Loe raamatut: «DER KELTISCHE FLUCH», lehekülg 3

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Cassatr, ein Angehöriger seines Gefolges, betrat den vordersten Kreis. Er hatte die Ehre, dem Häuptling und den Edlen den Eröffnungstrunk zu reichen. Die Männer nahmen die Hörner nacheinander an und tranken sie in einem Zug leer. Inzwischen war es sehr still im Versammlungshaus geworden. Boudinas Haltung verspannte sich. Endlich ging es los!

Toromic erhob sich und wandte sich der Menge zu. Das Feuer warf den Schatten seiner hünenhaften Gestalt überlebensgroß an die Rückwand des Versammlungshauses.

„Edle und Krieger, Frauen und Unfreie, Clan der Selgovater, ich eröffne die Versammlung.“

Cassatr trat vor und rief: „Der Ri wird uns berichten.“

Toromic wartete, bis sich Cassatr gesetzt hatte, dann begann er: „Letzten Mond befand ich mich mit einigen meiner tüchtigsten Männer auf der Jagd. Wir streiften lange durch das Land, ohne eine Fährte ausfindig machen zu können, doch schließlich war uns das Jagdglück doch noch zugetan. Ein mächtiger Hirsch wurde von den Hunden aus dem Wald getrieben.“

Toromic wusste, dass die Geschichte bereits die Runde gemacht hatte, doch zum einen sollte jeder Clanangehörige wissen, worum es ging, zum anderen war es Brauch, die Ereignisse, über die in der Versammlung entschieden werden sollte, zu Beginn vorzutragen. Er fuhr fort: „Die Hunde stürzten sich auf ihn, doch er war ein starker Gegner. Er nahm einen meiner besten Wolfshunde aufs Geweih und trat einen anderen zuschanden, bevor es Beluc und Turumir gelang, ihm jeweils einen Pfeil in den Leib zu schießen. Beluc traf mitten in den Brustkorb, Turumir durchschoss den Hals. Das Tier stob in blinder Panik davon.“

Anerkennendes Raunen lief durch den Saal. Toromic hob gewichtig die Hände. „Ihr alle wisst, dass Wild noch eine ganze Strecke weit fliehen kann, wenn man es nicht genau in Herz oder Auge trifft. Erst nach einer Weile wird es schwach und verendet schließlich. Wir machten uns also, der Beute gewiss, an die Verfolgung. Wir hätten die Jagdhunde gar nicht mehr gebraucht, denn die Blutspur war so offensichtlich, dass ihr ein kleines Kind hätte folgen können. Es verstrich eine ganze Weile, und nichts deutete darauf hin, dass wir ihm näher kamen. Also begannen wir das Treiben zu beschleunigen. Über die westlichen Hügel, durchs dunkle Moor, bis hin zum Tal der Steine verfolgten wir den Hirsch, bis wir ihn schließlich auf einer Bergkuppe, oberhalb des Tals, stehen sahen.“

Toromic stemmte die Arme in die Seiten und starrte die Anwesenden an.

„Ja, ich sage stehen! Er hatte sich nicht etwa in ein Gebüsch verkrochen, um dort zu verenden, wie es üblich ist, nein - dieser Hirsch stand! Zwar hatte er blutigen Geifer vorm Maul, und seine Flanken zitterten erbärmlich, doch er mochte sich nicht zum Sterben hinlegen. Im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, als erwarte er uns förmlich, als wolle er sich uns stellen!“

Die Menschen steckten die Köpfe zusammen und flüsterten aufgeregt. Es war ein unheimliches Geschehnis, von dem der Häuptling da berichtete.

„Es war, als wäre Cernunnos, der Gehörnte, in ihn gefahren und hätte ihm diese Kraft verliehen!“

Bei der Nennung des Namens des hochverehrten Jagd- und Kriegsgottes der Stämme ging ängstliches Wispern durch den Saal.

„Um ein Ende zu machen, schoss Beluc zwei weitere Pfeile aus nächster Nähe in sein Herz, und jetzt endlich brach er zusammen.“

Toromic zögerte.

„Die Hunde, die noch einen Augenblick zuvor wie toll an ihren Leinen gerissen hatten, zogen plötzlich die Schwänze ein, winselten und machten keinerlei Anstalten mehr, sich der Beute zu nähern. Sie schienen große Angst zu haben.“

Man konnte den Wind um das Versammlungshaus fauchen hören, und das Knistern des Feuers schien überlaut zu sein, so vollkommen war das Schweigen, das seinen Worten folgte. Boudina hielt den Atem an.

