Loe raamatut: «Cannabis in der Medizin»

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Manfred Fankhauser und Daniela E. Eigenmann

CANNABIS IN DER MEDIZIN

Geschichte – Praxis – Perspektiven


E-Book-Ausgabe

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Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

4500 Solothurn

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Impressum

Manfred Fankhauser, Daniela E. Eigenmann

Cannabis in der Medizin

Geschichte – Praxis – Perspektiven

Nachtschatten Verlag AG

Kronengasse 11

CH-4500 Solothurn

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© 2020 Manfred Fankhauser, Daniela E. Eigenmann

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Layout und Lektorat: Nina Seiler

Korrektorat: Jutta Berger

Umschlaggestaltung: Cécile Portmann

Druck: Druckerei & Verlag Steinmeier, Deiningen

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ISBN: 978-3-03788-587-1

eISBN: 978-3-03788-604-5

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INHALT

Vorwort von Franjo Grotenhermen

Einführung

1. MEDIZINGESCHICHTE

Anfänge

Cannabis in der Antike

Byzanz und Orient

Die Legende von den Assassinen

Hanf im mittelalterlichen Europa

Hanf in den Kräuter- und Arzneibüchern des Mittelalters

Hanf – ein Berauschungsmittel?

Cannabis im europäischen Arzneischatz des 18. Jahrhunderts

Cannabis in der Schulmedizin des 19. Jahrhunderts

Indischer Hanf kommt nach Europa

Eine folgenreiche Studie

Ein besonderer Klub

Cannabis indica etabliert sich

Der Aufschwung hält an

1880 bis 1900: Der Höhepunkt

Cannabis als Arzneimittel im 20. Jahrhundert

1900 bis 1960

Eine Ära geht zu Ende

Die Renaissance

Literatur

2. BOTANIK

Einführung in die Botanik von Hanf

Botanische/taxonomische Klassifizierung

Chemische Klassifizierung

«Veraltete» taxonomische Klassifizierung

Hanfhenne und Hanfhahn

Literatur

3. CHEMIE

Kurze historische Einführung in die Chemie von Hanf

Inhaltsstoffe der Hanfpflanze

Cannabinoide (Phytocannabinoide)

Tetrahydrocannabinol (THC)

Cannabidiol (CBD)

Weitere wichtige Cannabinoide

Terpene

Literatur

4. DAS ENDOCANNABINOID-SYSTEM

Cannabinoid-Rezeptoren

Endocannabinoide

Funktionen des Endocannabinoid-Systems

Wirkmechanismus von THC und CBD

Literatur

5. CANNABIS IN DER MEDIZIN HEUTE

Indikationen für Cannabis

Einnahmeformen von Cannabis

Dosierungen

Kontraindikationen

Nebenwirkungen und Toxizität

Interaktionen (Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten)

Vielstoffgemische und Monosubstanzen

THC und CBD: natürliche Isolierung und künstliche Synthese

Literatur

6 CANNABIS-PRÄPARATE

Fertigarzneimittel

Rezepturarzneimittel (Magistralrezepturen)

Illegale Präparate

Cannabis in den Pharmakopöen (Arzneibüchern)

Literatur

7. DIE RECHTLICHE SITUATION

Gesetzeslage in der Schweiz

Gesetzeslage in Deutschland

Gesetzeslage in Österreich

Straßenverkehr und Auslandsreisen

8. DIE PRAXIS

Einblicke in die Praxis in der Schweiz

Generelle Entwicklung

Zahlen und Statistiken aus der Bahnhof Apotheke Langnau

Interpretation der Resultate

Erläuterungen und Beobachtungen zu den Indikationen

Altersstruktur der Cannabis-Patienten

Cannabispräparate bei Kindern und Jugendlichen

Cannabispräparate bei älteren Menschen

Finanzierung

Patientenberichte

Zusammenfassung und Perspektiven

Literatur

9. EXPERTENGESPRÄCHE

Raphael Mechoulam

Rudolf Brenneisen

Claude Vaney

Kirsten Müller-Vahl

Kurt Blaas

Eva Milz

Ethan B. Russo

Jürg Gertsch

Nachwort

Danksagung

Die Autoren

Nützliche Adressen

Bildquellen

VORWORT

Was ist dran am Ruf des häufig als Allheilmittel dargestellten Hanfes, der bei so vielen Erkrankungen helfen soll? Was ist mythische Zuschreibung, was Realität? Wie sieht die wissenschaftliche Datenlage aus? Welche Erfahrungen lassen sich aus der täglichen Arbeit mit Patienten gewinnen? Wie kann unter den rechtlichen Bedingungen in den deutschsprachigen Ländern eine Therapie mit Cannabis-Medikamenten praktisch durchgeführt werden?

