The Outlaw

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Sari: The Outlaw #1
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Onkel Sam.



John kam eine Idee. Wenn Onkel Sam wirklich ein

Whiteman

 war, könnte der ihn zu Emma Mayor führen, entweder unter Zwang oder mit dem Versprechen, das Kopfgeld zu teilen: 20 Bucks für Onkel Sam. Und wenn John dann schon einmal bei den

Whiteman

 wäre, könnte er auch gleich Robert White einsacken und 1000 Bucks kassieren – eine Summe, für die er mindestens 3 Jahre auf Mayors Ranch arbeiten müsste, ohne einen Schluck Whiskey oder eine einzige Kaubohne zu konsumieren; eine Summe, für die er Mademoiselle Mallory aus der Sklaverei kaufen könnte.



»Du lächelst?«, holte Mademoiselle Mallory ihn zurück aus der Tagträumerei.



Er drehte sich zu ihr. Das Badewasser plätscherte. Er küsste sie.



»Du bist wahnsinnig!«, tadelte sie seine Pläne, nachdem sie den aufrichtigen Kuss genoss, und aufrichtig erwiderte.



»Tanz auf meinem Grab«, bat er sie.



Als er sich mit ihrer Hilfe getrocknet und angezogen hatte, stiefelte er hinunter, Ben Copper an einem der Würfelspieltische, im Whiskeysud, einen Gruß sendend, genauso wie dem Prediger Godfrey Parson, der ein paar Leichtgläubige mit Kartenspielertricks über den Tisch zog.



Draußen ging die Sonne langsam unter. An den Hausbalken hängende Petroleumlampen und getragene Exemplare ebensolcher beleuchteten die

First Street,

 samt umliegender Liegenschaften. Die Hitze wich allmählich, doch der aufgeheizte Boden gab noch viel Wärme ab.



John musste lediglich zum Gebäude neben dem Saloon. Dort befand sich die Unterkunft des

City Marshals

, samt Gefängnis im hinteren, von der Straße entfernten Trakt, kaum zugänglich von außen und fensterlos, lediglich mit kleinen Luftschlitzen im oberen Bereich versehen, dazu gemauert und nicht genagelt wie der Rest der Stadt.



Auf der Veranda saßen Porter Point und Dave Star, die sich eine Flasche Whiskey teilten. Der eine stierte gläsern in die Ferne; der andere grüßte unkoordiniert. Sie ließen den Gast anstandslos eintreten.



»John«, blickte Ed Five von einem Buch auf, genervt vom Besuch.



John schaute nach hinten, wo sich der miefige Gefängnistrakt anschloss. »Onkel Sam.«



Ed Five nickte auf Johns

Colt Thunderer

 vor dessen Brust. John nahm das Holster ab und legte es auf den Tisch des

City Marshals

, der ihm danach mit wirscher Gestik Durchgang gewährte.



»Howdy!«, hieß Sam White seinen Besucher aus der Dunkelheit der Kammer willkommen.



John sah sich um. Eine Handvoll Zellen, keine davon belegt, einzig Sam Whites vergitterter Mauerquader.

Paradise City

 bevorzugte den Galgen oder reinigte mit Blei, sofern es Verbrecher zu bestrafen galt. Friedensrichter Allan Sin hatte weder Lust noch Zeit auf faire oder lange Verhandlungen in seinem Saloon oder gar gesetzeskonforme Verurteilungen, schließlich musste er die durstige Kundschaft versorgen, und die Gesetze machten Sherman Mayor und, mit weniger Anteil, Ed Five. Eine einsame Petroleumlampe im Gang versorgte die abgeschlossenen Bereiche mit schattigem, schwachem Licht.



»Emma für deine Freiheit«, bot John leise an.



»Wer ist Emma?«, stichelte Sam White. Er trat an die Gitter heran. Karges Licht fiel auf sein schiefes Grinsen, das den Besucher verwünschte. Er schnippte gegen die Gitterstäbe, wonach sich der erzeugte Hall mehrfach brach. »Wie?«



»Mit dem Schlüssel«, konterte John.



Sam White lachte. »Und dann soll ich dir das Mädchen überlassen? Soll ich sie dir auf Porzellan servieren?«



»Führe mich zu ihr.«



Wieder ein Lacher. »Kannst du Dung nicht von Honig unterscheiden? Die White Horses nieten dich um, wenn du sie holen kommst.«



»Du bist Sam White«, sagte John unvermittelt.



Der Angesprochene stutzte irritiert.



