Weihnachtszeit

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Für Alexander, Emilia, Aloysius, Balthasar, Severine, Hannibal und meine Eltern.


Christbaumschmuck, Salzburger Weihnachtsmuseum, Sammlung Ursula Kloiber




INHALT



Andy Warhol, Two Christmas Ornaments, ca. 1954

MAN MÖCHTE IMMER KIND BLEIBEN

Vorwort von Emilia Auersperg-Breunner

DIE WEIHNACHTSGESCHICHTE

Vom Ursprung des Weihnachtsfestes und wie es gefeiert wird

ADVENT

Einstimmung auf Weihnachten

KRAMPUSKRÄNZCHEN

Cocktails und Snacks von Adi Nairz und Kenny Klein

NIKOLO & KRAMPUS

Der erste Höhepunkt in der Weihnachtszeit

WEIHNACHTLICHES BRAUCHTUM

Liebeszweige und alte Bräuche im Salzkammergut

DAS WEIHNACHTSFEST

Ein Familienfest voller Zauber

WEIHNACHTSMENÜS

Festliches von Meisterkoch Adi Nairz

RAUNÄCHTE

Vertreibung des Dunklen und Blick in die Zukunft

NACH DEM FEST

Gemütlich nachfeiern bis Dreikönig

KATERFRÜHSTÜCK

Klassiker und delikate „Resteverwertung“ von Adi Nairz

Rezeptregister

Team

Dank

Impressum

Weihnachten ist für mich das schönste Fest des Jahres, weil es so familiär ist.




Man möchte immer Kind bleiben


Die Weihnachtszeit ist für meine Familie und mich eine besondere, geprägt von Geheimnissen und magischen Gefühlen, dem Glauben an das Christkind, die Engel, den Heiligen Nikolaus und nicht zuletzt durch die Furcht vor dem Krampus.

Der „Weihnachtswahnsinn“ beginnt bei uns Anfang November, denn bis das Haus sowohl innen als auch außen auf Weihnachten „umgerüstet“ ist, vergehen gut zwei Wochen. Sämtliche Bilder werden ausgetauscht, Geschirr, Besteck, Servietten, Fahrzeuge – bis hin zum Toilettenpapier wird alles auf Weihnachten „gebrandet“. Nicht zu sprechen von der wundervollen Dekoration.

Hinzu kommt die Tatsache, dass meine Mutter am Heiligen Abend auf die Welt gekommen ist und mein Großvater und ich beide am 6. Dezember – dem Nikolotag. Nun ist meine Großmutter auch noch eine bekannte Sammlerin von Weihnachtsschmuck, den sie zum Teil in ihrem Weihnachtsmuseum in Salzburg ausstellt – mehr Weihnachtsfamilie geht nicht. So kommt es, dass dieser wunderbare Weihnachtsfunke auch auf meine Freunde übergesprungen ist. Einige jedoch fürchten sich immer noch vor dem Krampus, in diesem Fall empfehle ich das Seminar „Angst vor dem Krampus“, welches allen Ernstes in Salzburg abgehalten wird.

In dieser Zeit entwickelt sich eine gewisse Dynamik – jeder bringt sich entsprechend Talent, Alter und Motivation ein, um zur Weihnachtszeit seinen persönlichen Beitrag zu leisten. Einer backt Kekse, der Nächste isst sie heimlich auf, ein Anderer schmückt die Bilder mit Tannenzweigen oder es werden das Haus und die Fahrzeuge mit Weihnachtsmusik beschallt bzw. fleißig und hoffnungsfroh Christkindlbriefe geschrieben und nicht zuletzt wird das jährliche Weihnachtsbild über mehrere Tage hinweg mit Kreide auf die Tafel gemalt. Und wenn es dunkel ist, kleben die Nasen meiner jüngeren Geschwister an den Fensterscheiben zum „Engelschauen“.

Obwohl ich im Ausland studiere, ist es für mich ein Bedürfnis, in der Weihnachtszeit nach Hause zu kommen. Meine Mutter stattet mich langsam mit eigenem Weihnachtsschmuck aus, weil sie sichergehen will, dass ich auch in meiner Wohnung in Weihnachtsstimmung komme. So erreichen mich schon vor der Adventszeit liebevolle kleine Pakete, gefüllt mit original Nürnberger Lebkuchen, Selbstgebackenem von meinem Bruder Balthasar oder hausgemachtem Glühwein, Weihnachtsduftkerzen und natürlich darf ein Adventskalender nicht fehlen. Meine Mutter wäre nicht meine Mutter, wenn sie mir nicht auch noch die passende Lektüre dazu schicken würde.

