The Outlaw

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Sari: The Outlaw #1
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»Und wieso pisst mir dieser beschissene Rancher in meine Suppe?«



»Emma.«



Robert White stutzte. »Emma? Diese kleine Hure von William?«



»Ja.« Claire Taylor rollte sich zum Schutz ein und suhlte sich im Schmutz, vor Schmerz. »Mayors Tochter.«



Robert White grunzte gefährlich. Seine Zähne klackerten aufeinander. Seine Nase rümpfte sich. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Doch plötzlich begann er zu lachen. Laut. Ausgelassen. Krankhaft. Im Wahn.



Claire Taylor robbte sich ein paar Inches weg. Sie rechnete mit ihrem Tod, wollte sich irrtümlicherweise mit ihren Armen vor den Kugeln abschotten.



»Fabelhaft!«, schallte er. »Da hat William doch tatsächlich die Tochter vom Bürgermeister gebumst. Was für ein schlimmer Finger.« Sein Gelächter hallte im Umkreis. »Und jetzt liegt er bei den Schlangen und frisst Dreck wie eine verkappte Sau.« Sein Ton wandelte sich wieder ins Gallige. Er sprang auf Claire Taylor zu, griff ihre Haare und hievte sie hoch.



»Komm, meine Hübsche! Es wird Zeit, dass die Familie wieder vereint wird. In Whiteland wird Carl lernen, wie man Schweine ausweidet.«



Auf halbem Wege zurück zum Textilgeschäft, stellte sich ihnen Porter Point in den Weg. »Alles okay, Claire?«, fragte er besorgt, den einäugigen Fremden ohne Schnauzbart taxierend.



Robert White kniff fester zu.



Claire Taylor jammerte auf.



»Ja«, antwortete sie schnell.



Aber Porter Point ließ sich nicht abwimmeln. »Wer ist das, Claire?« Seine Augen fixierten den Mann, versuchten, unter den Schatten der Hutkrempe zu blicken.



»Sprechen Sie immer mit dem Weibe, wenn der Herr danebensteht, Marshal?«, knurrte Robert White.



»Deputy Marshal«, korrigierte Porter Point.



»Das ist respektlos!«, setzte Robert White fort.



Porter Point studierte die Zwangslage. »Es ist ebenso respektlos, eine Lady am Schopfe durch die Stadt zu führen.«



Robert White ließ los. Nicht aus Gnade, sondern aus Kampfeswille. Umgehend trat Claire Taylor ein paar Schritte von ihm weg.



»Was wollen Sie jetzt machen, Deputy?«, fragte Robert White kompromittierend. »10 Pins oder 52 Karten?«



»Nichts von alledem! Sie werden sich bei der Lady entschuldigen und von dannen ziehen.«



Robert White lachte verächtlich. »Haltet ihr so die Schurken fern? Mit Gefasel?«



»Sind Sie ein Schurke?«, Porter Point sah genauer hin, konnte aber keinen bekannten Verbrecher erkennen. Er gab Claire Taylor ein Zeichen, dass sie sich hinter ihn stellen sollte. Er bemerkte ihre abnormale Handhaltung. Unverzüglich legte er die Hand an den Revolver.



Die Menschen rundherum machten bereits Platz, denn ein Duell schien greifbar zu sein. Aus dem Büro des

City Marshals

 traten 4 Männer, alle mit Stern – einer mit 5, drei mit 6 Zacken.



»Porter«, rief Ed Five, der mit dem 5-Zack-Stern, »gibt es ein Problem?«



»Gibt es ein Problem?«, stimmte Robert White leiser ein, nur für Porter Point gedacht.



Ed Five kam heran, mit einer Fackel in der Hand. »Die Zellen sind mit den Trunkenbolden aus der Kirche gefüllt«, erinnerte er im Geheimen den

Deputy

, dass weiterer Ärger entweder mit Kugeln oder dem Galgen gelöst werden müsste. »Warte noch die Verhandlungen ab, damit die Zellen geleert werden, ehe du wieder die Ehre von Frauen verteidigst.«



Der

City Marshal

 wandte sich an Robert White und hielt die Fackel hoch, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen. »Woher stammt die Verletzung?«, deutete er auf das vernarbte Auge im Schatten der Hutkrempe.



»Aus dem Krieg«, antwortete Robert White.



»Nord oder Süd?«, wollte Ed Five wissen.