»Der Bruder von Robert White«, setzte John fort. »Er wird sich sicherlich freuen, sein Geschwisterchen wiederzusehen, wenn er schon seinen Laufburschen verloren hat.«



Sam White musterte John vorsichtig. »Will war nicht sein Laufbursche.« Gleich darauf verzog er das Gesicht. Da hatte er zu viel geplappert.



»Das wäre geklärt«, murmelte John. »Entweder Emma oder der Galgen.«



»Warum sollten sie mich hängen?«, wunderte sich Sam White, sich in Sicherheit wiegend.



John zeigte auf sich, um zu sagen, dass

er

 ihn hängen würde.



Sam White kicherte. »Dann wirst du auch gehängt. Ohne einen Richterspruch wärest du dann nämlich ein Mörder.«



»Das bin ich schon«, erinnerte John, in Anspielung auf William Emerald, »aber siehst du mich in Ketten?«



Sam White wurde ernst. Er versuchte, nach vorn zum

City Marshal

 zu blicken, den engen Gang entlang, einige Yards Wegstrecke. »Woher weißt du, wer ich bin?«, wisperte er hibbelig.



John tippte an seine Schläfe, die unter der Hutkrempe Licht aufsog. »Ich kenne die Bösen.«



»Wüsste es der Marshal, wäre der Sheriff schon auf dem Weg«, zweifelte Sam White an der Streuung der heiklen Information.



John ergänzte: »Morgen früh hole ich dich, entweder um dich zum Galgen zu bringen oder um dir ins Grenzland zu folgen.«



»Soll mich Paradise City oder mein Bruder lynchen?«, sah Sam White keinen günstigen Ausweg bei den Optionen.



John zuckte mit den Schultern und ging zurück zum

City Marshal

, wo er sich seinen

Colt Thunderer

 samt Holster nahm.



»Genug geturtelt?«, fragte Ed Five im Buch vertieft, mit den Stiefeln auf dem Tisch.



Plötzlich donnerten Schüsse auf der

First Street

. Ed Five sprang auf, nahm sich sein Gewehr und rannte geduckt zum Fenster. Auch John bückte sich und zog seinen

Colt Thunderer

.



Weitere Schüsse hallten. Einschläge schlugen durch Wände, Tür und Fenster. Porter Point kroch herein.



»Verdammte Scheiße!«, schrie er und feuerte in die schummerige Dunkelheit hinaus.



»Was soll der Mist?«, rief Ed Five.



»Die haben Dave erwischt«, antwortete Porter Point, als er sich eine Deckung suchte. »Es ist der andere Kerl«, nickte er nach hinten zum Insassen. »Der Whiteman.«



Neue Schüsse erschwerten die Kommunikation. Dazu hallten lallende Rufe von der Straße, man solle den Gefangenen herausrücken. Gelächter. Stiefelsporen, die über den Boden surrten. Flaschen, die zerbrachen. Eine Sause nach der Jause.



»Sind es die White Horses?«, fragte Ed Five erschrocken.



»Nein«, beruhigte Porter Point. »Nur der eine. Anscheinend hat der ein paar Dummköpfe angeheuert.«



»Und Dave?«



Porter Point schüttelte den Kopf.



Ed Five schaute zu John, dann nach hinten, wo der Geforderte einsaß, dann zu den Einschusslöchern, durch die Patronenrauch von draußen hereinwaberte.



»John«, sagte er, »willst du mein neuer Deputy sein?«



John sah ihn skeptisch an. Daraufhin stand er auf, nahm widerstandslos den Zellenschlüssel, ging zu Sam White, sperrte ihm auf, erlöste ihn von den Fußfesseln, schubste ihn nach vorn zum Büro, steckte ihm seine Waffe in den Hosenbund, wickelte ihm sein Holster um und drängte ihn zur Tür, vor sich, wie ein Schutzschild.



»Du bist ein Neger im Holzhaufen«, konnte Sam White nicht glauben, was ihm widerfuhr, und welcher Holzkopf es ermöglichte.



»Was soll das?«, echauffierte sich Ed Five.



»Ich rette uns den Wazoo!«, sagte John.



Sam White grinste, obwohl er noch mit den Händen gefesselt war und John ihn wie Vieh vor sich hertrieb.



Als John ihn durch die Tür schubste, stoppte der Beschuss. Die 3 Männer warteten und hofften, dass man sie weder ausräucherte noch durchlöcherte. Schließlich kehrte Ruhe ein. Das Gelächter entfernte sich. Pferdehufe trappelten davon. Zwar drang der Geruch von brennendem Petroleum herein, aber nur, weil die Beleuchtung heruntergeschossen worden war. Kleine Brandpfützen loderten auf der

First Street

 und auf der schutzlasierten Veranda des Gebäudes des

City Marshals

.