„Als wir ihn aufbrechen wollten, begann er auf einmal auszuschlagen und versuchte sich wieder aufzurichten!“ fuhr der Häuptling fort. „Es war, als sei sein Geist noch einmal in seinen Leib zurückgekehrt. Da zog Borix sein Schwert und hieb ihm den Kopf ab. Nun war das Tier tot.“

Toromic erwähnte nicht, dass außer ihm selbst Borix der einzige unter den Männern gewesen war, der sich noch an das Tier herangewagt hatte. Die übrigen Jäger hatten mit von abergläubischer Furcht gezeichneten Gesichtern um den Kadaver herumgestanden. Er erhob die Stimme und breitete seine Arme aus: „Ich halte die Vorgänge für ein schlechtes Omen!“

Unruhe machte sich breit. Viele Krieger schlugen vor ihre Brustplatten, das Abwehrzeichen gegen böse Geister. Heftige Diskussionen setzten ein.

Boudina war aufgeregt. Schwer atmend stand sie an den Pfosten gelehnt, von dem aus sie die Ereignisse verfolgt hatte, und sah sich hektisch um. Die Erzählung Toromics ängstigte sie, vor allem aber zerrte die allgemeine Unruhe an ihren Nerven. Während ihr Blick wieder zu Toromic wanderte, der ihr mittlerweile wie ein düsterer Bote des Unheils erschien, glaubte sie plötzlich etwas Seltsames zu hören; etwas, dass wie ein weit entferntes Rauschen klang. Sie riss die Augen auf. Was war das? Da, wieder! Wie das ferne Dröhnen eines Wasserfalls klang es in ihrem Kopf. Sie schüttelte sich, als müsse sie wach werden, doch das Geräusch blieb und deckte langsam den Lärm der Umgebung zu. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde sich eine Hand auf ihren Hinterkopf legen, ganz sachte, doch deutlich fühlbar. Boudina fuhr herum, aber es stand niemand hinter ihr. Panik beschlich sie. Ihr Atem ging heftig und sie glaubte keine Luft mehr zu bekommen. Ihre Finger krallten sich in den Balken, an dem sie bis eben noch gelehnt hatte. Mühsam versuchte die Tochter Helweds ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. Was geschieht mit mir? fragte sie sich entsetzt …

... In der heimischen Hütte gab Helwed ein überraschtes Keuchen von sich. Der Raum war in eine Wolke gräulichen Rauchs gehüllt, den nur die Flammen der Feuerstelle geisterhaft durchglühten. Es stank nach verbranntem Fliegenpilz und Stechwurz. Helwed kniete vornübergebeugt auf dem Boden. Sie schien zu beten, doch ihr Geist befand sich nicht hier. Sie hatte schließlich die Kräuter gefunden, die sie für eine Trance benötigte, und sofort begonnen, mit der Anderswelt, der Welt der Ahnen, Kontakt aufzunehmen. Ihr Geist hatte ihren Körper verlassen und war durch die Gefilde zwischen den Welten gewandert, um ein Ziel in dieser Welt zu erreichen. Sie wollte wissen, wie es Boudina erging. Doch etwas stimmte nicht. Üblicherweise tauchte sie in den Verstand eines sensiblen Menschen ein, um mit dessen Sinnen ihre Umgebung wahrnehmen zu können. Dabei musste sie unendlich behutsam vorgehen, denn in diesem Stadium der Suche wusste sie nie, wessen Körper sie betrat. Erst wenn sie in den Geist eines Menschen eingedrungen war, konnte sie dessen Gedanken fühlen und durch seine Augen sehen. Vorher blieb ihr nur blindes Tasten. Es gab Menschen, in die einzudringen, einfach war, und andere, bei denen es sich als fürchterlich schwer erwies. Doch ganz gleich, zu welcher Sorte der Erwählte zählte - ein Mensch der ihre Anwesenheit bemerkte, geriet meist außer sich und konnte ernsthaften Schaden erleiden. Gerade hatte sie einen Impuls gespürt, der eindeutig von Boudina kam. Sie musste ungewollt ihren Geist berührt haben, und Boudina hatte es bemerkt. Bei den Göttern! So besaß ihre Tochter diese Fähigkeit ebenfalls. Helweds Leib zuckte, während ihr Geist ihre Gedanken konzentrierte. Unendlich sachte gab sie den Impuls an Boudina zurück ...

