Zukunftsflashs

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➤ Wie schon gesagt, verfolgt mein Unternehmen seit über 25 Jahren aufmerksam die aktuellen Entwicklungen und Trends in den unterschiedlichsten Branchen. Die Besonderheiten und Herausforderungen der Ölförderung waren uns daher bekannt (Chevron, ExxonMobile und Shell gehören zu unseren Kunden), ebenso der aktuelle Stand der Roboter- und Automatisierungstechnik und so weiter. Den ersten Funken zu der zündenden Idee lieferte in diesem Fall Impuls 1: Von sicheren Fakten ausgehen.

➤ Da ich mit den Trends bestens vertraut bin, weiß ich, was technisch heute möglich ist, welche Veränderungen im Gange sind und – was das Wichtigste ist – was in naher Zukunft möglich sein wird. Mit anderen Worten: Ich kann antizipieren – Impuls 2.

➤ Da ich weiß, dass innerhalb weniger Jahre mit radikalen Innovationen zu rechnen ist, kann ich nach völlig andersartigen Lösungen und Methoden Ausschau halten, die momentan noch undenkbar erscheinen, anstatt in gewohnten Bahnen zu denken und mich mit kleinen, schrittweisen Veränderungen zu begnügen: Impuls 3, Transformieren.

➤ Das große Problem der Mineralölkonzerne war, dass die Bohranlagen über Wasser exponiert und den Naturgewalten oder gezielten Angriffen relativ schutzlos ausgeliefert waren. Anstatt zu versuchen, dieses Problem zu lösen, haben wir uns dafür entschieden, das größte Problem zu überspringen – Impuls 4 – und die Anlagen von der Bild-, beziehungsweise der Oberfläche verschwinden zu lassen.

➤ Und wohin? Die Richtungsumkehr weist nach unten, auf den Meeresgrund: Impuls 5.

➤ Wie kann das realisiert werden? Mithilfe von Impuls 6, Umdefinieren und neu erfinden. Man mache sich die Robotertechnik zunutze, die sich bei operativen Eingriffen in der Medizin sowie bei Außenbordarbeiten in der Raumfahrt bereits bewährt hat, um die Offshore-Ölförderung komplett neu zu erfinden.

In nur wenigen Zeilen haben Sie soeben das Ineinandergreifen von sechs der sieben Impulse nachvollziehen können. Wenn man die Idee nachträglich in die einzelnen Gedankengänge zerlegt, scheint sie das Ergebnis methodischer und folgerichtiger Überlegungen zu sein. Doch in den wenigen Minuten vor meinem Auftritt am Rednerpult hatte ich die Erkenntnis innerhalb von Sekunden, intuitiv und blitzartig. Aber das ist einfach eine Sache der Übung und Gewohnheit.

Zu lernen, sich für diese Impulse zu öffnen, ist nicht schwieriger als Laufen zu lernen. Wenn Sie den Vorgang des Laufens in seine Einzelteile zerlegen, klingt er auch kompliziert: Man muss das Körpergewicht in einer Abrollbewegung vom Fußballen zu den Zehen und abwechselnd von rechts nach links verlagern und dabei koordiniert mit den Armen schwingen, um die Gewichtsverlagerung auszugleichen. Wenn Sie vor jedem Schritt erst einmal darüber nachdenken müssten, wie Ihr Bewegungsapparat funktioniert, wären Sie völlig überfordert. Als Sie als Kleinkind das Laufen lernten, waren Sie das auch, doch mit etwas Übung klappte es doch schon bald von ganz allein, nicht wahr?

Dasselbe trifft auf die sieben Impulse zu. Die mentalen Abläufe müssen auch zuerst einmal geübt werden – bewusst, konzentriert und jeder für sich. Zu Beginn werden Sie vielleicht nur langsam vorankommen, doch mit etwas Übung und Geduld richten sich Ihre Antennen für Geistesblitze wie von selbst aus, damit der Funke zu zündenden Ideen überspringt, ohne dass Sie bewusst darüber nachdenken müssen.