»Boss«, begann Porter Point, »erst wolltest du keinen Whiteman hier haben und dann willst du einen mit deinem Leben verteidigen?« Er rappelte sich auf.



Ed Five wischte sich den Holzdreck und Pulverstaub von der Kleidung, den Schweiß von der Stirn und Rotze aus dem Schnauzbart. »Er diente unserem Schutz«, nörgelte er.



Porter Point zeigte widerlegend auf die Einschusslöcher.



»Jetzt haben wir nichts mehr, womit wir handeln können«, stöhnte Ed Five. »Wenn sie kommen, wird uns nicht einmal die weiße Flagge schützen. Sie werden alles niederreiten.«



Er ging zur Tür, öffnete sie und inspizierte den toten Körper von Dave Star, perforiert von dutzenden Kugeln. Die zerschossene Whiskeyflasche hatte ihren Inhalt um ihn herum rieseln lassen.



»Ich bin im Heaven Hell«, sagte er verdrießlich.



»Sollten wir nicht einen klaren Kopf bewahren?«, fragte Porter Point, selbst noch blau.



»Ich muss telefonieren«, klärte Ed Five auf und nickte zu Dave Star. »Sein Vater wird nicht erfreut sein.«



Porter Point wusste, wovon der

City


Marshal

 sprach. »Er wird kommen.«



»Ja. Und wir werden dann gehen.« Ed Five ging.



Porter Point blinzelte zu John, der am Fenster ausharrte und in die junge Nacht schaute. »

Du

 bist das Problem!«



John erwiderte den giftigen Augenkontakt. »Soweit ich weiß, war

ich

 die Lösung.«



»Du bringst die White Horses in unser Städtchen. Ich sollte dich auf der Stelle erschießen.« Er richtete seinen Revolver auf ihn.



John, immer wieder aus dem Fenster spähend, hob locker den Finger. »Ihr braucht jeden Mann.«



Porter Point knurrte. »Du bist eine Schabe, kein Mann! Man sollte dich zertreten.«



»Ja«, gestand John freimütig. »Aber noch bin ich hier. Bald werde ich weg sein. Bis dahin kannst du dich über meinen Witwenmacher freuen.« Er tippte erst auf seinen

Colt Thunderer

 und nickte danach auf den Revolver des

Deputys

. »Bevor du einem Revolvermann drohst, solltest du dir sicher sein, dass du noch Patronen in der Trommel hast.«

 



Porter Point stockte, lugte zu seinem 6-Schüsser und erinnerte sich, dass er 5 Schuss abgegeben hatte, um sich ins Gebäude zu retten. »Für dich habe ich noch eine.«



John negierte wissend. »Gesetzeshüter lassen die Kammer am Bolzen frei, um sich nicht aus Versehen die Eier zu tranchieren.« Er zog seinen

Colt Thunderer

. »Gesetzlose laden die Kammern voll.«



Der

Deputy

 senkte seinen Revolver. »Ich werde dich höchstpersönlich hängen!«



»Wenn ich hier fertig bin, kannst du alles mit mir machen.«



John schritt hinaus, salutierte still dem Toten, achtete darauf, nicht auf den Whiskeypfützen und Blutlachen auszurutschen oder in die fackelnden Reste der Petroleumlampen zu latschen, trank den Restschluck Whiskey aus dem abgebrochenen Flaschenboden und folgte mit Abstand dem Tross pöbelnder Reiter, in deren Mitte 2 weiße Pferde ritten.



Immer wieder musste John sich abstützen. Das Korsett saß fest, doch der Schmerz und der eingeschränkte Atemraum behinderten ihn. So schleppte er sich durch die halbe Kleinstadt, die man fußläufig in ein paar Minuten durchschreiten konnte, samt aller namenlosen Nebengassen. Eine neue Kaubohne linderte den Schmerz, trübte aber seinen Geist. Als der Tross vor der Kirche, nahe den Gleisen, haltmachte, die Pferde anband und offensichtlich die Nacht dort verbringen wollte, brach John, im Schatten der Petroleumlampen, ein paar Yards entfernt, zusammen und sackte an einer Hauswand herab.





