Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch

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Sari: Orbis Romanicus #12
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

(103) en. Grandpa didn’t kick the BUCKet, he passed aWAY.
(104) en. They live in BERlin. – They live in BerLIN! (Krifka 2007)

Gegen inflationäre Fokusdifferenzierungen spricht sich hingegen Casielles-Suárez (2004, 134) aus. Ihr zufolge verhält es sich mit der Kategorie Fokus konträr zum Topik. Während für Topik lange Zeit vergeblich nach verbindlichen Kriterien für eine einheitliche Definition gesucht wurde und zum Teil immer noch wird, sind für Fokus zahlreiche Subtypen unterschieden worden, die jedoch kritisch hinterfragt werden sollten. Dik (1997, 330) plädiert dafür, eine Subkategorisierung von Fokus vor allem bei jenen Einzelsprachen vorzunehmen, die ein elaborierteres Fokussystem aufweisen. In anderen Sprachen wiederum, etwa im klassischen Latein, kann eine Differenzierung zwischen neutralem und kontrastivem Fokus bereits genügen.27 (cf. Bolkestein 1993, 346)

Wie sinnvoll eine Ausdifferenzierung der fokalen Elemente für die in dieser Arbeit behandelten romanischen Sprachen – vor allem hinsichtlich der in der Folge näher untersuchten Fokus-Fronting-Struktur – ist, wird in Kapitel 4.3.2 diskutiert.28 Eine genauere semantische Analyse kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht durchgeführt werden.29

Bevor in Kapitel 3 das allgemeine Zusammenspiel zwischen Informationsstruktur, Syntax und Prosodie näher beschrieben wird, widmet sich das folgende Kapitel 2.5 in summarischer Form den innerhalb der drei informationsstrukturellen Dimensionen zu beobachtenden Korrelationen.

2.5 Zur Kombination der Dimensionen

In den Kapiteln 2.2 bis 2.4 wurden jene drei Ebenen der Informationsstruktur beschrieben, die in der Literatur heutzutage als relativ unumstritten gelten. Im Zuge einer Äußerung kommen in der Regel alle drei Dimensionen zum Ausdruck.

Auf der Ebene des Informationsstatus von Entitäten muss der Sprecher zuallererst den kognitiven Status der jeweiligen Referenten beim Hörer einschätzen, um diese in der Folge entsprechend kodieren zu können.1 Der Hörer der Äußerung wiederum erkennt an der jeweiligen Kodierung die Annahmen und Erwartungen des Sprechers hinsichtlich des Aktivierungszustandes der Referenten und vergleicht diese mit dem tatsächlichen Aktivierungsgrad und der Identifizierbarkeit in seiner Kognition. (cf. Moroni 2010, 32–33)

Die Topik-Kommentar-Gliederung und die Fokus-Hintergrund-Gliederung betreffen die Organisation des Informationsflusses. Diese kann je nach Mitteilungsabsicht des Sprechers variieren. So kann der Sprecher seine Äußerung als Topik-Kommentar-Struktur oder als thetischen Satz realisieren und besonders relevante Teile der Äußerung unter Einsatz von prosodischen Mitteln markieren.2 Dadurch kann der Hörer das sprachliche Material besser verarbeiten und die Mitteilungsabsicht des Hörers leichter identifizieren. (cf. Moroni 2010, 32–33) Die Strukturierung von Information dient folglich auch dazu eventuellen Missverständnissen vorzubeugen:

In order to decrease the chance of misunderstanding, the speaker, in creating the sentence, tailors the form of the sentence to allow the hearer to create the proper context for interpretation with minimal processing effort. For his part, the hearer assumes that the sentence will be tailored in just this way […]. (Van Valin/LaPolla 1997, 199)

Die drei Dimensionen der Informationsstruktur sind grundsätzlich voneinander unabhängig, auch wenn sprachenspezifisch und sprachenübergreifend durchaus Präferenzen und Restriktionen im Zusammenspiel der Ebenen festzustellen sind.3 (cf. Dufter/Jacob 2009, 5) Die Korrelationen, auf die in der Literatur seit jeher hingewiesen wird, sind jedoch durchaus hinterfragenswert: „[S]uch correlations, instead of being an apriori, still have to be established explicitly, partly on empirical grounds.“4 (Dufter/Jacob 2009, 5–6)