Manchmal geht es bei einem Zukunftsflash darum, ungeahnte Anwendungsmöglichkeiten innovativer Technologien zu nutzen. Oft genügt es aber auch, den eigenen Augen zu vertrauen, um Dinge in einem völlig neuen Licht zu sehen.

Vor einigen Jahren eröffnete eine Freundin von mir in Chicago eine Zahnarztpraxis speziell für Kinder. Kurz nach der Eröffnung trafen wir uns zum Mittagessen, und ich erkundigte mich bei ihr, wie es lief.

»Nicht so gut, wie ich gehofft hatte«, gestand sie ein. Sie hatte zwar einen kleinen Patientenstamm, doch der erwartete Zulauf, mit dem sie durch Empfehlungen gerechnet hatte, blieb aus. Sie war auf Mundpropaganda angewiesen, die jedoch nicht in Schwung kommen wollte. Sie fragte mich, ob ich mir ihre Praxis einmal ansehen würde, vielleicht hätte ich ja eine Idee, woran es hapern könnte. Nach dem Mittagessen begleitete ich sie in ihre Praxis und sah mich um. Nach etwa zehn Minuten hatte ich genug gesehen, bat sie, mit mir vor die Tür zu gehen und sagte:

»Dies ist eine Kinderzahnarztpraxis, oder? Ich schlage vor, wir betrachten sie jetzt einmal gemeinsam aus den Augen eines Kindes.«

Und genau das taten wir dann auch. Auf allen vieren krabbelten wir ins Wartezimmer und sahen uns um. »Was siehst du?«, fragte ich meine Freundin. Erstaunt blickte sie mich an und meinte dann, »Hm, wenig bis gar nichts.«

Und wirklich: Alles befand sich auf Augenhöhe eines Erwachsenen. Die Dame am Empfang war überaus liebenswert und freundlich, aber hinter dem hohen Empfangstresen für Kinder praktisch unsichtbar.

»Was hältst du davon, den Empfangstresen niedriger zu machen, damit deine kleinen Patienten sehen, dass dahinter eine sehr nette Frau sitzt? Als nächstes achte einmal darauf, was du gerade hörst. Wie klingt das für dich?«

Wir lauschten. Es klang, als ob irgendein bösartiger Mensch im Behandlungszimmer hilflose Mäuse folterte. Solche Hintergrundgeräusche will kein Kind hören, das zum Zahnarzt muss. Ich schlug meiner Freundin vor, über Lautsprecher eine entspannende Hintergrundmusik laufen zu lassen, deren Takt in etwa dem menschlichen Herzschlag entsprach. Das hätte zum einen eine beruhigende Wirkung auf die Patienten und würde zum anderen die Geräusche aus den Behandlungszimmern übertönen. Ein bisschen schalldämpfendes Material in den Räumen wäre sicherlich auch nicht verkehrt.

Als ich meine Freundin fragte, wie sie den Praxisgeruch empfand, rümpfte sie spontan die Nase. Kein Wunder, denn es roch, wie es in einer Arztpraxis nun eben einmal so riecht. Bei einem Kind löst dieser Geruch panische Angst aus. Sobald es über die Schwelle tritt und ihn riecht, denkt es sofort an die letzte Spritze, die es bekommen hat, und bekommt Angst.

Meine Freundin sah mich nachdenklich an. »Wir sollten das Ganze komplett anders aufziehen, oder?«, fragte sie mich.

»Das sehe ich auch so«, stimmte ich ihr zu.

Das Problem war, dass meine Freundin ihre Praxis aus Zahnarztsicht statt aus Kindersicht gestaltet hatte. Die Lösung war, eine andere Perspektive einzunehmen, die sich durch die Richtungsumkehr eröffnete, sich als Erwachsener in die Wahrnehmung und Gedankenwelt eines Kindes zu versetzen. Als ich sie das nächste Mal in ihrer Praxis besuchte, bot sich mir ein vollkommen anderes Bild. Sie hatte tatsächlich jeden meiner Vorschläge umgesetzt und seitdem kann sie sich nicht mehr über mangelnden Zulauf beschweren.