Die Antworten der beiden Autoren erfolgen aus der Sicht historisch interessierter, engagierter Apotheker und Praktiker mit einer langjährigen Erfahrung. Die Arbeiten von Manfred Fankhauser schätze ich seit nahezu 25 Jahren, als er mir durch seine außerordentlich gelungene Doktorarbeit über die Geschichte von Haschisch als Medikament aufgefallen war. Mir gefiel schon damals die akribische Genauigkeit, mit der er das Thema durchdrungen hatte. Zu dieser Zeit gab es im deutschen Sprachraum kaum Ärzte und Apotheker, die sich überhaupt für das Thema interessierten, geschweige denn solche, die eine mehr als nur oberflächliche Kenntnis davon hatten. Fankhauser war einer dieser wenigen, die sich bereits zu dieser Zeit eine Expertise auf diesem Gebiet erarbeitet hatten. So war es auch kein Zufall, dass seine Apotheke im Jahr 2008 als erste in der Schweiz eine Bewilligung erhalten hatte, cannabishaltige Rezepturen herzustellen. Ich freue mich, dass er mit Daniela E. Eigenmann eine engagierte Kollegin an seiner Seite hat.

Unter den Fallberichten ragt vor allem einer heraus. Wir wissen, dass THC sehr gut vom Magen-Darm-Trakt aufgenommen wird. Danach gelangt es aber über die Pfortader in die Leber, wo es bereits bei der ersten Passage zu 90 Prozent oder mehr abgebaut wird, so dass nur ein sehr kleiner Teil zur Wirkung gelangt. Die Autoren stellen einen Patienten mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose vor, bei dem operativ eine Umgehung des Leberkreislaufes vorgenommen worden war. Durch diese Umleitung wird der größte Teil des Blutes aus dem Magen nicht durch die Leber geführt, sondern gelangt direkt in den Gesamtkreislauf. Das führte bei diesem Patienten dazu, dass auch mehr THC unmittelbar in den Gesamtkreislauf gelangte. Leider war das bei der Eindosierung nicht berücksichtigt worden, so dass nicht 10 Prozent, sondern 100 Prozent zur Wirkung gelangten. «Dies erklärt, warum bei diesem Patienten die tiefe THC-Dosis wie ein langandauernder Vollrausch wirkte. Glücklicherweise ist THC bekanntlich auch in hohen Dosen nicht lebensbedrohend, und so kam die betroffene Person schließlich ‹mit einem Schrecken› davon», heißt es über diesen Fall einer kuriosen Überdosierung.

Das Buch diskutiert auch kontroverse Themen, wie beispielsweise die Verwendung von THC bei Kindern. Einige im Buch vorgestellte Fallberichte demonstrieren eindrücklich, welch großen medizinischen Nutzen Cannabinoide auch bei Kindern haben können. Dies zeigen auch Erfahrungen deutscher Kinderärzte (GOTTSCHLING 2019). Die Autoren lassen zudem eine Schweizer Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Mercedes Ogal, zu Wort kommen. Sie beantwortet die Legitimation des Einsatzes auch bei Kindern wie folgt: «Ich selber würde THC nicht bei unter 4-jährigen Kindern einsetzen. Wenn sich bei einem über 4-jährigen Kind mit frühkindlichem Autismus aber trotz intensiver begleitender Maßnahmen nur ungenügende Fortschritte einstellen, würde ich einen Therapieversuch mit THC durchaus in Betracht ziehen.»