Robert White grinste düster. »Deo Vindice.«



Ed Five winkte kopfschüttelnd ab. »Gehen Sie Einen trinken oder nehmen Sie die Treppen nach oben«, zeigte er zum Saloon, wo im ersten Stock die dunklen Vorhänge Blicke und Geräusche voneinander trennten, und schickte den Rüpel weg, der mit grimmigem Blick gen Claire Taylor das Feld räumte.



Vorm

Heaven Hell

 fing Frank Brown den Boss ab. »Stunk?«, nickte er ein paar Yards weiter, wo sich ein paar Sternenträger versammelten.



»Du kennst mich ja«, zwinkerte Robert White.



»Ich sehe kein totes Fleisch«, erwiderte Frank Brown.



»Kommt noch.« Er schaute sich um. »Trommel alle zusammen.«



»Die Jungs sind müde und«, er blinzelte zur Doppelschwungtür, »teilweise betrunken.«



»Die Nacht spielt uns in die Karten«, sagte Robert White und betrat den Saloon.



Sägespäne klebten sofort an seinen Stiefelsohlen. Der Gestank von Urin und Mundfäule hüllte ihn ein. Whiskeydunst, züchtige Animiermädchen, Kartentricks, Würfelspiele und Tastenklimperei nahmen ihn gefangen. Er verhöhnte heimlich die US-Flagge überm Tresen, grüßte jedoch 11 der 38 Sterne.



Tom Black saß am Pokertisch, zuckte, zitterte, zeterte. Zusammen mit dem Prediger Godfrey Parson, der mit gespreizten Beinen und offenherzigem Kilt seiner Kutte keine Ehre erwies. Außerdem war noch ein fies blickender Neger zugegen, trotz der eindeutigen Gesetze im Silberstaat, die es Negern untersagten, am öffentlichen Leben in dieser Form teilzunehmen.



Pete Mustard lag sturzbetrunken in den Armen eines Animiermädchens, deren vollgesabbertes Kleid nach dieser Nacht verbrannt werden müsste. Harry Cobalt tanzte ausgelassen mit anderen Mädchen und ein paar besoffenen Cowboys, die mit ihren Stiefeln den Rhythmus zur Klaviermusik spendierten.



Robert White setzte sich an den Tresen – mit dem Gesicht zur Tür – und orderte einen Drink.



Allan Sin servierte einen Doppelten. »Für echte Männer«, lallte er fast genauso blau wie einige seiner Kunden.



Robert White schüttete das Zeug hinter. An der Treppe nach oben sah er eine kräftige Chinesin, die ihre doppelläufige Flinte wie ein Baby im Arm hielt. Ab und an verteilte sie schwarze Kaubohnen an zahlende Süchtige.



Nach einigen Momenten Heiterkeit betraten weitere

Whiteman

 – Frank Brown, Bill Plum und Luke Celery – den Saloon. Bill Plum und Luke Celery suchten sich umgehend freie Stühle an den Spieltischen. Frank Brown setzte sich neben den Boss.



»Wo ist Henry?«, fragte dieser mit dem nächsten Drink in der Hand.



Frank Brown zuckte mit den Schultern. »William?«



»Tot«, machte Robert White ein erbärmliches Geräusch mit halb ausgestreckter Zunge und angespanntem Gaumen.



»Allmächtiger«, stierte Frank Brown zur Decke, legte den Kopf in den Nacken und kippte sich Whiskey hinter die Binde. »Wir sollten von hier verschwinden.«



»Sieh dich um, Frank«, zeigte Robert White in den Saloon, »so viel Spaß hatten die Whiteman lange nicht mehr.«



Die Musik verstummte. Einzig Harry Cobalt drehte noch ein paar Pirouetten.



Frank Brown biss sich auf die Lippe, suchte eilig nach Lauschern und aufgeschreckten Augenpaaren, aber niemand schien die Bezeichnung gehört zu haben. Niemand starrte sie an. Niemand zog einen Revolver. Stattdessen schauten alle zur Tür, wo sich die Staatsmacht ausbreitete.



Ed Five war hereingekommen, zusammen mit Porter Point. Sie räumten einen Bereich frei, leerten Stühle und stellten diese in einer Reihe auf.



Allan Sin kletterte, nach einem Blick von Ed Five, wackelig auf den Tresen und läutete eine Glocke. Jetzt wurde es auch im hintersten Eck still.



