Energiewende?

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Die Schweiz verbraucht jährlich fast 250 TWh Endenergie, davon 24 Prozent in Form von Strom. Ein Drittel dieser Endenergie wird für den Verkehr verwendet, ein Drittel verbrauchen die Haushalte und das letzte Drittel wird vom Industrie - und Dienstleistungssektor benötigt.

Die Endenergie beziehungsweise «verteilte» Energie ist jene, die man kauft (Benzin, Heizöl, Erdgas, Holzpellets, Strom usw.). Damit sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden kann, müssen zuerst die Primärenergiequellen (Rohöl, Kohle, Erdgas, Uranerz, Holz, Wasserkraft, Sonneneinstrahlung, Windenergie usw.) genutzt und in Endenergie umgewandelt werden, die anschliessend zum Nutzer gebracht werden muss. Für die Schweiz verursachen diese zwei letzten Etappen Verluste von 75 TWh pro Jahr.

Unser Energiebedarf verteilt sich relativ gleichmässig zwischen den Haushalten, dem Industrie- und Dienstleistungssektor und dem Verkehr [→ siehe nebenstehende Abb.]. Der Grossteil des Verbrauchs der Haushalte (70 Prozent) dient zur Beheizung der Gebäude und zur Erzeugung von Brauchwarmwasser.

Unser Endenergieverbrauch ist tendenziell ansteigend: +5 Prozent zwischen 2000 und 2013. Der grösste Anteil an diesem Zuwachs ist auf die Haushalte zurückzuführen, trotz Verbesserungen in der Wärmedämmung und effizienteren Heizungen.

Legende der Abbildung

Unser Energiebedarf verteilt sich zu etwa gleich grossen Teilen zwischen den Haushalten, dem Industrie- und Dienstleistungssektor sowie dem Verkehr. Die Haushalte verbrauchen durchschnittlich fast 70 TWh Endenergie pro Jahr, wovon mehr als 70 Prozent zur Beheizung der Gebäude und zur Erzeugung von Brauchwarmwasser verwendet werden. Der Rest dient der Nutzung von Haushaltsgeräten, elektronischen Geräten sowie der Beleuchtung. Trotz ihrer grossen Anzahl repräsentieren all diese Geräte zusammen nur 14 Prozent des Gesamtstromverbrauchs [→ F 7], das sind 3,3 Prozent des Schweizer Endenergieverbrauchs.

Wir verbrauchen immer mehr Storm, weil dieser unersetzlich für die Beleuchtung und für den Betrieb elektrischer und elektronischer Geräte ist, welche wir immer mehr nutzen. Aber auch weil die Elektromobilität und die Pumpspeicherung sich entwickeln.

Zwischen 2000 und 2013 ist der Endenergieverbrauch in der Schweiz um 5 Prozent gestiegen, während der Stromverbrauch um 13 Prozent in die Höhe geschnellt ist. Der Stromanteil in unserem Energieverbrauch steigt langsam aber sicher immer weiter an: Im Jahr 2013 lag er bei 24 Prozent, während er 1990 noch bei nur 20 Prozent lag. Diese Entwicklung begann in den 1970er-Jahren als Folge der Ölkrisen von 1973 und 1979 und seit dem Jahr 2000 haben alle Verwendungsarten von Strom zugenommen.

Prozentuell gesehen war der grösste Anstieg bei den elektronischen Geräten zu verzeichnen (+16 Prozent), obwohl ihr Verbrauch in absoluten Zahlen marginal bleibt (weniger als 4 Prozent unseres Gesamtstromverbrauchs).

In verschiedensten Bereichen unseres Alltags schreitet die Elektrifizierung nach und nach fort und dieser Trend wird sich in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich fortsetzen. Der Stromanteil im Energiemix könnte – darin sind sich alle Szenarien einig – im Jahr 2035 an die 30 Prozent erreichen und sich im Jahr 2050 40 Prozent nähern [siehe nebenstehende Abb.]. Der starke Anstieg wird auf die Elektromobilität [→ F 35] und auf die Pumpspeicherung zur Stromspeicherung [→ F 73] zurückzuführen sein. Dadurch wird der Ausstieg aus der Kernkraft zu einer noch grösseren Herausforderung.