Darüber hinaus werden nicht nur innerhalb der drei informationsstrukturellen Ebenen Korrelationen postuliert, sondern immer wieder auch zwischen der Informationsstruktur und der Syntax sowie den semantischen Rollen. Für Bech und Eide (2014, 3) ist etwa eine universale Tendenz festzustellen, dass das Subjekt gleichzeitig Topik, Agens und alte Information darstellt, während das Objekt mit den Kategorien (Informations-)Fokus, Patiens und neue Information korreliert.5 Aber auch diese Korrelationen, die zweifelsohne die Komplexität von informationsstrukturellen Analysen ausmachen, sollten keinesfalls dazu verleiten, voreilige Schlüsse zu ziehen. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass keine 1:1-Entsprechung, d.h. kein direktes Mapping zwischen Informationsstruktur und Grammatik angenommen werden kann. Dies zeigt sich in den Beispielsätzen (105)–(108), in denen eine vergleichbare informationsstrukturelle Gliederung (mit Peter als Fokus) durch höchst unterschiedliche syntaktische Strukturen wiedergegeben wird, sowie in Satz (109), der mit ein- und derselben Form verschiedene Informationsstrukturen aufweisen und daher auf die unterschiedlichen Fragen in (110)–(112) antworten kann. (cf. Molnár 1991, 6–7)


(105) dt. PEter hat einen Wagen gekauft.
(106) dt. Es ist PEter, der einen Wagen gekauft hat.
(107) dt. Derjenige, der einen Wagen gekauft hat, ist PEter.
(108) dt. Der Wagen wurde von PEter gekauft. (Molnár 1991, 6)


(109) dt. Peter hat einen WAgen gekauft.
(110) dt. Was ist passiert?
(111) dt. Was hat Peter gemacht?
(112) dt. Was hat Peter gekauft? (Molnár 1991, 6–7)

Molnár (1991), die die Informationsstruktur und die Grammatik als autonome, aber gleichzeitig interdependente Module sieht6, unterstreicht die Relevanz einer systematischen Herangehensweise bei der Erforschung von Informationsstruktur und ihren Schnittstellen:

Die modulare Beschreibung der Beziehung zwischen Grammatik und Pragmatik bedeutet, dass die relevanten grammatischen und pragmatischen Faktoren primär innerhalb der Module, als das Resultat des Zusammenwirkens der Teilbereiche des jeweiligen Moduls, charakterisiert werden sollen. Erst nach ihrer Integrierung – entweder in die Sphäre der Grammatik oder in die der Pragmatik – sollen die einzelnen Phänomene zu dem anderen Modul in Beziehung gesetzt werden. (Molnár 1991, 7)

Die Beobachtung etwa, dass Einheiten, die gegebene Information kodieren, meist gleichzeitig den Hintergrund bilden, während neue Information sehr oft dem Fokus entspricht, lässt sich pragmatisch mit dem Kommunikationsprozess erklären, in dem der Sender die für den Empfänger neuen Elemente als relevanten Teil formuliert, während das, was dem Empfänger bereits bekannt ist, in erster Linie die Kohärenz und Konnektivität der Äußerung sichert und damit den nötigen Hintergrund für die Informationsverarbeitung bildet.7 (cf. Molnár 1993, 170) In machen Ansätzen, wie etwa in jenem von Steube et al. (2004), werden dementsprechend mit der Topik-Kommentar- und der Fokus-Hintergrund-Gliederung oft nur zwei Dimensionen der Informationsstruktur angenommen, wobei der Fokus generell neuer Information (auf Satz- und Diskursebene) entspricht. (cf. Steube et al. 2004, 15)

Aber auch die Annahme dieser beiden Ebenen ist für manche Autoren nicht ökonomisch genug.8 Vallduví (1990) weist darauf hin, dass ein Modell, das sowohl eine Topik-Kommentar-Gliederung als auch eine Fokus-Hintergrund-Gliederung postuliert, insofern eine gewisse Redundanz aufweist, als etwa das Verb, wie beispielsweise im Modell von Dahl (1974), oft gleichzeitig als Teil des Hintergrunds und des Kommentars analysiert werden muss. (cf. Vallduví 1990, 55)


Abb. 7: Informationsstrukturelle Gliederung nach Dahl (1974, 2)