... Boudina riss die Augen auf. Ihre Knie zitterten.

„Mutter?!“

Plötzlich war sie sich ganz sicher, dass ihre Mutter in der Nähe war. Ihr fiel auf, dass sie laut gesprochen hatte, doch in dem sie umgebenden Durcheinander wild geführter Diskussionen hatte niemand ihr seltsames Verhalten bemerkt. Mit sanfter Klarheit wurde ihr auf einmal bewusst, dass ihre Mutter tatsächlich hier war, dass sie sie in ihrem Geist wahrnahm. Schwer atmend, die Augen geschlossen, mit vor Konzentration verzogenem Gesicht lauschte sie in sich hinein. Wellen von Wärme und Geborgenheit durchfluteten sie, ein Gefühl, so tief, dass alle Angst von ihr abfiel und sie vor Glück am liebsten aufgelacht hätte. Ihre Mutter war in ihr! Als sie die Augen öffnete, wusste sie, dass Helwed alles sehen konnte was sie sah ...

Toromic brachte die Anwesenden mit einer Geste zum Schweigen. „Da zurzeit keine Derwydd unser Land bereisen, müssen wir auf den einzigen setzen, der die Gabe besitzt, das Zukünftige zu schauen - meinen Bruder Tarcic.“

Zustimmende Rufe wurden laut.

„Ja, lasst Tarcic die Runen befragen!“

„Der Seher soll es uns zeigen!“

Toromic wandte sich an Tarcic. „Wirst du die Runen für uns befragen, Vates?“

Tarcic erhob sich schwerfällig. „Für unsere Sicherheit, die Sicherheit des Clans der Selgovater, will ich versuchen, die Zeichen der Götter zu lesen“, verkündete er mit schwerer Zunge. Toromic nickte und setzte sich. Nun musste sein Bruder die Angelegenheit in die Hand nehmen und alle weiteren Weisungen erteilen.

„Bringt mir Schädel und Herz des Tieres und den Opferdolch, den mir der Liaig damals für die Zeremonie weihte“, befahl Tarcic.

Einige Sklaven verließen das Versammlungshaus, um das Gewünschte zu beschaffen.

Tarcic ging zum Feuer und ließ sich unmittelbar davor nieder.

Wieder war andächtiges Schweigen eingetreten.

Er holte den Beutel, in dem sich die heiligen Runen befanden, unter seinem Mantel hervor. Es waren die Fingerknochen von Chutomonic, dem ältesten Clanführer der Selgovater, dessen Gebeine noch erhalten waren. Sein einbalsamierter Schädel hing neben denen der übrigen Clanführer und der bedeutendsten Feinde der Selgovater unter dem Dach des Versammlungshauses.

Und noch ein anderes Haupt hing dort oben. Der Schädel eines caledonischen Druiden.

Als Tarcic an den Mann dachte, dem dieser Schädel einst gehört hatte, durchzuckte die Erinnerung an die große Schlacht seinen durch Met und stundenlange Meditation erweiterten Geist ...

Der Hieb des Druiden

Acht Jahreswechsel waren verstrichen. Acht Mal war Samhain, das Fest der Toten, gefeiert worden, acht Mal Lugnasad, das Fest des Lug, acht Mal Imbolc und Beltene, seit die große Schlacht stattgefunden hatte. Es war im Frühjahr gewesen, der Zeit der Raubzüge, Viehdiebstähle und großen Kämpfe. Ein Caledonierheer, unter Führung des Vacomagerkönigs Mac o Tauroc, war ohne Vorwarnung in die nördlichen Ländereien der Selgovater einmarschiert und hatte innerhalb kürzester Zeit drei Siedlungen dem Erdboden gleichgemacht. Die caledonischen Horden metzelten alles nieder, was ihnen vor die Waffen lief. Nur wenige Selgovater der nördlichen Clans entkamen. Diejenigen, die die Massaker überlebten, schlugen sich bis zum Dorf der Selgovater durch und warnten Toromic und Tarcic vor der Gefahr.

Sie berichteten, dass die Zahl der Angreifer sehr groß sei. Man habe viele hundert Krieger gesehen und vielleicht folgten auf diese noch weitere. Was das zu bedeuten hatte, war den Brüdern klar: Mac o Tauroc wollte sich Selgovatergebiet einverleiben. Mit einem solch großen Heer, wie es die Überlebenden beschrieben, zog man nicht aus, um ein paar Rinder zu rauben. Über lange Zeit hinweg war es zwischen den Selgovatern und den Caledoniern lediglich zu Grenzscharmützeln oder kleineren Feldschlachten gekommen. Diese Auseinandersetzungen hatten der Bestätigung der unsichtbaren Grenze zwischen den beiden Volksstämmen gedient. Niemand hatte jedoch ernsthaft versucht, dem Feind ein größeres Gebiet abzuringen.