Nicht immer teile ich die Sicht der interviewten Experten, etwa wenn Professor Jürg Gertsch von der Universität Bern im Zusammenhang mit CBD darauf hinweist, dass «die Substanz bei hohen Dosen chronisch die Leber belasten könnte« und er es daher «durchaus sehr bedenklich» findet, CBD als Nahrungsergänzungsmittel «unter die Leute zu bringen». Die leberschädigende Wirkung war in Studien mit Mäusen an der Universität von Arkansas in den USA aufgefallen. Die Tiere hatten allerdings extrem hohe orale CBD-Dosen von 2560 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht erhalten (EWING et al. 2019). Kürzlich hat das australische Gesundheitsministerium auf der Basis einer wissenschaftlichen Analyse festgestellt, dass CBD beim Menschen in niedrigen Dosen von unter 60 Milligramm, also etwa einem Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, «ein gutes Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil aufweist» (THERAPEUTIC GOODS ADMINISTRATION 2020). Von solchen Dosen sprechen wir, wenn es um Nahrungsergänzungsmittel geht.

Auch für Cannabinoide gilt der an anderer Stelle des Buches zitierte Grundsatz des Paracelsus «Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Nur die Dosis macht, dass etwas kein Gift ist».

Mehr noch als bei THC besteht bei CBD gegenwärtig etwas, das ich an anderer Stelle als «das große Missverständnis» bezeichnet habe (GROTENHERMEN 2020). Wenn Cannabispatienten Aussagen von Wissenschaftlern über das therapeutische Potenzial von Cannabis lesen, schütteln sie häufig verständnislos den Kopf. Wenn Wissenschaftler, die sich mit Cannabis befassen, Aussagen von Patienten lesen, schütteln sie ebenfalls häufig verständnislos den Kopf.

Gegenwärtig scheint CBD eine ähnliche Geschichte zu durchleben wie die bei der Wiederentdeckung des medizinischen Nutzens von THC beziehungsweise THC-reichen Cannabisprodukten. Es waren Patienten, die in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einzelne Ärzte und Wissenschaftler auf ihre therapeutischen Erfahrungen hinwiesen und motivierten, erste klinische Studien mit THC durchzuführen. Und heute sind die Patienten bei der Entdeckung des therapeutischen Potenzials von CBD wieder schneller als die Wissenschaftler. Das Missverständnis wird erst verschwinden, wenn die Forschung nachgeholt hat, was viele Patienten heute bereits erleben, und wenn Patienten akzeptieren, dass umfangreiche Forschung unser Verständnis und damit die Berechtigung der Therapie mit Cannabis-Produkten in der modernen Medizin vergrößert.

Unter diesem Aspekt betrachtet, liefert das Buch auch einen wohltuenden Beitrag zur Versöhnung von Patientenerfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnis, wie es heute von einem guten Buch zum Thema erwartet werden darf. Ich kann es nur empfehlen und wünsche ihm eine große Verbreitung.

Steinheim, im Mai 2020

Dr. med. Franjo Grotenhermen

Literatur

Ewing LE, Skinner CM, Quick CM, Kennon-McGill S, McGill MR, Walker LA, ElSohly MA, Gurley BJ, Koturbash I. Hepatotoxicity of a Cannabidiol-Rich Cannabis Extract in the Mouse Model. Molecules. 2019;24(9).

Gottschling S. Cannabinoide bei Kindern. In: Müller-Vahl K, Grotenhermen F. (Hrsg.) Cannabis und Cannabinoide in der Medizin. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2019.

Grotenhermen F. Die Heilkraft von CBD und Cannabis: Wie wir mit Hanfprodukten unsere Gesundheit verbessern können. Hamburg: Rowohlt Verlag, im Druck.

Therapeutic Goods Administration. Safety of low dose cannabidiol. Woden, ACT, Australia: Australian Government. Department of Health, 2020.

EINFÜHRUNG

«Und sie tat in den Wein, von dem sie tranken, ein Mittel, Sorgen und Zorn zu stillen und alles Leid zu vergessen. Wer das Mittel genoss mitsamt dem Weine des Mischkrugs, dem rann keine Träne den Tag die Wange herunter, lägen ihm auch tot darnieder Vater und Mutter, selbst, wenn man vor ihm den lieben Sohn oder Bruder mit dem Schwert erschlüge vor seinen Augen» (HOMER 1938: 55).

Ob dieses in der Antike als Nepenthes bezeichnete Wundermittel tatsächlich etwas mit Hanf zu tun hatte, bleibt bis heute ein Geheimnis. Bereits in frühster Zeit wurde über die Zusammensetzung dieses Arzneimittels diskutiert; vielleicht war es bloß eine dichterische Erfindung. Gäbe es ein solches Pharmakon tatsächlich, dann käme dies einem Allheilmittel gleich, einer Panazee. Gerade in Zusammenhang mit Cannabis wird der Begriff Wundermittel oftmals verwendet – doch was davon ist Realität, was Fiktion? Das vorliegende Buch gibt einen Ein- und Überblick zu Hanf in der Medizin. Dabei liegt der Fokus auf der langjährigen praktischen Erfahrung mit diversen Cannabispräparaten unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz.