Als nächstes trat Abbott Star durch die Tür – sein 6-Zack-Stern blendete die lichtempfindlichen Hedonisten. Nach dem autoritären

County Sheriff

 mit kauzigen Brauen und grauem Schnauzer folgten ein paar Männer mit schwarzen Kopfhauben, an den Füßen und Händen aneinandergekettet, wie hässliche Küken, die der majestätischen Schwanenmutter folgten. Ihre Kettenglieder schleiften über den Boden und scharrten Canyons in das Meer aus Sägespänen. Die

Deputy Sheriffs

 Chris Yuma und Newton Wolf bildeten den Schlussakkord, bewaffnet mit Gewehren und nüchternem Blick. Die verketteten Männer wurden auf die Stühle bugsiert. Chris Yuma, mit seinen 4 Colts am Gürtel, und Newton Wolf, mit 2 Colts, deren Griffe nach vorn zeigten und die er im Kreuzgriff ziehen müsste, versperrten die Fluchtwege. Ihre Gewehrläufe wirkten wie die verlängerten Arme Justitias.



»Diese Männer«, rief Abbott Star schwermütig und zeigte dabei auf die Delinquenten, »werden beschuldigt, Deputy Marshal Dave Star«, er setzte kurz ab, um durchzuatmen, »meinen Sohn«, ergänzte er leiser und wurde wieder lauter, »erschossen zu haben.«



»Ich habe nicht geschossen!«, begehrte einer der Männer unter der Haube auf, wurde allerdings von Chris Yumas Gewehrlauf zur Ruhe geschlagen.



»Jeder dieser Männer hat geschossen«, stellte Abbott Star klar. »Jeder dieser Männer ist ein Mörder.«



Verhaltenes Raunen drang durch den Raum.



»Die Strafe für Mord ist der Tod«, verkündete Abbott Star. Er sah zu Allan Sin, genau wie der Rest des Raumes.



Allan Sin nickte, wankte, und läutete ein weiteres Mal die Glocke.



»Nein!«, schrie wieder einer der Angeklagten unter der Haube. Diesmal durfte Newton Wolf für Ruhe sorgen. Der Schreihals sackte zusammen, nachdem ihn der Gewehrschaft traf.



»Der Friedensrichter hat geurteilt«, übersetzte Abbott Star den Glockenschlag. »Bevor das Urteil vollstreckt wird, gebe ich bekannt, dass ein neues Kopfgeld ausgesprochen wurde.«



Die Ohren aller weiteten sich.



»1000 Bucks«, verkündete Abbott Star.



Das Raunen der Menge schwoll an. Erste Jubelschreie stießen hervor.



»Für denjenigen, der mir persönlich den Kopf oder das schlagende Herz von Sam White bringt.«



Robert White schreckte hoch. Nach unzähligen Whiskeyshots war er beim Palaver weggedöst.



Frank Brown beäugte ihn. »Allmächtiger«, flüsterte er, »Sam.«

 



Gemurmel und einige Rufe hallten durch den Saloon. Sam White habe nicht geschossen, tuschelten einige, doch niemand war sich sicher. Immerhin starb Dave Star, als man Sam White aus dem Kittchen befreite, womit ihn definitiv eine Mitschuld traf.



»Sam White«, wiederholte Abbott Star, »ein Whiteman, der des Mordes an Deputy Marshal Dave Star beschuldigt wird.«



Allan Sin bediente die Glocke. »2000 Bucks für die Gebrüder White!«, fasste er das neue Kopfgeld mit dem seit Langem bestehenden zusammen.



»Strang?«, wandte sich Ed Five an den

County


Sheriff

, der durch das Fenster in die Nacht schaute, spärlich erleuchtet durch Fackeln und Petroleumlampen. Fast schon zu dunkel für das sichere Besteigen des Podestes. Gebrochene Gliedmaßen von gefallenen Ordnungshütern konnte man sich momentan nicht erlauben.



»Sind hier Whiteman?«, wisperte Abbott Star. Seine Augen musterten die Anwesenden.



Ed Five schaute zu Robert White an der Bar. Er versuchte, sich vorzustellen, wie dieser mit weißer Augenklappe und Schnauzbart aussah. Danach taxierte er Frank Brown und die übrigen Fremden, die nicht so aussahen, als wären sie die Gestrandeten aus dem Zug.



»Vermutlich.«



Abbott Star lächelte. »Gut.« Er zog seinen Revolver und jagte Kugeln durch die Kopfhauben. Ein Mann nach dem anderen kippte vom Stuhl.



Die Meute im Saloon erstarrte, angesichts der erbarmungslosen Durchsetzungskraft des Gesetzes. Bei jedem Schuss schoss ein kollektives Zucken durch den Raum.



