Loe raamatut: «Die Göttliche Komödie»

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Die Göttliche Komödie

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Die Göttliche Komödie

Dante Alighieri

Inhalt:

Die Hölle

Das Fegefeuer

Das Paradies

Die Hölle

Erster Gesang

Auf halbem Weg des Menschenlebens fand

ich mich in einen finstern Wald verschlagen, Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen, Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not; Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.

Nur wenig bitterer ist selbst der Tod;

Doch um vom Heil, das ich drin fand, zu künden, Sag’ ich, was sonst sich dort den Blicken bot.

Nicht weiß ich, wie ich mich hineingewunden, So ganz war ich von tiefem Schlaf berückt,

Zur Zeit, da mir der wahre Weg verschwunden.

Doch bis zum Fuß des Hügels vorgerückt,

Der an dem Ende lag von jenem Tale,

Das mir mit schwerer Furcht das Herz gedrückt, Schaut’ ich empor und sah, den Rücken male

Ihm der Planet, der uns auf jeder Bahn

Gerad zum Ziele führt mit feinem Strahle.

Da fingen Angst und Furcht zu Schwinden an,

Die mir des Herzens Blut erstarren machten,

In jener Nacht, da Grausen mich umfah’n.

Und so wie atemlos, nach Angst und Schmachten, Schiffbrüchige vom Strand, entfloh’n der Flut, Starr rückwärts schauend, ihren Grimm betrachten; So kehrt’ ich, noch mit halberstorbnem Mut,

Mich jetzt zurück, nach jenem Passe sehend,

Der jeglichem verlöscht des Lebens Glut.

Und, etwas ausgerastet, weitergehend,

Wählt’ ich bergan den Weg der Wildnis mir,

Fest immer auf dem tiefern Fuße stehend.

Sieh, beim Beginn des steilen Weges schier,

Bedeckt mit buntgeflecktem Fell die Glieder, Gewandt und sehr behend ein Panthertier.

Nicht wich’s von meinem Angesichte wieder,

Und also hemmt es meinen weitern Lauf,

Daß ich mich öfters wandt’ ins Tal hernieder.

Am Morgen war’s, die Sonne stieg itzt auf,

Von jenen Sternen, so wie einst, umgeben,

Als Gottes Lieb’ aus ödem Nichts herauf

Die schöne Welt berief zu Sein und Leben;

So ward mir Grund zu guter Hoffnung zwar

Durch jenes Tieres heitres Fell gegeben

Und durch die Frühstund’ und das junge Jahr

Doch so nicht, daß in mir nicht Furcht sich regte, Als furchtbar mir ein Leu erschienen war.

Es schien, daß er sich gegen mich bewegte,

Mit hohem Haupt und mit des Hungers Wut,

So daß er Schrecken, schien’s, der Luft erregte.

Auch eine Wölfin, welche jede Glut

Der Gier durch Magerkeit mir schien zu zeigen, Die schon auf viele schweren Jammer lud.

Vor dieser mußte so mein Mut sich neigen

Aus Furcht, die bei dem Anblick mich durchbebt, Daß mir die Hoffnung schwand, zur Höh’n zu steigen.

Wie der, der eifrig zu gewinnen strebt,

Wenn zum Verlieren nun die Zeit gekommen,

In Kümmernis und tiefem Bangen lebt;

So machte dieses Untier mich beklommen;

Von ihm gedrängt, mußt’ ich mich rückwärts zieh’n Dorthin, wo nimmer noch der Tag entkommen.

Als ich zur Tiefe niederstürzt’ im Flieh’n,

Da war ein Wesen dorten zu erkennen,

Das durch zu langes Schweigen heiser schien.

Ich rief, sobald ich’s nur gewahren können

In großer Wildnis: "O erbarme dich,

Du, seist du Schatten, seist du Mensch zu nennen."

Und jener sprach: "Nicht bin, doch Mensch war ich; Lombarden waren die, so mich erzeugten,

Und beide priesen Mantuaner sich.

Eh’, spät, die Römer sich dem Julius beugten, Sah ich das Licht, sah des Augustus Thron,

Zur Zeit der Götter, jener Trugerzeugten.

