Loe raamatut: «Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen», lehekülg 45

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9. Rückgriffskondiktion

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Tilgt jemand, ohne hierzu dem Schuldner gegenüber berechtigt oder verpflichtet zu sein, „versehentlich“ dessen Verbindlichkeiten (vgl. § 267) ist eine Rückgriffskondiktion gegen den Schuldner für den Regress des an den tatsächlichen Empfänger Leistenden zu erwägen.

Zumeist werden speziellere Ausgleichsansprüche Vorrang haben: § 268 Abs. 2 oder Gesamtschuldnerausgleich nach § 426; ebenso die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag für den Schuldner (§§ 677, 683, 670). Bei unberechtigter GoA verweist § 684 ohnehin auf das Bereicherungsrecht.

Als Beispiele der Rückgriffskondiktion verbleiben danach die Beseitigung von Eigentumsstörungen durch den Eigentümer selbst anstelle des Störers, die Reparatur eines Fahrzeugs durch eine Werkstatt anstelle des ersatzpflichtigen Schädigers oder die Beseitigung von Mängeln an Bauwerken durch einen Bauträger anstelle des in erster Linie gewährleistungspflichtigen Bauhandwerkers.

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Die Rückgriffskondiktion ist im Zusammenhang mit der Darstellung der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Mehrpersonenverhältnissen zu sehen. Bestand die getilgte fremde Schuld, wird regelmäßig das Innenverhältnis zwischen Leistendem und Schuldner für die Regressfrage maßgeblich sein, ohne dass es des Bereicherungsausgleichs bedürfte. Bestand die zu tilgen beabsichtigte fremde Schuld hingegen nicht, wird nach hiesiger Darstellung regelmäßig die Direktkondiktion gegen den Zahlungsempfänger als Leistungskondiktion bestehen, der dann der Vorrang gebührt.

§ 3 Ausgleichsordnung › C. Bereicherungsausgleich › VI. Inhalt und Umfang des Bereicherungsausgleichs

VI. Inhalt und Umfang des Bereicherungsausgleichs

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Alle Kondiktionen sind auf Herausgabe des „Erlangten“ gerichtet und haben damit den konkreten Bereicherungsgegenstand zum Inhalt. Eine (notwendige) Ausnahme als Wertersatzanspruch nur in Geld enthält § 951. Inhalt und Umfang des Bereicherungsausgleichs ist geregelt in § 818 zusammen mit den §§ 819–822, und zwar für alle Kondiktionsformen einheitlich.

1. Herausgabe des Erlangten

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Die Herausgabepflicht umfasst zuerst dasjenige, was rechtsgrundlos geleistet oder als unbefugter Eingriff durch Verletzung des Zuweisungsgehalts eines Rechts erlangt worden ist. Die Herausgabe richtet sich sodann nach der Art des Bereicherungsgegenstandes und ist, wo es möglich ist, in Natur geschuldet (etwa Rückübereignung nach §§ 925, 929; Rückgabe des Besitzes nach § 854). Eine Wertersatzpflicht des Bereicherungsschuldners tritt lediglich und erst dann ein, wenn die Restitution in Natur nicht möglich ist (vgl. § 818 Abs. 2).

Der Ersatzanspruch in Natur erstreckt sich vorrangig gegenüber dem Wertersatz auch auf Herausgabe desjenigen, was „als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands“ erworben wurde. Solche Surrogate repräsentieren den Herausgabegegenstand immer noch wertmäßig im Vermögen des Kondiktionsschuldners.

Surrogat einer herauszugebenden Forderung ist etwa die auf sie eingezogene Leistung, bei einem Pfandrecht der Erlös aus der Pfandverwertung, bei einem Lotterielos der Gewinn. Hat ein Dieb vom gestohlenen Geld Gegenstände erworben, gelten nach h.M. auch diese als Surrogate.

§ 818 Abs. 1 erweitert außerdem den Umfang des Herausgabeanspruchs auf die „gezogenen Nutzungen“ (vgl. § 100). Hierzu gehören alle Gebrauchsvorteile, die Früchte einer Sache oder eines Rechts. Nutzungen umfassen aber auch den Gewinn eines rechtsgrundlos erlangten Unternehmens (jedenfalls soweit solche Gewinne nicht ausschließlich auf persönlicher Leistung und Fähigkeit des Kondiktionsschuldners beruhen).

