Loe raamatut: «Gendersensible Berufsorientierung und Berufswahl (E-Book)», lehekülg 3

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Selina Teuscher, Elena Makarova, Markus P. Neuenschwander

Wie begründen Jugendliche ihre Berufswahl und wie zufrieden sind sie im Beruf?

Eine Schweizer Studie zu Berufswahlverläufen in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik

Abstract

Der Beitrag analysiert die Bedeutung der Berufswahlmotive und der berufsbezogenen Zufriedenheit während der Laufbahn junger Frauen und Männer in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik. Dabei werden zwei Übergänge im Berufswahlprozess fokussiert: die Wahl der Berufslehre und die Wahl der Berufslaufbahn. Die Analysen stützen sich auf die Daten einer Schweizer Studie mit einem Multi-Kohorten-Sequenz-Design und einer ereignisbasierten Stichprobenziehung. Die Stichprobe der vorliegenden Studie umfasst junge Erwachsene, die im Durchschnitt 20 Jahre alt und unmittelbar vor der Lehrabschlussprüfung (N = 470) waren. Die Daten wurden mittels nichtparametrischer und parametrischer Methoden ausgewertet. Die Ergebnisse unserer Studie machen deutlich, dass sich Jugendliche durch die vorherrschende Geschlechtstypik der Berufe in ihrer Berufswahl einschränken lassen, wobei insbesondere die Zone der akzeptablen Berufe bei jungen Männern kleiner wird. Dennoch scheint diese Einschränkung den Jugendlichen nicht bewusst zu sein. Sie schätzen die berufliche Geschlechtstypik sowohl für die Wahl der Berufslehre als auch für die Wahl der späteren Berufslaufbahn als unbedeutend ein. Bezogen auf die berufsbezogene Zufriedenheit zeigt unsere Studie, dass die Geschlechtstypik des gewählten Berufs während der beruflichen Ausbildung oder Ausübung zu einer nicht zu unterschätzenden kontextuellen Bedingung gehört, die die Beurteilung der Zufriedenheit im Beruf mitzuprägen vermag. Insgesamt zeigen die Ergebnisse unserer Studie, dass die berufliche Geschlechtstypik nicht nur ein gewichtiger Faktor ist, wenn es um die Begründung der Berufswahl und der Wahl der Berufslaufbahn, sondern auch, wenn es um die Beurteilung der Zufriedenheit im Beruf geht.

1 Einleitung

Eine der zentralen Entwicklungsaufgaben im Jugendalter besteht darin, eine Berufswahl zu fällen und eine berufliche Laufbahn aufzunehmen. Die Passung zwischen dem individuellen Persönlichkeitsprofil und den Eigenschaften und dem Anforderungsprofil eines Berufs (Holland, 1959) ist für die Berufswahl von zentraler Bedeutung. Das Berufsimage wird mit dem Selbstkonzept verglichen, wobei der Übereinstimmungsgrad über die Wahl oder Abwahl eines Berufs entscheidet (Gottfredson, 2002). Zwei für das Image eines Berufs beziehungsweise der beruflichen Grundbildung wesentliche Merkmale sind dessen Geschlechtstypik und dessen Sozialprestige. Die berufliche Geschlechtstypik erweist sich sogar als das wichtigste Berufswahlkriterium, das über dem Sozialprestige der Berufe und dem eigenen Interesse an einem Beruf steht (Ratschinski, 2009). Damit wird die Zone der akzeptablen Berufe im Berufswahlprozess eingeschränkt, sodass zuletzt nur – aus jeweils individueller Sicht – realisierbare Berufe zur Wahl stehen. Eine solche Einschränkung führt dazu, dass junge Frauen und Männer mehrheitlich geschlechtstypische Berufe wählen und sich nur selten für einen geschlechtsuntypischen Beruf entscheiden (OECD, 2006; WEF, 2017). Zugleich zeigt eine Schweizer Studie zu Trajektorien der beruflichen Geschlechtstypik bei berufsbiografischen Übergängen junger Frauen und Männer, dass im berufsbiografischen Verlauf nur rund die Hälfte aller Frauen und Männer in demselben geschlechtsbezogenen Passungstyp – das heißt im geschlechtstypischen, geschlechtsneutralen oder geschlechtsuntypischen Beruf – verbleiben, in den sie in ihrer beruflichen Ausbildung einmündeten. Bei der anderen Hälfte gibt es zumindest einen Wechsel der beruflichen Geschlechtstypik beim Eintritt in die Erwerbstätigkeit und/oder beim Wechsel einer beruflichen Tätigkeit oder Arbeitsstelle (Makarova & Teuscher, 2018). Vor dem Hintergrund der Annahme, dass eine erfolgreiche berufliche Laufbahn durch die persönliche Zufriedenheit mit der Berufswahl und der wahrgenommenen Sinnhaftigkeit der beruflichen Tätigkeit gekennzeichnet ist (Hirschi, 2013), setzt sich der vorliegende Beitrag mit der Bedeutung der Berufswahlmotive und berufsbezogenen Zufriedenheit während der Laufbahn junger Frauen und Männer in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik auseinander.

