The Outlaw

Tekst
Sari: The Outlaw #1
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Sh«, machte sie flüsternd, »nicht zu mir, ich kann dir nicht helfen.«



Der

Percheron

 schnaufte erschöpft.



Mademoiselle Mallory zeigte nach gegenüber, wo sich das Textilgeschäft befand, deren Besitzerin nicht nur Kleidungsstücke zusammennähen konnte.



»Schaff ihn darüber. Ms. Taylor muss ihm helfen.«



Sie verfolgte den schwächelnden Gang des Pferdes, selbst mit der Müdigkeit kämpfend. Als das neue Ziel erreicht war, schlüpfte sie zurück in ihr Verlies, bevor jemand sie sah und anschwärzte.



Wieder spulte der Rappe die Signale ab, mit zitternden Knien. Zwischen

Taylor‘s Clothes

 und

Smith‘s Hardware

, in einer engen Gasse, die kaum breit genug für die Schultern des Tieres maß.



Claire Taylor kam herausgeschlichen, beruhigte den

Percheron

 mit Streicheleinheiten und besah sich das menschliche Paket. Danach klopfte sie leise am Nebengebäude, das nach vorn hin als

Smith‘s Hardware

 firmierte, ein Geschäft für Werkzeuge und Schmiedekunst. Milton Smith - ein alter, hinkender, sehniger Mann - öffnete nach ein paar Klopfversuchen.



»Claire, mein Schatz, was ist los?«, fragte er besorgt seine Tochter im über das Nachthemd geworfenen Mantel.



»Es ist John«, sagte sie.



Die 2 manövrierten den

Percheron

weiter nach hinten, mit dem eigenen Kopf kaum über die Rückenlinie des großen Tieres blicken könnend. Anschließend hievten sie John aus dem Sattel, wobei dieser noch mit dem Schädel gegen die Holzwand des Hauses schlug. Wie sie den Verletzten in Claires Geschäft getragen oder vielmehr geschleift hatten, kümmerte sich Milton Smith um den Boten, schaffte ihn in die Werkstatt, versorgte ihn mit Heu und Wasser, und richtete einen Schlafplatz aus Stroh ein.



Claire Taylor wässerte derweil Johns Kehle, bevor sie ihn entkleidete, um nach Verletzungen zu suchen. Im unteren Lendenbereich stieß sie auf eine Schussverletzung. Die Kugel steckte noch in ihm und hatte verhindert, dass er verblutete. Aber um einem Wundbrand oder einer Sepsis durch die bleierne Kugel vorzubeugen, musste das Geschoss entfernt werden. Um die Einschussstelle herum hatten sich Flecken und Blutschwämme gebildet.



Milton Smith stieß hinzu. Während er John mit nassen Tüchern kühlte, mit dicken Decken wärmte und Kräuterstängel unter seiner Nase zerrieb, entfernte Claire Taylor mit alkoholgeschwängertem Klöppelgeschirr die Kugel aus dem Fleisch. Unmittelbar nach der Entfernung schüttete sie Whiskey in sowie auf die Wunde, kauterisierte die verletzten inneren Gefäße mit einem glühenden Eisendraht aus Milton Smiths Werkstatt, rieb eine ominöse Tinktur ein und klammerte die offene Hautpartie mit Stecknadeln. Anschließend umwickelte sie Johns Torso um die verwundete Stelle herum.



»Das sieht nicht gut aus«, murmelte Milton Smith. »Wird er über den Schlangen bleiben?«



Claire Taylor nickte und atmete schwer aus. »Aber das muss wieder zusammenwachsen. Reißt das auf, verblutet er.«



»Wenn er seinen Widersacher nicht über den Haufen geschossen hat, wird es bald eine neue Schießerei geben.«



»Es reißt auf und bringt ihn in den Knochengarten, bevor er abdrücken kann«, stimmte Claire Taylor missmutig ein.



Beide schauten eine Weile traurig auf den schlafenden Patienten.