»Wer einen Marshal oder einen Sheriff tötet«, tönte Abbott Star so laut, dass ihn jeder hörte, »wird von einer Kugel eines Marshals oder eines Sheriffs getötet. Hat das jeder hier begriffen?« Er fixierte besonders die mutmaßlichen

Whiteman

.



»Ja!«, rief Frank Brown. »Gott sei mit Euch, Sheriff.« Er hob das Whiskeyglas. Nach den Schrecksekunden erhoben sich nach und nach immer mehr Gläser.



»Amen!«, stimmte Godfrey Parson heiter ein, die aufgeladene Spannung an seinem Spieltisch missachtend.



»Cheers!«, nuschelte Robert White sonor und alle schütteten sich die Plörre in den Rachen, bis auf den Neger, Fred Gamble, dessen Goldkette im Kerzenschein funkelte.



Fred Gamble haute sein Kartendeck über den Tisch, sprang auf und schlug Tom Black nieder, mit lodernden Augen und angepisstem Gemüt, weil er beim Spiel betrogen wurde.





Der Saloon






»Wenn du dich in einem Loch wiederfindest,



musst du zuerst einmal aufhören zu graben.«




*aus

Wild West Whim-Wham

, New York City, 1888






Der Saloon




John machte die Augen auf.



Trotz Männerwimmern, Schweinegrunzen, Schlangenzischeln und Kojotenkakophonie hatte er recht gut geschlafen.



Mond und Sonne wippten noch miteinander. Bald würde der Mond aber im Sonnenlicht untertauchen.



John wusch sich fugal. Alaunstein vertrieb den penetrantesten Gestank im Achsel-Skrotum-Dreieck. Den Torsoschutz legte er um seine langsam heilende Wunde. Ein paar ausgelüftete Klamotten lieh er sich bei den Banditen, denn seine Kleidung trug schwere Eisenplatten. Wurst und Bohnen gab es zum Frühstück. Die Schweine versorgte er mit Futter. Jesse Periwinkle lag noch am Zaun, angebunden und angefressen.



»Bastard!«, grüßte Jesse Periwinkle weinerlich.



John schnitt ihn los, gab ihm Adams Ale, hob ihn, widerstandslos, auf eines der weißen Pferde und band ihn wieder fest, wie Reisegepäck.



»Bitte nicht! Wieso?«



»Du wolltest doch in die Stadt«, sagte John trocken.



Jesse Periwinkle zeigte seine abgenagten Fingerstummel: »Meine Hände!«



John ignorierte ihn.



Emma Mayor trat aus dem Haus. Sie rieb sich ihre Augen und versuchte, ihre Haare irgendwie zu bändigen.



»Willst du die nicht töten?«, fragte sie, dabei nickte sie in die Hütte, wo Sam White und Ben Copper an ihre Betten gefesselt waren. Gedämpftes Aufbegehren drang heraus, Protest durch Knebel.



»Ich bin kein Mörder«, antwortete John bigott.



Emma Mayor schnaufte. »Und Will?«



John fixierte sie, erwiderte allerdings nichts.



»Was hast du vor?« Sie war zu schwach und fühlte sich zu schmutzig, um zu attackieren.



»Paradise.«



Emma Mayor sah die bereitgestellten Pferde und den bereits verschnürten Jesse Periwinkle. »Wir?«



John brummte eine Bestätigung.



Emma Mayor schaute zur Hütte. Sie schüttelte den Kopf.



»Die wissen, wer du bist«, erinnerte sie.



John nickte, während er alle Pferde sattelte – sein

Percheron

, ein

Whitey

 für Emma Mayor, ein

Whitey

 für die Ausrüstung und 3 weitere

Whiteys,

zu dem mit Schweinefutter besetzten

Whitey,

 für den Wechsel, wegen der 100 Meilen bis

Paradise City

.



»Gib ihnen Essen und Trinken«, zeigte er in die Hütte.



Emma Mayor gehorchte. Als sie in der Hütte verschwand, hörte man wenig später Sam White und Ben Copper laut fluchen. Dann kauten und schluckten sie, ehe sie wieder fluchten. Dann wurde das Gebell wieder gedämpft. Emma Mayor schrie kurz auf. Eine Hand traf eine Wange.



Sie kam wieder und hielt sich die Hand. »Der Wichser hat mich gebissen!«



Jesse Periwinkle grinste.



Emma Mayor ging zu ihm und verpasste ihm auch eine, wobei sie sich gehörig strecken, gar springen, musste, um an den Reiter im Sattel zu gelangen.



»Bist du fertig?«, fragte John. Seine Augen suchten das getrocknete Blut auf ihrem Kleid, im Schrittbereich.



