Loe raamatut: «7x7 Weltwunder»
Cornelius Hartz
7x 7
WELTWUNDER
Berühmte Stimmen zu den bedeutendsten
Bauwerken der Antike
Impressum:
192 Seiten mit 52 Farbabbildungen und einer Karte
Coverabbildung: Athen, Parthenon
Frontispiz: Tivoli, Villa des Hadrian
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2012 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein
ISBN 9783943904277
Gestaltung: Scancomp GmbH
Lektorat: Frauke Itzerott
Gestaltung des Titelbildes: Scancomp GmbH
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1. digitale Auflage 2013
Digitale Veröffentlichung: Zeilenwert GmbH
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Der Rosselenker berichtete leuchtenden Auges von den Kämpfen der mittelalterlichen Barone jener berühmten Stadt, als hätte der Analphabet Ferdinand Gregorovius studiert.
Es war eben ein Volk, bis ins Innerste durchdrungen von dem Bewußtsein, noch immer überall dort zu herrschen, wo es einstmals vor Jahrtausenden geherrscht hatte. Also über den halben Erdkreis!
Richard Voß, Brutus, auch Du!
Inhalt
Cover
Copyright
Titel
Zitat
Vorwort
Spanien und Südfrankreich
Brücke von Alcántara
Maison Carrée Nîmes
Aqüeducte de les Ferreres Tarragona
Pont du Gard Vers-Pont-du-Gard
Italien
Concordiatempel Agrigent
Olympieion Agrigent
Caracallathermen Rom
Circus Maximus Rom
Engelsburg Rom
Kolosseum Rom
Konstantinsbogen Rom
Mausoleum des Augustus Rom
Traianssäule Rom
Pantheon Rom
Saturntempel Rom
Titusbogen Rom
Theater von Taormina
Villa des Hadrian Tivoli
Griechenland
Tempel der Aphaia Ägina
Dionysostheater Athen
Erechtheion Athen
Hadriansbibliothek Athen
Olympieion Athen
Parthenon Athen
Stoa des Attalos Athen
Theater von Epidauros
Palast von Knossos Kreta
Zeustempel Olympia
Koloss von Rhodos
Heraion Samos
Türkei
Grabmal des Mausolos Bodrum
Apollontempel Didyma
Artemision Ephesos
Theodosianische Mauer Istanbul
Naher Osten
Jupitertempel Baalbek
Hängende Gärten Babylon
Ischtar-Tor Berlin
Pergamonaltar Berlin
Theater von Bosra
Tempel des Salomon Jerusalem
Tempel des Herodes Jerusalem
Festung von Masada
Schatzhaus des Pharao Petra
Ägypten
Tempel Ramses’ II. Abu Simbel
Bibliothek von Alexandria
Leuchtturm von Pharos Alexandria
Horustempel Edfu
Pyramiden von Gizeh
Obelisk von Luxor Paris
Glossar
Literaturhinweise
Quellennachweis
Abbildungsnachweis
VORWORT
Sieben Weltwunder sind nicht genug
Die Sieben ist eine magische Zahl. Sieben Wochentage, sieben Todsünden, siebter Himmel, Siebenschläfer, sieben Meere, sieben Geißlein und sieben Zwerge. Sieben Himmelskörper konnten die frühen Astronomen am Himmel ausmachen, dem Gott Apollon war die Zahl Sieben geweiht, sieben Arme hat die jüdische Menora … die Beispiele sind zahlreich. So gab es natürlich auch sieben Weltwunder, als man in der Antike daran ging, Reisenden Empfehlungen auszusprechen, was in fremden Landstrichen besonders sehenswert war.
Die älteste erhaltene Liste der sieben Weltwunder findet sich in einem Epigramm des Antipatros von Sidon (S. 136), verfasst ca. 100 v. Chr. Er nennt darin die Stadtmauern von Babylon, die Zeusstatue von Olympia, die hängenden Gärten von Babylon, den Koloss von Rhodos, die Pyramiden von Gizeh, das Grab des Königs Mausolos II. und den Artemistempel von Ephesos. Allerdings erfüllt das Gedicht einen bestimmten Zweck: All diese Bauwerke, so der Autor, habe er gesehen, doch die ersten sechs seien nichts gegen das siebte, den Artemistempel von Ephesos. In gewisser Weise hat er recht: Dieser Tempel ist der größte, der jemals in der griechisch-römischen Antike entstand.
