Loe raamatut: «Cannabis in der Medizin», lehekülg 4

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Eine Ära geht zu Ende

Nachdem Cannabispräparate um die Jahrhundertwende noch rege benutzt worden waren, verschwanden sie gegen Mitte des 20. Jahrhunderts vollständig. Die Gründe dafür finden sich nachfolgend.

Medizinische Entwicklung

Für alle Hauptanwendungsgebiete von Cannabispräparaten wurden noch vor Beginn des 20. Jahrhunderts neue spezifische Arzneimittel eingeführt. Zur Behandlung von Infektionskrankheiten wie Cholera oder Starrkrampf entwickelte man Impfstoffe, die nicht nur wie Cannabis die Symptomatik bekämpften, sondern sogar Schutz vor Infektionen boten. Andere bakterielle Erkrankungen wie die Gonorrhoe, die häufig mit Cannabis therapiert wurden, ließen sich etwas später durch das Aufkommen der Chemotherapeutika erfolgreich behandeln. Als Schlaf- und Beruhigungsmittel erhielt Cannabis indica Konkurrenz in Form chemischer Substanzen wie Chloralhydrat, Paraldehyd, Sulfonal, Barbituraten und Bromural. Auch als Analgetika wurden Cannabispräparate – im Gegensatz zu zahlreichen Opiatmedikamenten – bald von chemischen Mitteln verdrängt. Antipyrin und vor allem Aspirin (Acetylsalicylsäure) erlangten schon kurz nach ihrer Einführung große Bedeutung.

Standardisierungsproblematik

Mehrmals wurde darauf hingewiesen, dass die unterschiedliche Wirksamkeit der Haschischpräparate auffiel. Verschiedene Faktoren wie Provenienz, Alter, Lagerung oder die Verarbeitungsform der Droge waren dafür verantwortlich, dass das Arzneimittel entweder hochwirksam war oder unwirksam blieb. Anders als beispielsweise bei Alkaloid-Drogen wie dem Opium gelang die Isolierung und vollständige Strukturaufklärung des Hauptwirkstoffes THC erst Mitte des 20. Jahrhunderts: damit verbunden war vorgängig die Schwierigkeit der Standardisierung.

Wirtschaftliche Aspekte

Durch Einschränkungen in den Produktionsländern (vor allem in Indien) und bedingt durch die beiden Weltkriege wurde es immer schwieriger, hochwertigen Indischen Hanf nach Europa zu importieren. Auch für Cannabis galt das Gesetz von Angebot und Nachfrage, was bedeutete, dass die Preise sowohl der Rohprodukte als auch der Präparate massiv anstiegen. In der Konsequenz bedeutete dies: Cannabismedikamente wurden (zu) teuer.

Rechtliche Einschränkungen

Durch die immer restriktiveren internationalen und nationalen Gesetzgebungen wurde die Verwendung von Cannabispräparaten je länger je mehr eingeschränkt. Immer öfter wurden Haschischpräparate der Betäubungsmittelpflicht unterstellt, was ihre Anwendung in der Praxis massiv erschwerte, bis schließlich ein generelles Verbot die Verwendung verunmöglichte. Im Jahr 1958 war die medizinische Verwendung von Cannabis weltweit noch in 26 Ländern der UNO erlaubt.

1961 wurde dann das internationale Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs) verabschiedet. Dieses Gesetz führte zu einem weltweiten Verbot von Cannabis auch für medizinische Zwecke, einzig die wissenschaftliche Erforschung von Cannabinoiden war noch erlaubt. Diese Ausnahmeregelung sollte sich noch als wertvoll erweisen, denn so konnte weiterhin mit Cannabis geforscht werden.

Die Renaissance

Bereits drei Jahre nach der Unterzeichnung des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel gelang es den israelischen Wissenschaftlern Yechiel Gaoni und Raphael Mechoulam, die chemische Struktur des Hauptcannabinoids Tetrahydrocannabinol (THC), aufzuklären. Bereits ein Jahr vorher war Mechoulam das Gleiche mit Cannabidiol (CBD) gelungen (vgl. Expertengespräch Seite 173).