Emma Mayor hielt geniert ihre Hände davor. Sie schüttelte den gesenkten Kopf. »Die anderen Wichser. Keiner von denen hier.« Sie löcherte Jesse Periwinkle: »Der sah nur zu.«



Jesse Periwinkle sah weg, wie der geschlechtsreife Junge, der zum ersten Mal ein pubertierendes, nacktes Mädchen sah und sich seiner Lust gewahr wurde, sich dieser jedoch schämte.



»Ich krieg

immer

 das kurze Stöckchen«, nuschelte Jesse Periwinkle beleidigt, mit geröteten Wangen.



Ohne ein Pferd zurückzulassen, ritten sie los. John ritt voran, mit Wurst am Sattel und einem Seil, das Jesse Periwinkles Pferd zog. Emma Mayor folgte mit den restlichen Pferden.



Über dürre Wüstensträucher, vorbei an roten Hügeln und schroffen Bergen, unter der unnachgiebigen Sonne. Stundenweise wechselten sie die Pferde und gönnten sich selbst auch eine Rast. Zur Orientierung nutzte John die Längstäler, die von Norden her ausliefen, und die Eisenbahnschienen, die südlich von ihnen im flachen Gelände verliefen. Auf der Hälfte der Strecke kamen sie, in sicherer Entfernung, an einem noch rauchenden Zug vorbei. Dünne, dunkle Rauchschlieren dampften aus dem Wrack, das noch aufgegleist war. Sie redeten nicht, sparten sich die Kraft für den anstrengenden Ritt und alles, was danach kam. Ihre Geisel schlief die meiste Zeit, total erschöpft von der verzehrenden Nacht.



Am Nachmittag erreichten sie Sherman Mayors Bisonranch, 2 Meilen vor

Paradise City

. Schier unendliche Holzzäune mit Maschendraht und Stacheln dazwischen und darüber riegelten das weitläufige Land ab, schützten die Tiere vor Räubern und das Terrain vor Dieben. Am Tor zur Ranch, wo Warnschilder Wilderer auf den Tod vorbereiteten, noch hunderte Yards bis zum Häuserkarree inmitten riesiger Weideflächen entfernt, schoss John einmal in die Luft. Die Pferde bäumten sich kurz auf, konnten aber durch gutes Zureden beruhigt werden. Jesse Periwinkle zuckte hoch.



Nach einigen Minuten kam Bob Buffalo herangaloppiert.



»John«, hieß er ihn willkommen.



John nickte reserviert.



»Willst du auch mal wieder arbeiten oder vergnügst du dich nur noch mit Frauen?« Er taxierte Emma Mayor, bis er merkte, dass es sich um die Tochter des Bisonbarons handelte. »Entschuldige«, fügte er sogleich hinzu, verkniff sich allerdings, ihren erbärmlichen Zustand anzusprechen, der ihm den Wiedererkennungswert zerstörte.



»Schon gut«, akzeptierte Emma Mayor gerädert.



Bob Buffalo musterte den Tross – die weißen Pferde, den verletzten Mann zwischen John und des Bürgermeisters Tochter, die ihm die Zeit zur Musterung zugestanden.



»Beim Bienenwachs!«, entfuhr es ihm schließlich. »Das sind Pferde der Whiteman!«



John bestätigte nonverbal.



»Und der?« Er sichtete Jesse Periwinkle.



Diesmal bestätigte Emma Mayor den Verdacht, dass es sich um einen

Whiteman

 handelte.



»Scheiße, John!« Bob Buffalo lüftete seinen Hut und kratzte sich am Kopf. Dann schaute er sich um, als befürchte er Unheil. »Hab das von dem anderen Whiteman gehört. Aber musste es noch einer sein.« Er zählte die Pferde und subtrahierte das eine Pferd mit dem weinerlichen

Whiteman

. »Fünf?«



»Sherman?«, deutete John auf das Häuserkarree in einigen hundert Yards Entfernung.



Bob Buffalo verneinte. »In der Stadt. Einige Raufbolde malen das Heaven Hell rot an. Er nahm ein paar Rancher mit.«



Alle schienen ähnlich zu denken. Bob Buffalo sprach es aus: »Whiteman?«



John übergab Emma Mayor und die 3 Wechselpferde. »Sie ist 200 Bucks wert«, flüsterte er seinem Kollegen zu.



»Du kannst mir vertrauen«, sagte Bob Buffalo, legte seine Hand auf Johns Hand, verweilte einen Moment zu lang, ohne Zurückweisung, und übernahm die Zügel der unbesetzten Pferde.