»Ich will nicht noch einen Sohn verlieren«, murmelte Milton Smith.



»Er ist nicht dein Sohn.«



»Er ist wie ein Sohn«, verbesserte Milton Smith, »genau wie … « Er ließ den Satz unvollendet, aber Claire wusste, wen er meinte. Sie blickten sich an und gedachten dem vor einigen Jahren verlorenen Schwiegersohn und Ehemann – Clay Taylor.



»Ich weiß noch, wie ihr zusammen nach Silber geschürft habt«, nickte Milton Smith auf den liegenden John. Ein kurzes Lächeln. »Zwei kleine Pimpfe, die sich gegenseitig übertrumpfen wollten. Am Ende war es Dreck, und trotzdem vergesse ich nie, wie stolz ihr darauf wart.«



»Am Ende verlor John seine Eltern und ich meinen besten Freund«, ergänzte Claire Taylor bedrückt und nahm Johns kalte Hand. »Dieses verdammte Silber hat alles kaputtgemacht!«



Milton Smith stimmte ein. »Wo ist er nur wieder hineingeraten?«, rätselte er.



»Nichts Gutes, wenn er verliert«, schlussfolgerte Claire Taylor, die sich an das Fortreiten erinnerte, als John Emma Mayor verfolgte.



»Wie können wir ihm helfen?«



»Vater«, mahnte sie, »hör auf, dich in seine Angelegenheiten zu mischen! Er ist alt genug und kein Kind mehr.«



»Willst du ihn sterben sehen?«



»Nein«, erwiderte Claire Taylor bestimmt, »aber ich will uns nicht neben ihm liegen sehen. Wenn er einem Schurken ans Bein pinkelt, muss er das selbst ausbaden. Du bist nicht sein Vater und ich nicht seine Frau.«



Man sah es Milton Smith an. Genau das, wünschte er sich. Er strich über den Wundverband, der sich an der Eintrittsstelle der Kugel bereits rot färbte.



»Wenn ihn Gee nicht schützen kann, braucht er unseren Schutz«, resümierte er nachdenklich.



»Willst du dich vor ihn stellen und die Kugeln abfangen, die für ihn gedacht sind?«, seufzte Claire Taylor. »Wenn er aufwacht, werden wir ihn nicht auf der Liege halten können. Er hat lauter Bienen im Hut.«



Milton Smith sah zum blutbeschmierten, halb verkohlten Eisendraht, mit dem seine Tochter in John herumgefuhrwerkt hatte. »Eisen.«



»Was?«



»Eisen«, wiederholte Milton Smith überzeugter, »Eisen könnte die Kugeln abhalten.« Er nickte und schien schon Entwürfe im Kopf durchzugehen. »Pass auf John auf! Ich muss etwas probieren.«





Die Eisenbahn






»Vorsichtig ist der Mann,



der nackt einen Stacheldrahtzaun besteigt.«




*aus

Wild West Whim-Wham

, New York City, 1888






Die Eisenbahn




Geschätzte 100 Meilen östlich von

Paradise City

 grunzte es hundertfach auf einer abgelegenen Schweinefarm. Neben den Sauställen, den umzäunten Schlammwiesen und den verbeulten, verrosteten Futtertrögen gab es noch kleine Holzbaracken nebst provisorisch zusammengezimmertem Pferdestand, wo 15 weiße Pferde warteten, deren fast schon blendende Sauberkeit in hartem Kontrast zum Rest der Anlage und deren Bewohner strahlte.



Frank Brown, der Besitzer dieser bescheidenen Farm, karrte mit seinen gähnenden Gehilfen Jesse Periwinkle, Luke Celery und Bill Plum Futter an, um die Tröge zu füllen. Sofort kamen die Schweine angestürmt, umringten die Männer und stürzten sich aufs Futter.



Am Horizont färbte sich der Himmel hellorange, denn die Sonne erhob sich, vertrieb die Kälte und versprach einen neuen, heißen Sommertag.