Die Farm






»Man kann Ärger nicht vom Besuch abhalten,



aber man muss ja keinen Stuhl anbieten.«




*aus

Wild West Whim-Wham

, New York City, 1888






Die Farm




Sam White wurde vom Quietschen und Rattern eines Zuges geweckt. Auch Ben Copper und die angeheuerten Trunkenbolde, die den Aufstand geprobt hatten, streckten und reckten sich. Sie hatten sich auf Stroh und Decken gebettet, in der Kirche, zwischen Holzbänken und Holzkreuz. Es stank bestialisch nach Mann, Urin, Kotze und Whiskey. Aber das schien keinen zu stören.



Sam White ging nach draußen. Als er gähnend gegen die Kirchwand pisste, wurde er angesprochen.



»Gott zum Gruße!«



Sam White leerte seinen Sack und drehte sich um. »Howdy!« Auch sein Gemächt grüßte kurz, ehe es in der Hose verschwand.



Vor ihm standen 3 Männer: ein gut gekleideter Geschäftsmann mit hohem Zylinder und makellosem Pinguinfrack, ein Neger und ein Mexikaner. Der Neger trug keinen Hut, aber was sollte er sich schon verbrennen, bei dem verkohlten Schädel? Dafür schulterte er eine Schrotflinte wie eine Hacke. Der Mexikaner versteckte sich unter einem großen Sombrero und trug bunt gemusterte Kleidung, die so gar nicht seiner starren, strengen Miene entsprach. 2 Revolver mit langen Läufen hingen jeweils an den Seiten seiner Hüfte.



Vom Bahnhof kamen einige Fremde gelaufen. Teure Kleidung, aber dreckig. Kein Gepäck. Übermüdet, verstört, gekrümmt. Sie schienen orientierungslos zu sein, suchten nach Unterkunft und Hilfe. Einige freuten sich über das tropfende Wassersilo, an dem sich vergingen, ungeachtet der Tatsache, dass das abgestandene und von der Sonne erwärmte Wasser Nährboden für unzählige Keime darstellte und eigentlich abgekocht hätte werden müssen, außer beim Einsatz durch die kleine Feuerwehrabteilung als Löschwasser bei Bränden.



»Mein Name ist Jeffrey Steam, Eisenbahnscout der Pacific Salt Lake Railroad Company«, stellte sich der vornehme Herr vor. »Das sind Fred Gamble«, zeigte er auf den Neger, »und Charro de Fierro«, endete er mit dem Mexikaner. »Sind Sie der Prediger?« Er inspizierte den

Whiteman

 hochnäsig.



Sam White schmunzelte. »Klar. Soll ich euch die Beichte abnehmen, Yankees?«



Charro de Fierro grunzte warnend. Fred Gamble legte einen Finger an den Abzug der Schrotflinte, ohne das Ding anzulegen.



Jeffrey Steam lächelte überlegen. »Vielen Dank, Prediger, aber wir sind nur hier, um die Gleise freizubekommen«, deutete er mit einem Nicken auf die Gleise, die hinter der Kirche zum Bahnhof und dann weiter nach Osten, wo eine Rauchsäule noch immer gen Himmel wanderte, und Westen, nach Elk Town und schließlich Sacramento, führten. »Es gab wohl ein Unglück. Wir kommen gerade von der Unglücksstelle. Ein paar der Leute könnten göttlichen Beistand gebrauchen. Und ein Dutzend Menschen müssten beigesetzt werden. Haben Sie von dem Unglück gehört?«



»Gee schwieg«, witzelte Sam White und bekreuzigte sich falsch, was er letztlich abbrach und händisch verwarf.



»Dann müssen wir uns weiter durchfragen«, resümierte Jeffrey Steam unbeirrt. »Sind die Menschen von«, er suchte nach einem Namen.



»Paradise City«, half Fred Gamble.



»Paradise City am Beten?«, nickte Jeffrey Steam zur Kirche.



Sam White grinste höhnisch. »Sie können ja mal schauen.« Dabei hüpften seine Augenbrauen.



Mit den Augen schickte Jeffrey Steam seinen Neger zum Eingang, wo dieser einen Blick in die Waschbärenhöhle warf. Seine geschulterte Schrotflinte verhinderte, dass er von ausnüchternden Raufbolden über den Haufen geschossen wurde. Fred Gamble gab zu verstehen, hier wäre nichts zu holen.



»Wie heißt der Marshal dieser Stadt?«, erkundigte sich Jeffrey Steam weiter.



Sam Whites Schultern hüpften.