Wenn keine Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz ergriffen werden, steigt der Energieverbrauch mit dem Wachstum der Bevölkerung und des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Das Bevölkerungswachstum generiert einen allgemeinen Anstieg des Energieverbrauchs. Will man den Energieverbrauch in Zeiten des Bevölkerungswachstums zügeln, so gibt es nur eine Lösung: die Senkung des Pro-Kopf-Verbrauchs mithilfe von Effizienzmassnahmen.

Energie ist ein Produktionsfaktor und korreliert mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) [→ siehe nebenstehende Abb.]. Der Energieverbrauch eines Landes dividiert durch sein BIP wird als «Energieintensität» bezeichnet.

Wenn wir unseren Energieverbrauch ohne Wohlstandsverlust senken wollen, müssen wir also unsere Energieintensität deutlich reduzieren, indem wir Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz ergreifen, d. h. mit weniger Energie mehr produzieren [→ F 44]. In den letzten 20 Jahren ist es der Schweiz bereits gelungen, ihre Energieintensität um 20 Prozent zu senken: Das BIP ist pro Kopf um 50 Prozent gestiegen, während der Energieverbrauch pro Kopf leicht zurückgegangen ist [→ siehe nebenstehende Abb.]. Es ist aber schwer bestimmbar, ob beziehungsweise in welchem Ausmass dieser Rückgang auf wirkliche Effizienzbemühungen in der Schweiz zurückzuführen ist, oder ob es vielmehr ein Phänomen der Tertiarisierung war: Unsere Wirtschaft konzentriert sich immer mehr auf den Dienstleistungsbereich. In der Konsequenz importieren wir immer mehr Güter, die zuvor noch in der Schweiz erzeugt wurden und deren Produktion nun im Ausland grosse Mengen an Energie verbraucht.

Realistischerweise können wir eine Verbesserung unserer Energieintensität um jährlich 1,8 Prozent ins Auge fassen, was einem Rückgang von circa 35 Prozent bis 2035 bei konstantem BIP entspricht. Diese Entwicklung ermöglicht es langfristig, unseren Energieverbrauch – bei gleichzeitiger Entwicklung unserer Wirtschaft – zu reduzieren. Gewisse Massnahmen – wie zum Beispiel die Gebäudesanierung – ermöglichen im Übrigen einen Anstieg des BIP bei gleichzeitiger Senkung unseres Energieverbrauchs.

In der Schweiz steigt der Endenergieverbrauch seit 1990 aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Wirtschaft um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr an. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch hingegen sinkt tendenziell.

Aufgrund verschiedener Energieeffizienzmassnahmen ist der Energieverbrauch pro Person seit Anfang der 1990er-Jahre um fast 6 Prozent zurückgegangen [→ F 8]. Auf nationaler Ebene entspricht das fast 20 TWh eingesparter Energie in ungefähr zwanzig Jahren. Die Schweizer Bevölkerung ist aber um fast 20 Prozent auf circa 8 Millionen Menschen angewachsen. Unser Nettoverbrauch ist in diesem Zeitraum trotz der Energieeffizienzmassnahmen schlussendlich um 10 Prozent gestiegen.

Auch der allgemeine Anstieg unseres Lebensstandards hat zu einem Anstieg des Energieverbrauchs geführt, der gemäss dem Rebound-Effekt einen Teil der Energieeffizienzmassnahmen zunichte gemacht hat [→ F 94]. Das wird durch die Bereiche Mobilität und Wohnen treffend illustriert.

Zwischen 2000 und 2012 sank der durchschnittliche Verbrauch von Personenwagen von 8,4 Liter/100 km auf 6,2 Liter/100 km (-26 Prozent). Die Gesamtzahl der von diesen Fahrzeugen zurückgelegten Kilometer ist jedoch im selben Verhältnis gestiegen und hat die Energieeffizienzbemühungen der Automobilhersteller sozusagen zunichtegemacht [→ F 33].

Ein ähnliches Phänomen ist in Bezug auf den Wohnraum festzustellen. Zwischen 2000 und 2012 sank der Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche um 15 Prozent. In derselben Zeit stieg aber die Gesamtfläche der Wohnbauten um 21 Prozent an – aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Erhöhung der Wohnfläche pro Person. Auch hier haben das Bevölkerungswachstum und die wirtschaftliche Entwicklung die Erfolge bei der Energieeffizienz aufgehoben.