Das schien sich nun geändert zu haben. Den Vacomagerkönig, Mac o Tauroc, verlangte es offensichtlich nach Beute und Land. Das galt es um jeden Preis zu verhindern.

In großer Eile hatten Toromic und Tarcic alle verfügbaren Krieger der benachbarten Clans zusammengetrommelt und eine Streitmacht gebildet. Gleichzeitig wurden Boten zu den verbündeten Brigantern entsandt.

Unter dem Oberbefehl der Brüder zogen die Krieger der vereinigten Selgovaterclans den Caledoniern entgegen.

Als die Späher Toromic und Tarcic die Stärke der Feinde mitteilten, wurden die Brüder blass. Die Überlebenden hatten nicht übertrieben. Es waren Hunderte von Caledoniern gesichtet worden!

Sie fragten die Späher über Bewaffnung, Marschroute und Truppenstärke der Feinde aus. Diese zählten so viele schlechte Nachrichten auf, dass ihnen der Häuptling der Selgovater schließlich wütend Einhalt gebot.

Einen Vorteil hatte er gesehen: Zwar war die Stärke der Feinde gewaltig, doch bewegte sich das Caledonierheer geschlossen. Hätte Mac o Tauroc in mehreren Zügen marschieren lassen, so hätten sich die Selgovater nur einem Teil seiner Truppen entgegenstellen können - die übrigen Feinde wären in der Zwischenzeit in der Lage gewesen, unbehelligt in seine Ländereien einzudringen.

Toromic und Tarcic wussten, dass es an Selbstmord grenzte, sich den Caledoniern unter diesen Bedingungen zum Kampf zu stellen, doch die Zeit spielte gegen sie. Eine offene Feldschlacht war die einzige Möglichkeit, die Scharen des Mac o Tauroc wenigstens so lange aufzuhalten, bis das Heer der Briganter eintreffen würde.

Um den Feind auf sich aufmerksam zu machen, verursachten die vereinten Selgovaterclans, während sie den Caledoniern entgegen zogen, soviel Lärm wie möglich. Die verfeindeten Heere hatten in dem von Wald überzogenen, hügeligen Gelände noch keinen Sichtkontakt, und diese Situation nutzten die Brüder aus, um die Caledonier Glauben zu machen, es mit einer größeren Streitmacht zu tun zu haben.

Mac o Tauroc fiel auf die List herein und ließ sein Heer auf einer großen Wiese zur Schlacht antreten.

Die Selgovater durchquerten das letzte Waldstück, welches die Heere voneinander trennte, und hielten unmittelbar an der Baumgrenze. Sie wollten sich erst einen endgültigen Eindruck von der Stärke des Feindes verschaffen, bevor er sich stellten.

Den Brüdern bot sich ein entmutigendes Bild: Eine unüberschaubare Zahl von Caledoniern hatten sich zu loser Schlachtordnung formiert. Und sie besaßen Streitwagen, was unüblich war, da sie ansonsten in bergigem Gelände und daher höchstens mit einigen Berittenen kämpften. Für dieses Mal schienen sie sich aber besser auf die Kampfesweise der Britannier eingestellt zu haben, denn Toromics Krieger kämpften traditionell mit Streitwagen.

Das Aufgebot der Selgovater umfasste annähernd fünfhundert Mann. Dazu kamen noch etwa achthundert Krieger der Vunier und Dumnoier, die Toromic und Tarcic auf die Schnelle zusammengetrommelt hatten.

Eine beängstigend geringe Abwehrmacht.

Die Brüder wussten zwar von den Boten, dass sich die übrigen Selgovaterclans auf dem Anmarsch befanden und dass auch der große Bruderstamm, die Briganter, schon ein ganzes Heer in Marsch gesetzt hatten, doch bis zur Ankunft dieser Kriegshaufen waren sie und ihre Mitstreiter auf sich allein gestellt.

Sie mussten Mac o Tauroc aufhalten, sonst waren Frauen und Kinder in den Dörfern verloren!