»Mr. Steam!«, rief Fred Gamble, noch ein paar Yards vom Schutzbefohlenen. Der Gerufene wandte sich zur Seite und folgte den Zeichen, die ihn zu den Pferden führten, wovon 2 reinweiß leuchteten. Alarmierte Augenpaare trafen sich.



»Nun denn«, schloss Jeffrey Steam zügig und schob sich hinter Charro de Fierro, sodass dieser zwischen Rowdy und Roadie stand, nicht überrascht, sondern kampfbereit. »Einen schönen Tag noch.«



»Den werde ich haben«, sagte Sam White.



Geschützt durch den Mexikaner, und ein paar Sekunden später auch durch den Neger, verließ Jeffrey Steam die

Church Street,

ignorierte die lückenhafte

 Second Street

 und enterte die

First Street

, wo er sich in den Strom der Gestrandeten einfädelte, auf der Suche nach Informationen.



Ben Copper trat an Sam White heran. »Wer war der Yankee?«



»Jemand, der sich um den Fahrplan sorgt.«



Beide schauten zur Rauchsäule im Osten. Anschließend zu den Neuankömmlingen, die sie schon einmal gesehen hatten – frischer, vitaler.



»Wir sollten los«, empfahl Ben Copper, der auch die Retourkutsche des

City Marshals

 fürchtete. »Nehmen wir die Puddingköpfe mit?«, deutete er in die Kirche, wo noch ein paar Männer ihren Rausch ausschliefen.



»Du kennst meinen Bruder«, überlegte Sam White. »Erst wird er die Puddingköpfe kaltmachen und dann uns, weil wir Puddingköpfe zur Farm schleppen.«



»Du bist doch eh aus dem Schneider«, sagte Ben Copper, die Familienbande herausstellend.



»Auch ich darf mir nicht alles erlauben«, entgegnete Sam White. »Was hast du denen geboten?«, nickte er abfällig ins Gotteshaus.



»10 Bucks.«



»Zusammen?«



»Jeder«, senkte Ben Copper das Haupt und schnaubte.



Sam White funkelte ihn niederträchtig an. »Du Holzkopf! Keinen Deut besser als die da drinnen. Los, lass uns verduften!«



Sie rannten zu den Pferden, kappten die Halteseile der anderen Pferde, scheuchten sie fort, sprangen auf ihre weißen Rösser und gaben ihnen die Sporen, heraus aus der Stadt, der Sonne entgegen, hinein ins Niemandsland.




Mitten in der Stadt entbrannte derweil ein Streit. Im Büro des

City Marshals

 - einer Baracke mit Holzmöbeln, Termiten und dem angehängten, gemauerten Knast – gifteten sich 2 Parteien an: Bürgermeister Sherman Mayor und Claire Taylor auf der einen Seite;

City Marshal

 Ed Five und Godfrey Parson auf der anderen Seite. Porter Point stand dazwischen, wagte aber nicht, Partei zu ergreifen. John lag auf einer Liege und wurde von Claire Taylor gekühlt und gesalbt. Er war festgekettet, entwaffnet und halb nackt.



»Hängt ihn!«, forderte Godfrey Parson, John verteufelnd. »Er brachte diese Seuche. Sie belagern sogar meine Kirche!«



»Das hat der Friedensrichter zu entscheiden«, versuchte Sherman Mayor zu beruhigen.



»Dann bringen wir ihn rüber!«, zeigte Ed Five nach nebenan, wo der Saloon

Heaven Hell

 auch gleichzeitig als Gerichtsgebäude fungierte und sich Schankwirt Allan Sin ehrenamtlich als Friedensrichter verdingte. Porter Point stimmte zu, böse Blicke von Claire Taylor erntend, die ihn dazu veranlassten, die Klappe zu halten.



»Jesses Crickets! Er weiß, wo Emma ist«, warf Sherman Mayor schäumend ein.



»Das macht ihn nicht zum Heiligen!«, erwiderte Godfrey Parson.



Des Bürgermeisters Blick tangierte den Prediger auf eine besondere Weise, als wollte er ihm einen Wink geben, eine Erinnerung, eine nötige Erleuchtung. Kutte und Kilt und Alkoholfahne nahmen sich zurück, bekreuzigten sich, schlossen die Augen, beteten.



»Er wird sowieso sterben«, gab Porter Point seinen Senf dazu. Claire Taylors Augen hefteten sich auf ihn. Er konnte ihren Blick nicht erwidern, sondern starrte zu Boden, die Lippen aufeinandergepresst.