Robert White trat aus der größten Holzbaracke mit dampfendem Kaffee im Blechbecher. Seine weiße Augenklappe funkelte in der aufgehenden Sonne. Hinter ihm folgte Emma Mayor, noch träge, taumelig, schlaftrunken. Sie war mit Robert White verbunden, durch eine Kette, an den Fußgelenken befestigt wie bei Gefangenen. Beide beobachteten die Fütterung.



»Erzähl es mir noch einmal, kleine Hure«, raunte Robert White bedrohlich durch seinen Schnauzbart, ohne sie anzuschauen.



Emma Mayor zitterte.



»Wie sah William aus, als du ihn feige zurückgelassen hast?«



»Sein Kopf«, stotterte sie, »überall war Blut. Und seine Ohren – die fehlten.«



»Atmete er noch?«, bohrte Robert White ungeduldig nach.



Um die Baracke und bei den Pferden regten sich weitere Gesellen. Die Männer furzten, rülpsten, kratzten und wuschen sich. Einige bürsteten ihre Pferde als Morgenritual; andere pissten gegen eine Zielscheibe um die Wette, um Menge, Höhe und Härte des Strahls; wieder andere kauten auf Gräsern oder ölten ihre Revolver.



Emma Mayor zuckte mit den Schultern, was Robert White nicht sah. Das Ausbleiben einer Antwort bestätigte aber seinen Verdacht. Er zog die Nase hoch, ungehalten, wobei sein Schnauzbart warnend vibrierte. Dann schnellte seine Hand hoch und packte das Mädchen derb an der Kehle. Sie röchelte erschrocken und wurde ein paar Inches von den Sohlen gehoben. Die Kette, die sie mit ihm verband, begann zu schweben. Ein paar Tropfen Kaffee schwappten über.



»William war sehr«, Robert White drehte sich zu ihr und fixierte sie dämonisch, »sehr wichtig für mich! Hätte ich geahnt, dass er einer kleinen Hure verfallen war, hätte ich diese kleine Hure schon sehr viel früher nach Halifax geschickt!«



Sein Griff wurde fester. Emma Mayor bekam keine Luft mehr. Sie zappelte in der Luft.



»Also, kannst du mir sagen, ob er noch lebt?«



Emma Mayor bewegte ihren Kopf horizontal, auf der würgenden Hand schabend. Ihre Augen weiteten sich, suchten nach Luft, verdrehten sich.



»Robert!«, rief Frank Brown, der von den Schweinen kam.



Robert White verzog den Mund, knurrte und ließ Emma Mayor auf den Boden fallen. Sie hustete, hielt sich den Hals, wimmerte. Die Kette fiel auf sie. Robert White hatte das Ding von seinem Knöchel entfernt, denn Schlafenszeit und Fluchtgefahr waren vorüber. Er nahm einen großen Schluck Kaffee, wonach seine Zunge flüssige Reste vom unteren Rand des Schnauzbartes wischte.



»Frank«, begrüßte er den Störenfried am Morgen zähneknirschend.



Frank Brown holte eine ledergebundene Bibel hervor, legte seine Hand darauf und stellte sich zwischen das Mädchen und den Anführer. »Sieh dir ihr Kleid an.«



Robert White tat, wie empfohlen, musste sich jedoch zur Seite neigen, um das neue Hindernis zu umschauen.



»Sie ist ein wertvolles Tauschobjekt. Kein Mädchen von der Straße. Sie stammt aus reichem Hause.«



Robert White grummelte.



»Gott hat sie zu uns geführt. Wir dürfen dieses Geschenk nicht einfach wegwerfen.«

 



»Sie ist Williams Verderben«, konterte Robert White angefressen.