Unser Energiemix enthält zwei Drittel fossile Produkte, weil aus dem Ausland importierte fossile Produkte kostengünstig und einfach verwendbar sind, aber auch aufgrund der Trägheit unseres Energiesystems, die dessen rasche Wandlung in Richtung alternativer Lösungen verhindert.

Zwischen 1950 und 1970 hat sich der Energieverbrauch der Schweiz aufgrund ihres starken Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums fast vervierfacht. Diese Zunahme wurde fast ausschliesslich durch Erdölprodukte (Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl) gedeckt, von denen die Schweiz sehr abhängig wurde.

Seither ist der Gesamtenergiebedarf zwar weiter gestiegen [→ siehe nebenstehende Abb.], die Importe von Erdölprodukten sind aber stabil geblieben, und zwar aufgrund der Reduzierung des Heizbedarfs neuer Gebäude und der Verbesserung der Ölheizkessel oder deren Ersatz durch Stromheizungen. Folglich ist der Anteil der fossilen Produkte im Energiemix von 80 Prozent in den frühen 1970er-Jahren auf nunmehr 67 Prozent gefallen.

Der Treibstoffverbrauch (Benzin-, Diesel- und Erdgas für den Strassenverkehr; Kerosin für den Flugverkehr) ist seinerseits bis 2010 kontinuierlich angestiegen. Durch die ständige Verbesserung der Energieeffizienz der Strassenfahrzeuge konnte der Anstieg des Verbrauchs im Zeitraum 1990 bis 2010 auf etwa 12 Prozent begrenzt werden, während der Fahrzeugbestand um mehr als 40 Prozent anwuchs [→ F 33].

 

Abgesehen vom Strom basiert unser Energiesystem also hauptsächlich auf fossilen Energieträgern, sei es für die Heizung oder den Verkehr. Die Schweiz importiert etwa 5 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr in Pipelines, die in den Raffinerien von Collombey im Wallis (deren Zukunft derzeit unsicher ist) und Cressier bei Neuenburg zu Endprodukten (Benzin, Diesel und Heizöl) verarbeitet werden. Den Saldo ihres Verbrauchs (7,5 Millionen Tonnen) importiert die Schweiz direkt in Form von Erdöl-Endprodukten [→ F 21].

Der wirkliche Ersatz fossiler Energieträger durch neue erneuerbare Energien begann erst in den 2000er-Jahren. Die Nutzung letzterer erfolgt allerdings noch in zu geringem Ausmass, als dass sie wirklich eine bedeutende Rolle im derzeitigen Energiemix spielen könnten [→ F 47].

Unsere einheimische Stromerzeugung erreicht im Sommer ihren Höchststand, wenn die Laufwasserkraftwerke von der Schneeschmelze profitieren. Die Verbrauchsspitze hingegen liegt im Winter, wo wir aber weniger produzieren. Diese saisonale Verschiebung wird sich in den nächsten Jahrzehnten mit dem Ausbau der Fotovoltaik wahrscheinlich verschärfen, welche im Sommer mehr Strom produziert.

Unsere nationale Stromerzeugung wurde im Jahr 2013 zu 93 Prozent von den Schweizer Wasser- und Kernkraftwerken sichergestellt. Hinter den Jahreswerten verstecken sich bedeutende saisonale Schwankungen. Während des Sommerhalbjahres produziert die Schweiz etwa 12 Prozent mehr Strom als im Winterhalbjahr [→ siehe nebenstehende Abb.], vor allem aufgrund der dann höheren Wasserführung unserer Gewässer.

Beim Verbrauch ist die Situation umgekehrt. Wir verbrauchen während der drei Wintermonate fast 30 Prozent mehr Strom als in den Sommermonaten, hauptsächlich wegen der Stromheizungen [→ F 26]. Dieses saisonale Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führt dazu, dass wir im Mittel zwischen Mai und Oktober zu viel und von November bis April zu wenig Strom erzeugen. Die Schweiz exportiert derzeit ihren sommerlichen Überschuss und deckt ihr winterliches Defizit durch Importe.

Das saisonale Ungleichgewicht wird sich in den kommenden Jahrzehnten verstärken: Der sommerliche Überschuss wird mit der Zunahme der Fotovoltaikanlagen in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich stark wachsen [→ F 49].