Toromic und Tarcic schritten die Reihen der Krieger ab. Der Häuptling hob sein Schwert und rief: „Heute ist der Tag gekommen, an dem viele von uns ihre Ahnen in der Anderswelt wieder treffen werden. Tut alles, um ihnen von großen Taten berichten zu können, bevor ihr in ein neues Leben eingehen werdet.“

Die Krieger nickten grimmig.

Er sah sich um. „Wer hier und heute stirbt, wird als Held in die Sagen eingehen, unsere Namen werden überleben.“

„Überleben!“ brüllten einige Krieger.

Große, mit Met gefüllte Lederschläuche wurden herumgereicht, gierige Münder hoben sich ihnen entgegen. Toromic wies seinen Untergebenen und den Häuptlingen der Vunier und der Dumnoier Positionen im Schlachtkeil zu, Tarcic kümmerte sich um die eigenen Männer.

Die Selgovater würden im Zentrum der Schlachtreihe, die die vereinigten Clans gebildet hatten, angreifen. Nur ein kleiner Trupp Selgovater blieb mit Wurfspeeren und Pfeil und Bogen bewaffnet im Wald zurück, um einen Rückzug decken zu können, von dem niemand annahm, dass er überhaupt möglich sein würde.

Als die Schlachtlinie der vereinten Selgovaterclans unter Führung der mit zwei Mann besetzten Streitwagen aus dem Wald hervorkam, hob wilder Lärm auf Seiten der Caledonier an. Diese sahen nun die geringe Stärke des Gegners, und waren sich, da sie selbst leicht hügelan standen, ihrer Sache sicher.

Lediglich der Vacomagerkönig, Mac o Tauroc, traute dem Schauspiel nicht. Er sandte Spähtrupps aus, die das Waldstück umgehen sollten, aus dem Toromic und Tarcic mit ihren Gefolgsleuten gekommen war. Er wollte herauszufinden, ob auf diese Abwehrmacht nicht noch größere Truppenteile folgten.

Die Selgovater sahen sich inzwischen einem Heer von mindestens fünfzig Streitwagen, vielen Berittenen und einem riesigen Schlachtkeil zu Fuß kämpfender Caledonier gegenüber.

Wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, preschten Streitwagenbesatzungen beider Parteien auf die freie Fläche zwischen den Heeren. Die Speerwerfer sprangen bei voller Fahrt auf die Deichsel des Wagens und riefen dem Feind Schimpfworte zu, während die Wagenlenker halsbrecherische Bahnen durch das unebene Gelände fuhren. Die Fußtruppen der Selgovater begannen gleichzeitig in ohrenbetäubendes Gebrüll auszubrechen. Die Krieger sangen, schrien, hoben die Waffen, schlugen mit ihren Schwertern, Äxten, Kriegskeulen und Lanzen auf ihre Schilde, bliesen die Hörner und schlugen die Trommeln im Stakkato.

Einen Augenblick lang schien es, als würden die hochgestellten Stachelfrisuren, die bunt bemalten Schlachtschilde und das Getöse die Caledonier beeindrucken, doch dann brach auch ihr Geschrei von neuem los.

Die ersten Krieger, vornehmlich Edle und Unterführer, traten auf beiden Seiten aus den Reihen, gingen auf den gegnerischen Haufen zu und forderten Feinde zum Zweikampf heraus. Sie priesen die Tapferkeit ihrer Ahnen und schmähten die des Feindes, bis sich ein Gegner fand, der zum Kampf bereit war. Die ersten Todesmutigen begannen sich grausame Duelle zu liefern. Auf beiden Seiten gab es Tote, und die Sieger hoben die abgeschlagenen Schädel ihrer Feinde entweder triumphierend den eigenen Reihen oder aber höhnend den gegnerischen entgegen. Dann zogen sie sich in ihre Gruppen zurück, wo sie gelobt und beglückwünscht wurden.

Plötzlich stellten die Caledonier ihr Geschrei ein und auch Toromics Männer wurden still. Es geschah, als hätte eine unsichtbare Macht den Kriegern befohlen, den Atem anzuhalten. Gespanntes Schweigen senkte sich über die Reihen beider Heere, während die Schatten der an der Sonne vorüber ziehenden Wolken träge über das Feld wanderten.

Dann hob Mac o Tauroc das Schwert und das gesamte Caledonierheer eröffnete unter ohrenbetäubendem Gebrüll den Angriff.