Ich war Poet und sang Anchises’ Sohn,

Der Troja floh, besiegt durch Feindestücke,

Als, einst so stolz, in Staub sank Ilion.

Und du--du kehrst zu solchem Gram zurücke?

Was bleibt die freud’ge Höhe nicht dein Ziel, Die Anfang ist und Grund zum vollen Glücke?"

"So bist du," rief ich, "bist du der Virgil, Der Quell, dem reich der Rede Strom entflossen?"

Ich sprach’s mit Scham, die meine Stirn befiel.

"O Ehr’ und Licht der andern Kunstgenossen, Mir gelt’ itzt große Lieb’ und langer Fleiß, Die meinem Forschen dein Gedicht erschlossen.

Mein Meister, Vorbild! dir gebührt der Preis, Den ich durch schönen Stil davongetragen,

Denn dir entnahm ich, was ich kann und weiß.

Sieh dieses Tier, o sieh’ mich’s rückwärts jagen, Berühmter Weiser, sei vor ihm mein Hort.

Es macht mir zitternd Puls’ und Adern schlagen."

"Du mußt auf einem andern Wege fort,"

Sprach er zu mir, den ganz der Schmerz bezwungen,

"Willst du entfliehn aus diesem wilden Ort, Denn dieses Tier, das dich mit Graun durchdrungen, Läßt keinen zieh’n auf seines Weges Spur,

Hemmt jeden, bis es endlich ihn verschlungen.

Es ist von böser, tückischer Natur

Und nimmer fühlt’s die wilde Gier ermatten,

Ja, jeder Fraß schärft seinen Hunger nur.

Mit vielen Tieren wird sich’s noch begatten, Bis daß die edle Dogge kommt, die kühn

Es würgt und hinstürzt in die ew’gen Schatten.

Nicht wird nach Land und Erz ihr Hunger glüh’n, Doch wird sie nie an Lieb’ und Weisheit darben; Inmitten Feltr’ und Feltro wird sie blüh’n,

Zu Welschlands Heil, des Ruhm und Glück verdarben, Obwohl vordem Camilla für dies Land,

Eurialus, Turnus und Nisus starben.

Nicht wird sie ruh’n, bis sie dies Tier verbannt; Sie wird es wieder in die Hölle senken,

Von wo’s zuerst der Neid heraufgesandt.

Du folg’ itzt mir zu deinem Heil--mein Denken Und Urteil ist’s--ich will dein Führer sein, Und dich durch ew’gen Ort von hinnen lenken.

Dort wirst du hören der Verzweiflung Schrei’n, Wirst alte Geister schau’n, die brünstig flehen Um zweiten Tod in ihrer langen Pein.

Wirst jene dann im Feu’r zufrieden sehen,

Weil sie verhoffen, zu dem sel’gen Chor,

Sei’s wann es immer sei, noch einzugehen.

Und willst du auch zu diesem dann empor,

Würd’ger als ich, wird eine Seel’ erscheinen, Die geht, schied ich, als Führerin dir vor.

Denn jener, der dort oben herrscht, läßt keinen Eingehn, von mir geführt, in seine Stadt,

Weil ich mich nicht verbunden mit den Seinen.

Er herrscht im All, dort ist die Herrscherstatt, Sein Thron und seine Burg in jener Höhe.

Heil dem, den er erwählt dort oben hat"

"O Dichter," Sprach ich jetzt zu ihm, "ich flehe Bei jenem Gotte, den du nicht erkannt,

Daß diesem Leid und schlimmerm ich entgehe,

Bring’ an die Orte mich, die du genannt,

So, daß ich Petri Tor erschauen möge

Und jene, wie du sprachst, zur Qual verbannt."

Da schritt er fort, ich folgte seinem Wege.

Zweiter Gesang

Der Tag verging, das Dunkel brach herein,

Und Nacht entzog die Wesen auf der Erden

All ihren Müh’n; da rüstet’ ich allein

Mich zu dem harten Krieg und den Beschwerden Des Wegs und Mitleids, und jetzt soll ihr Bild Gemalt aus sicherer Erinn’rung werden.

O Mus’, o hoher Geist, jetzt helft mir mild!