Windkraftwerke produzieren im Winter mehr Strom als im Sommer, da während der kalten Jahreszeit mehr Wind bläst. Ihr Potenzial in der Schweiz liegt aber relativ weit unter jenem der Laufwasserkraftwerke und der Fotovoltaik. Einheimische Windkraft wird also nicht zur Kompensierung unseres winterlichen Defizits genügen.

Die Lösung für die Schliessung der saisonalen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage liegt in der Speicherung des sommerlichen Überschusses bis zum folgenden Winter. Das ist das Konzept der saisonalen Speicherung, welches einen der Eckpunkte unseres zukünftigen Energiesystems darstellen wird [→ F 75].

Obwohl der in der Schweiz erzeugte Strom eine sehr geringe CO2-Intensität aufweist, ist die Schweiz im internationalen Vergleich keine wirkliche Musterschülerin in Bezug auf die CO2-Emissionen.

Dank der Wasser- und Kernkraftwerke – die nur wenig CO2 ausstossen – ist der Schweizer Strom einer der saubersten der Welt. Seine CO2-Intensität – d. h. die Menge an CO2, die pro kWh Strom durch die Verbrennung fossiler Energieträger entsteht (gCO2/ kWh) – beträgt nur 33 Gramm CO2/kWh. Länder, die ihren Strom hauptsächlich mit Kohlekraftwerken produzieren, weisen eine viel höhere CO2-Intensität auf: zum Beispiel 800 bis 1000 gCO2/kWh in einigen Ländern Osteuropas.

Es ist aber Vorsicht geboten: Man muss zwischen dem in der Schweiz produzierten und dem in der Schweiz verbrauchten Strom unterscheiden. Der von uns verbrauchte Strom weist eine höhere durchschnittliche CO2-Intensität (129 gCO2/kWh) auf, weil wir aus Deutschland in Kohle- und Gaskraftwerken erzeugten Strom importieren, während wir im Gegenzug einen bedeutenden Teil des von uns erzeugten Stroms exportieren [→ F 66].

Vor allem aber macht Strom nur ein Viertel unseres Energieverbrauchs aus. Der Rest ist auf Brenn- und Treibstoffe zurückzuführen, die fast ausschliesslich fossilen Ursprungs sind (Heizöl, Benzin, Diesel, Kerosin, Erdgas), und für Heizzwecke, industrielle Anwendungen und die Mobilität verbrannt werden. Im internationalen Vergleich verbraucht die Schweiz viele fossile Produkte pro Kopf und emittiert dementspechend viel CO2. Das liegt unter anderem am Fahrzeugbestand, durch den ein hoher Treibstoffverbrauch zustande kommt [→ F 34].

Ausserdem beinhalten die nationalen Schätzungen zum CO2-Ausstoss nur jene Emissionen in den Ländern selbst, während Emissionen, die den importierten Produkten zuzurechnen sind, nicht berücksichtigt werden. Reiche Länder wie die Schweiz importieren aber viele Konsumgüter, die in ihren Produktionsländern Emissionen verursachen, und lagern damit ihre CO2-Emissionen aus [→ F 8].

Trotz ihres sehr sauberen Stroms zählt die Schweiz also auf internationaler Ebene nicht zu den Musterschülerinnen, sondern liegt im Mittelfeld [→ siehe nebenstehende Abb.]. Da die CO2-Emissionen auf die Klimaerwärmung globale Auswirkungen haben, muss sich die Schweiz an den weltweiten Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beteiligen [→ F 4].

Legende Abbildung

Die Schweiz stösst jährlich 5,6 Tonnen CO2 pro Kopf aus, was ungefähr dem weltweiten Durchschnitt entspricht. Den höchsten CO2-Ausstoss haben die Länder der arabischen Halbinsel (20 bis 40 Tonnen pro Kopf und Jahr), knapp gefolgt von Australien und den Vereinigten Staaten (17 Tonnen).

Das ist in Bezug auf Speicherdämme nicht sehr wahrscheinlich, und zwar wegen fehlenden Standorten, aber auch aufgrund ihrer Umweltauswirkungen. Es könnten höchstens noch einige grosse Laufwasserkraftwerke gebaut werden. Das verbleibende Potenzial liegt im Wesentlichen im Ausbau der Kapazität bestehender Staudämme sowie in der Kleinwasserkraft.