»Und sie wird dein Verderben sein, wenn du sie tötest.«



Robert White schaute auf Franks Bibel und anschließend auf ihn. »Sagt dir das dein Gee?«



Frank Brown lächelte sanft. »Ihre Erscheinung sagt mir das. Ihr Kleid ist zu teuer für ein Landmädchen. Ihre Haare sind zu gepflegt für eine Bauerntochter. Ihre Sprache ist zu geschliffen für einen Hurenspross. Wenn du sie tötest, entgeht uns ein gutes Tauschgeschäft und ich denke, dass ihre Familie ein gutes Kopfgeld für denjenigen ausgibt, der sie tötete, wenn nicht sogar noch einflussreichere Dinge geschehen und wir uns letztlich dem Sheriff oder sogar der Armee gegenübersehen.«



Robert White feixte teuflisch. »Ich bin Robert White. Wer soll mich schon aufhalten?«



»Die Erste Kavallerie«, flüsterte Frank Brown ehrfürchtig und nickte zum Horizont, wo die Sonne aufging.



Robert White löcherte ihn mit einem tödlichen Blick und deutete verärgert an, dass er stinkwütend war, wegen William Emerald, Emma Mayor und Frank Browns Anmaßung, die sich nur 3 Menschen erlauben durften, wovon Frank Brown einer war. Er nickte abwesend, ließ sein Auge rotieren, blies seine Wangen auf, warf den Becher weg und presste seine Hände ineinander.



»Aufsatteln!«, schrie er.



»Was hast du vor, Robert?«, erkundigte sich Frank Brown besorgt.



Robert White näherte sich dem Bibelträger. »Vergeltung.« Und zeigte zu Emma Mayor. »Du nimmst die kleine Hure mit und passt auf, dass sie nicht türmt. Wir reiten nach Paradise City.«



»Das ist ein Tagesritt«, zweifelte Frank Brown. »Dort sind wir dem Marshal ausgeliefert, wenn wir erschöpft ankommen.«



»Keiner von uns wird gesucht«, erwiderte Robert White ruppig.



»Du schon, Robert«, erinnerte Frank Brown an die landesweite Fahndung, die Robert White tot oder lebendig forderte – für 1000 Bucks!



»Okay«, zürnte er, zog seinen Revolver und legte, an der Bibel vorbei, auf Emma Mayor an. »Dann bringst

du

 diese kleine Hure nach Paradise City und holst William ab.«



Frank Brown schob sich vor die Mündung. »Robert«, mahnte er ruhig, seine Bibel vor die Waffe hebend, »Du kannst William nicht durch Tobsucht ersetzen. Und schon gar nicht durch das Blut der Kleinen.«



Robert White schluckte und atmete genervt. Dann hielt er seinem Adjutanten den Revolver gegen die Brust. »Wen muss ich abknallen, damit sich mein kochendes Blut beruhigt?«



»Bruder!« Sam White, ein schmächtiger, kurzgeratener Kerl mit jungenhaften Zügen und ohne den obligatorischen Schnauzbart, ging dazwischen. »Wir können diese Stadt nicht überfallen, aber wir können sie abschneiden.«



»Rede weiter, Rusty.«



»Wir schaffen keine 100 Meilen, aber 50. Und dort warten wir auf die Postkutschen oder Geldtransporte.«



Ein Grinsen zeichnete sich auf Robert Whites Gesicht ab. »Ganz mein Geschmack.«



»Williams Verlust darf nicht ungesühnt bleiben«, schaltete sich Frank Brown wieder ein. »Eine kleine Lektion dürfte Paradise City wieder das Fürchten lehren, da sie es offenbar abgelegt hat.« Er positionierte die Bibel erneut vor den Lauf, der gegen seine Brust zielte.



»Wir schneiden sie ab«, nahm Robert White aufgeregt den Faden auf, »hungern sie aus, zermürben sie und tauschen diese kleine Hure gegen William.«



»Ist er im Kittchen oder im Knochengarten?«, wollte Sam White wissen.