Beispiel:

Keine Nutzungen sind aber etwa der Werbeerfolg aus der Verletzung eines Urheberrechts oder Rechts am eigenen Bild zu Werbezwecken.

2. Wertersatz

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Soweit die auf Herausgabe des Erlangten, Nutzungen und Surrogate gerichtete primäre Leistungspflicht nicht mehr erfüllt werden kann (oder im Fall des § 951 unmittelbar als Inhalt der Herausgabepflicht), schuldet der Bereicherte Wertersatz (§ 818 Abs. 2). Objektive Unmöglichkeit und Unvermögen des Schuldners werden gleichgesetzt, so dass der Bereicherte nicht verpflichtet wäre, einen veräußerten Bereicherungsgegenstand zurück zu erwerben. Auch schuldet er nicht Herausgabe eines Veräußerungserlöses für den Kondiktionsgegenstand, sondern Wertersatz (die Veräußerung des – ja nur schuldrechtlich – herauszugebenden Bereicherungsgegenstands ist kein Fall des § 816 Abs. 1; der Kondiktionsschuldner handelt sachenrechtlich als Inhaber dieses Rechts. Nur wenn im Zusammenhang damit über ein ganz anderes Recht verfügt wird, kann § 816 Abs. 1 anwendbar sein, also wenn etwa der allein kondizierbare Besitz bei unwirksamer Miete oder Verwahrung als Träger des Rechtsscheins für den gutgläubigen Eigentumserwerb eines Dritten dient).

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Regelmäßig ist vom objektiven Wert auszugehen, also dem Verkehrswert des jeweils Erlangten, z.B. der Dienstleistungen, Gebrauchsvorteile oder des fremden Rechts. Bei Verletzung von Immaterialgüterrechten wird deshalb die „übliche“ Lizenzgebühr als Wertersatz geschuldet. Irrelevant ist, ob der Bereicherungsschuldner das verletzte Recht gar nicht in diesem Umfang gebrauchen wollte oder er günstigere Alternativen gewählt hätte, wenn er gewusst hätte, dass die Inanspruchnahme etwas kosten solle.

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Aufgedrängte Bereicherungen, insb. also Aufwendungen, welche der Empfänger so nicht gemacht hätte, sind ausnahmsweise nur nach dem subjektiven Wert zu ersetzen. Dieses Problem stellt sich regelmäßig eher im Zusammenhang mit Gegenansprüchen des herausgabepflichtigen Kondiktionsschuldners, nämlich hinsichtlich der auf den Kondiktionsgegenstand getätigten Aufwendungen und betrifft damit den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3.

3. Wegfall der Bereicherung

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Nach § 818 Abs. 3 wird der Kondiktionsschuldner in seiner Haftung privilegiert, indem er Herausgabe und Wertersatz nicht zu leisten braucht, soweit er nicht mehr bereichert ist. Entlastet wird nur der gutgläubige Bereicherungsschuldner, der auf die Beständigkeit seines (unerkannt rechtsgrundlosen) Erwerbs vertrauen durfte. Erst bei positiver Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs treten Schadensersatzansprüche an die Stelle der Kondiktionsschuld (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 bzw. 820).

a) Entreicherung

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§ 818 Abs. 3 greift nicht nur dann ein, wenn das Erlangte ganz oder teilweise ersatzlos weggefallen ist, sondern auch bei anfänglichem Fehlen einer Bereicherung (sog. aufgedrängte Bereicherung). Entreicherung tritt damit ein, wenn der Kondiktionsgegenstand beschädigt oder zerstört wurde (ein evtl. Ersatz oder Ersatzanspruch gegen Dritte stellt jedoch ein Surrogat i.S.d. § 818 Abs. 1 dar, so dass insoweit keine Entreicherung eingetreten wäre; vgl. auch den Rechtsgedanken in § 285). Auch der Verbrauch des Kondiktionsgegenstands (etwa von Geld) durch den Bereicherungsschuldner kann zu seiner Entreicherung führen.