2 Berufswahlmotive

In Anlehnung an die Motivationspsychologie und bezogen auf die Berufs- und Studienwahlmotive unterscheiden einige Studien zwischen intrinsischen und extrinsischen Motiven für die Wahl des Berufs beziehungsweise des Studiums. Intrinsische Motive fokussieren im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 1993) das Erfüllen von Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeitsbedürfnissen. Motive sind intrinsisch, wenn sie sich auf das eigene Selbst beziehen. Motive sind hingegen extrinsisch, wenn sie Gründe außerhalb des eigenen Selbst ansprechen. Dabei gehören Aspekte wie das Interesse, die Neigung und Begabung sowie die persönliche Entfaltung und Selbstverwirklichung zu den intrinsischen Motiven und Aspekte wie das Einkommen, der Status, die Möglichkeiten der Weiterbildung sowie Aufstiegs- und Arbeitsmarktchancen zu den extrinsischen Motiven (Bundesamt für Statistik [BFS], 2009; Briedis, Egorova, Heublein, Lörz, Middendorff, Quast & Spangenberg, 2008; Heine, Willich, Schneider & Sommer, 2008; Neuenschwander, Gerber, Frank & Rottermann, 2012). Frauen scheinen sich stärker bei der Berufswahl an intrinsischen Motiven zu orientieren, Männer eher an extrinsischen Motiven (BFS, 2009; Heine et al., 2008). Der Forschungsstand ist im Hinblick auf die geschlechtsbezogenen Unterschiede in den Berufswahlmotiven jedoch nicht einheitlich. Laut einer Schweizer Studie, die Sozialisationsbedingungen für Jugendliche in Schule und Familie untersuchte (FASE-B, Neuenschwander et al., 2012), stellt die Entwicklung der beruflichen Laufbahn das wichtigste Berufsziel für Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger dar. Sie sind erfolgs- und leistungsmotiviert, setzen auf zukünftige Weiterbildungen und geben sich nicht damit zufrieden, eine Stelle mit angenehmer Arbeitsumgebung zu haben. Weiter wurde festgestellt, dass sich Frauen und Männer hinsichtlich der beruflichen Ziele nicht signifikant voneinander unterscheiden und sich Lehrabgängerinnen nicht weniger am Karriereerfolg orientieren als Lehrabgänger (Neuenschwander et al., 2012).