In der Spätantike erfuhr diese Liste eine entscheidende Modifikation. Die Mauern von Babylon waren so weit dem Vergessen anheimgefallen, dass sie gestrichen und stattdessen durch ein immer noch existierendes technisches Meisterwerk ersetzt wurden – den einzigartigen Leuchtturm von Pharos in der Stadt Alexandria, das wohl höchste Bauwerk des Altertums. Schon dies zeigt die Subjektivität der damaligen Auswahl.
In dieser neuen Form wurde die Liste der sieben Weltwunder kanonisch für die Renaissancezeit, als man die Antike, ihre Bauten und ihre Bedeutung für die europäische Kultur wiederentdeckte und neu schätzen lernte. Die im 18., 19. und 20. Jh. methodisch immer weiterentwickelte Disziplin der Archäologie brachte längst vergessene Schätze ans Licht, die unter meterhohen Erd- oder Sandschichten verborgen waren, über denen im Mittelalter Städte entstanden waren, die zu Kirchen oder Festungen umgebaut worden waren oder die einst im Meer versanken. Die Museen Mitteleuropas, aber auch Amerikas und Asiens füllten sich mit Artefakten aus Rom, Griechenland und dem Orient.
Natürlich war man besonders begierig darauf, die sieben Weltwunder wiederzufinden. Doch da hatte man Pech: Nur noch die Pyramiden standen, wenn auch nicht ganz intakt, an Ort und Stelle; vom Artemistempel und dem Grab des Mausolos fand man immerhin noch Spuren. Alles andere war unwiederbringlich verloren (die Mauern von Babylon wurden zwar ausgegraben, gehörten aber längst nicht mehr zum Kanon). Und doch hat man inzwischen viele Dutzend weitere in der Antike entstandene Gebäude und Konstruktionen entdeckt, die ebenfalls einen Platz in der Liste der Weltwunder für sich beanspruchen können. Sie sind Wunderwerke antiker Technik, meisterliche Ingenieursleistungen und demonstrieren ein ums andere Mal, wozu der Mensch schon im Altertum fähig war, aber auch, was er das dunkle Mittelalter hindurch vergaß, verdrängte und verrotten ließ.
Nichtsdestotrotz haben auch die verschwundenen Weltwunder ihre Spuren hinterlassen: in der Literatur. Im 1. Jh. n. Chr. besuchte der Autor einer berühmten Naturgeschichte, Plinius der Ältere, Rhodos und hatte dabei Gelegenheit, den sagenumwobenen Koloss von Rhodos an Ort und Stelle zu bestaunen – freilich nachdem die Bronzestatue schon lange umgefallen und zerbrochen war: „Nur wenigen gelingt es, den Daumen mit den Armen zu umfassen, die Finger allein sind größer als die meisten Statuen. Wo die Glieder auseinandergebrochen sind, gähnen riesige Höhlen. Im Inneren sieht man auch noch die Felsbrocken, die durch ihr Gewicht das Aufstellen der Statue erleichterten.“ Doch die Literatur, die belletristische wie auch die Sachliteratur, vermag viel mehr als bloß mit Worten Gegenstände abzubilden: Sie kann uns Stimmungen und Gefühle vermitteln, uns Neues erleben lassen und reist mit uns in die Vergangenheit.
Alle 49 in diesem Band vorgestellten antiken „Weltwunder“ haben ihren Platz in der europäischen Literatur gefunden. Schriftsteller, Reisende, Dichter, Forscher, Unterhaltungsautoren von der Antike bis heute: Sie alle kommen hier, meist ausschnittsweise, zu Wort und spiegeln uns, wie man in ihrer Epoche und ihrem Kulturkreis die Begegnung oder Wiederbegegnung mit den Monumenten des Altertums erlebt hat – mal heiter, mal dramatisch, mal sachlich, nachdenklich oder auch unfreiwillig komisch. Bei den Textstellen ist das Jahr der Entstehung in Klammern gesetzt; die Orthographie der deutschen Originaltexte wurde getreu der Vorlage belassen.