»Das weiß ich nicht«, fauchte Robert White mit Blick auf Emma Mayor, die sich eingeschüchtert einigelte. »Aber deine Idee gefällt mir, Rusty«, und er schrie: »Aufsatteln!«



Nach ungefähr 50 Meilen westwärts stoppte der Tross aus 14 weißen Pferden mit 13 vermummten Männern und einem verzurrten Mädchen an einsamen Eisenbahnschienen mitten im trockenen Tal, sporadisch umzingelt von rauen Felsformationen und einzelnen Wacholderstämmen sowie Pinienbäumen, die sich mit tiefen Wurzeln, hartem Holz und dünnem Grün gegen die Trockenheit wehrten.



Bis auf Jesse Periwinkle, der den kürzeren Stab zog und die Farm bewachen musste, war die komplette Bande

on the road

.



Robert White schaute in beide Richtungen, die ihm meilenweite Eisenträger in endloser, vegetationsarmer Wildnis zeigten, wie ein Fremdkörper in unberührter Ödnis. Als Einziger trug er ein weißes Halstuch, das nun durch den Ritt verschmutzt war, genau wie seine weiße Augenklappe. Die anderen hatten dunkle Halstücher vorm Gesicht, was sie vor Staub schützte, wie die Lederschutzhüllen, die ihre Waffen schützten.



»Planänderung!«, rief er seinen Männern zu und steuerte sein Pferd mitten auf die Gleise, wo er stehen blieb.



Sam White trabte an ihn heran. »Bruder, was hast du vor?«



»Ich habe keine Lust auf Kutschen. Ich will einen Zug!«



Sam White stierte in die Ferne, hoch zur kochenden Sonne im Zenit über ihnen, zur durstigen Bande, zu den erschöpften Pferden und zu seinem verrückten, älteren Bruder. »Hier gibt es keinen Schatten«, er wischte sich den Schweiß unter der Hutkrempe von der Stirn und zog sein Halstuch nach unten, um besser atmen zu können. »Kennst du den Fahrplan der Pacific Salt Lake Railroad?«



»Irgendwann wird einer kommen«, erwiderte Robert White überzeugt.



Sam White knaupelte auf seiner spröden Lippe herum. »Was, wenn dieses

Irgendwann

 schon war und erst wieder heute Abend sein wird, wenn wir verbrannt im Staub liegen, unter unseren Gäulen?«



Plötzlich ein hupendes Pfeifen aus der Ferne. Jeder blinzelte zum Ursprung. Wenige Minuten später erschien eine Rauchsäule in der Verlängerung der Schienen, die irgendwo in der Weite in ein konturloses Flimmern übergingen.



Unter dem dreckigen Halstuch grinste Robert White dreckig. »Hast du immer noch kein Vertrauen in mich, Rusty? Was muss ich tun, damit du dein Bruderherz als das siehst, was er ist: der größte Bandit aller Zeiten? Habe ich euch jemals enttäuscht oder im Stich gelassen? Sieh dir meine White Horses an!

Wir

 sind hier das Gesetz!«



Sam White zog sein Halstuch vors Gesicht. »Wollen wir nicht«, er sah sich um, nichts als karge Landschaft, nichts was man für eine Barrikade hätte verwenden können, um den Zug zum Stoppen zu zwingen oder gewaltsam zu entgleisen, »etwas anderes auf die Gleise legen?« Die weiter entfernten Pinienbäume und Wacholderstämme benötigten Schlagwerkzeug zum Fällen oder wenigstens Schaufeln, um die Bäume auszugraben und dann mit Pferdestärke zu entwurzeln. Das würde Zeit und Kraft kosten.



Robert White musterte seinen Bruder, wonach sein Auge auf Emma Mayor fiel. »Du hast Recht, Rusty. Wer sollte die White Horses führen, wenn der Lokführer nicht bremst?« Er zeigte auf den vermummten Frank Brown, der Emma Mayor bewachte, zeigte auf Emma Mayor und knickte seinen Zeigefinger mehrmals ein.



Frank Brown schüttelte den Kopf, ganz sachte, damit sein Protest nicht von den anderen wahrgenommen wurde. Aber Robert White blieb eisern. Das Schieflegen seines Hauptes und das Zusammenziehen des Auges genügten, um Frank Brown samt Geisel zu den Gleisen zu zitieren.



