im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen stattfindet. Kapitel 2.4 ist der epistemischen Funktion des Schreibens gewidmet; da die Studierenden ihre Beiträge in der asynchronen Online-Diskussion verschriftlichen, ist davon auszugehen, dass dies einen Einfluss auf das Lernpotenzial der Diskussionen hat.
In Kapitel 3 der Arbeit wird der spezifische Untersuchungskontext zusammengefasst, d.h. auf das Fach Germanistik an der Universität Stockholm eingegangen, sowie die Didaktik des Landeskundeunterrichts erläutert und somit an Kapitel 2.2 angeknüpft.
Daran schließt in Kapitel 4 die Präsentation der Forschungsmethode an: Nach einigen Vorüberlegungen zu Erkenntnisinteresse und Forschungsverständnis wird das Forschungsdesign beschrieben, d.h. die Methoden der Datenerhebung und -auswertung. Die Methode der Datenauswertung folgt hauptsächlich der qualitativen Inhaltsanalyse. Abgeschlossen wird das Kapitel mit Reflexionen über das Forschungsdesign aus forschungsethischer Perspektive.
Es folgt der Teil der Arbeit, in dem die Analyseergebnisse präsentiert werden: Zunächst werden in Kapitel 5 die Ergebnisse der Detailanalyse einer Online-Diskussion zusammengefasst; Ziel ist es, Faktoren zu identifizieren, die das Geschehen während einer asynchronen Online-Diskussion beeinflussen, sowie Merkmale der Diskussionen zu beschreiben. Die Erkenntnisse stellen die Grundlage für die weitere Datenanalyse dar, denn das Potenzial asynchroner computervermittelter Diskussion für landeskundliches Lernen kann in seiner Komplexität nur beschrieben werden, wenn Aspekte wie beispielsweise Zeitpunkte der Bearbeitung, Beitragslänge, studentische Interaktion, Lehrerrolle und die Rolle von Studierenden mit Deutsch als L1 berücksichtigt werden. Zudem zeigen diese ausgewählten Einflussfaktoren, wie Lernprozesse initiiert werden können.
In Kapitel 6 wird schließlich das Lernpotenzial der Diskussionen für kulturbezogenes Lernen herausgearbeitet. Ausgangspunkt der Analyse sind die im Diskussionsforum gestellten Aufgaben und die Vorgehensweisen der Studierenden bei der Aufgabenbearbeitung. So kann aufgezeigt werden, dass die Studierenden verschiedene Modi der Aufgabenbearbeitung wählen, beispielsweise das Zusammenfassen von Sachwissen oder das Erzählen von persönlichen Erlebnissen. Eine Auswahl der identifizierten Modi (Zusammenfassung von Sachwissen, Gegenwartsbezüge, Begriffs- und Deutungsreflexionen, Perspektivenübernahme und narrative Zugänge) wird ab Kapitel 6.2 im Hinblick auf Vor- und Nachteile für landeskundliches Lernen hin untersucht. In Kapitel 7 werden die Ergebnisse und Implikationen für die Gestaltung der Unterrichtspraxis zusammengefasst.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien
Seit dem Aufkommen der digitalen Medien1 werden diese auch für das Fremdsprachenlernen genutzt, wobei zunächst grob zwischen folgenden Verwendungsformen von digitalen Medien bzw. E-Learning2 im Fremdsprachenunterricht unterschieden werden kann: der „Verteilung (Distribution) von Lernmaterial, [und der] Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden sowie zwischen Lernenden bzw. Lehrenden untereinander“ (Rösler 2010a, 9)3. Beide Verwendungsformen sind derzeit für das Fremdsprachenlernen gleichermaßen relevant und es lässt sich folgender Trend beschreiben: Während auf der einen Seite eine „Tendenz zur weitgehenden Individualisierung des Lernens“ festzustellen ist, da Lerner durch digitale Medien z.B. die Möglichkeit haben, individuelle Lernpfade zu beschreiten, kann zudem eine „weitere Verbreitung kooperativen Lernens“ beobachtet werden (Rösler 2010b, 1210), das z.B. durch asynchrone computervermittelte Kommunikation ermöglicht wird.