Zündende Ideen lassen selten lange auf sich warten, wenn Sie bereit sind, notfalls auch auf Händen und Knien herumzukrabbeln, um die Dinge aus einer völlig neuen Perspektive zu betrachten und sich vorstellen können, wohin die aktuellen Trends uns in Zukunft treiben könnten. Der ganze Trick besteht darin, mit dem Blick auf das gegenwärtig Machbare schon heute zu vollbringen, was noch als unmöglich erscheint.

Dass Sie sich Gedanken über Sicherheitsverbesserungen an Bohrplattformen machen oder sich dazu berufen fühlen, die Lösung für die Energiekrise aus dem Ärmel zu schütteln, halte ich für eher unwahrscheinlich. Sie haben sicherlich genug damit zu tun, die Herausforderungen zu meistern, die Ihr Leben für Sie bereithält. Vielleicht sind Sie in einer ähnlichen Situation wie meine Freundin, die Kinderzahnärztin, und möchten Ihr Geschäft ankurbeln. Möglicherweise brauchen Sie dringend eine zündende Idee, um Ihre Firma vor dem Untergang zu bewahren, oder Sie fragen sich, wie Sie trotz der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt Ihrer Karriere auf die Sprünge helfen können. Auch wenn Ihre Probleme vermutlich weniger weltbewegend sind wie Ölteppiche und Umweltkatastrophen, ist ihre Lösung für Sie persönlich sicherlich eine dringliche und vielleicht ebenso unmöglich erscheinende Aufgabe. Die gute Nachricht ist: Egal, ob Sie permanent unter immensem Zeitdruck stehen, die Finanzen knapp werden, Ihr Absatzmarkt schrumpft, Sie sich vor Arbeit kaum retten können oder vor einem scheinbar unüberwindbaren Hindernis stehen, es gibt für jedes Problem die perfekte Lösung – man muss sie lediglich sichtbar werden lassen.

In die Zukunft zu blicken, war schon immer praktisch, aber noch nie so essenziell wichtig wie heute. Der Wandel vollzog sich früher viel langsamer und in so kleinen Schritten, dass wir relativ mühelos mit ihm mithalten konnten. Bei dem Schwindel erregenden Tempo, mit dem sich der technologische Fortschritt mittlerweile vollzieht, ist es jedoch überlebenswichtig, schon heute zu wissen, was morgen möglich und machbar ist.

Es gab einmal eine Zeit, in der nur einige Auserwählte – Geistliche, Gelehrte und Kaufleute – lesen und schreiben konnten. Es gab einmal eine Zeit, in der kaum ein Mensch Autofahren konnte oder wollte. Es gab auch einmal eine Zeit, in der nur eine Handvoll Wissenschaftler und Militärstrategen wussten, was das Internet ist und was man damit machen kann. Und bis heute gibt es nur eine Handvoll Menschen, die ganz ohne Kristallkugel in die Zukunft blicken und treffsichere Prognosen erstellen können. Es ist höchste Zeit, dass jeder erfährt, wie das geht.

Kapitel 1
Von sicheren Fakten ausgehen

Am 10. März 1986 marschierte ich über das weitläufige Werksgelände einer großen Firma am Stadtrand von Kansas City in die Fabrikhalle, betrat die Rednerbühne, trat an das Mikrofon und räusperte mich, während ich meinen Blick über die Massen schweifen ließ. Mehrere Tausend Männer und Frauen saßen vor mir und warteten schweigend darauf, was ich ihnen wohl zu sagen hatte. Sie sahen ganz und gar nicht glücklich aus, im Gegenteil. Die Stimmung war miserabel.