»Um Gottes Willen«, murmelte er beim Anführer, wo lediglich noch Sam White Wind davon bekam. »Robert, du kannst doch nicht-«



»Halt die Luft und die Klappe!«, herrschte Robert White ihn an, übernahm Emma Mayors Seil und schickte Frank Brown sowie seinen Bruder zurück in die Reihe.



»Endlich hast du einen Nutzen, kleine Hure.« Er zog das Seil zu sich, wodurch Emma Mayors Pferd zu ihm auf die Gleise schritt. Danach stieg er ab und band das Seil an eine der hölzernen Schwellen. Emma Mayor war ohnehin am Sattel festgebunden. Sie starrte ihn ängstlich an.



Er stieg wieder auf, näherte sich ihr und strich ihre Haare hübsch zurecht. Folgend nahm er seinen Revolver aus der Tasche.



»Wenn du versuchst, zu türmen, knalle ich dich ab, verstanden?«



Emma Mayor nickte eilig.



Zum Abschied streichelte er William Emeralds Pferd noch einmal, lehnte sich zu dem Tier und flüsterte: »Keine Sorge, Whitey, die Sicht ist klar, der Zug wird rechtzeitig bremsen.«



Aufgereiht wartete die Bande auf die näherkommende Eisenbahn. Man konnte die schnaufende Dampflokomotive schon sehen, inklusive der gezogenen Waggons.



»Nächster Halt: Paradise City, oder doch nicht?«, kalauerte Tom Black, der an Robert Whites linker Flanke stand, den Schaffner nachäffend. Ein Zittern brandmarkte ihn: Hände und Finger hielten nie still; der Kopf zuckte wie ein pausenlos ballernder Trommelrevolver.



An der rechten Flanke verweilte Henry Gray mit Augen, die einem Wahnsinnigen gehören könnten. »Was machen wir mit den Weibern?«, fragte er aufgegeilt. Speichel wurde vom Halstuch aufgesaugt.



»Beruhigt euch«, sagte Robert White nicht ganz so ernst. »Wir werden unseren Spaß haben. Aber das Wichtigste ist, dass diese elende Hurenstadt meinen Zorn zu spüren bekommt.«



Ein paar Meilen vor Emma Mayor hupte der Zug mehrfach, gefolgt von Gewehrschüssen, die die Lokführer und Heizer in die Luft abgaben.



Robert White lachte sadistisch und sardonisch.



Frank Brown rieb über das Leder seiner Bibel.



Als sich nichts tat, hörte man die Bremsen quietschen, die den fahrenden Zug allmählich in den Stillstand brachten. Funken flogen; Rauch hüllte die Fahrwerke ein. Emma Mayor schloss verängstigt die Augen und murmelte Gebete.



Ein paar Yards vor ihr kam der Zug zum Stehen. Aus den Kesseln stoben Dampfwolken heraus. Die Eisenräder glühten. Im nächsten Moment ragten mehrere Gewehrläufe aus den dreckverschmierten Fenstern der Lokomotive heraus, gerichtet auf die Reihe weißer Reiter.



Robert White ritt gemächlich den Läufen entgegen. Seinen Revolver hatte er wieder weggepackt. Sein Halstuch schob er hinunter. Man sollte ihn und seinen Schnauzbart sehen.



»Guten Tag, die Herren!«, rief er von seinem Sattel in das Führerfahrzeug hinein. »Entschuldigen Sie die Störung, aber wir kriegen den sturen Esel nicht von der Strecke.«



Im Hintergrund legten ein paar der

Whiteman

 die Gewehre an, unbemerkt von den rußbedeckten Männern zwischen Kohlewagen und Kessel, die die Geschichte natürlich nicht glaubten, aber der tödlichen Unterzahl gewahr wurden. Sie stellten die Gewehre ab und hielten ihre verkohlten Hände aus den Fenstern, um sich zu ergeben. Husten und Flehen gingen einher. Robert White gab ein Zeichen, woraufhin ein Kugelhagel in die Lok einschlug, die Fenster zerbarst und den menschlichen Inhalt durchsiebte. Ein paar Querschläger prallten am äußeren Stahlkorpus ab, schlugen aber nur in die Steppe und nicht in den Anführer, der gefährlich nah am Ziel verharrte und sein Halstuch gemächlich wieder vors Gesicht zog.



