Loe raamatut: «Moral frisst Fressen.»

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Eva-Maria Endres, Christoph Klotter Moral frisst Fressen Das Richtige essen und das richtige Essen

Autorin und Autor

Impressum

Eva-Maria Endres, Christoph Klotter

Moral frisst Fressen

Das Richtige essen und das richtige Essen

Was ist eigentlich Moral?

»Allerdings hat es sich bei der Gedankenleere früherer Moralphilosophien häufig einfach um die Leere eines konventionellen Moralisierens gehandelt, um ein simples Abhandeln moralischer Probleme für den Alltagsgebrauch. Die zeitgenössische Moralphilosophie dagegen hat es fertiggebracht, auf eine ziemlich originelle Weise langweilig zu sein, indem sie nämlich darauf verzichtet, moralische Probleme überhaupt zu diskutieren.« 1

Bernard Williams

Der Begriff »Moral« hat einen (um beim Essen zu bleiben) altbackenen, sauren Beigeschmack. Man denkt sofort an gut situierte Damen, die über die »heutige«, will heißen unmoralische Jugend schimpfen, oder steife Generäle, die sich über fehlende Moral in der Truppe auslassen. Hin und wieder hört man auch, Moral sei verloren gegangen in der Gesellschaft. Doch was genau wird da eigentlich bemängelt? Suchen wir in der Moralphilosophie nach Antworten, stoßen wir auf die unterschiedlichsten Interpretationen. Die Moralphilosophie ist eine der ältesten wissenschaftlichen Disziplinen. Entsprechend vielfältig sind die Theorien. Je nach philosophischer Schule, nach Auffassung darüber, was das Gute ist, was ein gelingendes Leben ausmacht, ob man dieses überhaupt definieren kann und, wenn ja, ob sich daraus allgemeingültige Handlungssätze ableiten lassen, gestalten sich die Definitionsansätze zur Moral unterschiedlich. Ursprünglich bezeichnete sie so etwas wie »Sitte« oder »Brauch«. Doch ist Moral mehr als bloße Tradition. Sie soll eine leitende Funktion einnehmen, die unser Verhältnis zu den Mitmenschen, zur Umwelt und vielleicht auch zu uns selbst bestimmt. Sie ist so etwas wie der soziale Kitt einer Gesellschaft, der einen gerechten Umgang miteinander sichert und förderliche Austauschbeziehungen regelt. Sie geht auch über geltendes Recht hinaus. Es reicht nicht, allein die Vorschriften zu befolgen. Moralisches Handeln erfordert eine innere Haltung, eine Überzeugung, das Richtige zu tun. Moralisches Handeln geht mit einer altruistischen Einstellung einher. Wir stellen unsere eigenen Bedürfnisse zum Wohle anderer oder zum Wohle der Gesellschaft zurück. Die Moral verliert an Wert, wenn sie aus Eigennutz motiviert ist.

Wenn wir der Moralphilosophie folgen, ist Moral also etwas Gutes – wenn nicht sogar die Verkörperung des Guten schlechthin. Doch was verursacht dann den negativen Beigeschmack? Ganz so einfach – hier das Gute, was zu tun, und da das Schlechte, was zu unterlassen und zu verurteilen ist – scheint es dann doch nicht zu sein. Wenn nicht jeder selbst definieren kann, was für ihn gut und richtig ist, braucht es allgemeingültige Handlungssätze, die das Gute verkörpern. Zu diesen zu gelangen, gestaltet sich jedoch schwierig bis unmöglich. Denn selten ist ein sauberer Schnitt zu ziehen zwischen dem Guten und dem Nicht-Guten, dem Schlechten, gar dem Bösen. Es kommt auf die Zusammenhänge an. Moral als Absolutum gedacht, verleitet jedoch zu einem dichotomen Denken. François Jullien begreift dichotomes Denken zu Recht als eine faule Bequemlichkeit, »die in jedem Dualismus steckt. Jene Bequemlichkeit, die hier darin besteht, in das fortlaufende Gewebe der Handlungen und Verhaltensweisen hineinzuschneiden, dabei die Querfäden zu zerstören und nicht mehr auf die Übergangslinie zu achten, wo man von vorne nach hinten, von links nach rechts wechselt. Jene Bequemlichkeit folglich, die darin besteht, jede der beiden Seiten zu isolieren und Licht und Schatten, gleich zwei antithetischen Welten, in zwei Lager zu scheiden, kurzum, beide auf eine eigene Entität zurückzuwerfen und aus ihnen Rollen zu machen: Gut – Böse.« 2

Das ist die Schattenseite der Moral. Für Niklas Luhmann ist sie nichts weiter als die Kommunikation von Achtung und Missachtung. Er nennt sie sogar ein »polemisches und in vielen Hinsichten unsauberes Geschäft«.3 »Wer moralisiert, will verletzen – so jedenfalls sieht es aus, wenn man sich mit empirischem Interesse das wirkliche Verhalten von Moralisten anschaut.« 4

Der Moral liegt also auch ungeheure Macht inne. Die Furcht vor sozialer Ausgrenzung bei moralischem Fehlverhalten wiegt tonnenschwer. Und ebenso gewichtig, weil unglaublich gut, fühlt es sich an, moralisch erhaben zu sein oder zumindest moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Es sind nicht die Regeln der Gesetzesbücher, die unser gesellschaftliches Zusammenleben bestimmen, sondern die ungeschriebenen Gesetze einer sozialen Gemeinschaft, nach denen wir um Anerkennung, Zugehörigkeit und Identität ringen.

Die Moral auf dem Tisch

Essen ist der prototypische soziale Akt und steht damit in direkter Verbindung mit der Moral. Die gemeinsame Mahlzeit ist ein soziales Phänomen mit universeller Gültigkeit. Überall auf der Welt wird gemeinsam gegessen. Beim Essen treffen sich Freunde, Familie, Geschäftspartnerinnen, um Zugehörigkeit zu demonstrieren und zu erleben. Das Essen in Gemeinschaft schmeckt mir auch besser. Ich erfahre, was die anderen erfahren haben, was sie denken, was sie vorhaben.

In der Essmoral spiegelt sich zugleich der Ursprung jeglicher menschlichen Moral. Anhand der Beschaffung und Zubereitung des Essens haben sich erste Verteilungsstrukturen und ökonomische Verbindlichkeiten entwickelt, Tagesabläufe und Arbeitsteilungen haben sich etabliert. Zudem gibt es keine menschliche Gemeinschaft ohne Nahrungsmittelverbote, Nahrungsmitteltabus. Genau über diese definiert eine menschliche Gemeinschaft ihre Eigenart, genau darüber kann sie sich von anderen Gemeinschaften abgrenzen.

Tasuta katkend on lõppenud.

Žanrid ja sildid
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9783961962082
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