Die Auswahl der jeweils kurz beschriebenen Monumente ist dabei zwangsläufig eine subjektive – wie es ja auch die antike Liste der sieben Weltwunder war. Immerhin folgt sie aber bestimmten objektiven Kriterien. So finden sich neben den kanonischen sieben Weltwundern die größten griechischen Tempel, die besterhaltenen Theater, die beeindruckendsten Profanbauten und die beliebtesten touristischen Sehenswürdigkeiten. Topographisch konzentriert sich der Band auf die Stätten der klassischen Antike im (weiter gefassten) Mittelmeerraum, vom römischen Spanien über Konstantinopel, das minoische Kreta, Babylon und Palästina bis nach Ägypten, und schlägt somit eine Brücke über mehr als 3000 Jahre antiker Baukunst. Der eine oder die andere mag bemängeln, dass ihr oder sein Lieblingsmonument fehlt – aber sicherlich werden mir alle Leser in einem zustimmen: Sieben Weltwunder sind einfach nicht genug!
SPANIEN & SÜDFRANKREICH
Die südlichen Gebiete waren die eigentliche Erbschaft Roms von den Karthagern und ihr Kern Andalusien; alles Land, was südlich lag bis nach Gades hin, zu den sogenannten Säulen des Hercules, wo das europäische und afrikanische Festland über die Meerenge einander grüßen.
Aus: W. F. A. Zimmermann,
Der Mensch, die Räthsel und Wunder seiner Natur (1871)
Brücke von Alcántara
Brücken gehören zu den großen architektonischen Meisterleistungen der alten Römer. Sie durchzogen Europa mit einem gut ausgebauten Straßennetz und ein ums andere Mal mussten sie dabei einen Fluss oder eine Schlucht überbrücken. Da Brücken, anders als z. B. Tempel, in der Regel im Mittelalter nicht ihre Funktionalität einbüßten, blieben sie oft relativ gut erhalten, wie diejenige bei Mérida oder der Pont Flavien. Die beeindruckendste Straßenbrücke aus römischer Zeit ist aber sicherlich die Brücke beim spanischen Alcántara, die seit über 1900 Jahren über den Tajo führt. 194 m lang und 50 m hoch gelegen ist ihre Fahrbahn und mitten darin steht, ebenfalls quasi unversehrt, ein Ehrenbogen für Kaiser Traian. Die Brücke besteht komplett aus Quadersteinen, die in der typischen Bauweise des späten 1. Jhs. n. Chr. ohne Mörtel aufeinandergeschichtet sind und einander nur durch die ausgeklügelte Bauweise stützen (zugegeben: an ein paar neuralgischen Punkten helfen Metallklammern ein wenig nach). Heute ist die Brücke natürlich eine berühmte Sehenswürdigkeit; dass der Kunsthistoriker Jules Gailhabaud Mitte des 19. Jhs. erwähnt, sie sei „so wenig bekannt“, erstaunt bei einem so schönen und auch so alten Bauwerk, aber man muss bedenken, dass es zu dieser Zeit ja noch keinen Massentourismus gab. Und wer nahm eine Reise bis weit in die Extremadura auf sich, um sich eine Brücke anzusehen? Übrigens geht der Name der Stadt direkt auf dieses Bauwerk zurück: Die Mauren nannten sie, nachdem sie Spanien erobert hatten, „al-Qantara“ – das heißt nichts weiter als „die Brücke“.
Aus: Jules Gailhabaud,
Denkmäler der Baukunst (1850)
Jules Gailhabaud (1810–1888),
französischer Architekturhistoriker und Spezialist für antike und mittelalterliche Kunst, war Mitglied der Académie royale de Belgique und schrieb ein wegweisendes Werk über die antike Baukunst. 1871 fiel seine umfangreiche Bibliothek einem Brand zum Opfer.