Als Beispiele für die Verwendung digitaler Medien für das Fremdsprachenlernen4 lassen sich erst einmal das Bearbeiten von automatisch korrigierten Lückentexten auf zu Lehrbüchern gehörenden CD-ROMs oder einschlägigen Internetseiten sowie das Üben von Vokabeln und grammatischen Strukturen auf Smartphones5 nennen, wobei diese Einsatzmöglichkeiten meist unter die Kategorie CALL fallen. CALL steht für Computer-Assisted Language Learning und prägte vor allem die Anfangsjahre von computergestütztem Fremdsprachenlernen.6 Seitdem vielen Fremdsprachenlernern auch mobile Endgeräte zur Verfügung stehen, könnte man jedoch von einem Revival von CALL sprechen: Apps wie Duolingo werden für das Selbstlernen angeboten und haben den instruktionalen Charakter, der typischerweise mit CALL verbunden wird.7
Zum kooperativen Arbeiten mit digitalen Medien gehören u.a. das gemeinsame Verfassen von Texten, das Erstellen von Podcasts oder Filmen, oder das, was unter computervermittelter Kommunikation (CMC: Computer-Mediated Communication)8 verstanden wird, wie das Diskutieren von Kurzgeschichten im didaktischen Chatraum, der interkulturelle Austausch in virtuellen Welten, im Chat oder durch die App WhatsApp, oder eben auch die Auseinandersetzung mit landeskundlichen Themen in Online-Foren.
Entsprechend des Bewusstseins, dass „[d]er Einsatz von digitalen Medien nur dann sinnvoll [ist], wenn er sinnvoll ist“ (Rösler 2006a, 69), versucht die fremdsprachendidaktische Forschung Klarheit in die Frage zu bringen, welchen Sinn bzw. Mehrwert digitale Medien für das Fremdsprachenlernen haben. Reinmann (2005, 76–78) erörtert ausgehend von Hauptfunktionen9 das Potenzial digitaler Medien für Lernumgebungen im Allgemeinen, die im Folgenden auf das Fremdsprachenlernen zugeschnitten werden sollen (vgl. Biebighäuser 2014, 98), mit besonderem Fokus auf das Potenzial für landeskundliches Lernen:
Distribution, Repräsentation und Exploration: Distribution meint die „zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Informationen und Materialien“ (ebd., 98), dank derer Lernende und Unterrichtende Zugang haben zu z.B. Zusatzmaterialien zu Lehrwerken auf den Seiten der Verlage und zu unter Umständen tagesaktuellen authentischen10 Materialien aus der fremdsprachigen Lebenswelt. Dass digitale Medien hier nicht nur ein Potenzial besitzen, sondern es auch problematisch sein kann, wenn Lernende beispielsweise im Rahmen von eigenständigen Recherchen landeskundliche Informationen googeln, zeigt anekdotisch das kleine Experiment von Koreik, der im Suchfenster der Google-Bildersuche „deutsche Jugend“ eingibt:11
Von den ersten zehn Einträgen […] stammten vier aus der NS-Zeit, drei waren der Neonazi-Szene zuzuordnen, einer zeigte ein Plattencover der FDJ […], in einem Fall wurde eine Karikatur gezeigt, auf der als Ausländer skizzierte Jugendliche vor der Schule offensichtlich einen deutschen Schüler verprügeln […]. (Koreik 2011, 597)
Eine weitere Hauptfunktion digitaler Medien ist die Repräsentation, d.h. die Möglichkeit, „Informationen in verschiedenen Symbolsystemen darzustellen, Text, Bild und Animation zu kombinieren“ (Reinmann 2005, 76); jedes Symbolsystem schult dabei die entsprechende rezeptive Fähigkeit. Durch die multimediale Präsentation von Lerngegenständen können verschiedene Lernertypen angesprochen werden und durch die Kombination Synergieeffekte erzielt werden. Die mehrkanälige Repräsentation ist zudem heutzutage die authentische Form der Informationsvermittlung, so dass ein handlungsorientierter Sprachunterricht als sinnvoll betrachtet werden kann, wenn er „Sprache und Kultur in der Vielfalt ihrer natürlichen vorkommenden Medien“ (Roche 2010, 1244) vermittelt. Zugleich können Lernende durch digitale Medien die Produkte ihrer Arbeit in verschiedenen Symbolsystemen präsentieren, z.B. als Podcasts, Filme oder Blogs, wie im landeskundlichen Blog der Göteborger Deutsch-Studenten (vgl. Havermeier/Junker 2013).