Vallduvís eigenes Modell basiert auf vier Kategorien. Zunächst lässt sich ein Satz in die Einheiten focus und ground segmentieren. Den ground unterteilt der Autor wiederum in die Einheiten link und tail. Die Kategorie Kommentar ist in diesem Modell überflüssig. (cf. Vallduví 1990, 57)


Abb. 8: Informationsstrukturelle Gliederung nach Vallduví (1990, 57)

 

Sätze können laut Vallduví nun die Kombinationen link-focus (113), link-focus-tail (114) und focus-tail (115) aufweisen, aber auch keinen ground beinhalten und damit als all-focus-Sätze (116) analysiert werden. (cf. Vallduví 1990, 61–62)


(113) en. The boss [CALLED]F.
(114) en. The boss [HATES]F broccoli.
(115) en. (I can’t believe this! The boss is going crazy!) [BROCCOLI]F he wants now.
(116) en. [The BOSS called]F. (Vallduví 1990, 62–65)

Focus definiert Vallduví als den einzigen informativen Teil der Äußerung. Es handelt sich dabei um jenen Teil, der die eigentliche Information enkodiert und der infolgedessen nicht unrealisiert bleiben kann. (cf. Vallduví 1990, 57) Der ground entspricht einerseits insofern dem Hintergrund, als er den bzw. die komplementäre(n) Teil(e) zum focus darstellt. Andererseits beinhaltet er auch Aspekte des Topiks, da er den passenden Eingang der Information unter Berücksichtigung des Wissensstandes des Hörers garantiert. Nimmt ein Sprecher an, dass ein Hörer in der Lage ist, die Information selbst „richtig“ einzuordnen, kann der ground auch unrealisiert bleiben. Die Differenzierung des ground in link und tail nimmt Vallduví vor, da diese Elemente unterschiedliche Funktionen ausüben. (cf. Vallduví 1990, 58) Der link ist für den Autor ein „topikartiges“ Element, das in satzinitialer Position auftaucht.9 Seine Funktion besteht – wie auch im file-card-Modell von Reinhart (1981) – darin, als „address pointer“ den Hörer dorthin zu führen, wo die Information abgespeichert werden soll. Damit inkludiert der link auch das Konzept der aboutness. Multiple links in einem Satz sind Vallduví zufolge möglich, wobei in diesen Fällen der zweite link gezwungenermaßen nicht satzinitial realisiert werden kann. (cf. Vallduví 1990, 58–60) Der tail ist schließlich das Komplement zum link. Seine Position im Satz kann, etwa abhängig von sprachenspezifischen Grundwortfolgen und Intonationskonturen, variieren. Wie beim link sind auch mehrere tails pro Satz möglich. (cf. Vallduví 1990, 60–61) Der tail hat für Vallduví eine ganz spezielle Funktion:

If the ground contains a tail it means that the information of the sentence cannot be simply added under the address denoted by the link. Instead, it indicates that part of the proposition communicated is knowledge already contained under that address and that the information of the sentence must be construed in some way with that knowledge instead of merely added. (Vallduví 1990, 78–79)

Um die genaue Funktion des tails, auch in Abgrenzung zu jener des links, zu illustrieren, kontrastiert Vallduví den link-focus-Satz (117) mit dem link-focus-tail-Satz (118). (cf. Vallduví 1990, 79)


(117) en. The boss [hates BROCCOLI]F.
(118) en. The boss [HATES]F broccoli. (Vallduví 1990, 79)

Beide Sätze weisen denselben Link auf, der den Hörer jeweils auffordert, zum mentalen Adressaten von the boss zu gehen. Während der Hörer bei Satz (117) die durch hates broccoli ausgedrückte Information direkt aufnehmen kann, muss er bei Satz (118) zusätzlich berücksichtigen, wie die Information aufgenommen werden soll. Die Information wird hier nicht einfach nur hinzugefügt, sondern eine (bereits vorhandene) Lücke gefüllt. Die Elemente the boss und broccoli sind in diesem Fall bereits vor der Äußerung des Satzes vorhanden. Satz (118) bringt den Hörer nun dazu, die Leerstelle zwischen den beiden Elementen durch hates zu ersetzen (the boss ____ broccoli > the boss hates broccoli). (cf. Vallduví 1990, 79–80) Damit erklärt Vallduví auch Sätze, die kontrastive Elemente beinhalten. Im Gegensatz zu nicht kontrastiven Sätzen lautet bei Kontrastivität der Befehl nicht „Fokus hinzufügen“, sondern „Leerstelle (bzw. anderes, bereits vorhandenes Element) durch Fokus ersetzen“. (cf. Vallduví 1990, 89) Die Relevanz von informationsstrukturellen Einheiten sieht auch Vallduví demnach in erster Linie in deren Rolle bei der Optimierung der Aufnahme von neuer Information hinsichtlich des bereits vorhandenen Wissensstandes des Hörers.10 (cf. Vallduví 1990, 87)