In dem spanischen Estremadura zwei und eine viertel Stunde von der portugiesischen Gränze befindet sich an dem Rande einer wilden Bergschlucht, die der Tajo durchrauscht, eine kleine Stadt, die man für das Lancia oder Norba Caesarea der Alten nimmt, dem Plinius auch den Namen Norbensis colonia giebt. Von den Mauren im VIII Jahrhundert erobert, empfing sie von ihnen den Namen Al Cantera, die Brücke, wegen einer prächtigen antiken Brücke, dem Gegenstande dieses Aufsatzes, die für eines der schönsten Bauwerke dieser Art gelten kann. Diese so merkwürdige und so wenig bekannte Brücke ist allein in Laborde’s Voyage en Espagne beschrieben. Obwohl Laborde’s Zeichnungen dieser Brücke so wie seine Beschreibung derselben manche Ungenauigkeiten enthalten, so haben sie doch unserer Arbeit zur Grundlage gedient.
Auf der Mitte der Brücke erhebt sich ein kleiner Triumpfbogen, der von verschiedenen Völkerschaften dieses entfernten Theils Iberiens dem Kaiser Trajan, ihrem Landsmann, errichtet worden, wie eine vollkommen erhaltene Inschrift auf dem Friese dieses Bogens anzeigt […].
Der blosse Augenschein genügt um zu erkennen, dass Brücke und Triumpfbogen zu gleicher Zeit und nach einem Plane gebaut wurden, und aus der ersten Inschrift geht hervor, dass die Brücke im Jahre 103 unserer Zeitrechnung errichtet wurde. […]
Kriege und Eroberungen haben an der Brücke manche Veränderungen hervorgebracht: Thürme und Forts sind an den Enden der Brücke errichtet oder an dem Triumpfbogen angebaut worden, der selber eine Zinnenkrönung erhalten hat; von allen diesen Schmarotzerbauten existiert jetzt nur noch ein Thurm mit einigen zugehörigen Werken, die den Eingang der Brücke von der Landseite her vertheidigen, und die Strasse, die nach Portugal führt, beherrschen. Bei den verschiedenen Eroberungen der Stadt haben Mauren und Portugiesen mehrere Brückenbogen gesprengt, um die Passage über die Schlucht zu unterbrechen, ohne dass dadurch die übrig gebliebenen Theile an Festigkeit verloren haben; übrigens ist die Wiederherstellung der zerstörten Theile mit solcher Sorgfalt geschehen, dass sie den antiken Bau weder an Festigkeit noch an Schönheit weichen, und es schwer ist sie auf den ersten Blick von den alten zu unterscheiden.
Maison Carrée
Nîmes
Der besterhaltene römische Tempel steht nicht in Italien, sondern in Nîmes in Südfrankreich, in der früheren römischen Provinz Gallia Narbonensis. Er trägt den ebenso klangvollen wie pragmatischen Namen „Maison Carrée“ – „rechteckiges Haus“. Mit 26 x 13 m ist er nicht allzu groß (worauf Alphonse Daudet in witziger Weise anspielt), aber ein exzellentes Beispiel für den Podiumstempel, eine besondere Bauform, die in der augusteischen Zeit beliebt war. Agrippa, ein enger Vertrauter des Kaisers Augustus, ließ den Tempel etwa um 19 v. Chr. bauen und weihte ihn den Söhnen des Princeps. Schon im 4. Jh. bemächtigte sich die Kirche des Tempels und man machte u. a. ein Kloster daraus. Dadurch entging er so gut wie unbeschädigt der Zerstörung, ebenso die fensterlose Cella, die bei ganz wenigen antiken Tempeln auch nur ansatzweise erhalten ist. Die Umfunktionierung schützte das Gebäude jedoch nicht davor, im Inneren umgebaut und über die Jahrhunderte immer mehr in die umliegende Architektur integriert zu werden. Erst im 19. Jh. entfernte man die Umbauten und legte den Tempel wieder frei, indem man benachbarte Bauten abriss. Dabei kam auch ein Teil des großflächigen Forums wieder zum Vorschein, das den Tempel, der in der Antike im Stadtzentrum stand, einst umgab. Heute dient die Maison Carrée als 3-D-Kino: Im Inneren zeigt die Organisation Culturespaces Nîmes Romaine in kurzen Abständen einen 20-minütigen Film über die Geschichte der Stadt.