Die grossen, oft spektakulären Staudämme, die in den Talschlüssen der Alpentäler errichtet wurden, speichern das Wasser in künstlichen Seen (Speicherseen). Wenn deren Wassereinläufe geöffnet werden, strömt das Wasser durch Druckleitungen bis in die Talebene, wo Turbinen während dem 1000 bis 1500 Meter hohen Fall gewonnene Energie in Strom umwandeln.

Die Schweiz zählt 85 grosse Speicherkraftwerke. Der grösste Staudamm der Schweiz, Grande Dixence (Wallis), ist 285 Meter hoch. Der älteste, Rütiweiher (St. Gallen), ist beinahe 170 Jahre alt.

Die Möglichkeiten zum Bau neuer Speicherkraftwerke in der Schweiz sind mangels geeigneter Standorte fast ausgeschöpft. Hingegen ist es möglich, bestehende Staudämme zu erhöhen oder zu vergrössern [→ F 76], und zwar dort, wo dies nur begrenzte Umweltauswirkungen haben würde, wie bei der Staumauer am Muttsee (Glarus) und beim Vieux-Emosson-Staudamm (Wallis). Auch das Abschmelzen der Gletscher könnte in gewissen Fällen Gletscherseen mit potenziell interessanten Speichermöglichkeiten entstehen lassen, auch wenn das Potenzial sehr schwer abzuschätzen bleibt [→ F 14].

Die Speicherkraftwerke machen nur etwa 50 Prozent unserer heutigen Wasserkraftproduktion aus. Die andere Hälfte kommt im Wesentlichen aus Laufwasserkraftwerken, die an wasserreichen Flüssen in tiefen Höhenlagen liegen. Sie nutzen Fliesswasser zur Stromerzeugung und verfügen daher über fast keine Produktionsflexibilität. Die Schweiz verfügt über 471 derartige Kraftwerke.

Unsere Flüsse bergen noch ungenutztes Potenzial zur Laufwasserkraftnutzung. In der Schweiz könnten noch etwa fünfzehn Laufwasserkraftwerke gebaut werden, wodurch zusätzlich 1,5 TWh Strom aus Wasserkraft erzeugt werden könnte.

Die Grosswasserkraft – die alle Werke mit einer Leistung von mehr als 10 MW (Megawatt) umfasst – produziert derzeit durchschnittlich 32 TWh Strom pro Jahr. Bei vollständiger Nutzung des verbleibenden Potenzials könnten 10 Prozent mehr produziert werden. In dieser Zahl ist die Kleinwasserkraft nicht enthalten, die bei den neuen erneuerbaren Energien erfasst ist [→ F 57].

Unser Wasserkraftpotenzial wird aufgrund des Abschmelzens der Gletscher vorerst wahrscheinlich steigen, mittelfristig dann aber voraussichtlich zu sinken beginnen. Die Auswirkungen nach 2050 sind noch nicht absehbar.

Das in unseren Wasserkraftwerken genutzte Wasser kommt aus den jährlichen Niederschlägen (Regen, Schnee), aber auch aus dem Abschmelzen der Gletscher. Seit etwa dreissig Jahren liefern die schmelzenden Gletscher aufgrund der Klimaerwärmung immer mehr Wasser. Dieser Trend könnte sich in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen und damit unsere Wasserkraftproduktion erhöhen. Dies natürlich nur, wenn wir über die entsprechenden, zusätzlich notwendigen Anlagen verfügen, was bedeutet, dass die Kapazität der Speicherseen erhöht werden muss [→ F 76].

Eines Tages – wahrscheinlich zwischen 2030 und 2050 – werden die Gletscher so stark zurückgegangen sein, dass sich das Schmelzwasser reduziert. Ausserdem werden die Gletscher bei der derzeitigen Rückgangsgeschwindigkeit bis Ende des Jahrhunderts praktisch verschwunden sein, weswegen auch mit einem Rückgang der Schweizer Stromerzeugung aus Wasserkraft gerechnet werden muss.

Staudämme könnten dann Rückstauräume bieten, indem sie zu Pumpspeicherkraftwerken umgenutzt werden und potenziell Kapazitäten für die saisonale Speicherung bieten [→ F 75]. Ausserdem könnten sich an Stelle der Gletscher Gletscherseen bilden. Daraus könnten sich neue Möglichkeiten für den Bau von Staudämmen ergeben, die auch die Wasserflüsse der darunterliegenden Flüsse während der Hitze- und Trockenperioden regulieren könnten.