In den folgenden drei Jahrzehnten kamen nur wenige neue Erkenntnisse über die medizinische Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden ans Licht. Gleichzeitig wurde Hanf ab Mitte der 1960er Jahre zur ultimativen Droge der Hippie-Bewegung. Der rekreative Gebrauch von Cannabis («Kiffen») eroberte die Welt und war nicht mehr aufzuhalten. Für die Medizin bedeutete dies allerdings, dass von nun an der Pflanze Cannabis das Stigma einer Droge anhaftete, was dazu beitrug, dass man das medizinische Potenzial von Cannabis vernachlässigte.

Interessanterweise machten ausgerechnet die USA, die das weltweite Verbot maßgeblich mitgeprägt hatten, den Patienten Cannabis und Cannabinoide wieder zugänglich. In den 1980er Jahren wurde das Präparat Marinol® in 27 US-Bundesstaaten zugelassen. Das Medikament wurde zur Appetitstimulierung und zur Verhinderung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Marinol® enthält synthetisches THC: um das Image als «Drogensubstanz» zu umgehen, bezeichnete man das im Labor künstlich hergestellte THC als Dronabinol. In seltenen Fällen wurde Marinol® auch nach Europa exportiert und unter strengen Auflagen an einzelne Patienten abgegeben.

Ein Meilenstein in der Erforschung der Cannabinoide war die Entdeckung des Endocannabinoidsystems zu Beginn der 1990er Jahre (vgl. Kapitel 4). Nachdem man die beiden Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2 als Andockstellen für THC und die körpereigenen Endocannabinoide entdeckt hatte, wurde die Forschung zu Cannabis enorm intensiviert. Seither haben verschiedene Länder Anstrengungen unternommen, Cannabispräparate oder Cannabinoide (THC oder Dronabinol, CBD, Nabilon, Nabiximol usw.) verkehrsfähig zu machen, auch wenn dies je nach Land sehr unterschiedlich gehandhabt wird (siehe Kapitel 6). In den letzten Jahren konnte sich vor allem das Fertigarzneimittel Sativex® (Nabiximols: enthält Cannabisextrakt) nebst den Individualrezepturen (vor allem mit Dronabinol) etablieren.

Weltweit ist die Tendenz zu erkennen, die medizinische Verwendung von Cannabis zu liberalisieren, so auch beispielhaft in Deutschland, wo seit 2017 das Verschreiben von THC-haltigen Hanfblüten möglich ist (vgl. Kapitel 7). Große Hoffnungen werden zudem auf das medizinische Potenzial des nicht berauschenden CBD gesetzt, insbesondere auf dessen antiepileptische Wirkungen. Ein Schritt in diese Richtung war die Zulassung des CBD-haltigen Epilepsiemedikamentes Epidiolex® durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA im Juni 2018. Es ist davon auszugehen, dass in Kürze auch in Europa eine entsprechende Zulassung angestrebt wird.

«Es scheint sich abzuzeichnen, dass die Renaissance der Arzneipflanze Hanf nicht mehr aufzuhalten ist. Ob Hanf die großen Erwartungen erfüllen kann, wird die Zukunft zeigen. Bereits heute ist Cannabis für viele Patienten ein unverzichtbares Medikament geworden.»

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wikipedia.org/wiki/Raschid_ad-Din_Sinan

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2. BOTANIK
Einführung in die Botanik von Hanf

Die botanisch korrekte Einordnung von Cannabis sativa verursachte nicht nur in der Vergangenheit Schwierigkeiten. Bis in die heutige Zeit bleibt die botanische Klassifizierung umstritten. Erschwert wurde und wird die Systematisierung vor allem dadurch, dass die Hanfpflanze ausgesprochen variabel ist. Nebst der phänotypischen Variabilität ist es verblüffend, dass die einzige Art Cannabis sativa L. (nach botanischen Kriterien) sowohl Faserlieferant als auch Ausgangsprodukt für hochwirksames Haschisch sein soll.