Vallduví wendet sein Modell in der Folge auf das Katalanische und Englische an. Ob es ohne Weiteres auch auf die in dieser Arbeit behandelten romanischen Sprachen, insbesondere das Französische, bzw. auf die in der Folge auch empirisch untersuchten Topik- und Fokus-Fronting-Strukturen übertragbar ist, kann hinterfragt werden. Um vorschnelle Schlussfolgerungen zu Form-Funktionsrelationen sowie damit häufig verbundene zirkuläre Definitionen zu vermeiden (cf. Dufter/Gabriel 2016, 425), sollen die drei Ebenen der Informationsstruktur analytisch sowie terminologisch zunächst weiterhin strikt voneinander getrennt werden. Die wichtigsten Begriffe werden wie folgt definiert:

Neue (oder nicht gegebene) Information ist Information, die im Gegensatz zu alter (oder gegebener) Information zum Zeitpunkt der Äußerung nach Annahme des Sprechers nicht im Bewusstsein des Hörers ist. Inferierbare Elemente nehmen eine Zwischenposition ein. Sie sind selbst nicht explizit im Diskurs vorerwähnt, können aber aus der Situation, d.h. dem außersprachlichen Kontext, oder von gegebenen Konzepten, d.h. dem Kotext, abgeleitet werden. Von der Ebene des Bewusstseins (Aktivierungsgrad) grundsätzlich zu trennen ist die Ebene des Wissens, auf der zwischen zum Zeitpunkt der Äußerung identifizierbarer und nicht identifizierbarer Information unterschieden wird.

Die Kategorie Topik wird in der Folge dieser Arbeit mit der gängigen, relativ weiten Definition als Prädikationsbasis, d.h. als das Element auf der Ebene des Satzes, über das Sprecher eine Aussage tätigen (aboutness-Kriterium), verwendet. Der Kommentar wird als komplementärer Teil zum Topik definiert.

Der Fokus entspricht dem hinsichtlich des common ground von Gesprächspartnern relevanten Teil des Satzes, der die Antwort auf explizite oder implizite Fragen darstellt. Den bzw. die komplementäre(n) Teil(e) zum Fokus wiederum bildet der Hintergrund.

Alle weiteren Eigenschaften, die die informationsstrukturellen Einheiten darüber hinaus auf syntaktischer, semantischer sowie prosodischer Ebene aufweisen, werden – und das gilt auch für die empirische Analyse in Kapitel 5 – als reine Korrelate behandelt. Das folgende Kapitel 3 soll einen Überblick über das allgemeine Zusammenspiel zwischen der Informationsstruktur, der Prosodie und der Syntax geben, bevor in Kapitel 4 die einzelsprachlichen Eigenschaften zur Schnittstelle für das gesprochene Französische, Spanische und Italienische präsentiert werden.

3 Das Zusammenspiel von Informationsstruktur, Syntax und Prosodie

Heute herrscht in der Linguistik eine grundsätzliche Übereinstimmung darin, dass die Informationsstruktur mit der Syntax interagiert. Hartmann und Winkler (2013, 1) unterscheiden drei mögliche Zugänge zur Analyse der Schnittstelle:

1 Theorien, in denen die informationsstrukturellen Kategorien als formale Features gesehen werden, die in der narrow syntax präsent sind und syntaktische Operationen triggern.1

2 Theorien, in denen die Informationsstruktur einem eigenen Modul entspricht und Äußerungen als das Resultat eines Mapping zwischen verschiedenen Modulen verstanden werden.2

3 Kognitive Theorien, nach denen die Informationsstruktur ein universales kognitives Mittel für die allgemeine Sprachproduktion und -verarbeitung darstellt.