Man möchte immer Kind bleiben, um diese Weihnachtszeit bei uns zu Hause zu erleben – auch mit dem Wissen ob des Aufwands oder gerade deshalb. Oder, wie mein Onkel Dudel in seiner Jugend einmal so bezeichnend für unsere Familie gesagt hat: „Ich habe den Verdacht, dass es das Christkind doch nicht gibt. Aber man darf nichts sagen, da die Mami immer noch daran glaubt.“

Welchen ungewissen Zeiten wir auch entgegengehen, das Weihnachtsfest mit den damit verbundenen Werten wird immer bestehen und zu uns wird auch das Christkind jedes Jahr kommen.

Unterach, 11. August 2020 Emilia Auersperg-Breunner


Die
WEIHNACHTSGESCHICHTE

Brich an, o schönes Morgenlicht,

und lass den Himmel tagen!

Du Hirtenvolk, erschrecke nicht,

weil dir die Engel sagen,

dass dieses schwache Knäbelein soll

unser Trost und Freude sein,

dazu den Satan zwingen

und letztlich Friede bringen!

Johann Sebastian Bach, Weihnachtsoratorium, II. Teil, Choral

DIE GEBURT JESU


L K 2, 1 In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.
L K 2, 2 Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.
L K 2, 3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
L K 2, 4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
L K 2, 5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
L K 2, 6 Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft,
L K 2, 7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
L K 2, 8 In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
L K 2, 9 Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr,
L K 2, 10 der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll:
L K 2, 11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr.
L K 2, 12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
L K 2, 13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
L K 2, 14 Verherrlicht ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade.
L K 2, 15 Als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Betlehem, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr verkünden ließ.
L K 2, 16 So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
L K 2, 17 Als sie es sahen, erzählten sie, was ihnen über dieses Kind gesagt worden war.
L K 2, 18 Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten.
L K 2, 19 Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.
L K 2, 20 Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war.
Das Evangelium nach Lukas, Kapitel 2


Oskar Laske, Weihnacht 1922

 

EINE SCHWIERIGE DATUMSSUCHE

Weihnachten hat für mich zwei Seiten, eine kirchliche und eine weltliche. Ich feiere zwei Geburtstage. Den der Geburt Jesu und meinen eigenen, denn ich bin an einem 24. Dezember geboren. Also ein, wenngleich sehr weltliches, Fast-Christkindl, denn Christi Geburt ist mit 25. Dezember datiert.

Aber stimmt das überhaupt, dass Christus an diesem Tag zur Welt kam?

An welchem Tag er tatsächlich geboren wurde, bleibt bis heute Spekulation. Es gibt lediglich unbestätigte Hinweise in der Bibel, die auf ein Geburtsdatum im Herbst hindeuten, in dem traditionellerweise Volkszählungen abgehalten wurden, zu denen auch Maria und Josef nach Bethlehem hatten reisen müssen. Lange Zeit kümmerte der Geburtstermin wohl ohne-dies niemanden, denn für die frühen Christen waren nur das Osterfest und die Sonntage von Belang. Erst ab dem 4. Jahrhundert beging man Weihnachten als zweiten Höhepunkt des religiösen Jahres, zunächst an verschiedenen Tagen, zum heutigen Datum erstmals 335 in Rom. Auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 legte die Kirche schließlich den 25. Dezember als Termin fest.

Eine große Rolle spielten dabei vermutlich heidnische Feste, die allesamt mit dem Licht zu tun hatten. Das römische Imperium beging an diesem Tag eigentlich das Fest des „sol invictus“, des unbesiegbaren Sonnengottes, sowie den Geburtstag der römischen Mithras-Gottheit, ebenfalls der Sonne zugehörig. In die zweite Dezemberhälfte fielen auch die sogenannten Saturnalien, ein, gelinde gesagt, ausgelassenes Fest zur Sonnwende. Es wird gemunkelt, dass Weihnachten deshalb auf den 25. gelegt wurde, um die heidnischen Feste zu verdrängen. Ungeachtet dessen, ob es der historische Termin der Geburt Jesu ist oder nicht. Er passt jedenfalls zur christlichen Symbolik, wenn kurz nach dem dunkelsten Tag des Jahres das „Licht der Welt“ (Joh. 8,12), wie sich Christus genannt hat, als das „Wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh. 1,9) in die Welt kommt.