Gemäss den Prognosen der Klimatologen könnten die Klimaveränderungen zu einem Anstieg des jährlichen Niederschlags im Winter sowie zu einem Rückgang im Sommer führen. Die Auswirkungen dieser Entwicklung auf unsere Stromerzeugung aus Wasserkraft sind aber noch schwierig abzuschätzen.

Leider nein, im Gegenteil! Die Pumpspeicherung ist keine Energiequelle, sondern ein Verfahren zur Speicherung von Strom, das mit einem Energieverlust von etwa 20 Prozent verbunden ist.

Bei der Pumpspeicherung werden in Zeiten geringer Nachfrage produzierte Stromüberschüsse genutzt, um Wasser von einem niedrig gelegenen in einen höher gelegenen See zu pumpen. So wird dieser Strom nicht verschwendet, weil dieses in höheren Lagen gespeicherte Wasser später in Strom rückverwandelt werden kann.

Die Pumpspeicherung ist momentan die einzige wirtschaftliche Option für die Speicherung grosser Elektrizitätsmengen. Sie ermöglicht die Aufnahme von Überschussstrom aus (europäischen) Kern- und Kohlekraftwerken – deren Produktionsleistung wenig flexibel ist – und aus erneuerbaren, unregelmässig produzierenden Energiequellen (Solar- und Windkraftwerke), deren Produktion nicht kontrolliert werden kann [→ F 74].

 

Dieses Verfahren verbraucht aber Energie: Von 100 GWh (Gigawattstunden) Strom, die in einen Speichersee gepumpt werden, werden im Durchschnitt nur 80 GWh von den Turbinen ins Stromnetz zurückgespeist. Durch Pumpspeicherung wird also vermieden, dass die Überschüsse völlig verloren gehen. Sie ist aber keine Energiequelle. Im Gegenteil: Sie verbraucht Energie.

Aufgrund des derzeit sehr niedrigen Strompreises ist es momentan sehr schwierig, die vormals lukrative Praxis der Pumpspeicherung rentabel zu betreiben [→ F 66].

Im Entscheid zum Kernenergieausstieg wurde kein Datum für die Abschaltung unserer Kernkraftwerke festgelegt, mit Ausnahme des Kernkraftwerks Mühleberg, dessen Abschaltung für 2019 geplant ist. Die vier anderen Reaktoren könnten also weiterbetrieben werden, solange ihre Sicherheit gewährleistet ist.

Die Schweiz betreibt fünf Kernreaktoren, die auf vier Kraftwerksstandorte verteilt sind: Beznau I (Inbetriebnahme im Jahr 1969, der weltweit älteste sich in Betrieb befindliche kommerzielle Kernreaktor) und Beznau II (1971), Mühleberg (1972), Gösgen (1979) und Leibstadt (1984).

Im Einklang mit der Schweizer Gesetzgebung über die Kernenergie kann ein Kraftwerk so lange in Betrieb bleiben, wie es die rechtlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt. Der Entscheid zum Atomausstieg fixiert also kein genaues Datum der definitiven Stilllegung unserer Kraftwerke. Er präzisiert nur, dass kein neues Kraftwerk mehr gebaut werden kann.

Aus rein technischer Sicht hängt die Lebensdauer dieser Kraftwerke vor allem von der Alterung des Reaktordruckbehälters ab, der nicht ersetzt werden kann. Die anderen Bestandteile werden so lange erneuert, wie diese Investitionskosten in die Sicherheit für die Betreiber akzeptabel bleiben. Es sei angemerkt, dass es mit zunehmendem Alter der Kraftwerke schwierig wird, auf dem Markt gewisse Ersatzteile zu finden. Zudem ist ein Mangel an Fachleuten zu befürchten, weil nur wenige junge Menschen eine Ausbildung in einer Branche absolvieren wollen, die zum Auslaufmodell verurteilt ist.