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Keine Entreicherung tritt ein, wenn die Wertminderung oder der Verbrauch mit dem Nutzungsvorteil des Kondiktionsgegenstands identisch ist. Dann tritt die Wertersatzpflicht nach § 818 Abs. 2 ein. Der Werteverzehr (etwa durch bestimmungsgemäßen Einsatz einer rechtsgrundlos übereigneten Maschine) ist vielmehr der Maßstab für die Höhe des Wertersatzes. Der Verbrauch von Geld dient oftmals dem Erwerb sodann herauszugebender Surrogate. Jedoch auch bei reinen Konsumausgaben ist der unmittelbar in Geld ausgedrückte Wert gerade der herauszugebende Gebrauchsvorteil. Entreicherung tritt beim Werteverzehr oder Verbrauch deshalb nur ein, wenn dadurch gerade nicht der unmittelbar verkörperte Gebrauchsnutzen sich realisiert, sondern die Vernichtung entweder nicht bestimmungsgemäß ist oder auch durch bestimmungsgemäßen Verbrauch dennoch keine Aufwendungen erspart wurden.

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Zur Entreicherung rechnen auch unmittelbar mit dem Bereicherungsvorgang entstandene Nachteile, wie Vertragskosten und Aufwendungen für Maßnahmen, die den Gebrauch der Sache ermöglichten (Transportkosten, Versicherungsprämien), ebenso Verwendungen zum Erhalt, zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Sache; Maßstab ist, dass sich darin gerade das später enttäuschte Vertrauen auf das Behaltendürfen ausdrückt. Solche Kosten sind mit der Kondiktion dem Bereicherungsschuldner zu erstatten. Keine Entreicherung liegt in Gebrauchsaufwendungen und Schäden durch den Kondiktionsgegenstand.

§ 818 Abs. 3 gibt keinen selbstständigen Gegenanspruch, sondern ermöglicht nur den Abzug oder das Entgegensetzen gegen die Herausgabepflicht. Ein eigenständiger Anspruch etwa aus Verwendungskondiktion setzte zusätzlich eine Bereicherung des Kondiktionsgläubigers durch diese Aufwendungen nach Rückerhalt des Kondiktionsgegenstands voraus. Schäden, welche dem Bereicherten durch die herauszugebende Sache widerfahren sind, kann er nur nach v.a. Deliktsrecht liquidieren, nicht jedoch über § 818 Abs. 3.

b) Ausgleich von Vor- und Nachteilen bei gegenseitigen Verträgen (Saldotheorie)

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Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nichtiger zweiseitiger Schuldverhältnisse entstehen regelmäßig Kondiktionen in beide Richtungen des ursprünglichen Austauschs von Leistung und Gegenleistung. Ein Wegfall der Bereicherung betrifft strenggenommen stets nur die Rückabwicklung der einen oder anderen Leistung, während der gegengerichtete Kondiktionsanspruch fortbesteht. Damit trüge der Kondiktionsgläubiger der Sachleistung regelmäßig einseitig ein erhöhtes Risiko, mit seinem Kondiktionsanspruch auszufallen und dennoch etwa zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet zu bleiben. Dies wird durch Übertragung des synallagmatischen Verhältnisses des dem ursprünglichen Leistungsaustausch vermeintlich (weil nichtig) zugrundeliegenden Schuldverhältnisses vermieden (sog. faktisches Synallagma), indem der Wert einer eigenen Entreicherung zum Abzugsposten des eigenen Bereicherungsanspruchs wird. Jede Partei kann danach nur so viel zurückverlangen, wie sie ihrerseits zurückgewähren kann. Damit trägt in diesen Fällen jeder das Risiko eigener Entreicherung im Ergebnis selbst.[72]

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Die so umschriebene Saldotheorie greift nicht nur bei beiderseits ausgeführten gegenseitigen Verträgen, sondern gleichermaßen, wenn einseitig eine vereinbarte Vorleistungspflicht ausgeführt worden war. Umstritten ist die Anwendung auf lediglich einseitig ausgeführte Verträge ohne Vorleistungspflicht.[73]