Erinn’rung, die du schriebst, was ich gesehen, Hier wird sich’s zeigen, ob dein Adel gilt!

"Jetzt, Dichter," fing ich an, "bevor wir gehen, Erwäge meine Kraft und Tüchtigkeit,

Kann sie die große Reise wohl bestehen?

Du sagst, daß Silvius’ Vater in der Zeit,

im Körper noch und noch ein sterblich Wesen, Sei eingedrungen zur Unsterblichkeit.

Doch da der ew’ge Gegner alles Bösen

in seinen Empire’n zum Stifter ihn

Der Mutter Roma und des Reichs erlesen,

Kann jeder, dem Vernunft ihr Licht verlieh’n, Beim hocherhabnen Zweck es wohl ergründen,

Daß er nicht unwert solcher Huld erschien.

Denn Rom und Reich, um Wahres zu verkünden,

Gestiftet wurden sie, die heil’ge Stadt

Zum Sitz für Petri Folger zu begründen.

Durch diesen Gang, den du ihm nachrühmst, hat Er Kunde des, wodurch er siegt’, empfangen

Und Grund gelegt zur heil’gen Herrscherstatt.

Ist das erwählte Rüstzeug hingegangen,

So stärkt’ es in dem Glauben dann die Welt,

In dem der Weg des Heiles angefangen.

Doch ich? Warum? Wer hat mir’s freigestellt?

Äneas nicht noch Paul, ich, dessen Schwäche

Nicht ich, noch jemand dessen würdig hält,

Wenn ich dorthin zu kommen mich erfreche,

So fürcht’ ich, daß mein Kommen töricht sei.

Du, Weiser, weißt es besser, als ich spreche."

Und wie wer will und nicht will, mancherlei

Erwägt und prüft und fühlt im bangen Schwanken, Mit dem, was er begonnen, sei’s vorbei;

So ich--das, was ich leicht und ohne Wanken

Begonnen hatte, gab ich wieder auf,

Entmutigt von den wechselnden Gedanken.

"Verstand ich dich," so sprach der Schatten drauf,

"So fühlst du Angst und Schrecken sich erneuen,

Und Feigheit nur hemmt deinen weitern Lauf.

Das Beste macht sie oft den Mann bereuen,

Daß er zurückespringt von hoher Tat,

Gleich Rossen, die vor Truggebilden scheuen.

Doch hindre sie dich nicht am weitern Pfad,

Drum höre jetzt, was ich zuerst vernommen,

Da mir’s um dich im Herzen wehe tat.

Mich, nicht in Höll’ und Himmel aufgenommen, Rief eine Frau, so selig und so schön,

Daß ihr Geheiß mir wert war und willkommen.

Mit Augen, gleich dem Licht an Himmelshöhn

Begann sie gegen mich gelind und Ieise,

Und jeder Laut war englisches Getön:

O Geist, geboren einst zu Mantuas Preise,

Des Ruhm gedauert hat und dauern wird,

Solang die Sterne zieh’n in ihrem Kreise,

Mein Freund, doch nicht der Freund des Glückes, irrt In Wildnis dort, weil Wahn im Weg’ ihn störte, So daß er sich gewandt, von Furcht verwirrt.

Schon irrte, fürcht’ ich, also der Betörte,

Daß ich zu spät zum Schutz mich aufgerafft,

Nach dem, was ich von ihm im Himmel hörte.

Du geh; es sei durch deiner Rede Kraft,

Durch das, was sonst ihm Not, sein Leid geendet, So sei ihm Hilf und Ruhe mir verschafft.

Beatrix; bin ich, die ich dich gesendet;

Mich trieb die Lieb’ und spricht aus meinem Wort.

Vom Ort komm’ ich, wohin mein Wunsch sich wendet.

Und steh’ ich erst vor meinem König dort,

So werd ich oft dich loben und ihm preisen--

Sie sprach’s und schwieg, und ich begann sofort: O Weib voll Kraft, du Lehrerin der Weisen,

Durch das die Menschheit alles überragt,

Was lebt in jenes Himmels kleinern Kreisen!

Spät dächt’ ich, wie mir dein Befehl behagt, Zu tun, tat’ ich sogleich, was du gebietest.