MORITZ MÜLLER,

Weihnachten bei reicher Familie und Weihnachten bei armer Familie, beide 1848

Salzburger Weihnachtsmuseum, Privatsammlung Ursula Kloiber

Oder ist auch das nur Spekulation? Ein Wiener Wissenschaftler meint das mehrfach widerlegt zu haben. Die heidnischen Sonnengottfeste hätte es zum fraglichen Zeitpunkt nie gegeben, vielmehr habe ein inneres Bedürfnis eines Propheten nach einem Geburtstagsfest für den Messias am Tag, „an dem an das Licht wieder zu wachsen beginne“, zu diesem Datum geführt. Sei’s drum. Heiligabend und Weihnachten werden in der christlichen Welt am 24. bzw. 25. Dezember gefeiert. Ausnahme: Orthodoxe Kirchen feiern in vielen Ländern Christi Geburt erst am 6. und 7. Januar. Das liegt daran, dass sie die Tage nach einem älteren, dem julianischen, Kalender berechnen.


Oskar Laske, Die Hl. Familie, 1935


Oskar Laske, Weihnachts-Krippe, 1920

DAS MALERSCHIFF AM WOLFGANGSEE

Viele Künstler haben die Geburt Christi in ihren Werken dargestellt. Die frühesten uns bekannten Bilder reichen bis an den Anfang des 4. Jahrhunderts zurück. In den ersten Darstellungen war das Jesuskind in der Krippe mit Ochs, Esel und Hirten das wichtigste Bild-element, später kamen auch Josef und Maria dazu.

In meiner Sammlung habe ich Bilder einer wenig bekannten, ungewöhnlichen Künstlergruppe, die sich in ihrem vielfältigen Schaffen auch mit Bibelszenen und anderen weihnachtlichen Motiven beschäftigt hat: die Zinkenbacher Malerkolonie, die zwischen 1927 und 1938 den Wolfgangsee als Sommer- und Winterdomizil wählte. Mit ihrem Malschiff fuhren sie auf dem See, malten Bilder vor allem der wunderschönen Landschaft, aber auch von Marktplätzen, Volksfesten, Motiven aus der Religion, Geschichte und Mythologie.

Die meisten hatten eine enge Verbindung mit der Wiener Secession oder dem Hagenbund, einem Vorläufer der Secession. Sein Name stammt nicht etwa vom Nibelungenlied, sondern vom Wiener Gasthausbesitzer Josef Haagen, in dessen Lokal sich ab den 1870er Jahren jüngere Maler, Bildhauer und Architekten trafen. Dort und auch bei Ausstellungen, die sie als bereits anerkannte Künstler beschickten, lernten sie einander kennen. Unter anderen Oskar Laske, Franz von Zülow und Ernst Huber, „meine“ Zinkenbacher. Das Bemerkenswerte an der Malerkolonie ist, dass ihre Mitgliedertrotz unterschiedlicher Persönlichkeiten und ideologischer Gegensätze in einem Klima der Toleranz ihre Zeit zusammen verbrachten, miteinander malten, im See schwammen, Tennis spielten und diskutierten: politisch Verfolgte wie Geduldete, Monarchisten und Kommunisten, völkisch und sogar nationalsozialistisch eingestellte Künstlerinnen und Künstler.

Der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich bedeutete das Ende der Malerkolonie. Es wurden Malverbote ausgesprochen, Bilder, auch von Zinkenbachern, als „entartet“ eingestuft. Viele ihrer Mitglieder mussten emigrieren. So verließ auch Liesel Salzer das Land und flüchtete in die USA, wo sie 2005 starb. Als letzte Überlebende der Gruppe schenkte sie nach und nach alle vor 1939 entstandenen Werke dem Museum Zinkenbacher Malerkolonie in St. Gilgen. Die Bilder wollen dorthin, sagte sie.

Äquivalente zum christlichen Weihnachtsfest gibt es auch in anderen Religionen und Kulturen. Jede Religion hat ihre eigenen Festtage, die Art zu feiern gleicht einander, stets ist das soziale Miteinander von besonderer Bedeutung. Beispielsweise beim Chanukka-Lichtfest im Judentum: Man isst und singt mit Freunden, zündet Kerzen an und tauscht Geschenke aus. Das mehrtägige Fest erinnert an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus.