»Einen wunderschönen guten Tag, die Gentlemen«, rief Jeffrey Steam in den Raum und verneigte sich vor Claire Taylor, »und die Lady.«



Alle drehten sich zu dem Gespann aus Geschäftsmann, Neger und Mexikaner.



»Mein Name ist Jeffrey Steam, Eisenbahnscout der Pacific Salt Lake Rail-«



»Was wollen Sie?«, unterbrach Sherman Mayor gallig.



»-road Company«, vervollständige Jeffrey Steam in schnellerer Taktung. »Das sind Fred Gamble und Charro de Fierro. Haben Sie von dem Unglück gehört?« Er inspizierte die Einschusslöcher, die die Sonnenstrahlen ungefiltert hereinbaten.



»Ja«, spuckte Sherman Mayor, »meine Emma ist weg und Paradise City hat ein Banditenproblem. Wenn Sie meinen Engel nicht als blinden Passagier aufgegriffen oder diese Gaulgauner überfahren haben, wüsste ich nicht, was Sie hier suchen.« Seine verächtlichen Blicke trafen vor allem die beiden Gefährten.



»Nein, ich meinte das Zugunglück etwa 50 Meilen östlich von hier«, verbesserte Jeffrey Steam verhandlungssicher.



»Was reden Sie da?«, meckerte Sherman Mayor.



»Schauen Sie aus dem Fenster«, zeigte Jeffrey Steam zu selbigem.



Der Bürgermeister, der

City Marshal

, der

Deputy

 und der Prediger kamen dem nach.



»Um Gottes willen!«, hauchte Godfrey Parson beim Anblick der vielen fremden Neuankömmlinge und des dunklen Rauches, der sich zum Himmel hin wulstig auffächerte und in den höheren Sphären allmählich verblasste.



»Paiute?«, fragte Ed Five aufgeschreckt. Seine Hand langte automatisch an den Revolver im Holster, auch wenn kein Gefecht bevorstand.



»Nein. Ein Zug der Pacific Salt Lake Railroad Company auf dem Weg nach Sacramento. Er wurde überfallen und in Brand gesteckt«, erklärte Jeffrey Steam nasal. »Die Gleise sind blockiert. Die nördliche Ost-West-Verbindung ist dadurch gekappt. Ein enormer Wettbewerbsnachteil gegenüber der South Western Railway Limited weiter im Süden, die sich nicht mit den White Horses herumschlagen muss.«



»Die White Horses?« Ed Fives Gesicht gefror.



»Unsinn!«, winkte Sherman Mayor ab. »Die Gleise sind außerhalb von Whiteland.«



City Marshal

 und

Deputy City Marshal

 schauten ihn entsetzt an. »Allein die Verwendung dieses Begriffs ist verboten«, sagte Ed Five.



Sherman Mayor öffnete die Hände. »Welchen Namen soll ich sonst verwenden? Doppel-U-Tal? Schweinebucht oder Bienenstock?«



»Reiten Sie sich lieber nicht noch weiter rein, Bürgermeister«, warnte Ed Five und nickte zu den leeren Zellen: »Für Sie haben wir immer einen Platz frei.«



»Ist Ihnen der fehlende Nachschub an Whiskey noch nicht aufgefallen?«, fragte Jeffrey Steam. »Ein Teil der Ladung war für«, er suchte wieder nach dem Namen dieser unbedeutenden Stadt.



»Paradise City«, half Fred Gamble erneut.



»Hier gedacht. Jetzt schmilzt das Zeug Zug und Schienen und wird uns um Tage zurückwerfen.«



»Und Sie sind hier, um uns zu sagen, dass wir unsere Waren wieder selbst abholen sollen?«, brummte Sherman Mayor. »Mit meinen Bisons vor den Kutschen.« Seine Hände rieben aneinander.

 



»Nein, ich bin hier, um die Strecke zu sichern«, widersprach Jeffrey Steam.



»Mit welcher Armee?«, fragte Ed Five kritisch.



Jeffrey Steams Daumen zeigten auf seine beiden Begleiter. »Ich hoffe auf Ihre Gastfreundschaft und Unterstützung.«



»Wie sollen wir unterstützen?«, gellte Sherman Mayor.



»Lassen Sie uns in Ruhe arbeiten. Wir benötigen freien Zugang zu allen wichtigen Geschäften und könnten ein paar Lasttiere gebrauchen.«



Sherman Mayor taxierte den Neger und den Mexikaner. »Ich kann Ihnen hundert Lasttiere anbieten, aber für Ihren Coon und Ihren Bohnenfresser werden wir hier die Gesetze nicht ändern.«



Ed Five stimmte dem mimisch zu.