John ritt gen Stadt. Im Schlepptau befanden sich Jesse Periwinkle und das weiße Pferd mit Ausrüstung.



»Was hast du vor, Cowboy?«, lachte Jesse Periwinkle gauklerhaft.



John, der schräg vor ihm ritt, drosselte das Tempo, ließ sich zurückfallen, schlug dem Begleiter ins Gesicht, was die Anzahl der Gesichtshämatome verdoppelte und zog das Seil, das den Krüppel im Sattel hielt, strammer, damit dieser nicht bewusstlos grasen musste.



Wenige Minuten später erreichten sie

Paradise City

. John manövrierte dicht am ausgetrockneten

Dead Creek

 entlang, fern der frequentierten Straßen, um den Blicken zu entgehen. Hinter Milton Smiths Werkstatt band er die Pferde an, zog Ausrüstung vom einen und Jesse Periwinkle vom anderen Pferd und schleifte beides in den Hinterhof der Werkstatt, wo er den Gaukler am kalten Schmelzofen verzurrte.



Da er in der Werkstatt und auch vorn im Laden niemanden antraf, huschte er hinüber zum Textilgeschäft, wo er schließlich Milton Smith, Claire Taylor und Carl Taylor entdeckte. Milton Smith trug einen Kopfverband; Claire Taylor hatte ihre Hand umwickelt und an sich gebunden; Carl Taylor hielt die Schrotflinte. Alle 3 schauten aus den Fenstern.



Schräg gegenüber befand sich der Saloon. Barrikaden aus Kutschen, Fässern und Möbeln lagen und standen davor.



John trat näher, um besser durch das Glas zu schauen. Dabei ertappte er die Familie.



»John!«, entfuhr es Claire Taylor – erschrocken, zornig, erleichtert.



»Ein Überfall«, erklärte Milton Smith, wie John seine Nasenspitze zur Szenerie schob. »Seit heute Nacht. Keiner weiß etwas Genaueres.«



John erkannte den

City Marshal

 samt

Deputy

 hinter den Barrikaden, mit gezogenen Waffen, in Lauerstellung. Daneben verharrten noch 3 schussbereite Gestalten mit 6-Zack-Sternen –

Sheriffs

. Außerdem hatten sich Sherman Mayors Rancher dazu gesellt. Sherman Mayor selbst hatte sich wahrscheinlich in eines der umliegenden Häuser verkrochen. Neben den Ordnungshütern und Ranchern hockten auch noch ein gähnender Neger und ein doppelt bewaffneter Mexikaner mit großem Sombrero dort. Und neben diesen andersartigen Spezies stand ein Edelmann mit hohem Zylinder und Pinguinfrack aufrecht hinter der zur Deckung umfunktionierten Kutsche und schien den bunten Vögeln Anweisungen zu geben, während er sich den Staub von der Kleidung klopfte.



»Eine Belagerung«, sagte Carl Taylor aufgeregt.



John sah hinauf in den ersten Stock, wo Vorhänge die Unzucht versteckten. Dann betrachtete er die Verbände vor sich, die offensichtlich Verletzungen bändigten.



Claire Taylor mied den Blickkontakt.



»Ist Clay von den Toten auferstanden?«, riet John.



Jetzt hatte er ihren Blickkontakt sicher. Ein verärgerter Blickkontakt.



»Mein Vater«, antwortete Carl Taylor an ihrer statt, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Seine Augen hafteten auf dem Ereignis auf der Straße.



John hob die Brauen. Er legte seine Hand auf seinen

Colt Thunderer

 im Brustholster und schaute sich um, in Erwartung, gegen einen Toten kämpfen zu müssen.

 



Aber Claire Taylor entschärfte, indem sie den Kopf schüttelte. »Robert«, gestand sie.



»Robert White«, ergänzte Milton Smith voller Abscheu. »Nenn den Teufel doch beim Namen, mein Kind!« Er deutete zum Saloon. »Ich verwette mein Hab und Gut, dass dieser Halunke etwas mit dem Aufstand zu tun hat.«



Erst in diesem Moment bemerkte John die gefesselte und geknebelte Frau, die in der Ecke lag und sich nicht gegen ihre Fixierung wehrte, sondern mit den Augen und Ohren scheinbar alles und jeden versuchte, zu photographieren und zu kartographieren.



»Viola Finch«, erläuterte Milton Smith schnaubend. »Die Gespielin vom Teufel.«



»Eine wertvolle Geisel«, murmelte John, der wieder zum ersten Stock des

Heaven Hell

 starrte.