 

Grund dafür war ein heftiger Disput zwischen dem Management und der Belegschaft der Folgers Coffee Company, der zum Abbruch der Lohnverhandlungen geführt hatte. Zum ersten Mal in der 78-jährigen Firmengeschichte standen alle Maschinen still, damit die gesamte Belegschaft an der Versammlung teilnehmen konnte.

Einige Wochen vorher hatte mich einer der Manager nach einer Veranstaltung angesprochen und gefragt, ob ich bereit wäre, vor den Angestellten von Folgers zu sprechen, um die ins Stocken geratenen Verhandlungen vielleicht auf diese Weise wieder in Gang zu bringen. Ich wies ihn darauf hin, dass ich als Zukunftsforscher nicht unbedingt der Richtige wäre, um einen Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Disput zu schlichten. Das sei ihm schon klar, meinte er, doch er habe mich über das Thema »Von sicheren Fakten ausgehen« sprechen gehört und das Gefühl, dass sich auf der Basis dieser Idee die Gespräche vielleicht wieder aufnehmen ließen. Einen Versuch war es ihm auf alle Fälle wert.

Tja, und da stand ich nun, mit trockenem Mund und einem knackenden Mikrofon.

»Mein Name ist Dan Burrus«, stellte ich mich vor. »Ich bin hier, weil mich Ihr Management darum gebeten hat, mit Ihnen zu sprechen. Ich möchte vorausschicken, dass ich mein Honorar bereits erhalten habe, daher kann ich jetzt eigentlich sagen, was ich will.«

Angespanntes Gelächter raunte durch die Menge.

»Bevor wir über irgendetwas sprechen, möchte ich zunächst abklären, ob es Punkte gibt, über die Sie einer Meinung sind«, fuhr ich fort. »Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass Sie alle Ihre Arbeitsplätze behalten möchten?«

Einige Dutzend nickten grimmig, und ich hakte den ersten Punkt auf der Checkliste ab, die ich an diesem Morgen noch schnell entworfen hatte: Arbeitsplatz behalten.

»Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass Sie und Ihre Familien nicht umziehen, sondern in Kansas City bleiben möchten?«

Dieses Mal nickten einige Hundert, und ich hörte das eine oder andere »Verdammt richtig« und »Auf jeden Fall«. Ich hakte den nächsten Punkt ab: in Kansas City bleiben.

»Gut, was noch? Stimmen Sie mir zu, wenn ich sage, dass keiner von Ihnen möchte, dass das Unternehmen den Bach hinuntergeht?«

Das ging noch eine ganze Weile so weiter, bis wir schließlich eine Liste von 40 Punkten hatten, über die sich alle einig waren. Ich las sie noch einmal im Zusammenhang vor, ließ meinen Blick über die Masse der Angestellten und das kleine Grüppchen der Führungskräfte schweifen und verkündete dann: »Sie haben sich auf 40 Punkte geeinigt. Jetzt müssen Sie nur noch gemeinsam einen Weg finden, wie Sie sie umsetzen können.«

Das Verblüffende war: Es klappte. Der Disput war innerhalb kürzester Zeit beigelegt und die Produktion wurde wieder aufgenommen.

Was war passiert? Nichts von dem, was ich auf der Bühne sagte, war etwas Neues. Durch meine Fragen habe ich lediglich einige Fakten in den Vordergrund gerückt, die allen bereits bekannt waren. Doch das reichte schon, um die Pattsituation aufzulösen, sich auf neue Arbeitsverträge zu einigen und den produktiven Betrieb wieder aufzunehmen. Die Arbeitnehmer von Folgers hatten die Lösung ihrer Probleme vor der Nase liegen, konnten sie aber nicht erkennen, weil sie sich nur auf die Punkte konzentrierten, über die keine Einigkeit herrschte.