Jeffrey Steam lächelte siegessicher. »Und was ist mit den hundert Chinesen, die bald hier eintreffen, um die Strecke frei zu räumen und instand zu setzen?«



»Gesetz ist Gesetz«, schmetterte Ed Five durch seinen Schnauzbart ab.



Der Scout trat einen Schritt heran. »Dann eröffnen wir unsere eigenen Geschäfte.«



»Nur zu«, wedelte Sherman Mayor mit dem Arm und zeigte herabwürdigend hinter sich, wo in Wurfweite die

Second Street

 dahingammelte. »In der Second Street gibt es ein paar leere Häuser. Dort können Sie Ihre Räucherhöhlen reinpacken, oder sie gleich im Dead Creek vergraben.«



Ed Five sah zum Bürgermeister – schockiert. »Unsere Gesetze gelten auch auf der anderen Straßenseite«, sagte er ungerichtet in den Raum, obwohl er das gern dem Ortsvorsteher direkt an den Kopf geknallt hätte.



»Und wenn wir den Saloon nicht

Saloon

 nennen, sondern«, Jeffrey Steam überlegte.



»

Stall

«, warf Fred Gamble ein.



Porter Point verkniff sich ein Gurgeln. Godfrey Parson sprach heimlich zum Herrgott. Ed Five verschluckte sich an seinem Speichel. Sherman Mayor lachte, wodurch John erwachte.



»Meinetwegen«, jauchzte der Bürgermeister.



»Keine Waffen auf der Straße und Probleme müsst ihr selbst lösen«, ergänzte Ed Five.



»In Ordnung«, schlug Jeffrey Steam ohne Handschlag ein. »Sie werden uns weder sehen noch hören, und irgendwann fahren unsere Züge wieder vorbei an diesem weißen Fleck und unsere …

Ställe

 … werden aus dem Schlamm herausragen.«



Jeffrey Steam und Gefolge gingen.



»Zur Hölle, was war das denn?«, fragte Porter Point, als die Fremden gegangen waren.



Godfrey Parson sah ihn wegen des Ausdrucks wirsch an.



»Fliegen, die Scheiße riechen«, zeterte Ed Five. Er widmete sich John und zeigte hinaus zum schwarzen Rauch, meilenweit weg: »Weißt du was darüber?«



John schüttelte den Kopf.



Der

City Marshal

 gab seinem

Deputy

 ein Signal, woraufhin dieser John von den Handschellen befreite.



»Bring ihn raus hier«, schickte Ed Five Claire Taylor samt John hinaus.



Sie stützte den Verletzten und nahm seine Waffe beim Gehen mit.



»Sollte Ihr neuer Deputy nicht hierbleiben?«, frotzelte Sherman Mayor.



»Noch entscheide ich, wer hier Deputy ist, und wer nicht«, konterte Ed Five.



»Und die Verurteilung?«, wollte Godfrey Parson erzürnt wissen.



»Aufgeschoben«, winkte Sherman Mayor zufrieden ab.



Ed Five winkte nur ab.



Grantig verließ Godfrey Parson das Büro noch vor Claire Taylor, die mit dem hinkenden John kaum Yards machte. Beim Passieren von John flüsterte der Prediger lateinische Flüche, eindeutig gegen ihn gerichtet.



Nach einem schweren Gang über die

First Street

 erreichten Claire Taylor und John das Textilgeschäft. Sofort brachte sie ihn nach hinten, um ihn erneut zu versorgen. Die Wunde war wieder aufgerissen. Tinktur und Kauterisation folgten.



»Idiot!«, schimpfte sie.



John sah sie stumm an.



»Du wärst da drüben fast verreckt.«



»Danke«, stöhnte er.



»Dank nicht mir, dank Porter. Er holte mich, als sie dich gegenüber der Kirche fanden. Frag mich nicht, warum er das tat. Vielleicht wollte er heute nur

einen

 Toten begraben.«



Sie pflegte ihn eine Weile, ohne ein Wort zu sagen.



»Hast du Sam gesehen?«, fragte sie schließlich.



»Sam?«, spielte John den Unwissenden.



Claire Taylor schnaufte laut aus. »Onkel Sam.«



John mimte weiter den Dummen.



Sie ballte die Fäuste und knurrte: »Sam White.«



»Bei der Kirche. Ein Whiteman? Carl nennt ihn

Onkel

?« John hatte Probleme, zu sprechen, aber er tat es trotzdem. Heiser. Leise. Langsam.