Wohl deutlich haft du deinen Wunsch gesagt,

Doch sage mir, warum du dich nicht hütest

Herabzugeh’n zum Mittelpunkt vom Licht,

Wohin du schon zurückzukehren glühtest.

Willst du es denn so tief ergründen, spricht Die Hohe darauf, so will ich’s kürzlich sagen.

Ich fürchte mich vor diesem Dunkel nicht.

Vor solchem Übel ziemt sich wohl zu zagen,

Das mächtig ist und leicht uns Schaden tut,

Vor solchem nicht, bei welchem nichts zu wagen.

Gott schuf mich so, daß ich in seiner Hut

Frei von den Nöten bin, die euch durchschauern, Und nicht ergreift mich dieses Brandes Glut.

Ein edles Weib im Himmel sieht mit Trauern

Das Hindernis, zu dem ich dich gesandt,

Drum kann der harte Spruch nicht länger dauern.

Sie flehte, zu Lucien hingewandt:

Dein Treuer braucht dich jetzt im harten Streite, Darum empfehl’ ich ihn in deine Hand.

Lucia, die sich ganz dem Mitleid weihte,

Bewegte sich zum Orte, wo ich war,

In Ruhe sitzend an der Rahel Seite.

Sie sprach: Beatrix, Gottes Preis fürwahr!

Hilfst du ihm nicht, ihm, der aus großer Liebe Für dich entrann aus der gemeinen Schar,

Als ob dein Ohr taub seinen Klagen bliebe,

Als sähest du ihn nicht im Wirbel dort,

Bedroht, mehr als ob Meeressturm ihn triebe?

Nicht eilt so schnell auf Erden einer fort,

Den Gier nach Glück und Furcht vor Leid betören, Wie ich herabgeeilt bei solchem Wort,

Von meinem Sitz in jenen sel’gen Chören,

Vertrau’nd auf deiner würd’gen Rede Macht,

Die Ruhm dir bringt und allen, die sie hören--

Als nun Beatrix solches vorgebracht,

Da wandte sie die Augenstern’ in Zähren,

Und dies hat mich nur schneller hergebracht.

So komm’ ich denn daher auf ihr Begehren,

Das Untier von dir scheuchend, dem’s gelang, Den kurzen Weg des schönen Bergs zu wehren.

Was also ist dir? Warum weilst du bang?

Was herbergst du die Feigheit im Gemüte?

Was weicht dein Mut, dein kühner Tatendrang, Da sich drei heil’ge Himmelsfrau’n voll Güte Für dich bemüh’n und dir mein Mund verspricht, Daß ihre treue Sorge dich behüte?"

Gleichwie die Blum’ im ersten Sonnenlicht,

Beim nächt’gen Reif gesunken und verschlossen, Den Stiel erhebt und ihren Kelch entflicht;

So hob die Kraft, erst schmachtend und verdrossen, In meinem Herzen sich zu gutem Mut,

Und ich begann, frohsinnig und entschlossen:

"O wie ist sie, die für mich sorgte, gut!

Wie freundlich bist auch du, der den Befehlen Der Herrlichen so schnell Genüge tut l

Schon fühl’ ich mich zu heißer Sehnsucht stählen Von deinem Wort, schon fühl’ ich, nicht mehr bang, Vom ersten Vorsatz wieder mich beseelen.

Drum auf, in beiden ist ein gleicher Drang,

Herr, Führer, Meister, auf zum großen Wege!"

Ich sprach’s zu ihm, und, folgend seinem Gang, Schritt ich daher auf waldig rauhem Stege.

Dritter Gesang

Durch mich geht’s ein zur Stadt der Qualerkornen, Durch mich geht’s ein zum ew’gen Weheschlund, Durch mich geht’s ein zum Volke der Verlornen.

Das Recht war meines hohen Schöpfers Grund;

Die Allmacht wollt’ in mir sich offenbaren;

Allweisheit ward und erste Liebe kund.

Die schon vor mir erschaffnen Dinge waren

Nur ewige; und ewig daur’ auch ich.

Laßt, die ihr eingeht jede Hoffnung fahren.