Wie eine dunkle Woge ergoss sich die Heermasse der in Tierfelle gekleideten Krieger über das Feld und brandete Toromics Männern entgegen. Nun gaben auch Tomoric und Tarcic das Zeichen zum Angriff. Die Kriegstrompeten erschallten, und ihr nerv durchdringender Klang riss die Streiter mit sich.

Borix stand, wie immer, als Wagenlenker neben Toromic und gab den Pferden die Peitsche zu spüren, während einige Meter weiter Turumir, mit Tarcic als Speerwerfer lospreschte. Der Boden erbebte unter den eisenbeschlagenen Rädern der Streitwagen und hunderten Paaren von Hufen und Füßen ...

... Tarcic spürte die Stöße, die den Boden des Streitwagens erschütterten, durch seinen Leib fahren. Die Erregung des Angriffs erfasste ihn und versetzte ihn in Raserei. Während Turumir neben ihm die Pferde antrieb, brüllte Tarcic aus voller Kehle seinen Hass dem Feind entgegen. Er ergriff den ersten Wurfspeer, hob ihn über den Kopf und stieß den Kampfruf der Selgovater aus. Mit der freien Hand hielt er sich am Wagenrand fest, während er gleichzeitig seinen Schild mit dem Körper zwischen sich und die Wagenwand presste. Die Masse der Feinde schien eine drohende Wand zu bilden, die sich durch einen Schleier aus Vibrationen, Staub und Lärm näher schob. Während er sich mit zitternden Gliedern auf dem dahinrasenden Wagen hielt, nahm Tarcic seinen Körper bis in den letzten Winkel wahr: der kalte Schweiß, der aus seinen Poren trat, das Pulsieren des Blutes in seinem Kopf, das ihn wahnsinnig zu machen drohte, donnernde Wagenräder, auf und ab hüpfende Lanzenspitzen, wild verzogene Gesichter ...

Die Zeit schien still zu stehen, die Reihen der Gegner eine unwirkliche Masse zu bilden

... dann prallten die Schlachtkeile der beiden Heere aufeinander.

Berstendes Krachen, fürchterliches Getöse, Schreie, spritzendes Blut, brechende Schilde, das Klirren aufeinander schlagender Schwerter, das dumpfe Geräusch eingeschlagener Schädel, Staub-, Gras- und Dreckbrocken, die durch die Luft flogen, umstürzende Streitwagen, sich niederringende Krieger, Chaos, Blut und Tod überall.

Tarcic schleuderte den Wurfspeer und sah, wie die Waffe einem Caledonier den Hals durchschlug, dann erreichte auch sein Streitwagen die Kampflinie und donnerte in die Masse der Feinde.

Der Keulenhieb eines feuerhaarigen Gegners brach einem der Pferde die Läufe, woraufhin Turumir, trotz aller Mühen, die Kontrolle über das Gefährt verlor und der Wagen umstürzte.

Tarcic und Turumir wurden herausgeschleudert und flogen in hohem Bogen in die tobende Schlacht ...

Während Borix auf die feindlichen Massen einhieb, bemerkte Toromic aus dem Augenwinkel den Sturz seines Bruders. Er selbst wurde von seinen Kriegern geschützt, doch Tarcics Gefolge schien schon beim ersten Zusammenstoß mit den Caledoniern aufgerieben worden zu sein.

Toromic versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, doch er sah nur im Nahkampf verkeilte Kriegerhaufen, und im nächsten Augenblick musste er sich unter einem heran schießenden Speer abducken.

Sei stark, Bruder! dachte er und wandte sich dem Kampf zu. Er griff sich Speer um Speer und schleuderte sie in die ihn umtobenden Menschenmassen. Als er den letzten geworfen hatte, zog Toromic sein Hiebschwert und begann, wie Borix, auf die sie bedrängenden Feinde einzuschlagen.

Nach endlos scheinendem, blindem Gemetzel bekam Toromic einen Augenblick Luft. Er blickte wieder in die Richtung, in der er Tarcic das letzte Mal gesehen hatte. Doch wo vor wenigen Augenblicken noch die stolzen Fahnen der Selgovater geweht hatten, tobte jetzt das Handgemenge, und er konnte Freund und Feind kaum auseinander halten. Er hob sein Schwert und brüllte: „Mir nach, Männer! Wir müssen Tarcic helfen!“

Borix und die übrigen Krieger seiner Leibwache hieben ihre jeweiligen Gegner nieder, dann folgten sie ihrem Häuptling. Gemeinsam begannen sie sich einen Weg durch die Reihen der Feinde zu bahnen.