Einschränkungen dieser Risikozuteilung durch die Saldotheorie für die je eigene Entreicherung müssen allerdings dort greifen, wo diese wertungsmäßig in den Verantwortungsbereich der anderen Partei fallen (z.B. Zerstörung des rechtsgrundlos geleisteten Pkw in Folge eines Sachmangels desselben); insoweit geht die Risikoverteilung entsprechend § 346 Abs. 3 Nr. 2 aufgrund der Vergleichbarkeit von Rücktritt und Nichtigkeit hinsichtlich der Rückabwicklung vor. Auch mag eine Partei weniger schutzwürdig sein, etwa weil sie betrügerisch den Vertragsschluss erschlichen hatte, der gerade deshalb angefochten werden konnte; jedenfalls für eine adäquat mit dem Nichtigkeitsgrund verbundene Entreicherung muss der Betrüger allein verantwortlich bleiben (und der Betrogene kann trotz eigener Entreicherung seine Gegenleistung kondizieren). Schließlich sind beteiligte Minderjährige nicht in die Saldierung einzubeziehen.

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Im Rahmen der Saldotheorie ist z.T. auch der Tatbestand der Entreicherung enger zu ziehen, insoweit als nur solche Aufwendungen zu berücksichtigen sind, die auf Gesetz (vgl. § 448 Abs. 1) oder Vereinbarung beruhen, nicht aber solche im eigenen Interesse, wie z.B. Transportkosten der Abholung nur, sofern diese nicht einseitig im eigenen Interesse aufgewendet wurden (vgl. § 269).

Beispiel:

Bei Hol- oder Schickschulden bleiben Transportkosten stets beim Käufer hängen, der also auch bei Nichtigkeit wegen ihres Ersatzes kein Zurückbehaltungsrecht am herauszugebenden Kaufgegenstand geltend machen kann.

c) Verschärfte Bereicherungshaftung

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Entreicherung tritt nach § 818 Abs. 3 auch ein, wenn der Entreicherte sie absichtlich herbeigeführt hatte. Das wäre jedoch unbillig, wenn er dabei nicht von einer Selbstschädigung ausgehen konnte, weil er auf die Rechtsbeständigkeit seines Erwerbs nicht vertrauen durfte. Eine danach von ihm verschuldete Entreicherung führt zur Schadensersatzpflicht (§§ 292 Abs. 1, 989, 990 Abs. 1). Tatbestandlich tritt die Haftungsverschärfung ein, wenn der Bereicherungsschuldner den Mangel des rechtlichen Grundes seines Empfangs kennt (§ 819 Abs. 1), in den Fällen des § 817 S. 1, sofern dem Empfänger der Gesetzes- oder Sittenverstoß bewusst war (§ 819 Abs. 2) oder im Fall der Kondiktion wegen Zweckverfehlung, wenn die Zweckerreichung von vornherein objektiv unsicher war und sich beide Parteien hierüber klargewesen sind (§ 820 Abs. 1 S. 1), und ebenso im Fall der Kondiktion wegen späteren Wegfalls des Rechtsgrundes (und generell bei Leistungen unter Vorbehalt) mit dieser Möglichkeit gerechnet wurde (§ 820 Abs. 1 S. 2); zuletzt auch ab Rechtshängigkeit des Bereicherungsanspruchs (§ 818 Abs. 4).

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§§ 819 und 820 Abs. 1 verweisen auf § 818 Abs. 4 mit der dort bestimmten Haftung „nach den allgemeinen Vorschriften“, also nach § 292. Damit trägt der Bereicherungsgläubiger sodann lediglich das Risiko zufälligen Untergangs oder zufälliger Verschlechterung der herauszugebenden Sache (Verschuldenshaftung des Bereicherten nach §§ 292, 989, 990 Abs. 1). Der Höhe nach haftet der Bereicherte jedoch nur bis zum Wert des erlangten Bereicherungsgegenstands, denn nur der Wegfall der Bereicherung soll kompensiert, keine darüber hinausgehende Ersatzpflicht begründet werden.