Unsere Kernkraftwerke werden vom Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) überwacht, einem unabhängigen Kontrollorgan, das regelmässige Inspektionen der Kraftwerke durchführt und das Recht zu deren Weiterbetrieb vergibt. Nach ihrer Inspektion im Jahr 2014 kam das ENSI zur Einschätzung, dass alle unsere Kraftwerke – mit Ausnahme von Mühleberg – derzeit aus technischer Sicht die Voraussetzungen für eine Laufzeit von 60 Jahren erfüllen. Diese provisorische Laufzeit ergäbe folgende Stilllegungszeitpunkte: Beznau I im Jahr 2029, Benzau II im Jahr 2031, Gösgen im Jahr 2039 und Leibstadt im Jahr 2044.

Wenn die Betreiber dieser Kraftwerke keine «verfrühte» Stilllegung wollen und wenn das ENSI sie nicht dazu auffordert, kann nur eine erneute politische Entscheidung zur Stilllegung führen. Es ist wahrscheinlich, dass es im kommenden Jahrzehnt eine Volksabstimmung zur Laufzeit der Kernkraftwerke geben wird.

Wenn der Strom aus unseren Kernkraftwerken durch erneuerbare Produktion ersetzt würde, so sollten die CO2-Emissionen stabil bleiben. Würden wir ihn aber durch Strom aus Schweizer Gaskraftwerken oder importierten Strom ersetzen, dann würden unsere Emissionen spürbar ansteigen. Dies könnte aber voraussichtlich kompensiert werden.

Alle Energieträger verursachen Treibhausgasemissionen, entweder direkt – wie bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe – oder indirekt, insbesondere beim Abbau oder der Veredelung von Brennstoffen oder der Herstellung und dem Transport der Anlagen.

Kernkraftwerke stossen zwar während ihres Betriebs kein CO2 aus, dafür aber beim Abbau und der Aufbereitung des Uranerzes sowie beim Abwracken der Kraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle. Der Schweizer Kernenergiesektor stösst durchschnittlich nur 7 Gramm CO2 pro produzierter kWh aus (gCO2/kWh). Das ist sehr wenig, aber diese Zahl ist relativ unsicher, weil sich schwierig abschätzen lässt, wie viele Emissionen beim Abwracken der Kraftwerke und bei der langfristigen Lagerung der radioaktiven Abfälle entstehen.

Der Sektor der erneuerbaren Energien emittiert ebenfalls Treibhausgase, im Wesentlichen während der Herstellung der Anlagen: zwischen 10 und 80 gCO2/kWh je nach Energieträger und Technologie, d. h. etwas mehr als die Kernenergie [→ F 65].

Die Erdgaskraftwerke weisen ihrerseits hohe direkte Emissionen auf, die für Wärmekraftkopplungsanlagen (die Fernwärmenetze speisen) in der Grössenordnung von 200 gCO2/ kWh und für Grosskraftwerke, deren Abwärme nicht genutzt wird, bei etwa 400 Gramm liegen.

Was kann unter diesen Bedingungen beim Atomausstieg – diese Kraftwerke erzeugen immerhin 9 Prozent unseres Endenergieverbrauchs – mit unseren CO2-Emissionen passieren? Wenn es uns gelingt, unseren Atomstrom vollständig durch erneuerbare Energiequellen zu ersetzen, werden unsere CO2-Emissionen nicht bedeutend ansteigen. Wenn wir hingegen Strom mit Erdgas erzeugen, so wird der nationale CO2-Ausstoss des Energiesektors je nach gewählter Produktionsart um 5 bis 20 Prozent ansteigen, was wiederum unseren Klimaschutz-Verpflichtungen widersprechen würde [→ F 4]. Darum schreibt das Schweizer CO2-Gesetz den zukünftigen Betreibern von Gaskraftwerken in der Schweiz vor, die Gesamtheit ihrer Emissionen zu «kompensieren». Sie müssen also in erneuerbare Energieprojekte oder Energieeffizienz investieren, damit jedes von ihren Anlagen emittierte Gramm CO2 anderswo «eingespart» wird. Die Gesamtbilanz wäre somit neutral. Diese Kompensationsvorschrift betrifft aber nur Treibhausgasemissionen auf Schweizer Boden. Stromimporte sind davon nicht betroffen.