Tarcic hatte den Überblick verloren und kämpfte instinktiv. Er fing den Hieb eines Caledonier mit dem Schild auf, ließ sein Schwert absacken und schlug dem Gegner ein Bein ab. Dann fuhr er blitzschnell herum.

Ein gewaltiger, in Wolfsfell gekleideter Caledone hatte die Streitaxt zum Schlag in seinen ungeschützten Rücken erhoben, doch noch bevor der Riese dazu kam sein Vorhaben auszuführen, durchschlug ihm Tarcics Klinge die Kehle. Tarcic war wie von Sinnen. Mordlust hatte ihn erfasst und ließ ihn wie einen Berserker durch die Reihen der Gegner fahren: er spaltete einem caledonischen Krieger den Schädel bis aufs Brustbein und drängte einen anderen mit dem Schild beiseite. Dieser stürzte und versuchte wieder auf die Beine zu kommen, doch Tarcic setzte nach und stach ihn nieder. Zwei weitere Feinde versuchten nun Tarcic mit ihren langen Speeren in die Enge zu treiben, doch der Bruder des Toromic war nicht aufzuhalten. Der Blutrausch, der ihn erfasst hatte, verlieh ihm ungeahnte Kräfte.

Er schlug einem der Gegner mit einem kurzen Hieb die Lanzenspitze ab und zog den Caledoniern dann, an dem Schaft der unbrauchbar gemachten Waffe, zu sich heran. Er sah deutlich das Weiße in den Augen des Mannes, als er ihm sein Schwert durch den Leib trieb und ihn anschließend mit einem wuchtigen Schildstoß niederrammte. Gurgelnd brach der Krieger zusammen. Der zweite Caledone war von dem tollkühnen Vorgehen Tarcics so überrascht, dass er zu spät reagierte, als der Selgovater seine Klinge abermals durch die Luft sausen ließ. Einen Augenblick später fiel sein Schädel, und der enthauptete Leib sank zu Boden.

Auf einmal bemerkte Tarcic, dass er nicht mehr angegriffen wurde. Während er sich keuchend Blut und Schweiß aus den Augen wischte, sah er, dass sich keiner seiner Männer mehr in der Nähe befand. Entweder lagen sie gefallen zwischen den Leichen der Caledonier, oder sie kämpften weiter entfernt. Unmöglich, schoss es ihm durch den Kopf, meine Krieger haben mich mit ihrem Leben zu verteidigen - bis zum Ende, aber ...

Er sah sich um. Der Boden war mit Leichen übersät. Einige Verwundete zuckten und stöhnten noch oder krochen orientierungslos zwischen den Toten umher, doch sonst bewegte sich nichts mehr. Tarcic blickte auf. Mit Schrecken bemerkte er, dass ihn eine Horde caledonischer Krieger eingekreist hatte. Allmählich begann er, zu begreifen: die Caledonier hatten in ihm einen Anführer der Selgovater erkannt. Da sie sich ohnehin in der Überzahl befanden, war es ihnen nicht schwer gefallen, seine Gefolgsleute von ihm abzudrängen oder zu vernichten und ihn anschließend einzukesseln. Während überall im Hintergrund noch gekämpft wurde, schlossen die caledonischen Krieger den Kreis enger. Sie hoben ihre Waffen und drohten, griffen aber nicht an. Tarcic wusste, was das zu bedeuten hatte. Entweder wollten sie ihn gefangen nehmen und ihren Göttern opfern, oder sie würden ihn benutzen, um seinen Clan zu erpressen. Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Als Tarcic an diese dachte, verzog ein wildes Grinsen seine blutbesudelten Züge. Vielleicht wollten sie ihn für einen Zweikampf gegen einen ihrer Edlen aufsparen. Diese Möglichkeit erschien ihm am erstrebenswertesten. Doch was auch geschah - lebendig würden sie ihn nicht in die Hände bekommen.

Einen Augenblick lang stand er ruhig, dann schwang er sein Schwert und rief den Caledoniern Schmähworte zu, um sie zum Angriff zu reizen. Doch sie reagierten nicht. Anstatt ihn zu attackieren, begannen auch sie ihn in ihrer seltsamen Sprache zu verhöhnen. Tarcic blieb keine Antwort schuldig, und so standen sich die ungleichen Parteien eine ganze Weile lang wild schimpfend und gestikulierend gegenüber, ohne dass einer von beiden den Anfang zu machen wagte.