Ebenso fröhlich und familienorientiert ist Diwali im Hinduismus. Es ist ein spirituelles Lichterfest mit der Hauptbotschaft, dass das Gute über das Böse siegt und damit das Helle über das Dunkle. Lichter und Feuer in allen Formen und Farben sind ein wesentliches Element des Festes. Beim Visakha Puja, dem höchsten Feiertag des Buddhismus, wird der Geburt, der Erleuchtung und des Todes Buddhas gedacht. Häuser und Altäre werden geschmückt, man feiert auch gemeinsam und achtet vor allem darauf, dass Werte wie Nächstenliebe und Freundlichkeit eingehalten werden. Werte, die auch bei unserem Weihnachten eine große Rolle spielen – symbolisch stellt das einen Bezug her.


UNVERGESSLICHE WEIHNACHTEN

Dieses Miteinander, das gemeinsame Feiern mit der Familie, ist auch für mich das Um und Auf eines schönen, freudigen Heiligen Abend. Familienweihnachten, also Weihnachten als private Feier im Kreis der Familie mit den dazugehörigen Ritualen, gibt es in dieser Form erst seit dem Biedermeier. Davor war es ein gemeinschaftliches kirchliches Fest bzw. ein oft wildes, volkstümliches öffentliches Gaudium. Heute ist es nochmal anders. Längst spielt der Bezug zur Geburt Christi nicht mehr die Hauptrolle, viele kennen ihn gar nicht mehr, wie Umfragen bestätigen. Weihnachten in der Familie zu feiern war auch bei der „kritischen Generation“ und den dazugehörigen Konflikten lange Zeit nicht mehr en vogue. Doch es scheint, dass der gesellschaftliche Trend wieder stärker zurück zum guten, alten Weihnachtsfest geht.

 

Fragt man mich nach einem besonderen oder gar schönsten Weihnachtsfest in meiner Erinnerung, hat es auch stets mit Familie zu tun. Da gibt es die Geschichte aus meiner Jugend, als ich verkatert ins Weihnachtsfest hineinfeierte, weil ich davor meinen Geburtstag etwas zu heftig gefeiert hatte.


Norbertine Bresslern-Roth, Christuskind mit Esel und Ochse, o.J.

Weihnachten als private Feier im Kreis der Familie gibt es erst seit dem Biedermeier.


Oskar Laske, Merry Christmes (sic), o.J.

Für mich gab es ja jährlich dieses Dilemma zwischen Geburtstagsfeier mit Gleichaltrigen und Weihnachtsfeier im kleinen Familienkreis. Meine Mutter, sonst sehr penibel in diesen Dingen, ließ mich und meine Schwestern auf ihrem Schoß etwas ausruhen, päppelte uns ein wenig auf, und es wurde dann noch ein sehr schönes Fest, getragen von gegenseitiger Toleranz.

Ein Weihnachten, das ich nie vergessen werde, war das erste Weihnachten mit meinem Mann und Emilia, meinem ersten Kind, hier in unserem neuen Zuhause. Jung verheiratet, das erste Weihnachten, das ich in meinem eigenen Haus gefeiert habe. Sehr romantisch, sehr gemütlich, wir haben viel geredet und es war ganz entspannt. Und ein zweites Weihnachten, als ich nach der schwierigen Geburt meines Jüngsten mit ihm im Arm zu Weihnachten nach Hause durfte. Beide zählen zu meinen schönsten Weihnachten.


ANDERE LÄNDER, ANDERE SITTEN

Weihnachten wird von Familie zu Familie unterschiedlich gefeiert, von der Großstadt zum Dorf, von Region zu Region und von Land zu Land. Und auch die „Insignien“ des Weihnachtsfestes, wie etwas den Tannenbaum, gibt es nicht überall in der christlichen Welt. In der hochsommerlichen Hitze Australiens treffen die Menschen sich auf großen Wiesen, zünden Kerzen an und singen Weihnachtslieder. Am 25. Dezember feiern sie Mega-Partys in Parks und am Strand. Heiße Weihnachten gibt es auch in Finnland. Am 24. Dezember geht die ganze Familie miteinander in die Sauna. Anschließend kommt ein „gebackener Schwede“ auf den Tisch, Joulukinkku, ein gepökelter, gebratener Schinken. In Turku mahnt seit 1320 um Mitternacht des Heiligen Abends der Leiter der Staatskanzlei vom Balkon des Rathauses Frömmigkeit und gutes Benehmen ein. Die Geschenke bringt der „Joulupukki“, der finnische Weihnachtsmann.