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Minderjährigen Bereicherungsschuldnern ist solche Berufung auf ihre Entreicherung nur in den Grenzen ihrer Einsichtsfähigkeit entsprechend § 828 verwehrt.

Beispiel:

Bucht ein Minderjähriger ohne Wissen seiner Eltern einen Flug, den er mit Erspartem bezahlt (kein Fall des § 110), ist dieser nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 rückabzuwickeln. Hätten seine Eltern den Flug niemals konsentiert, hat der Minderjährige durch den Hinflug eigentlich keine Aufwendungen erspart und ist also erst gar nicht bereichert (bloß irgendwo zu sein, ist kein Vermögenswert; Wertersatz nach § 818 Abs. 2 kommt dann mangels Wert der Bereicherung konsequenterweise auch nicht in Betracht). Wäre er allerdings durch den Flug bereichert, könnte er sich je nach Alter und Einsichtsfähigkeit (vgl. § 828) nicht auf Entreicherung berufen (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1), etwa, weil er sofort zurückgeholt wurde. Diese Haftungsverschärfung soll sodann nach der Rechtsprechung bereits die Berufung darauf versagen, dass keine Aufwendungen erspart worden seien, also eine Bereicherung nicht nachträglich weggefallen, sondern bereits anfänglich nicht vorhanden gewesen sei.[74] – Konsequenter wäre statt des Bereicherungsausgleichs ein Schadensersatzanspruch der Fluggesellschaft, welche für den einzelnen Passagier zwar vielleicht keine Stückkosten und so besehen eigentlich keinen Schaden hat; sieht man die Beförderungsleistung jedoch als kommerzialisiert an, wäre der übliche Flugpreis als Mindestschaden anzuerkennen. Für den Rückflug gilt schließlich: Befördert die Fluggesellschaft den minderjährigen blinden Passagier zurück, erfüllt sie damit auch das Geschäft seiner Eltern und hat jedenfalls auch Fremdgeschäftsführungswillen (Ausgleich nach §§ 683, 679, 677), selbst wenn sie nach internationalem Recht zur Rückbeförderung verpflichtet ist.

§ 3 Ausgleichsordnung › D. Außervertraglicher Schadensausgleich – Überblick

D. Außervertraglicher Schadensausgleich – Überblick

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Während der Aufwendungsausgleich der Geschäftsführung ohne Auftrag sich wesentlich nach dem objektiven Interesse an freiwilligem Vermögenseinsatz bemisst und die Bereicherungshaftung einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs ausgleicht, dient der Schadensausgleich der Überwälzung eingetretener Vermögensminderungen. Der Blick richtet sich dabei auf das Interesse des Geschädigten.

Schadensausgleich kennt auch das Vertragsrecht (vgl. §§ 280 ff.) wegen der Verletzung von Pflichten aus Schuldverhältnissen (Erfüllungs– und Treupflichten). Geschützt wird dadurch das Erfüllungsinteresse, auf welches allein alle vertraglichen Pflichten nach ihrem Zweck ausgerichtet sind. Deshalb haftet dort der Verpflichtete auch für jede schuldhafte Schädigung seiner Vertragspartner durch seine Erfüllungsgehilfen (vgl. § 278).

Der deliktische Schadensausgleich richtet sich demgegenüber nach einer allgemeinen Ordnung des Güter- und Friedensschutzes, die dadurch gestört wird, dass der Einzelne seine Rechtsgrenzen überschreitet und Rücksichtspflichten verletzt. Geschützt ist deshalb das Integritätsinteresse. Dem entspricht auch die als Verursachungshaftung mit Entlastungsmöglichkeit ausgestattete Verantwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen (vgl. § 831).