Genau daran scheitern häufig auch diplomatische Verhandlungen zwischen Nationen oder Versöhnungsgespräche zwischen Ehepaaren. Wir alle sind gelegentlich mit Blindheit für das, was vor uns liegt, geschlagen. Es ist ja auch viel einfacher, sich auf das zu konzentrieren, was nicht klappt, was nicht möglich ist, was nicht offensichtlich und was nicht bekannt ist. Doch dieser Tunnelblick macht es nahezu unmöglich, sich auf etwas zu verständigen und eine gemeinsame Linie zu finden.

Mit einer ähnlich negativen Einstellung stehen wir für gewöhnlich der Zukunft gegenüber: Es ist doch sowieso alles unsicher und ungewiss! Noch nie zuvor drehte sich die Welt so schnell wie heute. Noch nie zuvor vollzogen sich Veränderungen so rasant und in so vielen Bereichen gleichzeitig. Unter diesen Umständen ist es doch ein Ding der Unmöglichkeit zu wissen, was die Zukunft mit sich bringt!

Das stimmt jedoch nicht. Es mag uns zwar so vorkommen, aber der Schein trügt. Fakt ist: Noch nie zuvor waren treffsichere Zukunftsprognosen so einfach wie heute. Wir wissen viel mehr über die Zukunft, als uns bewusst ist. Wir müssen nur an der richtigen Stelle suchen, um die Zeichen zu erkennen und richtig zu deuten. Ähnlich wie die streikenden Arbeiter bei Folgers lassen wir uns von den scheinbar unzähligen Ungewissheiten blenden und irritieren. Und je mehr wir uns auf das konzentrieren, was ungewiss und unabwägbar ist, umso mehr verfallen wir in eine Art Schreckstarre, die uns handlungsunfähig werden lässt. Als Beispiel möchte ich auf die USamerikanische Automobilbranche verweisen.

Im Herbst 2004 war ich zu einer Festveranstaltung des amerikanischen Verbands für öffentliches Verkehrswesen eingeladen und saß an einem Tisch mit Rick Wagoner, dem damaligen Chairman und Chief Executive Officer (CEO) von General Motors (GM).

Als wir uns nach dem offiziellen Teil entspannt unterhielten, rutschten Rick einige Bemerkungen über die Zukunft der Automobilbranche und der amerikanischen Wirtschaft heraus, die ich in ähnlicher Form auch schon von Präsidenten, Premierministern, Wirtschaftsbossen und Topmanagern weltweit gehört hatte:

»Na ja, wir wissen es einfach nicht … Wir bemühen uns um gute Prognosen, aber wer weiß schon, wie sich die Dinge wirklich entwickeln? Die Wahrheit ist: Wir können noch so viele Daten erheben und Prognosen erstellen, doch die Zukunft ist und bleibt unvorhersehbar.«

Wenn das der Fall wäre, gäbe es tatsächlich gute Gründe, der Zukunft mit all ihren lauernden Gefahren mit Angst und Sorge entgegenzusehen. Wenn das der Fall wäre, befänden wir uns tatsächlich in einer hoffungslosen Lage. Und wenn das der Fall wäre, hätte ich dieses Buch nicht zu schreiben brauchen.

Glücklicherweise ist es aber nicht der Fall. Die Zukunft hat reichlich Vorhersehbares zu bieten. Ricks Unsicherheit und Zweifel sind jedoch durchaus verständlich, wenn man sich die Entwicklungen klar macht, die GM, die Automobilindustrie und die USA durchlaufen haben.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Amerika das Land mit dem weltweit größten Wachstumspotenzial und keiner Erfindung wurde eine rosigere Zukunft vorhergesagt als dem Automobil. Das Kraftfahrzeug war das Sinnbild amerikanischer Spitzentechnologie, in der sich Ingenieursleistung und Innovationsfreude in Perfektion vereinten. Im Lauf der Jahrzehnte veränderte das Auto die Lebens- und Denkweise, das Einkaufsverhalten und Liebesleben der Amerikaner sowie die Art der Kriegsführung und Friedensstiftung der Nation. Mitte des 20. Jahrhunderts, genauer gesagt 1953, gab der damalige Präsident von GM eine Erklärung ab, die noch Jahrzehnte nachhallte: »Was gut für GM ist, ist auch gut für unser Land.« Eine Abwandlung dieses Zitats wurde zu einem der geläufigsten amerikanischen Slogans des Jahrhunderts: »As GM goes, so goes the nation« – soll heißen, in der Entwicklung von GM spiegelt sich die Entwicklung der Nation wider.