Danach hallten timide Rufe der Passagiere, die mittlerweile an den Waggonscheiben den Überfall wahrnahmen. Verstecke wurden gesucht; Wertsachen wurden schon einmal vorsorglich gesammelt; kleinkalibrige Waffen erschienen in den Händen weniger Draufgänger.



Die Hälfte der Bande ritt mit Robert White zum Einstieg in den ersten Waggon, unter ihnen der zittrige Tom Black, der läufige Henry Gray, George Bone, Phil Hunter und Charlie Mauve. Sie stiegen ab, banden ihre Pferde aneinander und an den Zug, denn mögliches Kanonenfeuer könnte die reiterlosen Tiere aufscheuchen.



Robert White schickte George Bone zuerst hinein. Dieser öffnete die Tür gegen den Widerstand der aufmüpfigen Passagiere und verschaffte sich Zugang, indem er durch den Türschlitz schoss, boxte und trat. Über ein paar Verwundete kletternd enterte George Bone den Waggon. Er verteilte ein paar letale Kopfschüsse an die liegenden Widerständler, bevor er den schmalen Gang betrat, wo ein paar Kugeln an ihm vorbei surrten, eine ihn allerdings kalt erwischte. Er klappte zusammen wie die Falltür am Galgenpodest auseinander. Hinter ihm erledigte Tom Black die Schützen mit wilden Feuerstößen aus 2 Revolvern. Phil Hunter zerrte den angeschossenen George Bone aus dem Waggon.



Hinter Tom Black kamen Henry Gray und Robert White. Den ersten Waggon hatten sie schnell unter Kontrolle. Henry Gray sammelte alle Waffen ein und warf sie aus den Fenstern, die er vorher kaputtschoss. Tom Black trieb die Überlebenden zusammen und jagte Kugeln zwischen die Augen der Niedergeschossenen, um sicherzugehen.



»Sehr verehrte Damen und Herren«, palaverte Robert White durch den Stoff vor seinem Mund, »Ich heiße Sie herzlich willkommen in Nordnevada, oder

Whiteland

, wie ich es nenne. Behalten Sie Ihren Schmuck! Dies ist kein Raub, sondern Ihre Endstation. Bleiben Sie bitte sitzen, bis der Schaffner«, er stand neben dem toten Schaffner, den ein paar Kugeln gelöchert hatten, und schaute diesen schief an, »bis der Bahnsteig zum Aussteigen einlädt.«

 



Phil Hunter schloss wieder auf. Robert White befahl Charlie Mauve, er solle den Aufpasser im ersten Waggon mimen. Dann ging die Gruppe zum nächsten Waggon. Mit abnehmender Gegenwehr setzten sie die Inspektion des Zuges bis zum Ende fort, wo im Warenwaggon noch einmal ein paar Kugeln flogen, aber durch einen beherzten Schusswechsel alle Widersacher beseitigt werden konnten, ohne eigene Verluste.



Phil Hunter lief der Sabber im Mund zusammen, als er die Whiskey-Fässer taxierte. Er zog sein Halstuch ab und wischte sich über den Mund sowie durch den feuchten Bart. »Boss, das ist ein Silberschatz!«



»Nein!«, maßregelte Robert White, als Phil Hunter eines der Fässer anzapfen wollte. »Wir sind nicht hier, um uns zu besaufen.«



»Aber Boss«, insistierte Phil Hunter grantig, »ich habe ungeheuren Durst! Wir sind den halben Tag durch Bullenhitze geritten und haben Stunden unter der Sonne gewartet. Ich hörte schon die Schlangen zischeln.«



Robert White trat näher, hob seinen Revolver und ballerte Phil Hunter über den Haufen. Dann drehte er sich zu den anwesenden Banditen. »Will noch jemand ein Gelage feiern?«



Alle schüttelten die vermummten, hutbedeckten Köpfe.