Nach einer kurzen Einführung in die Kulturgeschichte des Hanfs wenden wir uns der Medizin zu. Einblicke in die Medizingeschichte beschreiben den Stellenwert des Arzneimittels Cannabis in der westlichen, abendländischen Tradition, im Wissen, dass in anderen Kulturen der Hanf bereits früher auch als Medikament eingesetzt wurde. Der Aufschwung des Indischen Hanfs in Europa ab Mitte des 19. Jahrhunderts und sein vorübergehendes Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit Mitte des 20. Jahrhunderts werden ebenso dargestellt wie die Gründe für die Wiederentdeckung dieser einst hochgeschätzten Medizinalpflanze.

Die Kapitel zu Botanik und Chemie bilden den zurzeit gültigen Kenntnisstand zu diesen Themen ab. Die botanische korrekte Einordnung von Cannabis ist seit Jahrhunderten ein Thema und noch heute nicht abgeschlossen. Auch die Erforschung der chemischen Zusammensetzung der Hanfpflanze ist ein kontinuierlicher Prozess; noch immer werden neue Inhaltsstoffe entdeckt. Dabei spielen die hanfspezifischen Cannabinoide die wichtigste Rolle. Aber auch von anderen Inhaltsstoffen wie den Terpenen verspricht man sich therapeutisches Potenzial. Die beiden wichtigsten Cannabinoide, Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), werden kurz porträtiert.

Der Schwerpunkt in diesem Buch ist den medizinischen Anwendungen von Cannabis gewidmet. Als Einstieg werden das hochkomplexe Endocannabinoid-System (ECS) und die dazugehörenden Cannabinoid-(CB)-Rezeptoren vorgestellt. Darauf folgt ein Überblick über die Bedeutung von Cannabis in der heutigen Medizin. Die wichtigsten Anwendungsgebiete von Cannabis werden besprochen. Für Patienten und Fachpersonen wichtige Fragen zu Dosierungen, möglichen Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Abhängigkeitspotenzial usw. werden beschrieben.

Der Praxisteil des Buches basiert auf dem langjährigen Erfahrungsschatz der Autoren mit dem Einsatz von Cannabinoiden bei Patienten. Nebst den aktuell verfügbaren Cannabismedikamenten werden insbesondere cannabinoidhaltige Individualrezepturen aus der Schweiz, aus Deutschland und Österreich eingehend besprochen. Statistiken und grafische Darstellungen zur Verschreibungspraxis in der Schweiz geben einen Einblick, wie für mehrere tausend Patienten eine entsprechende Cannabisrezeptur verordnet wurde. Zur Veranschaulichung werden Fälle aus der Praxis von Patienten vorgestellt. Auch Cannabis verschreibende Ärzte kommen zu Wort und nehmen zu einzelnen Fallberichten Stellung.

Anders als die meisten anderen Medikamente hat Cannabis bis heute eine bewegte Rechtsgeschichte. In Kapitel 7 wird auf die aktuelle gültige Rechtslage eingegangen. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland und Österreich unterstehen Hanfpräparate (mit wenigen Ausnahmen) dem Betäubungsmittelgesetz. Trotz international gültiger Grundlagen zeigen sich beträchtliche nationale Unterschiede. Schließlich werden die divergenten Ansätze zur Erstattungsfähigkeit von Cannabispräparaten erörtert.

Im Schlusskapitel kommen international bekannte und ausgewiesene Cannabisexperten sowie erfahrene Pioniere des Medizinalcannabis zu Wort und schildern die Fragen und Herausforderungen in der Cannabisforschung und der praktischen Arbeit mit Cannabinoiden.

Das Interesse für Cannabis und dessen Etablierung in der Medizin ist nichts anderes als die schon längst überfällige Wiederentdeckung eines altbekannten Arzneimittels, das sich erneut bewährt.

«Von vorherein war das Interesse, welches die ärztliche Welt dem Mittel [gemeint ist ein Cannabismedikament] entgegentrug, ein bedeutendes und die über dasselbe vorliegende Literatur ist ziemlich umfangreich.»