Schließlich zeigt eine qualitative Studie (Kayser, Steinritz & Ziegler, 2012), welche auf die Berufswahltheorie von Gottfredson (2002) Bezug nimmt, aus welchen Gründen Jugendliche Berufe abwählen. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass Jugendliche Anstrengung und Aufwand primär als Gründe, einen Beruf abzuwählen, betrachten. Relevant sind diesbezüglich ein zu hoher Bildungsaufwand, psychische Belastung durch zu große Verantwortung, negative Erfahrungen sowie fehlende Qualifikationsvoraussetzungen. Schließlich zeigt die Studie, dass geschlechtsuntypische berufliche Kontexte mit einer höheren Anstrengung assoziiert wurden: Jungen sehen zu große Anstrengung und Aufwand in sozial-erzieherischen Aufgaben, Mädchen hingegen schätzen physisch-handwerkliche Tätigkeiten als zu anstrengend ein (Steinritz, Kayser & Ziegler, 2012).

3 Berufsbezogene Zufriedenheit

Während der Berufsausbildung resultieren die Ausbildungs- und Arbeitszufriedenheit aus den Erwartungen an eine Ausbildung beziehungsweise den Arbeitsplatz und deren Erfüllung (Otte, 2007). Deshalb muss die Zufriedenheit mit der gewählten beruflichen Ausbildung von der allgemeinen, bereichsunspezifischen Zufriedenheit abgegrenzt werden (Neuenschwander et al., 2012). Eder (1986) postulierte, dass Jugendliche dann zufrieden sind, wenn das berufliche Umfeld mit ihren Motiven und Ansprüchen im Sinne eines Ist-Soll-Vergleichs übereinstimmt. Er unterschied überdies zwei Aspekte der Zufriedenheit: den Personenaspekt sowie den gegenstandsbezogenen Aspekt (die subjektive Bewertung des Berufs).

Forschungsbefunde zeigen, dass Jugendliche in der Schweiz zufrieden bis sehr zufrieden mit der getroffenen Berufswahl sind (Müller, 2009; Neuenschwander et al., 2012; Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung [SKBF], 2018). Es zeigt sich zugleich, dass die Lernenden eine höhere Zufriedenheit mit dem Betrieb als mit der schulischen Ausbildung in der Berufsbildung berichten. Zudem sind Frauen in der beruflichen Grundbildung zufriedener mit dem Arbeitsklima und der getroffenen Berufswahl als Männer. Männer hingegen weisen eine positivere Zukunftseinschätzung auf als Frauen (Müller, 2009). Dennoch zeigt eine Schweizer Studie, dass junge Frauen in der Ausbildung zu einem geschlechtsuntypischen Beruf sowohl in ihrem Lehrbetrieb als auch in der Berufsschule oftmals mit Vorurteilen und Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts konfrontiert werden. Dabei fungierte der Lehrbetrieb rund viermal häufiger als Ort geschlechtsbezogener Diskriminierung im Vergleich zur Berufsschule. Insgesamt zeigt die Studie, dass diskriminierende Erfahrungen mit einer hohen Belastung für die Betroffenen und einer geringen Zufriedenheit mit der beruflichen Ausbildung einhergehen (Aeschlimann, Makarova & Herzog, 2016; Makarova, Aeschlimann & Herzog, 2016a).

Bezüglich des Übergangs von der beruflichen Grundbildung in den Arbeitsmarkt bestehen in der Schweiz heterogene Befunde. Kälin, Semmer, Elfering, Tschan, Dauwalder und Crettaz von Roten (2000) postulieren, dass nach der Berufslehre viele junge Erwachsene vor einem doppelten Übergang stehen. Einerseits übernehmen sie die Rolle einer Berufsperson und andererseits integrieren sie sich in einem neuen Betrieb. Obwohl diese Situation junge Erwachsene belastet, gehen die Autorinnen und Autoren jedoch davon aus, dass die jungen Erwachsenen insgesamt vom Wechsel profitieren und sogar ihre berufliche Zufriedenheit steigern. Neuenschwander et al. (2012) fanden dagegen heraus, dass sich die Zufriedenheit mit der aktuellen beruflichen Situation während der Lehre und nach der zweiten Schwelle nicht signifikant veränderte. Weiter gab es in ihren Untersuchungen keine unterschiedlichen Entwicklungen der beruflichen Zufriedenheit nach Geschlecht, nach Migrationshintergrund oder nach Anschlusslösung.