Die Inschrift zeigt’ in dunkler Farbe sich

Geschrieben dort am Gipfel einer Pforte,

Drum ich: Hart, Meister, ist ihr Sinn für mich.

Er, als Erfahrner, sprach dann diese Worte:

"Hier sei jedweder Argwohn weggebannt,

Und jede Feigheit sterb’ an diesem Orte.

Wir sind zur Stelle, die ich dir genannt,

Hier wirst du jene Jammervollen schauen,

Für die das Heil des wahren Lichtes schwand."

Er faßte meine Hand, daher Vertrauen

Durch sein Gesicht voll Mut auch ich gewann.

Drauf führt’ er mich in das geheime Grauen.

Dort hob Geächz, Geschrei und Klagen an,

Laut durch die sternenlose Luft ertönend,

So daß ich selber weinte, da’s begann.

Verschiedne Sprachen, Worte, gräßlich dröhnend, Handschläge, Klänge heiseren Geschreis,

Die Wut, aufkreischend, und der Schmerz, erstöhnend--

Dies alles wogte tosend stets, als sei’s

Im Wirbel Sand, durch Lüfte, die zu schwärzen Es keiner Nacht bedarf, im ew’gen Kreis.

Und, ich vom Wahn umstrickt und bang im Herzen, Sprach: Meister, welch Geschrei, das sich erhebt?

Wer ist doch hier so ganz besiegt von Schmerzen?

Und er: "Der Klang, der durch die Lüfte bebt, Kommt von den Jammerseelen jener Wesen,

Die ohne Schimpf und ohne Lob gelebt.

Gemischt find die Nicht-Guten und Nicht-Bösen Den Engeln, die nicht Gott getreu im Strauß, Auch Meutrer nicht und nur für sich gewesen.

Die Himmel trieben sie als Mißzier aus,

Und da durch sie der Sünder Stolz erstünde,

Nimmt sie nicht ein der tiefen Hölle Graus."

Ich drauf: Was füllt ihr Wehlaut diese Gründe?

Was ist das Leiden, das so hart sie drückt?

Und er: "Vernimm, was ich dir kurz verkünde.

Des Todes Hoffnung ist dem Volk entrückt.

Im blinden Leben, trüb und immer trüber,

Scheint ihrem Neid jed’ andres Los beglückt.

Sie kamen lautlos aus der Welt herüber,

Von Recht und Gnade werden sie verschmäht.

Doch still von ihnen--Schau’ und geh vorüber."

Ich schaute hin und sah im Kreis geweht,

Ein Fähnlein zieh’n, so eilig umgeschwungen, Daß sich’s zum Ruh’n, so schien mir’s, nie versteht.

In langer Reihe folgten ihm, gezwungen,

So viele Leute, daß ich kaum geglaubt,

Daß je der Tod so vieles Volk verschlungen.

Und hier erblickt’ ich manch bekanntes Haupt, Auch jenes Schatten, der aus Angst und Zagen Sich den Verzicht, den großen, feig erlaubt.

Ich war sogleich gewiß, auch hört’ ich sagen, Dies sei der Schlechten jämmerliche Schar,

Die Gott und seinen Feinden mißbehagen.

Dies Jammervolk, das niemals lebend war,

War nackend und von Flieg’ und Wesp’ umflogen, Und ward gestachelt viel und immerdar.

Tränen und Blut aus ihren Wunden zogen

In Streifen durch das Antlitz bis zum Grund, Wo ekle Würmer draus sich Nahrung sogen.

Drauf, als ich weiter blickt’ im düstern Schlund, Erblickt’ ich Leut’ an einem Stromgestade

Und sprach: "Jetzt tu, ich bitte, Herr, mir kund, Von welcher Art sind die, die so gerade,

Wie ich beim düstern Dämmerlicht ersehn,

So eilig weiterzieh’n auf ihrem Pfade?"

Und er darauf: "Dir wird genug gescheh’n Am Acheron--dort wird sich alles zeigen,

Wenn wir am traur’gen Ufer stillestehn."

Da zwang mich Scham, die Augen tief zu neigen, Aus Furcht, daß ihm mein Fragen lästig sei,

Und ich gebot mir bis zum Strome Schweigen.