Lange Zeit bestand die Pflanzenfamilie der Hanfgewächse (Cannabaceae) nur aus den beiden Gattungen Cannabis (Hanf) und Humulus (Hopfen). Die Gewächse wurden dabei zunächst der Ordnung der Urticales (Brennnesselartige) zugeordnet. Heutzutage gilt diese Taxonomie als teilweise überholt in dem Sinne, dass die Hanf-Familie um einige Gattungen reicher und damit deutlich angewachsen ist. Dabei haben die neu hinzugekommenen Pflanzen nicht zwingend etwas mit dem Hanf oder dem Hopfen gemein. Mit Hilfe genetischer Untersuchungen lassen sich immer wieder neue, teilweise erstaunliche botanisch nahe Verwandte des Hanfs aufspüren. Dennoch haben sich die beiden nachfolgend beschriebenen Systeme (botanische/taxonomische Klassifizierung und chemische Klassifizierung) bewährt, um den Hanf systematisch einzuteilen. Nebst diesen gibt es «veraltete» taxonomische Einteilungsmöglichkeiten (vgl. unten).

Botanische/taxonomische Klassifizierung

Nach wie vor halten die meisten Autoren diese Einteilung für die geeignetste. Allerdings ist auch dieses System im Fluss, das heißt, was heute als richtig angesehen wird, kann morgen bereits wieder überholt sein. Immer wieder zu diskutieren gibt, worum es sich beim sogenannten Indischen Hanf (vgl. Kap.1) handelt. Fakt ist, dass bis heute von Indischem Hanf beziehungsweise vom Indica-Typ (auch Drogentyp genannt) vor allem im Bereich des Freizeitkonsums die Rede ist. Auch geht man davon aus, dass dieser einen hohen Anteil an THC (vgl. Kapitel 3) aufweist. Dagegen gilt der Sativa-Typ (auch Fasertyp genannt) als THC-arm, dafür reicher an nicht berauschendem CBD (vgl. Kapitel 3). Allerdings, so schreiben auch Berger und Clarke:

«Trotz aller Uneinigkeit, was die taxonomische Klassifizierung von Cannabis angeht, handelt es sich bei der alten Annahme, dass Cannabis sativa ausschließlich Faserhanfpflanzen hervorbringe und Cannabis indica den psychoaktiven Hanf, um einen Irrtum» (BERGER & CLARKE 2020, 56).

Einige Autoren neigen dazu, die alte Systematik zu bevorzugen, in der nur der Hanf und der Hopfen als Hanfgewächse akzeptiert werden. Diverse Schriften geben mal dieses, mal jenes System an, je nach dem Zweck des entsprechenden Texts. Im Allgemeinen bevorzugen viele Forscher die alte taxonomische Aufstellung als sinnvolle Systematik (z.B. BERGER 2019).

Trotz der Vielfalt an Möglichkeiten halten auch aktuell anerkannte taxonomische Datenbanken wie «The Plant List» oder ITIS (Integrated Taxonomic Information System) untenstehende Einteilung von Small und Cronquist aus dem Jahr 1976 noch für zeitgemäß (NOVAK 2017). In zahlreichen aktuellen Abhandlungen wird jedoch der neuen vorgeschlagenen taxonomischen Einordnung der Vorzug gegeben (BERGER & CLARKE 2020).

Taxonomische Klassifizierung der Gattung Cannabis nach SMALL & CRONQUIST 1976



Cannabis sativa LINNAE subspec. sativa var. sativa SMALL & CRONQUIST
Cannabis sativa LINNAE subspec. sativa var. spontanea VAVILOV
Cannabis sativa LINNAE subspec. indica var. indica (LAMARCK) WEHMER
Cannabis sativa LINNAE subspec. indica var. kafirstanica VAVILOV (SMALL/CRONQUIST)

Chemische Klassifizierung

Mit der Verbesserung der chemischen Analytik und der Möglichkeiten der Genanalyse lässt sich Hanf auch nach Genpools einteilen. Bereits Mitte der 1970er Jahre wurden dadurch drei unterschiedliche Chemotypen unterschieden (FETTERMANN et al. 1971; Small & BECKSTEAD 1973). Andere Autoren postulieren vier unterschiedliche Chemotypen (BRENNEISEN 1986). Bei dieser Einteilungsmethode geht man, im Gegensatz zur oben erwähnten botanischen Einteilung, nach wie vor davon aus, dass Cannabis sativa bzw. indica eigene Arten sind; die davon abgeleiteten Unterarten werden als Biotypen bezeichnet.