Doch plötzlich kam Bewegung in die Reihen der Feinde. Sie blickten sich um, traten beiseite und machten eine schmale Gasse frei. Tarcic hielt unwillkürlich den Atem an, als er den Grund für das seltsame Verhalten seiner Feinde auf sich zukommen sah. Denn der Krieger, der nun den Kreis betrat, war ein Koloss. Er war mindestens zwei Köpfe größer als er und ihm auch an Masse weit überlegen.

Mit fast nachlässiger Ruhe baute sich der Gigant vor ihm auf. Tarcic schluckte. Der Schädel des Caledoniers war bis auf einen langen Zopf, der seitlich am Kopf herunterhing, kahlrasiert und vollkommen schwarz bemalt. Eine massive, aus geschmiedeten Silberringen bestehende Kette umspannte den Hals des Mannes, seine kräftigen Arme waren über und über tätowiert, fein verzierte Goldreifen umspannten die mächtigen Muskeln. In der rechten Hand des Mannes ruhte eine bluttriefende Streitaxt.

Tarcic befiel ein seltsames Gefühl. Es war nicht nur die Angst vor dem Zweikampf mit diesem Giganten, die ihm kalte Schauer über den Rücken trieb. Nein, noch eine andere Empfindung mischte sich unter die Furcht. Es war, als verberge sich etwas viel Mächtigeres als bloße Mordgier hinter dem kalten Blick, der ihm aus den gnadenlosen Augen des schwarz bemalten Schädels entgegenblitzte.

Es muss mir gelingen, ihn zu besiegen! dachte er.

In diesem Augenblick gab der Caledone seine vorgetäuschte Ruhe auf und stürzte mit erhobener Streitaxt, laut brüllend vor. Tarcic blieb kaum Zeit, um zu reagieren. Ein fürchterlicher Schlag traf krachend seinen Schild. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wich Tarcic zurück und versuchte den Griff fester zu umklammern, doch es war bereits zu spät. Der nächste Hieb des Giganten riss ihm den Schild mit solcher Wucht vom Arm, das er das Gleichgewicht verlor und nach vorne taumelte.

Völlig überrascht und seiner Deckung beraubt, schlug Tarcic blind mit dem Schwert um sich, verfehlte den Caledonier aber. Dieser huschte mit einer für seine Größe unglaublichen Behändigkeit an Tarcic vorüber und schlug nun von hinten wieder zu. Das alles spielte sich so schnell ab, dass Tarcic nur noch instinktiv reagieren konnte.

Er duckte sich, fuhr gleichzeitig herum, hob den Schwertarm und blockte den Hieb des Gegners in letzter Sekunde ab. Der Zusammenprall der Waffen ging ihm durch Mark und Bein.

Ich bin verloren! schoss es ihm durch den Kopf, als auch schon der nächste Schlag auf ihn niederging. Er versuchte sich aufzurichten, doch der Caledone schlug mit solcher Gewalt zu, dass es ihm nicht gelang.

Das Gesicht des Gegners war eine starre Maske. Kein Hohnlachen oder Gebrüll kam über seine Lippen, er war einzig und allein auf die Ausführung seines Vorhabens konzentriert.

Die Todesangst setzte in Tarcic noch einmal ungeahnte Kräfte frei.

Mit letzter Anstrengung schob er den Riesen von sich, richtete sich auf und schlug mit seiner ganzen Kraft, beidhändig den Griff seines Schwertes umklammernd, auf den Caledonier ein. Der Gigant schien überrascht und wich, Tarcics Hiebe abwehrend, ein paar Schritte zurück, dann jedoch trieb er seinen eigenen Angriff wieder mit aller Macht voran.

Tarcics Kräfte schwanden. Das Gebrüll der Feinde, die ihren Mann anfeuerten, nahm er nur noch aus weiter Ferne wahr. Während er die Schläge des Gegners instinktiv parierte, schien es ihm, als klänge von irgendwoher leiser Singsang an seine Ohren.

Nun, dachte er träge, vielleicht beginnt ja auf diese Art der Übergang in die Anderswelt?

Der nächste Hieb traf seinen Kopf und fuhr dann an Hals und Schulter hinab. Tarcic schrie laut auf, ließ sein Schwert fallen und umklammerte seinen Hals. Die Leichen der Gefallenen schienen einen wilden Tanz um ihn herum aufzuführen und die Gestalt des Gegners riesenhaft zu werden. Dann traf etwas mit großer Wucht seinen Kopf.