Auf dem Rückweg vom letzten Warenwaggon über die Passagierwaggons bis vor zum Übergang zum Kohlewagen scheuchte Robert White jeden noch lebenden Insassen - Frauen, Männer, Kinder, Greise – hinaus, wo sie zusammengetrieben wurden. Nur eine Lady entging dem Viehtrieb, geschützt durch die gierigen, schmierigen Fittiche von Henry Gray, der sich sein Lamm ausgesucht hatte.



Wieder außerhalb schritt Robert White die Passagiere ab, die von den Gewehren der

Whiteman

, hoch zu Pferde, in Schach gehalten wurden. Saubere Kleidung, weiße Haut, erschrockene Blicke, manche mit dem Blut der Toten besprenkelt. Bei 3, 4 widerspenstigen Männern, denen der blanke Hass anzusehen war und die scheinbar einen Ausbruch vorbereiteten, verschenkte Robert White ein paar Patronen, damit die Geier, Kojoten und Schlangen etwas zu essen bekamen. Jeder Schuss wurde von weiblicher Hysterie begleitet. Seine Hand musste ein paar der Damen zur Besinnung schlagen.



»Dort entlang«, zeigte er nach Westen, »liegt Paradise City. Ich vermute, dass dies nicht das gewünschte Ziel ist, aber sehen Sie es als Chance für einen Neuanfang in geschätzten 50 Meilen.«



Als sich niemand bewegte, schoss er in die Luft. »Abmarsch!«, schrie er.



Die Menschen setzten sich furchtsam in Bewegung. Ein paar, vor allem die Alten, würden die Wanderung nicht überleben. Wie es eine Frau darauf ankommen ließ und sich weigerte, gar forderte, er solle sie gleich erschießen, ehe sie verdurste, verhungere, verbrenne oder ersticke, legte Robert White an und drückte skrupellos ab, woraufhin die Menschen schneller von dannen zogen, mit noch einem Maul weniger zu stopfen und noch einem Paar Füßen weniger, über die man stolpern konnte.



Vorm Waggon lag George Bone kaltschweißig, blasshäutig und schmerzvoll stöhnend. Er drückte auf die abdominale Schusswunde, deren Blut sich durch seine Finger mäanderte.



Frank Brown sah Robert White tadelnd an, der mit einer Hand eine Geste formte, die es untersagte, etwas zu sagen.



»Wo ist Phil?«, erkundigte sich Charlie Mauve, als alle

Whiteman

 aus dem Zug und alle Überlebenden auf dem Weg waren.



»Tot«, antwortete Robert White ungerührt und schaute den Fragenden warnend an. George Bone ließ er links liegen. »Brenn den Zug nieder«, raunte er Charlie Mauve zu.



»Wie?«, fragte dieser.



Robert White nickte nach hinten zum letzten Waggon. »Mit dem Whiskey.«



Teile der Bande hielten die Luft an. Sie blickten sich verdutzt an, als habe ihr Anführer soeben befohlen, über die Klippen in den Tod zu reiten, wie es die Rothäute einst taten, um große, aufgescheuchte, angelockte Bisonherden zu erlegen und unten im Canyon gefahrlos auszuweiden.



»Wieso?«, murmelte Frank Brown, der sich der vorherigen Gestik seines Bosses widersetzte und den Unmut der Anderen deutlich spürte.



»Als Signal für Paradise City. Wer sich mit mir anlegt, wird im Fegefeuer vergehen«, zwinkerte Robert White zur Bibel in Frank Browns schweißnassen Händen.



»Wer ist das?«, wollte Robert White von Henry Gray erfahren. Er zeigte auf die Frau mit den großen Brüsten, der einladenden Hüfte, dem jungen Gesicht, den sauberen, welligen Ha