Die Funktion der Exploration benennt die Möglichkeit der Interaktion des Lerners mit dem Material, z.B. im Rahmen von interaktiven Selbstlernmaterialien, Planspielen oder Simulationen, was schon darauf hinweist, dass dem Faktor der Interaktivität eine wichtige Rolle beim Lernen mit digitalen Medien zukommt (vgl. Zeyer/Stuhlmann/Jones 2016) und zu den anderen beiden Hauptfunktionen Kommunikation und Kollaboration überleitet, die in dieser Arbeit im Zentrum stehen:
Digitale Medien ermöglichen die (computervermittelte) Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden oder Lernenden untereinander, wobei diese asynchron, d.h. zeitversetzt, oder synchron, d.h. (nahezu) zeitgleich, stattfinden kann, sowie mündlich oder schriftlich. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, E-Mail-Klassenpartnerschaften zu pflegen und so das interkulturelle Lernen12 zu fördern (vgl. besonders O’Dowd 2007) oder mit L1-Sprechern in Kontakt zu treten und die Fremdsprache in authentischen Situationen zu verwenden. Nach Rösler (2010a, 50f) liegt das Hauptpotenzial des asynchronen Modus somit darin, dass – rein praktisch – bei raumüberschreitenden Projekten verschiedene Zeitzonen keine Rolle mehr spielen und dass die Lernenden mehr Zeit zur Reflexion haben. Synchrones Arbeiten hingegen erlaubt es, dass man z.B. in einer Videokonferenz direkt miteinander redet. Funktionierende Kommunikation ist zudem die Voraussetzung für Kollaboration, das gemeinsame Arbeiten mehrerer Lernender, indem sie beispielweise in virtuellen Welten kollaborativ landeskundliche Aufgaben bearbeiten (vgl. Biebighäuser 2014).
Die fünf Hauptfunktionen digitaler Medien sind jedoch nur aus analytischen Gründen voneinander getrennt; werden digitale Medien in den Fremdsprachenunterricht integriert, sind je nach Unterrichtsphase oder Aufgabensequenz alle oder mehrere Funktionen unterschiedlich gewichtet. In dem im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Unterricht beispielsweise steht die Kommunikation zwischen Studierenden im Mittelpunkt, wobei dadurch, dass die Diskussion auf der Lernplattform gespeichert wird, die Funktion der zeit- und ortsunabhängigen Distribution eine wesentliche Rolle für das Lernpotenzial spielt, ebenso wie die Studierenden oftmals vor dem Verfassen ihrer Beiträge selbständig Recherchen anstellen. Ausgangspunkt der Diskussionen sind darüber hinaus in verschiedenen Symbolsystemen repräsentierte Informationen, vor allem Texte, Videos und Fotografien.
Diese knappe Darstellung der verschiedenen Hauptfunktionen digitaler Medien zeigt, dass es eine große Bandbreite an verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für das Fremdsprachenlernen gibt. Im Folgenden steht das gesteuerte Fremdsprachenlernen im Fokus. Digitale Medien können in diesem Zusammenhang nicht nur in Selbstlern- oder Kooperationsphasen des Unterrichts integriert werden, sondern gesamte Lehrveranstaltungen modifizieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn alle zwei Wochen stattfindender Präsenzunterricht mit dazwischenliegenden Online-Phasen kombiniert wird, in denen die Lernenden allein oder in Kooperation Aufgaben bearbeiten. Dabei sind Integration und Modifikation als Enden eines Kontinuums zu verstehen, wobei vollvirtuelle Online-Kurse, die ohne physischen Kontakt aller Beteiligten ablaufen, am einen Ende des Kontinuums zu verorten sind.
Während solche Distanzlernangebote (vgl. Platten 2010, 1192f) für gewisse Kontexte durchaus sinnvoll sind, zeigt sich jedoch nach einer anfänglichen Begeisterung um vollvirtuelle Lernangebote, dass das Konzept des Blended Learning als relevanter angesehen wird: Blended Learning „ist aus der Einsicht erwachsen, dass die traditionellen Lehr-/Lernformen mit ihren bekannten Schwächen und Engpässen sich eben doch nicht so ohne Weiteres durch eLearning-Maßnahmen ersetzen lassen“ (Kohn 2006, 286).
Da das im Rahmen dieses Forschungsprojekts untersuchte Seminar im Blended-Learning-Modus stattfand und das Lernpotenzial von asynchronen Online-Diskussionen nur in diesem Kontext herauszuarbeiten ist, soll diese Lernform im nächsten Unterkapitel genauer diskutiert werden.