Chemische Klassifizierung der Gattung Cannabis nach Genpools HILLIG 2005 / WOHLFAHRT 2012



Biotyp Verbreitung
Feral (Wild)a: überwiegend Chemotyp III Europa, Klein- und Zentralasien
Hemp (1): überwiegend Chemotyp II Wildpopulationen, v.a. Osteuropa
Hemp (2): überwiegend Chemotyp I Süd- und Ostasien
NLD: überwiegend Chemotyp I Südasien, Afrika, Lateinamerika
WLD: überwiegend Chemotyp I Afghanistan, Pakistan
Feral (Wild)b: fast nur Chemotyp I Wildpopulationen, Indien, Nepal


Chemotyp I: THC > 0,3 % / CBD < 0,5 % Verhältnis THC : CBD >> 1
Chemotyp II: THC > 0,3 % / CBD > 0,5 % Verhältnis THC : CBD = 1
Chemotyp III: THC < 0,3 % / CBD > 0,5 % Verhältnis THC : CBD << 1

«Veraltete» taxonomische Klassifizierung

Wie eingangs erwähnt, ist die Geschichte der taxonomischen Gliederung von Hanf noch nicht abgeschlossen. Nachdem der schwedische Botaniker Carl von Linné im Jahr 1753 in seinen Werk Species plantarum die Pflanzensystematik revolutionierte, bekam die Gattung Cannabis endgültig die Artbezeichnung Sativa. Der französische Arzt und Botaniker Jean Baptiste Lamarck wiederum prägte im Jahr 1783 den neuen Artbegriff Indica, also Indischen Hanf (vgl. oben). Im Jahr 1924 postulierte zudem der russische Botaniker Dmitri E. Janischevsky eine weitere neue Art; er bezeichnete diese als Ruderalis (Ruderalhanf). Diese wurde alsbald von seinem russischen Kollegen Nikolai Vavilov nicht als eigene Art, sondern lediglich als eine Varietät angesehen; er bezeichnete diese als spontanea (Wildhanf). Im Jahr 1964 war es wiederum ein russischer Botaniker, Petr Mikhailovich Zhukovskii, der Vavilov widersprach und den Wildhanf wieder auf die Stufe des Ruderalhanfs stellte, ihn also als eigene Art ansah (BERGER & CLARKE 2020, NOVAK 2017).

«Veraltete» taxonomische Klassifizierung der Gattung Cannabis nach SCHULTES & HOFMANN 1987*



Cannabis sativa LINNAE spec. sativa LINNAE
Cannabis sativa LINNAE spec. indica LAMARCK
Cannabis sativa LINNAE spec. ruderalis JANISCHEVSKY

Nicht unerwähnt bleiben sollen andere durchaus gebräuchliche Bezeichnungen wie Cannabis sativa var. vulgaris (Gewöhnlicher Hanf) oder Cannabis sativa var. gigantea (Riesenhanf). Die Liste ist keineswegs vollständig.

Wie es die beiden Schweizer Botaniker Lauber und Wagner treffend formulieren:

«Dem innigen Wunsch der Systematiker nach peinlicher Ordnung bei der Benennung der Pflanzen macht die Natur selbst in vielen Fällen einen Strich durch die Rechnung. Der uns so liebe Artbegriff und die genial einfache, von Linné eingeführte doppelte Namengebung mit Gattungs- und Artbezeichnung vermag die Vielfältigkeit der Natur oft nur modellhaft zu erfassen»

(LAUBER & WAGNER 1993).

Tasuta katkend on lõppenud.