Aus: Alphonse Daudet,
Die wunderbaren Abenteuer des Tartarin von Tarascon (1872)
Alphonse Daudet (1840–1897)
war ein französischer Schriftsteller und Mitglied der Pariser Bohème. Tartarin von Tarascon, eines seiner frühen Werke, blieb bis zu seinem Tod sein bekanntestes. Er ließ noch zwei Bände mit den Abenteuern des Protagonisten folgen.
Tartarin, der durch vielerlei Lektüre auf diesem Gebiete sehr unterrichtet war, gab mit größter Zuvorkommenheit jede nur erwünschte Auskunft, und das Ende vom Liede war, daß der Biedermann selbst nicht mehr recht wußte, daß er nicht in Schanghai gewesen war. So erzählte er denn auch mehr als hundertmal den Angriff der Tataren: seine Geschichte schloß regelmäßig mit den Worten: „Und nun ließ ich alle meine Angestellten bewaffnen, hißte die Konsulatsflagge, und dann ging’s piff, paff aus den Fenstern auf die Tataren.“ Staunend hörte der Klub die Erzählung an, und jeden überlief es kalt bei der Schilderung des Kampfes.
Nun möchte wohl so mancher meiner Leser einwerfen: „Dann war ja dieser Herr Tartarin ein ganz abscheulicher Lügner.“
O nein! Tartarin war durchaus kein Lügner.
„Aber er mußte doch recht wohl wissen, daß er niemals nach Schanghai gereist war.“
Nun ja, das wußte er allerdings. Und dennoch …
Ich will das näher zu erklären versuchen.
Es ist wirklich an der Zeit, sich ein für allemal darüber zu verständigen, daß die Bewohner der nördlichen Länder denen der südlich gelegenen ganz mit Unrecht den Vorwurf machen, sie seien alle zusammen Lügner. Es gibt keine Lügner im Süden, weder in Marseille noch in Nimes, weder in Toulouse noch in Tarascon. Der Südländer lügt eben nicht, er – irrt sich nur; er ist stets in einer eigentümlichen Selbsttäuschung befangen. Er sagt nicht immer die Wahrheit, das ist richtig – aber er glaubt doch immer, daß er sie sagt.
Die Lüge des Südländers ist keine Lüge, wenigstens ist sie nicht das, was man für gewöhnlich mit diesem Worte bezeichnet, sondern sie ist eine ganz merkwürdige Erscheinung.
Ja, ein merkwürdiges Etwas! Und wer mich nicht ganz versteht oder wer sich von der Richtigkeit meiner Behauptung überzeugen will, der gehe einmal nach dem Süden. Er wird sein Wunder erleben. Er wird den Dämon dieses Landes kennen lernen, in dem die Sonne alle Gegenstände so eigentümlich beleuchtet, daß sie in ganz anderen Dimensionen erscheinen, als sie in Wirklichkeit haben. Die kleinen Hügel der Provence, die nicht höher sind als der Montmartre, werden ihm als riesig hohe Bergzüge erscheinen. Die Maison carrée in Nimes, die auf dem Nippestisch Platz zu haben scheint, kommt ihm so groß vor, wie Notre-Dame in Paris.
Der Beschauer wird auch entdecken, daß der einzige südländische Lügner, wenn überhaupt von einem solchen die Rede sein kann, die – Sonne ist. Alles, worauf ihre Strahlen fallen, verändert und vergrößert sie. Was war denn Sparta zur Zeit seines höchsten Glanzes und Ruhmes? Ein Marktflecken. Und was war Athen? Höchstens das, was man heute als kleines Landstädtchen bezeichnet. Und doch erscheinen sie uns in der griechischen Geschichte als Großstädte. Die Sonne hat’s gemacht.