»Hast du sie gefunden?«, fragte Claire Taylor beiläufig, ihn visuell auf Unversehrtheit prüfend.



John nickte.



Sie dachte nach. »Wird Paradise City deshalb von den Whiteman heimgesucht?«



»Nein«, erwiderte John bestimmt. »Sie waren schon hier, als ich Emma fand.«



Er blinzelte zu Viola Finch. Und erneut in den ersten Stock des von Kugeln teilweise gelöcherten Gebäudes. Die Fenster im Erdgeschoss waren gänzlich zerschossen. Kurzerhand riss er sich ein paar schwarze Stofffetzen aus dem Fundus des Ladens ab und hüllte Viola Finchs Kopf in einen der Fetzen ein. Danach half er ihr aufzustehen. Fragende Blicke trafen ihn.



»Willst du den Teufel samt Hörnern essen?«, wollte Milton Smith gar nicht wissen.



»Haltet die Stellung«, sagte John nur und verschwand mit ihr nach hinten.



In der Werkstatt schenkte er Jesse Periwinkles Schädel den anderen Stofffetzen.



»Der Boss wird dir die Scheiße aus dem Leib-«, zeterte Jesse Periwinkle, erhielt aber umgehend einen Hieb sowie einen Knebel unter der Haube.



John vertäute beide miteinander, schubste sie zu den Pferden und knotete das Seilende an eines der

Whiteys

. Er streichelte seinen

Percheron

.



»Bin bald wieder da«, versprach er ihm.



Folglich schlüpfte er in die vollständige Rüstung, die in seine Kleidung genäht war. Vor seiner Brust der

Colt Thunderer

; über seiner Schulter das

1886-Winchester

; an seiner Hand die Zügel für das weiße Pferd mit den beiden Geiseln dahinter angebunden.



Durch die Gassen schritt er zur

First Street

. An der Barrikade hielt er inne. Die Blicke aller hafteten auf dem ungewöhnlichen Erscheinungsbild – ein artifiziell aufgeplusterter Mann, ein schneeweißes Pferd, eine männliche und eine weibliche Geisel mit Kopfhauben und Seilen gefesselt, an den frisch verstümmelten Fingern der männlichen Geisel klebten getrocknetes Blut und trockener Schlamm, dazu die großen Brüste der weiblichen Geisel.



»John!«, fluchte Ed Five und hastete in geduckter Haltung zu ihm. »Du Dummkopf! Geh in Deckung!«



Aber John blieb stehen, ab Brusthöhe ohne Barrikadenschutz vor Projektilen.



»Was für ein Tölpel ist das?«, schaltete sich Abbott Star ein.



»Nur ein Rancher«, winkte Ed Five ab, die getroffenen Blicke der anderen Rancher abbekommend.



»Und was hat der Rancher vor?« Abbott Star wirkte äußerst müde, genau wie die anderen Sternträger.



»Vom Teufel beseelt«, schimpfte einer der anderen Rancher, die mit John auf Sherman Mayors Bisonranch dafür sorgten, dass die Herde wechselnde Futterstellen mit frischem Gras abfraß und dass die Tiere sicher zum Zug gelangten, um ihre letzte Reise zum Schlachter anzutreten, wo aus Fell Kleidung, aus Haut Leder, aus Fleisch Nahrung, aus Blut Wundermittel, aus Knochen Porzellan und aus den Resten Dünger gemacht wurde.



»Schwachkopf!«, meckerte ein weiterer Rancher.



Schüsse aus dem Saloon unterbanden weiteres Grämen. Alle duckten sich, außer John. Auch Jesse Periwinkle sank nach unten, Viola Finch mitreißend.



Die Kugeln flogen vorbei.



»Nicht schießen!«, schrie Abbott Star, der um das Leben unschuldiger Zivilisten im Saloon fürchtete, zu seinen Mannen.



»Wo ist der Bürgermeister?«, fragte John.



Ed Five und Porter Point schauten sich an.



»Irgendwo«, antwortete Ed Five, die umliegenden Häuser in einem gestischen Kreis einschließend. »Ist das jetzt wichtig?«



John suchte erneut den ersten Stock vom Saloon ab.



»Wie viele Kugeln?«, hakte er nach.



Unschlüssige Blicke. Hüpfende Schultern.



»Noch nicht einmal die Hälfte, wenn die Schurken das sind, wofür ich sie halte«, schaltete sich Fred Gamble ein und kniete sich vor John hin, hinter einen umgeworfenen Massivholztisch mit dutzenden Schnittmustern und getrockneten Flüssigkeiten.