(E. MERCK, 1883)


Abb. 1: Die erste bekannte Abbildung von Cannabis.

Aus dem Codex vindobonensis (512 n.Chr.) des Dioskurides.

1. MEDIZINGESCHICHTE
Anfänge

Die Geschichte von Hanf ist noch nicht geschrieben. Ein Konglomerat aus Beweisen, Vermutungen und Interpretationen liefert ein Bild, das zurzeit für richtig gehalten wird, ein fragmentarisches Mosaik, bei dem Teile fehlen oder neue dazukommen. Der Nebel lichtet sich, doch verschwinden wird er nicht.

Es wird vermutet, dass Hanf eine der ältesten Kulturpflanzen überhaupt ist (RUSSO 2007: 1614-1648). Als relativ sicher gilt, dass die Heimat des Hanfes in Zentralasien zu suchen ist (SCHULTES, HOFMANN 1987: 93, 95). Die ältesten archäologischen Funde (Hanffasern, Schnüre) stammen aus China und zeugen davon, dass Hanffasern wohl bereits vor mehr als 8500 Jahren verwendet wurden: der Anbau von Hanf in China ist seit dem Neolithikum nahtlos belegt (RUSSO 2007: 1614-1648). In Europa wurden im deutschen Thüringen Hanfsamen gefunden, deren Alter man auf 7500 Jahre schätzt (RÄTSCH 1992: 27).

Cannabis in der Antike

Die Bedeutung von Cannabis bei den Griechen und den Römern ist unsicher. Der Gebrauch der Hanffaser wurde mehrfach belegt (HEHN 1887: 158: STEFANIS, BALLAS, MADIANOU 1975: 305). Gesicherte Hinweise, dass die Pflanze als Rauschmittel Verwendung fand, fehlen vollständig. Erste zögerliche Hinweise auf Hanf als Heilmittel stammen noch aus der Zeit vor Christi Geburt, fehlen aber beispielsweise im Corpus hippocraticum, also in der Schriftensammlung, die dem größten aller Ärzte, Hippokrates (460–370 v. Chr.), und seinen Schülern zugeschrieben wird (STEFANIS, BALLAS, MADIANOU 1975: 305).

In der vom griechischen Arzt Dioskurides (um 50 n. Chr.) verfassten Arzneimittellehre De materia medica libri quinque wird Hanf zum ersten Mal in einer abendländischen medizinischen Schrift erwähnt. Er schreibt:

«Gebauter Hanf. Der Hanf – einige nennen ihn Kannabion, andere Schoinostrophon, Asterion – ist eine Pflanze, welche im Leben sehr viel Verwendung findet zum Flechten der kräftigsten Stricke. Er hat denen der Esche ähnliche übelriechende Blätter, lange einfache Stengel und eine runde Frucht, welche, reichlich genossen, die Zeugung vernichtet. Grün zu Saft verarbeitet und eingeträufelt, ist sie ein gutes Mittel gegen Ohrenleiden» (DIOSKURIDES 1902: 359, DIOSKURIDES 1539: 210).

Neben Hippokrates gilt wohl Galen als der bedeutendste Arzt der Antike. Im 2. Jahrhundert nach Christus beschreibt er verschiedene medizinische Anwendungen von Cannabissamen. Interessant ist, dass Galen bereits die psychotrope Wirkung von Cannabis erwähnt. Er schreibt, dass Gästen zum Nachtisch kleine (Haschisch-)Kuchen angeboten wurden, welche die Lust am Trinken erhöhten, aber im Übermaß genossen auch betäubend wirken würden (LEWIN 1980: 150). Einige andere antike Autoren beschreiben verschiedene medizinische Wirkungen von Cannabis, allerdings werden oft die bekannten Indikationen übernommen. Obschon vereinzelt Hinweise auf die psychotrope Wirkung von Hanf zu finden sind, ist dessen Bedeutung als Rauschmittel marginal, im Gegensatz zu Opium.

Zusammengefasst: In der Antike wird Hanf als Faserlieferant sehr geschätzt. Die Samen werden, wenn auch eher selten, als Heilmittel verwendet. Das Cannabiskraut hingegen wird in der Medizin kaum verwendet, als Halluzinogen finden sich spärliche Hinweise.