Aqüeducte de les Ferreres
Tarragona
Die Katalanen nennen diese eindrucksvolle Aquäduktbrücke „Pont del Diable“, „Brücke des Teufels“. Wann der Aquädukt errichtet wurde, ist nicht ganz klar; die meisten Anhaltspunkte sprechen dafür, dass er in augusteischer Zeit entstand, auf jeden Fall wohl im 1. Jh. n. Chr. Die Brücke zählt zu den besterhaltenen Beispielen aus römischer Zeit – wahrscheinlich weil sie mehrere Kilometer von der antiken Stadt Tarraco, dem modernen Tarragona, entfernt lag, sodass sie nicht allzu attraktiv für Steinräuber war. Außerdem versorgte die Wasserleitung, die über diese Brücke führte, bis ins Mittelalter hinein die Bevölkerung von Tarragona mit Wasser, sodass sie immer wieder ausgebessert wurde – und, wie man bei Joseph Townsend nachlesen kann, auch noch im 18. Jh., auf Kosten der Kirche. Heute findet man das Bauwerk an der Kreuzung der Autobahn AP7 mit der Schnellstraße N240. Aber es lohnt sich, an der dortigen Mautstelle zu parken und den 2005 hier entstandenen „Parc ecohistòric del Pont del Diable“ zu besuchen: 217 m lang ist die Brücke, 27 m hoch und im Großen und Ganzen so vollständig erhalten, dass sie aussieht wie frisch erbaut. Man kann sogar von einem Ende zum anderen darüberspazieren – wenn auch bitte ganz vorsichtig.
Aus: Joseph Townsend,
Reise durch Spanien in den Jahren
1786 und 1787 (1791)
Joseph Townsend (1739–1816)
war ein englischer Geistlicher, Arzt und Geologe. Er war einer der frühesten Verfechter der Einführung eines Systems zur sozialen Absicherung und Unterstützung der Armen. Außerdem entdeckte er ein Heilmittel gegen Syphilis.
Eine Stunde hinter Hospitalet kommt man in eine fruchtbare Ebene, welche auf der linken Seite von Bergen eingefaßt ist, und auf der rechten die See hat. Wir reisten nun einige Stunden durch einen beständigen Garten, der mit zahlreichen Dörfern besetzt ist, und ostwärts vor uns warfen die hohen Thürme ihrer Kirchen die Strahlen der untergehenden Sonne zurück. Dieses ergiebige Thal, Campo de Tarragona genannt, trägt in einer beständigen schnellen Folge hinter einander Weizen, Gerste, Mais, Bohnen, Erbsen, Garbanzos, Vicebohnen, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Melonen, Gurken, Kalebassen, (cucurbita lignosa L.) Artischocken, Oliven, Oel, Wein, Mandeln, Granatäpfel, Feigen, Aprikosen, Johannisbrod, Flachs, Hanf, Seide, Luzerne, und allerley andre Gewächse, die theils zur Fütterung des Viehes, theils zur menschlichen Nahrung dienen.
In der Nähe von Tarragona wurden die Oelbäume niedergeschlagen, um den Weinreben Platz zu machen, zu einer Zeit da der Branntewein starken Abgang fand, seitdem dieser aber im Preise gefallen ist, hat man keine Oelgärten wieder angelegt.
Tarragona kann einen Liebhaber der Alterthümer unter allen spanischen Städten am meisten beschäftigen. Seine Aufmerksamkeit wird hier mannichfaltig gereizt, er findet Ueberbleibsel von einem Amphitheater, von einem Theater, von einem Circus, von einem Palast Augusts, von Tempeln, von einem Aquädukt, von Befestigungswerken, die zwar nicht von gleichem Alter mit jenen, aber doch auch alt sind.
Die Stadt hieß bey den Römern Tarraco. Man hat hier auch viele Münzen und Inschriften gefunden. Weil Scipio sie befestigte, so giebt man ein altes Grabmal, welches zwischen hier und Barcelona hinter Alta Fuilla linker Hand von der Strasse im Gebüsche steht, für das Grab des Vaters und Oheims vom Scipio Africanus, welche beyde in Spanien getödtet wurden, aus. […]
Die Wasserleitung bringt das Wasser 7 Stunden weit her und ist vermittelst einer Brücke über eine tiefe Ravine geleitet. Diese ist 700 Fuß lang und 100 Fuß hoch; unten hat sie 11 Bogen, und oben 25. Der verstorbne Erzbischof hat sie bloß auf seine Kosten wieder herstellen lassen.