Und sieh, es kam ein Mann zu Schiff herbei,

Ein Greis, bedeckt mit schneeig weißen Haaren.

"Weh euch, Verworfne!" tönte sein Geschrei.

"Nicht hofft, den Himmel jemals zu gewahren.

Ich komm’, euch jenseits hin an das Gestad’

In ew’ge Nacht, in Hitz’ und Frost zu fahren.

Und du, lebend’ge Seele, die genaht, Mußt dich von diesen, die gestorben, trennen!"--

Dann, da er sah, daß ich nicht rückwärts trat:

"Hier kann ich dir den Übergang nicht gönnen, Für dich geziemen andre Wege sich,

Ein leichtrer Kahn nur wird dich tragen können."

Virgil drauf: "Charon, nicht erbose dich.

Dort, wo der Wille Macht ist, ward’s verhangen; Dies sei genug, nicht weiter frage mich."

Hierauf ließ ruhen die bewollten Wangen

Des fahlen Sumpfs erzürnter Steuermann,

Des Augen Flammenräder rings umschlangen.

Da hob grau’nvolles Zähneklappen an,

Und es entfärbten sich die Tiefgebeugten,

Seit Charon jenen grausen Spruch begann.

Sie fluchten Gott und denen, die sie zeugten, Dem menschlichen Geschlecht, dem Vaterland,

Dem ersten Licht, den Brüsten, die sie säugten.

Dann drängten sie zusammen sich am Strand,

Dem Schrecklichen, zu welchem alle kommen,

Die Gott nicht scheu’n, und laut Geheul entstand.

Charon, mit Augen, die wie Kohlen glommen,

Winkt’ ihnen und schlug mit dem Ruder los,

Wenn einer sich zum Warten Zeit genommen.

Gleich wie im Herbste bei des Nordwinds Stoß Ein Blatt zum ändern fällt, bis daß sie alle Der Baum erstattet hat dem Erdenschoß;

So stürzen, hergewinkt, in jähem Falle

Sich Adams schlechte Sprossen in den Kahn,

Wie angelockte Vögel in die Falle.

Durch schwarze Fluten geht des Nachens Bahn, Und eh’ sie noch das Ufer dort erreichen,

Drängt hier schon eine neue Schar heran.

"Mein Sohn," sprach mild der Meister, "die erbleichen In Gottes Zorne, werden alle hier

Am Strand vereint aus allen Erdenreichen.

Man scheint zur Überfahrt sehr eilig dir,

Doch die Gerechtigkeit treibt diese Leute

Und wandelt ihre bange Furcht in Gier.

Kein guter Geist macht diese Fahrt; und dräute Dir Charon, weil du hier dich eingestellt,

So kannst du wissen, was sein Wort bedeute"--

Hier wankte so mit Macht das dunkle Feld,

Daß mich noch jetzt Schweißtropfen übertauen, Sooft dies Schreckensbild mich überfällt.

Ein Windstoß fuhr aus den betränten Auen,

Und blitzt’ ein rotes Licht, das jeden Sinn

Bewältigte mit ungeheurem Grauen,

Und, wie vom Schlaf befallen, stürzt’ ich hin--

Vierter Gesang

Mir brach den Schlaf im Haupt ein Donnerkrachen, So schwer, daß ich zusammenfuhr dabei,

Wie einer, den Gewalt zwingt, zu erwachen.

Ich warf umher das Auge wach und frei,

Emporgerichtet spähend, daß ich sähe

Und unterschied’, an welchem Ort ich sei.

So fand ich mich am Talrand, in der Nähe

Des qualenvollen Abgrunds, dessen Kluft

Zum Donnerhall vereint unendlich Wehe.

Tief war er, dunkel, nebelhaft die Luft,

Drum wollte nichts sich klar dem Blicke zeigen, Den ich geheftet an den Grund der Gruft.

"Laß uns zur blinden Welt hinunter steigen, Ich bin der Erste, du der Zweite dann."

So sprach Virgil, um drauf erblaßt zu schweigen.

Ich, sehend, wie die Bläss’ ihn überrann,

Sprach: Scheust du selber dich, wie kann ich’s wagen Der Trost im Zweifel nur durch dich gewann?