Wie war es nun 2004 um GM bestellt? Nun, als ich in dem Jahr mit Rick Wagoner zu Tisch saß, ging es dem Unternehmen nicht gut. Nach Jahrzehnten der Spitzenerfolge und Spitzengewinne hatte der einst größte Industriekonzern der Welt gerade Milliardenverluste geschrieben, über ein Dutzend Fabriken geschlossen und Zehntausende Arbeiter entlassen. Und es sollte noch schlimmer kommen. Im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2007 musste GM seinen Titel des international führenden Automobilherstellers an Toyota abtreten. Im Sommer 2009 wurden Rick und mit ihm Hunderte weiterer Führungskräfte zum Rücktritt gezwungen – von der Obama-Regierung, die astronomisch hohe Summen in das marode Unternehmen pumpte, um es vor dem endgültigen Bankrott zu bewahren. Der einst weltweit führende Automobilkonzern, Prestigeobjekt und Stolz der ganzen Nation, ging als größter unternehmerischer Misserfolg in die Geschichte des Landes ein.

Das amerikanische Automobil begann seinen Triumphzug einst als strahlend heller Zukunftsflash auf vier Rädern. Was war dann passiert? Die Branche fiel dem nur allzu menschlichen Bedürfnis zum Opfer, den Status quo um jeden Preis bewahren zu wollen. Die Verantwortlichen weigerten sich, mit offenen Augen in die Zukunft zu blicken und sich zu fragen: »Was lässt sich mit absoluter Gewissheit prognostizieren?«

»As GM goes, so goes the nation.« In welche Richtung entwickelt sich die amerikanische Automobilindustrie – und somit Amerika? 2004 sagte Rick dazu: »Wir wissen es einfach nicht«. Das stimmt aber nicht. Wir wissen jedenfalls sehr viel mehr, als uns bewusst ist.

Eine meiner Standardfragen bei Vorträgen lautet: »Wäre es nicht großartig, wenn Sie die Zukunft vorhersagen könnten – und Recht behielten?« Damit ernte ich natürlich jedes Mal Gelächter. Vielleicht, weil den meisten diese Vorstellung einfach nur lächerlich erscheint. (Stand in Ihrer Zeitung etwa schon einmal »Berühmter Wahrsager knackt den Jackpot«?) Vielleicht ist es aber auch ein erfreutes Lachen, weil sich meine Zuhörer vorstellen, welche fantastischen Möglichkeiten sich dadurch auftäten. Stellen Sie sich vor, Sie könnten die Zukunft vorhersagen – und behielten Recht. Überlegen Sie nur einmal, welchen immensen Vorsprung Sie sich dadurch verschaffen könnten. Genau darum geht es in diesem Buch.

In meinen Vorträgen fahre ich üblicherweise damit fort, dass ich behaupte: »Sie können die Zukunft exakt vorhersagen. Sie müssen dabei nur die Punkte ausklammern, in denen Sie sich täuschen könnten.«

Damit ernte ich natürlich auch immer Gelächter, aber das ist kein Witz, sondern mein voller Ernst. Das Erstaunliche ist nämlich: Selbst wenn Sie alles ausklammern, was sich als nicht zutreffend erweisen könnte, bleibt genug übrig, was sich exakt vorhersagen lässt und Sie voranbringt. Doch woher wissen Sie, was auszuklammern ist? Hier kommt der erste der sieben Zukunftsflash-Impulse ins Spiel, mit dem wir uns in diesem Kapitel eingehend befassen.