Überall in Skandinavien wird zu Weihnachten das Julfest zum Mittwinter gefeiert. Mit ihm wird nach altem Brauch das wiederkehrende Licht der wieder länger werdenden Tage begrüßt. Eine Reminiszenz an die früheren heidnischen Bräuche, die von Weihnachten abgelöst wurden? An diesen Tagen stehen Julbrot und Julbier auf dem Tisch und überall in der Julstube liegt Julstroh verteilt. Das Fest endet am 13. Jänner mit einem feuchtfröhlichen Gelage.

Auch auf den Philippinen dauert Weihnachten länger als üblich: Es beginnt am 16. Dezember mit Glockengeläut, Blaskapelle und Feuerwerk, es folgen neun Tage mit Frühmessen, der Heilige Abend dauert die ganze Nacht, bis zum 6. Jänner wird weitergefeiert und angeblich sagt man noch im Februar „Fröhliche Weihnachten“. Spanische Kinder müssen bis zum 6. Jänner auf ihre Geschenke warten, denn erst dann ist der eigentliche Bescherungstag. Am Heiligen Abend gibt es eine Art Tombola, aus einer „Schicksalsurne“ werden kleine Geschenke, im schlechteren Fall Nieten, gezogen. In Italien sind Geschenke zu Weihnachten auch irgendwie Glückssache, aus einem großen Sack zieht man Zahlen und erhält das entsprechend nummerierte Päckchen. Zum Trost für eine eventuell nicht zufriedenstellende Ausbeute beschenkt die Hexe „Befana“ die Kinder am 6. Jänner nochmals. Aber nur die artigen.

In den USA und England bringt Santa Claus die Geschenke am Morgen nach dem Heiligen Abend. In beiden Ländern gehört Truthahn, genannt Gregor, auf den Tisch, in England danach Plumpudding. Am Boxing Day, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, wird traditionell Fußball gespielt, früher spielten die Briten auch am Heiligen Abend. Ein Brauch, der bis 1860 zurückreicht. In Frankreich dreht sich Heiligabend, wie könnte es anders ein, um das Festessen. Da es ein normaler Arbeitstag ist, beginnt das Fest erst mit der Mitternachtsmesse in der Kirche, die allerdings bereits am Abend stattfindet. Das Weihnachtsessen, „le réveillon“, besteht traditionsgemäß aus einem mit Kastanien gefüllten Truthahn oder einem Kapaun mit Pflaumenfüllung. Dazu gibt es Austern, Gänseleber und kandierte Maronen, die berühmten „marrons glacés, und andere Delikatessen. Ganz wichtig ist auch die so genannte „bûche de Noël“, der Weihnachtsbaumkuchen. Diese Tradition geht zurück auf den alten Brauch, am Weihnachtsabend einen Baumstamm zu verbrennen und dessen Asche an den Feiertagen auf den Feldern zu verstreuen, um Glück und eine reiche Ernte zu sichern.

In Polen gehören Weihnachten und genussvolles Essen ebenso untrennbar zusammen. Am wichtigsten Fest des Jahres, der „Wigilia“, dem Heiligen Abend, wird zunächst den ganzen Tag gefastet, das Abendessen ist fleischlos. Traditionell gibt es ein Fischmenü, das aus 12 verschiedenen Speisen besteht. Sie symbolisieren die 12 Monate eines Jahres und die 12 Apostel. Man sollte von jedem Gericht zumindest kosten, damit man im Nächsten Jahr Glück hat. Auf dem Tisch befindet sich ein zusätzliches Gedeck, das an verstorbene Familienmitglieder erinnert. Es ist aber auch für einen „unerwarteten Gast“ gedacht, der an die Tür klopft und dann mitfeiern kann: ein deutlicher Bezug auf die Herbergssuche in der Weihnachtsgeschichte. Ein Muss auf dem Weihnachtstisch sind Karpfen, Rote-Bete-Suppe, Kohl mit Pilzen, Fisch in Gelee und eine Pastete.

Das längste Weihnachtsfest der Welt feiert die brasilianische Stadt Gramado, nämlich seit 32 Jahren an 81 aufeinanderfolgenden Tagen. Das würde wohl selbst dem größten Weihnachts-Fan zu viel des Guten.