Und er zu mir: "Des tiefen Abgrunds Plagen Entfärben mir durch Mitleid das Gesicht,

Und nicht, so wie du meinst, durch feiges Zagen.

Fort, zaudern läßt des Weges Läng’ uns nicht."

So ging er fort und rief zum ersten Kreise

Mich auch hinein, der jene Kluft umflicht.

Mir schien, nach meinem Ohr, des Klanges Weise, Der durch die Luft hier bebt’ im ew’gen Tal, Nicht Klaggeschrei, nur Seufzer dumpf und leise.

Und dieses kam vom Leiden ohne Qual

Der Kinder, Männer und der Frau’n, in Scharen, Die viele waren und von großer Zahl-Da sprach der Meister: "Willst du nicht erfahren, Zu welchen Geistern du gekommen bist?

Bevor wir fortgehn, will ich offenbaren,

Daß sie nicht sündigten; doch g’nügend mißt

Nicht ihr Verdienst, da sie der Tauf entbehrten, Die Pfort’ und Eingang deines Glaubens ist.

Und lebten sie vor Christo auch, so ehrten

Sie doch den Höchsten nicht, wie sich’s gebührt; Und diese Geister nenn’ ich selbst Gefährten.

Nur dies, nichts andres hat uns hergeführt.

Daß wir in Sehnsucht ohne Hoffnung leben,

Ward uns Verlornen nur als Straf erkürt."

Groß war mein Schmerz, als er dies kundgegeben, Denn Leute großen Wertes zeigten sich,

Die unentschieden hier im Vorhof schweben.

Und ich begann: Mein Herr und Meister, sprich (Ich wollte mich in jenem Glauben stärken,

Vor dessen Licht des Irrtums Nacht entwich), Kam keiner je durch Kraft von eignen Werken, Durch fremd Verdienst von hier zur Seligkeit?--

Er schien des Worts versteckten Sinn zu merken Und sprach: "Ich war noch neu in diesem Leid, Da ist ein Mächtiger hereingedrungen.

Bekrönt mit Siegesglanz und Herrlichkeit.

Der hat des Urahns Geist der Höll" entrungen, Auch Abels, Noahs; und auch Moses hat,

Der Gott gehorcht, mit ihm sich aufgeschwungen.

Abram und David folgten seinem Pfad,

Jakob, sein Vater, seine Söhne schieden,

Und Rahel auch, für die so viel er tat.

Sie und viel andre führt’ er ein zum Frieden, Und wissen sollst du nun: Vor diesen war

Erlösung keinem Menschengeist beschieden."

Obwohl er sprach, ging’s vorwärts immerdar,

So daß wir unterdes den Wald durchdrangen,

Den Wald, mein’ ich, der dichten Geisterschar.

Nicht weit von oben waren wir gegangen,

Als ich ein Feu’r in lichten Flammen sah,

Die rings im halben Kreis die Nacht bezwangen.

Zwar waren wir dem Ort nicht völlig nah,

Doch einen Kreis von ehrenhaften Leuten,

Die diesen Platz besetzt, erkannt’ ich da.

"Du, des sich Wissenschaft und Kunst erfreuten,

Beliebe, wer sie sind, und was sie ehrt Und von den andern trennt, mir auszudeuten."

Ich sprach’s, und er: "Für hochgepriesnen Wert, Der oben widerklingt in deinem Leben,

Ward ihnen hier vom Himmel Huld gewährt."

Da hört’ ich eine Stimme sich erheben:

Der hohe Dichter, auf jetzt zum Empfang!

Sein Schatten kehrt, der jüngst sich fortbegeben.

Sobald die Stimme, die dies sprach, verklang, Sah ich heran vier große Geister schreiten,

Im Angesicht nicht fröhlich und nicht bang.

Da sprach der gute Meister mir zur Seiten:

"Sieh diesen, in der Hand das Schwert, voran Den andern gehn, um sie als Fürst zu leiten.

Du siehst Homer, den Dichterkönig, nah’n;

Ihm folgt Horaz, berühmt durch Spott dort oben Ovid der Dritt’, als letzter kommt Lukan.