»Was?« Ed Five wusste überhaupt nicht, wovon die Männer redeten.



»Tote?«, hakte John weiter nach.



»Habe keinen gesehen«, antwortete der Neger ohne Hut, dafür mit Goldkette. »Aber einen konnte ich niederstrecken, für ein paar Minuten.«



Abbott Star knurrte. »Genau das war der Auslöser für diese Chose, Sie Trottel! Wenn das hier vorbei ist, muss ich ein ernstes Wörtchen mit Ihnen reden.«



»Geredet wird einzig mit mir«, ging Jeffrey Steam dazwischen, der nicht, wie alle, hinter den Barrikaden herumkroch, sondern aufrecht hinzustieß. Sofort zog Charro de Fierro, der im Rücken des Gentlemans folgte, eben diesen zum Schutz herunter. Im Schatten des Sombreros war der Scout der

Pacific Salt Lake Railroad Company

 sogar vor der Sonne geschützt.



»Wie ist dein Plan, Fay?«, fragte Fred Gamble anerkennend.



»Rochade«, wisperte John mit einem Nicken auf seine beiden Geiseln.



Fred Gamble betrachtete die schwarzen Kopfhauben. »Du hast nicht alle Tassen im Schrank, Fay!«, warf er sein Haupt hin und her.



John stiefelte zum Saloon, entgegen aller Rufe von Ed Five und Abbott Star. Er band das weiße Pferd quer an, sodass es genau in der Schusslinie zwischen den Opponenten stand, und beruhigte es mit ein paar Streicheleinheiten.



Viola Finch und Jesse Periwinkle nahm er mit, die Stufen hinauf auf die Veranda. Er klopfte gegen die Doppelpendeltür. Kurz darauf wurde ein Türblatt mit einem Seil nach innen aufgezogen. John trat ein. Als seine Mitbringsel gefolgt waren, lockerte sich das Seil und die Tür schlug wieder zu, nach einigen Pendelbewegungen blieb sie bestimmungsgemäß stehen und versiegelte das Gebäude.



Im Saloon standen sie einer neuen Barrikade aus Möbeln gegenüber. Direkt vor ihnen, unmittelbar nach der Tür, lagen tote Männer mit durchschossenen Kopfhauben, gestapelt wie Säcke.



»Willkommen!«, rief Robert White hinter der Barrikade hervor. »Friedensgeschenke?«



John entfernte die Kopfhauben seiner Mitbringsel. Schwellungen entstellten Jesse Periwinkle. Viola Finch sah aufgeregt umher.



Robert White tauchte auf. Weiße Augenklappe, weißes Halstuch vorm Gesicht. »Du solltest doch die Farm bewachen, du Nichtsnutz!« Er ging auf Jesse Periwinkle zu und ohrfeigte ihn.



»Aua!«, schrie dieser.



Robert White lunzte nach draußen. »Wie ist die Lage,

John

?« Er nahm den Gefangenen die Fesseln ab.



John ließ es geschehen. »Ihr seid umstellt.«



»Witzig«, lachte Robert White, »Genau das habe ich mir auch gedacht.« Dann wurde er wieder ernst: »Bist du hier, damit wir uns ergeben, oder willst du dir meine Gunst verdienen?«



»Weder noch.«



Der befreite Jesse Periwinkle wollte John eins überbraten, unterließ es jedoch, als er dessen grimmige Blicke sowie die geschulterte

1886er-Winchester

 sah. Stattdessen flüchtete er nach hinten. Auch Viola Finch lief aus der Schusslinie, ihr Buch samt Graphitstift zückend.



»Ich muss was holen.«



Robert White horchte auf. »Wirklich? Wohnst du hier? Oben im ersten Stock? Eine kleine Schwuchtel? Ist dein Arschloch käuflich?«



Die Männer hinter den Barrikaden feixten, gedämpft, wegen mutmaßlicher Halstücher vorm Mund.



Robert White umrundete ihn, musterte ihn. Dann packte er an seinen Hintern und grapschte zu.



Erneute Erheiterung.



Doch als er abließ, schabte er über die Auswölbungen im Rücken, die von den Eisenplatten herrührten. Er stellte sich vor ihn und sah ihn scharf an.



»Dynamit?«



John blinzelte nicht.



Robert White ließ sich nicht beirren. Er inspizierte jede Körperstelle mit dem Auge. Danach fasste er noch einmal an den Bauch,

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