4 Fokus und Fragen der Studie

Der Forschungsstand illustriert, dass sich junge Frauen und Männer nicht grundsätzlich in ihren Berufswahlmotiven unterscheiden, dennoch lassen sich Unterschiede in Zusammenhang mit der Geschlechtstypik des gewählten Berufs vermuten. Die Analyse eines solchen Zusammenhangs bildet ein Forschungsdesiderat, da in bisherigen Studien zu Berufswahlmotiven junger Frauen und Männer die berufliche Geschlechtstypik nicht herangezogen wurde. Im Weiteren zeigen Studien zur berufsbezogenen Zufriedenheit, dass die Zufriedenheit mit dem gewählten Beruf einerseits bereichsspezifisch und anderseits übergangsbezogen variieren kann. Angesichts der hohen Übergangsdynamik in den berufsbiografischen Verläufen junger Frauen und Männer (Makarova & Teuscher, 2018) bedarf es einer Analyse der berufsbezogenen Zufriedenheit während der Berufslaufbahn in Zusammenhang mit der Geschlechtstypik des gewählten Berufs.

Um die Bedeutung der Berufswahlmotive und berufsbezogenen Zufriedenheit während der Laufbahnentwicklung junger Frauen und Männer in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik zu analysieren, liegt der Fokus der Studie auf zwei Übergängen in der beruflichen Laufbahn, die aus einer bildungs- und berufsbiografischen Perspektive zu den zentralen Übergängen gehören: auf der Berufswahl beziehungsweise der Wahl der beruflichen Grundbildung und der Wahl der Berufslaufbahn beim Übergang von der beruflichen Grundbildung in die Berufstätigkeit.

1) Inwiefern unterscheiden sich männliche und weibliche Jugendliche in ihrer Berufswahl in Hinblick auf die berufliche Geschlechtstypik?

2) Welche Gründe für die Wahl der beruflichen Grundbildung von weiblichen und männlichen Jugendlichen sind in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik in der Berufslehre ausschlaggebend?

3) Welche Gründe für die Wahl der Berufslaufbahn von weiblichen und männlichen Jugendlichen sind in Zusammenhang mit der beruflichen Geschlechtstypik des gewählten Berufs ausschlaggebend?

4) Wie sehr unterscheiden sich männliche und weibliche Jugendliche in ihrer berufsbezogenen Zufriedenheit bei der Wahl der beruflichen Grundbildung und welche Rolle spielt dabei die berufliche Geschlechtstypik der Berufslehre?

5) Wie sehr unterscheiden sich männliche und weibliche Jugendliche in ihrer berufsbezogenen Zufriedenheit bei der Wahl der Berufslaufbahn und welche Rolle spielt dabei die berufliche Geschlechtstypik des gewählten Berufs?

5 Methode

Um die Fragen zu beantworten, wurden die Daten des von dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) geförderten Projekts «Bildungsentscheidungen und -verläufe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen (BEN)» analysiert. Das Projekt setzte ein Multi-Kohorten-Sequenz-Design mit einer ereignisbasierten Stichprobenziehung ein (Erhebungszeitraum: 2012–2016). Kohorte 1 umfasste zum Zeitpunkt der Stichprobenziehung im Jahr 2012 «Jugendliche am Ende des 9. Schuljahres», Kohorte 2 «junge Erwachsene unmittelbar vor der Lehrabschlussprüfung» und Kohorte 3 «junge Erwachsene im Alter zwischen rund 22 und 30 Jahren» (Neuenschwander, Düggeli, Nägele & Frey, 2015). Insgesamt nahmen 5207 Personen am Forschungsprojekt teil.