»Ich erzähle dir die Geschichte, wenn du wieder auf den Beinen bist.«



John wollte aufstehen, aber Claire Taylor hinderte ihn erfolgreich daran. Er forderte die Geschichte fazial.



Sie seufzte. »Vor vielen Jahren gab es einen Kontakt zu den Whiteman. Seither werden wir regelmäßig heimgesucht. Ich kann es weder ändern noch verhindern noch dir alles erzählen, ohne Carl zu gefährden.«



John nickte verständnisvoll.



Milton Smith kam herein, noch mit der Schürze des Schmiedes an. »Schon wieder?« Seine Mimik verzog sich ins Negative. Er legte ein paar Eisenplatten ab.



»Er wird es überleben«, sagte Claire Taylor. »Was ist das?«, nickte sie zu den Platten.



»Johns Rüstung.« Er sortierte die flachen, handgeschmiedeten Prototypen. »Du musst die Dinger in seine Kleidung einnähen. Achte darauf, dass die Gelenke frei und beweglich bleiben.«



Claire Taylor wog eine der Platten ab und prüfte deren Dicke. »Damit wird er zu schwer.«



Milton Smith schaute sie besorgt an. »Wie ich hörte, ist er die Zielscheibe. Je mehr an ihm abprallt, desto länger wird er überleben. Sein Hengst wird ihn keine 100 Meilen mehr tragen können und er sollte den Faustkampf meiden, aber die Kugeln der Bösen können ihn erst einmal nicht mehr töten.«



»Er ist verletzt«, stöhnte Claire Taylor bedrückt. »Wie soll er das Zusatzgewicht austarieren? Er wird nicht flüchten oder sich schnell ducken können. Er wird eine ungelenke Statue sein, zum Abschuss freigegeben.«



»Tu es«, insistierte John und fügte hinzu: »Bitte.«



Dann trudelte er in den Schlaf.



Als er erwachte, lagen umgenähte Kleidungsstücke neben ihm - dicker, härter, gepolstert.



Er schaute sich um.



Allein.



Vorsichtig hievte er sich in die Sitzposition. Sofort drehte sich alles. Er schloss die Augen. Schmerzblitze jagten durch seinen Rücken. In einer seiner Taschen fand er die Kaubohnen. Eines der schwarzen Allheilmittel verschwand in seinem Mund. Umgehend minderten sich die Unannehmlichkeiten. Er stand langsam auf, hangelte sich zu den Krügen und suchte nach Flüssigkeit. Bier, Whiskey, Adams Ale, Pferdepisse. Egal, er schüttete alles, was er fand, in sich hinein. Mit erweckten Lebensgeistern begann er, sich anzuziehen. Erst das Eisenkorsett, das seine Wunde verdichtete. Dann die neue, schwere Kleidung, die metallisch hallte, als er sie anzog und sie dabei aneinanderstieß. Bei den Stiefeln musste er keuchen. Der Winkel drückte auf seine Verletzung. Noch Holster und Hut.



»John, was, zum Teufel, machst du?«, kam Claire Taylor herein.



»Emma«, raunte er.



»Scheiß auf Emma!«, fluchte sie. »Du brauchst ein paar Tage, um nicht bei den Schlangen zu landen.«



Er stieß sie weg, als sie ihn zurück auf die Liege drängen wollte.



»Hast du gesoffen?«, roch sie seinen Atem.



Er zeigte beiläufig auf die leeren Krüge.



»Du bist ein verdammter Idiot! Ich gebe dir Schmerzsaft und du erhöhst die Dosis mit Fusel. Keine Ahnung, ob du daran krepierst«, schlug sie die Hände überm Kopf zusammen.



»Mach dir keine Sorgen«, nuschelte er und ging schwerfällig – Verletzung und Rüstung – durch die Seitentür hinüber zu Milton Smiths Werkstatt. Claire Taylor folgte ihm zerknirscht, immer bereit, ihn aufzufangen oder es zu versuchen.



Milton Smith und Carl Taylor befanden sich in der geräumigen Werkstatt, wo sie sich um Johns

Percheron

 kümmerten. Vor allem der Junge hatte sehr viel Freude an der Pflege des seltenen, schönen, großen, schwarzen Tieres.



»Was macht

er

 hier?«, fragte Milton Smith seine Tochter, die nur mit dem Kopf schütteln konnte und die Arme machtlos ausbreitete. Er studierte Johns Kleidung und die Lage der Eisenplatten. »Zumindest die Rüstung ist bereit.«



»Nein«, beschwerte sich Claire Taylor,