Im Namen, den die eine Stimm’ erhoben,

Kommt mit mir selber jeder überein,

Drum ehren sie mich, und dies ist zu loben."

So war die schöne Schul’ hier im Verein

Des hohen Herrn der höchsten Sangesweise,

Der ob den andern fliegt, ein Aar, allein.

Ein Weilchen sprachen sie im trauten Greise, Doch als sie grüßend sich zu mir gekehrt,

Da lächelte Virgtl zu solchem Preise.

Allein noch höher ward ich dort geehrt,

Indem sie mich in ihrer Schar empfingen

Als Sechsten unter solchem Geist und Wert,

Wobei wir hin bis zu dem Lichte gingen,

Sprechend, wovon ich schicklich schweigen muß, Wie man dort schicklich sprach von solchen Dingen.

Bald kamen wir an eines Schlosses Fuß,

Von siebenfacher hoher Mau’r umfangen,

Und rings beschützt von einem schönen Fluß.

Als wir mit trocknem Fuße durchgegangen,

Ging’s weiter dann durch sieben Tore fort,

Und eine Wiese sah ich grünend prangen.

Wir fanden Leute strengen Blickes dort,

Mit großer Würd’ in Ansehn, Gang und Mienen

Und wenig sprechend, doch mit sanftem Wort.

Und wir ersah’n dort seitwärts nah bei ihnen Frei eine Höh’ hellem Lichte glüh’n,

Vor welcher alle klar vor uns erschienen.

Dort gegenüber auf dem samtnen Grün

Sah ich die Großen, ewig Denkenswerten,

Die heut mir noch in solzer Seele blüh’n.

Elektren sah ich dort mit viel Gefährten,

Äneas, Hektorn hatt’ ich bald erkannt,

Cäsarn, den mit dem Adlerblick bewehrten.

Penthesilea war auf grünem Land;

Zur andern Seite sah ich auch Latinen,

Der bei Lavinien, seiner Tochter, stand.

Ich sah den Brutus, der verjagt Tarquinen,

Lucrezien, Julien, Marzien, und, allein

Beiseite sitzend, sah ich Saladinen.

Dann, höher blickend, sah im hellen Schein

Ich auch den Meister derer, welche wissen,

Der von den Seinen schien umringt zu sein,

Sie all ihn hochzuehren sehr beflissen;

Den Plato ihm zunächst und Sokrates,

Die dort den Sitz vor andern an sich rissen.

Den Anaxagoras, Diogenes,

Den Demokrit, des Welt der Zufall machte, Den Zeno, Heraklit, Empedokles.

Ihn, der ans Licht der Pflanzen Kräfte brachte, Den Dioskorides, den Orpheus dann,

Den Seneka, der Schmerz und Luft verlachte.

Auch Ptolemäus kam, Euklid heran,

So auch Averroes, der, seinen Weisen

Erklärend, selbst der Weisheit Ruhm gewann.

Doch nicht vermag ich jeden hier zu greifen, Denn also drängt des Stoffes Größe mich,

Daß ihren Dienst mir kaum die Wort’ erweisen.

Hier teilten nun die sechs Gefährten sich.

Mich führt’ auf anderm Weg mein weiser Leiter Dahin, wo Stille lautem Tosen wich,

Und dorthin, wo nichts leuchtet, schritt ich weiter.

Fünfter Gesang

So ging’s hinab vom ersten Kreis zum zweiten, Der kleinern Raum, doch größres Weh umringt, Das antreibt, Klag’ und Winseln zu verbreiten.

Graus steht dort Minos, fletscht die Zähn’ und bringt Die Schuld ans Licht, wie tief sie sich verfehle, Urteilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt.

Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele

Ihm vorkommt, beichtet sie der Sünden Last;

Und jener Kenner aller Menschenfehle,

Sieht, welcher Ort des Abgrunds für die paßt, Und schickt sie soviel Grad’ hinab zur Hölle, Als oft er sich mit seinem Schweif umfaßt.

Von vielem Volk ist stets besetzt die Schwelle, Und nach und nach kommt jeder zum Gericht,

Spricht, hört und eilt zu der bestimmten Stelle.

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