5.1 Stichprobe der vorliegenden Studie

Um die Gründe der Ausbildungs- sowie Berufswahl und die Zufriedenheit in der Berufslehre beziehungsweise dem Beruf aufzuzeigen, wurden lediglich die Personen der Kohorte 2 in die Analysen einbezogen. Grund dafür war, dass sich diese als Einzige zum ersten Messzeitpunkt in der beruflichen Grundbildung befanden und diese danach bei den weiteren Messzeitpunkten mit höchster Wahrscheinlichkeit abgeschlossen haben und im Arbeitsmarkt tätig waren. Weiter wurden diejenigen Personen einbezogen, welche eine Berufslehre zum Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ)[1] abgeschlossen hatten und danach in den Arbeitsmarkt einmündeten. Anschließend wurden die folgenden Personen ausgeschlossen: Personen, bei denen keine Geschlechtstypik-Codierung vorhanden war, deren berufliche Tätigkeit als Nebenjob identifiziert wurde, bei denen identische Mehrfacheinträge vorhanden waren, sowie Personen, die zwar Angaben zur beruflichen Laufbahn machten, aber keinen Zeitraum nannten. Um Vergleiche zwischen zwei Zeitpunkten der beruflichen Laufbahn – die Berufswahl und die Wahl der Berufslaufbahn – ziehen zu können, wurden alle Befragten mit nur einem Eintrag zur beruflichen Laufbahn ausgeschlossen. Somit umfasst die Stichprobe der vorliegenden Studie 470 Jugendliche. Von den 470 Personen, welche sich zum Befragungszeitpunkt in der beruflichen Grundbildung befanden, sind 63.6 Prozent weiblich (N = 299) und 36.4 Prozent männlich (N = 171). Die Befragten waren durchschnittlich 20.16 Jahre alt (SD = 3.36).

5.2 Bildung der geschlechtsbezogenen Passung

Die angegebenen Berufslehren und Berufe wurden gemäß der Berufsdatenbank des Bundesamtes für Statistik (BFS) mit einem BFS-Stammcode codiert. Die codierten Berufslehren beziehungsweise Berufe wurden aufgrund von Daten der Statistik der beruflichen Grundbildung 2015 beziehungsweise aufgrund der ISCO-08-Klassifikation (International Standard Classification of Occupations) nach ihrer Geschlechtstypik drei Kategorien zugeordnet:[2]

– 1. Kategorie = frauentypische (männeruntypische) Berufe mit einem Frauenanteil in der Gesamtpopulation von 70.1 Prozent – 100 Prozent;

– 2. Kategorie = neutrale Berufe mit einem Frauen- beziehungsweise Männeranteil in der Gesamtpopulation von 30.0 Prozent – 70.0 Prozent;

– 3. Kategorie = männertypische (frauenuntypische) Berufe mit einem Frauenanteil in der Gesamtpopulation von .0 Prozent – 29.9 Prozent.

Nach dieser Einteilung gehören für diese Stichprobe insbesondere Berufe des Betreuungs- und Gesundheitswesens wie Fachfrau/-mann Gesundheit oder Medizinische Praxisassistenz zu den frauentypischen Berufen. Berufe des Baugewerbes, des technischen und IT-Sektors sowie der Landwirtschaft zählen zu den männertypischen Berufen. Beispiele dafür sind Maurer/-in, Informatiker/-in und Gärtner/-in. Zu den neutralen Berufen zählen beispielsweise Kauffrau/-mann, Detailhandelsfachfrau/-mann und Köchin/Koch, welche dem Gastgewerbe oder administrativen Bereich zugehörig sind.