In der gesprochenen Sprache wird mittlerweile auch der Prosodie eine zentrale Rolle im Zusammenspiel der Ebenen zugesprochen. Ihre Relevanz hat bereits Weil (1844, 91–92) erkannt:

L’ordre des mots, nous l’avons vu, est déterminé par la naissance et la liaison naturelle des idées; la dépendance grammaticale des parties de la proposition exerce sur cet ordre une grande influence; mais on ne parviendra pas, en partant de ces deux points de vue, à expliquer d’une manière suffisante tous les phénomènes qui, sous ce rapport, se présentent dans les langues […]. Il y a une autre cause déterminante […], l’accentuation.

Zwei gegensätzliche Positionen werden von den Anhängern der funktionalen Grammatik und jenen der generativen Grammatik vertreten. Die Funktionalisten, die wie Chafe (1987) und Tomlin (1987) immer wieder Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie berücksichtigen, postulierten von Beginn an das Primat pragmatischer Aspekte. So teilen sie in ihren Ansätzen die Ansicht, dass die Syntax nicht nur mit anderen Domänen interagiert, sondern diesen zum Teil untergeordnet und damit nicht autonom ist. (cf. Bolkestein 1993, 341) Für Beneš (1968) etwa, einem Anhänger der Prager Schule, sind sowohl die syntaktischen als auch die prosodischen Eigenschaften von Sätzen in einer Äußerungssituation pragmatisch zu erklären:

Contextual modification of word-order (plus other devices, such as intonation etc.) is a result of factors due to the process of communication itself, i.e., to the intention of the speaker, his relationship to the hearer, the regard to the situation and context and consequently also to the inclusion of individual sentences into utterances and complete discourses. (Beneš 1968, 270)

Den Gegenpol zu dieser funktionalen Perspektive bildet die generative Grammatik, in der informationsstrukturelle und prosodische Aspekte lange Zeit als Störfaktoren gesehen und folglich weitestgehend ignoriert wurden. Nach und nach jedoch setzte sich auch in generativen Ansätzen die Vorstellung einer systematischen Interaktion zwischen der Syntax, der Informationsstruktur und der lautlichen Form von Sätzen durch. (cf. Jacobs 1992, 8–9) Die Kategorien Fokus und Topik werden heute als Bestandteil der Universalgrammatik (UG) und damit als Teil der genetischen Ausstattung von Menschen angesehen: „The linguistic level of F-structure in which both topic and focus are identified is […] a fundamental part of Universal Grammar […].“ (Erteschik-Shir 1999, 145) Der größte Unterschied zwischen den beiden Zugängen besteht für Szendrői (2010, 319) in der Methode zur Identifizierung von Fokus. Während in der generativen Grammatik eine automatisierte grammatische Regel angenommen wird, leitet man Fokus in pragmatischen Ansätzen von der Sprecherabsicht ab.3

Die Fragen, wie die Interaktion der einzelnen sprachlichen Ebenen konkret stattfindet und welche Ebenen direkt oder nur indirekt miteinander in Verbindung stehen, werden weiterhin – auch innerhalb der jeweiligen theoretischen Ausrichtungen – kontrovers diskutiert. Dies illustrieren etwa die Beiträge des generativ orientierten Sammelbandes zum Interface zwischen Phonologie und Syntax von Erteschik-Shir und Rochman (2010): „Some of the papers position information structure strictly in the syntax […] whereas others view it as playing an instrumental role in the process of phonological linearization […] while others yet view it as having purely phonological effects.“ (Erteschik-Shir/Rochman 2010, 2)

Eine definitive Klärung der Frage der Interaktion zwischen den verschiedenen Teilbereichen von Sprache kann angesichts dessen nicht der Anspruch des folgenden Kapitels sein. Vielmehr sollen die grundlegenden Positionen und damit verbundene problematische Aspekte skizziert werden. Kapitel 3.1 widmet sich zunächst der Schnittstelle zwischen der Informationsstruktur und der Syntax. In Kapitel 3.2 wird das Zusammenspiel von Informationsstruktur und Prosodie näher betrachtet.4 Kapitel 3.3 schließlich untersucht die Interaktion zwischen der Prosodie und der Syntax.