Gelegentliche Versuche, die Deliktshaftung auf eine Art (gesellschafts-)vertragliche Vereinbarung zur allseitigen Rücksichtnahme zurückzuführen, verdecken dabei wesentliche Folgen der Zweiteilung in vertragliche Schadenshaftung und Deliktshaftung im Hinblick auf Rechtswidrigkeits- und Schadensfragen.[75] Allerdings dienen zahlreiche Rechtsfiguren ausschließlich dazu, vertragliche Haftungsgrundsätze zur Anwendung zu bringen (so etwa die Vorschrift des § 311 Abs. 2; der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und die Drittschadensliquidation).[76]

§ 3 Ausgleichsordnung › E. Unerlaubte Handlungen

E. Unerlaubte Handlungen

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Unerlaubte Handlungen begründen ein gesetzliches Schuldverhältnis mit der Pflicht zum Schadensausgleich und der Gewährung der vorbeugenden Unterlassungsklage. Es handelt sich um die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung fremder Rechtsgüter. Das Deliktsrecht des BGB will damit Schäden „aus Unrecht“ restituieren und führt dazu konsequent das Verschuldensprinzip durch (Ausnahmen nur aus Billigkeitsgründen, § 829, und hinsichtlich des Risikos durch Luxustiere, § 833 S. 1; außerdem stark eingeschränkt durch die Vermutung bestehender Schuld und deren Kausalität für den Schaden v.a. durch Verrichtungsgehilfen, § 831).

Das Verschuldensprinzip vermeidet dadurch eine jeder menschlichen Handlungsfreiheit widersprechende Erfolgshaftung bzw. rein objektive Verursachungshaftung.

Schäden „aus Unglück“ gehören damit zum allgemeinen Lebensrisiko, für das niemand haftet. Sie sind nur mittels des Sozial- und Versicherungsrechts regulierbar.

Lediglich bestimmte Sondergesetze schaffen zusätzlich einen deliktischen Ausgleich von Unglücksschäden nach dem Prinzip der verteilenden Gerechtigkeit („iustitia distributiva“), soweit sie als Folge bestimmter, sozial gebilligter Gefährdungen durch nicht voll beherrschbare Risiken eintreten (etwa das Produkthaftpflichtgesetz – ProdHaftG, das Straßenverkehrsgesetz – StVG). Dadurch wird eine Einstandspflicht desjenigen geschaffen, der im Allgemeininteresse erlaubte besondere Gefahrenquellen zum eigenen Nutzen eröffnet. Am Unglück trifft niemanden eine besondere Schuld, weshalb sich die Zurechnung einer Schädigung allein nach den Sicherheitserwartungen der beteiligten Verkehrskreise, angemessenen Möglichkeiten der Vorkehrung etc. richten kann.

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Dieser Gedanke der Einstandspflicht bei Gefährdungstatbeständen als soziale Aufgabe der ausgleichenden Gerechtigkeit wird schließlich über die Gleichstellung von positivem Tun und Unterlassen für die Zurechnung einer Schädigung nach § 823 übertragen. Je umfassender eine Pflicht zur generellen Gefahrenvorbeugung angesonnen wird, desto weiter reicht die Haftung für entsprechendes Unterlassen.

Diesem Ansatz ist immanent, dass die zur Schadenvermeidung notwendigen (richtiger: notwendig gewesenen, aber eben versäumten) Vorkehrungen erst im Rückblick bestimmt werden (können), wodurch weniger der schuldhafte Verstoß gegen eine Verhaltensnorm, als bereits mindere Phantasie[77] „bestraft“ wird (Vorhersehbarkeit ist irrelevant).

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Solche sog. Verkehrssicherungspflichten bzw. sog. Organisationsverschulden führen zu einer erheblichen Haftungserweiterung, sowohl bei Rechtsträgern von Unternehmen (etwa im Krankenhausbereich), als auch bei deren Leitungspersonal[78] und zwar auch für das Versagen von Mitarbeitern, dem nicht durch objektiv genügende Überwachung, Arbeitsanweisungen oder geeignete Personalschlüssel vorgebeugt worden sei (Verdrängung von § 831 mit dem dort möglichen Entlastungsbeweis). Dazu ausführlich ab Rn. 779.

Zur Bejahung einer Schadenshaftung durch Unterlassen ist dabei sehr sorgfältig die haftungsbegründende Kausalität zu prüfen, ob also die verletzte Vorsorgepflicht gerade vor solchen Folgen oder Entwicklungen schützen sollte, wie sie nun eingetreten sind.

§ 3 Ausgleichsordnung › E. Unerlaubte Handlungen › I. Rechtswidrigkeit und Erfolgsunrecht