In Kombination mit dem Geschlecht der Befragten und der Geschlechtstypik der Berufswahl wurde eine Typologie der geschlechtsbezogenen Passung in der beruflichen Orientierung für die Analysen der vorliegenden Studie konstruiert. Die Typologie unterscheidet für beide Geschlechter jeweils geschlechtstypische, geschlechtsneutrale und geschlechtsuntypische Passungen. Befindet sich beispielsweise eine Frau in einer Berufslehre/einem Beruf der 3. Kategorie (männertypisch), existiert eine geschlechtsuntypische Passung, während eine Frau in einer Berufslehre/einem Beruf der 1. Kategorie (frauentypisch) eine geschlechtstypische und eine Frau in einer Berufslehre/einem Beruf der 2. Kategorie (geschlechtsneutral) eine neutrale Passung aufweist.

5.3 Verwendete Variablen und Analysen

Für die vorliegenden Analysen wurden neben dem Geschlecht der Jugendlichen (weiblich/männlich) und der geschlechtsbezogenen Passung in der beruflichen Orientierung (Abschnitt 5.2) die folgenden Konstrukte miteinbezogen: Retrospektive Kriterien der Ausbildungswahl, Kriterien der Berufswahl und Zufriedenheit im Beruf (Tabelle 1).[3]

Der exakte Mann-Whitney-U-Test wurde für Vergleiche zwischen zwei Gruppen (Geschlecht) bei ordinalen Variablen benutzt, während der Kruskal-Wallis-Test für Vergleiche zwischen drei Gruppen (geschlechtsbezogene Passung in der beruflichen Orientierung) bei ordinalen Variablen eingesetzt wurde.

Tabelle 1: Operationalisierung der Konstrukte


SkalaItemsLikert-Skala
Retrospektive Kriterien der Ausbildungswahl (Eigenkonstruktion)11Bitte beurteilen Sie, wie wichtig die folgenden Kriterien bei der Wahl einer Berufslehre aus Ihrer heutigen Sicht sein sollten. Worauf sollte eine Person bei der Wahl einer Berufslehre achten?6-stufig1 = überhaupt nicht wichtig bis 6 = sehr wichtig
Kriterien der Berufswahl (Eigenkonstruktion)21Bitte beurteilen Sie die Wichtigkeit der folgenden Kriterien bei Ihrer Wahl der Berufslaufbahn.6-stufig1 = überhaupt nicht wichtig bis 6 = sehr wichtig
Zufriedenheit im Beruf (in Anlehnung an Baillod & Semmer, 1994)2Wie zufrieden sind Sie im Allgemeinen mit Ihrem Beruf?7-stufig1 = außerordentlich unzufrieden bis 7 = außerordentlich zufrieden

6 Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Analysen vorgestellt, die nach den Fragen der Studie gegliedert werden (Kapitel 4).

6.1 Verteilung der geschlechtsbezogenen Passungen in der Berufslehre

Das Unterkapitel bearbeitet die erste Frage, wie sehr sich männliche und weibliche Jugendliche in ihrer Berufswahl in Hinblick auf die berufliche Geschlechtstypik unterscheiden. Basierend auf den Angaben der Befragten zu der gewählten Berufslehre und dem Geschlecht, wird im Folgenden die Verteilung der geschlechtsbezogenen Passungen in der Berufslehre dargestellt. Wie der Abbildung 1 entnommen werden kann, existierten bei den geschlechtsbezogenen Passungen in der Berufslehre erhebliche Geschlechterunterschiede.

Rund die Hälfte der Frauen befindet sich in einer geschlechtsneutralen Passung (N = 152), wohingegen sich die Mehrheit der Männer in geschlechtstypischen Passungen befindet (N = 121). Zudem wird deutlich, dass sich Frauen signifikant häufiger (χ² (2, 470) = 30.49, p ≤ .001) in einer geschlechtsuntypischen Passung als Männer (Frauen N = 14, 4.7 % vs. Männer N = 3, 1.8 %) befinden. Schließlich fällt auf, dass bei beiden Geschlechtern geschlechtsuntypische Passungen deutlich seltener auftreten als geschlechtsneutrale oder geschlechtstypische Passungen.


Abbildung 1: Verteilung der geschlechtsbezogenen Passungen in der Ausbildung von Frauen und Männern