Was würde passieren, wenn wir mehr Strom aus unseren Nachbarländern importieren? Da ein grosser Teil des Stroms in Europa in Kohlekraftwerken produziert wird, weist der europäische Strommix einen hohen durchschnittlichen CO2-Ausstoss auf (523 gCO2/ kWh). Wir würden zu einem bedeutenden Anstieg der CO2-Emissionen in Europa beitragen. Die Europäische Union hat allerdings eine Obergrenze festgelegt, über die hinaus die CO2-Emissionen kompensiert werden müssen. Es ist also wahrscheinlich, dass die Auswirkung der Schweizer Stromimporte klimaneutral wäre. Man darf aber nicht aus den Augen verlieren, dass «kompensieren» nicht völlig mit «nicht emittieren» gleichgesetzt werden kann und Emissionsvermeidung natürlich die bevorzugte Lösung bleibt [→ F 83].

Unsere radioaktiven Abfälle werden in einer in grosser Tiefe gelegenen geologischen Schicht gelagert werden. Derzeit läuft die Suche nach einem geeigneten Standort in der Schweiz. Die Gesamtkosten für die Entsorgung unserer radioaktiven Abfälle werden auf 21 Milliarden Franken geschätzt, die genaue Höhe der Kosten bleibt aber unsicher.

In der Schweiz müssen wir die seit 1969 produzierten Abfälle entsorgen. Bis zur Schliessung unseres letzten Kernkraftwerks werden das insgesamt etwa 7000 m3 (Kubikmeter) hochradioaktive Abfälle sein (das entspricht einem Liter pro Kopf). Dazu kommen 100 000 m3 schwach- und mittelradioaktive Abfälle, von denen ein Drittel aus der Medizin, Industrie und Forschung stammt.

Die verschiedenen Arten von Abfällen bedürfen einer jeweils spezifischen Behandlung. Hochradioaktive Abfälle mit einer langen Halbwertszeit sind am gefährlichsten und am heikelsten zu handhaben, weil sie während tausender Jahre – bei gewissen Abfällen sogar während zehn- oder hunderttausender Jahre – eine sehr hohe Radioaktivität aufweisen. Die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle oder jene, die eine Halbwertszeit von «nur» mehreren Dutzend oder hunderten Jahren haben, brauchen nicht so strenge Sicherheitsvorkehrungen.

Wie vom Kernenergiegesetz gefordert, werden unsere Abfälle derzeit gesammelt, in Fässern verschweisst und an der Oberfläche in provisorischen Lagern des Unternehmens Zwilag in Würenlingen im Kanton Aargau gelagert. Dort bleiben sie solange, bis sie definitiv in dichten geologischen Schichten gelagert werden (in mehr als 500 Metern Tiefe für die radioaktivsten Abfälle). Dies geschieht, sobald ein passender Standort ausgewählt und akzeptiert wurde, was noch nicht der Fall ist.

Seit 1972 bemüht sich die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA), Standorte zu identifizieren, die mit grösster Wahrscheinlichkeit langfristig geologisch stabil bleiben, um so die Risiken zu minimieren. Gemäss der NAGRA besitzt die Schweiz mindestens drei geeignete Standorte für eine solche Endlagerung. Es ist vorgesehen, dass ein solches Endlager zwischen 2040 und 2050 in Betrieb genommen wird.

Vorhersagen zum Verhalten (Stabilität, Dichtheit usw.) eines unterirdischen Lagers über Zeiträume von zehntausenden oder mehr Jahren ist eine grosse Herausforderung. In diesem Zeitmassstab gibt es keine perfekte Lösung. Die geologische Tiefenlagerung wird von der Mehrheit der Wissenschaftler als die vernünftigste Lösung erachtet und die Mehrheit der Industrieländer mit Kernkraftwerken hat sich für dieses Konzept entschieden.

Einige Fachleute empfehlen trotzdem, die Abfälle lieber zugänglich zu halten, um sie eines Tages als Brennstoffe in neuen Reaktortypen der sogenannten vierten Generation zu verwenden [→ F 19]. Über diese Option herrscht in der wissenschaftlichen Gemeinschaft jedoch alles andere als Einigkeit.

Die Kosten für die Lagerung der radioaktiven Abfälle in der Schweiz – inklusive der Abwrackungskosten der Kraftwerke – werden derzeit auf 21 Milliarden Franken geschätzt. Sie werden von den Kraftwerksbetreibern aufgebracht, die circa 1 Rappen pro kWh Atomstrom in einen gemeinsamen Fonds einzahlen. Die Höhe der berechneten Abwrackungskosten bleibt sehr unsicher und wird regelmässig anhand des neusten wissenschaftlichen Kenntnisstands kalkuliert.

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