Loe raamatut: «Liebesengel küssen nicht»
Ewa A.
Liebesengel küssen nicht
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
KAPITEL 28
KAPITEL 29
KAPITEL 30
Ein paar Worte
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Impressum neobooks
Impressum
Liebesengel
küssen nicht
Ewa A.
Impressum
Text:
Copyright © 2020 Ewa A.
Alle Rechte vorbehalten
Cover:
Copyright ©
Renee Rott,
Dream Design - Cover and Art
unter Verwendung von Bildmaterial
von www.shutterstock.com
Lektorat:
Julia Feldbaum
https://www.redaktionsbuero-feldbaum.de
Verlag:
E. Altas
79423 Heitersheim
ewa.xy@web.de
https://www.facebook.com/EwaA.Autorin
Die Geschichte sowie die Personen und die Orte in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Begebenheiten, Orten, lebenden oder toten Personen sind in keiner Weise beabsichtigt und wären purer Zufall.
KAPITEL 1
AUTOBAHN ZUM GLÜCK
Es ist nicht so, dass ich mich beklagen will, schließlich ist es mein Job, der Liebe auf die Sprünge zu helfen, aber es gibt wirklich schönere Plätze als den Standstreifen einer Autobahn, um das zu bewerkstelligen. Ehrlich, ich stehe hier herum und komme mir vor wie eine Idiotin. Der einzige Trost ist, dass mich keiner der vorbeipreschenden Autofahrer sehen kann. Der Lärm, der ganze Gestank … ätzend.
Naja, der Kerl würde hoffentlich jeden Moment angerast kommen. Laut meines Auftrags fährt dieser Chris mit seinem silbernen Golf zu einem Kumpel. An einem Samstagmorgen, um neun Uhr.
Was, zum Teufel, treiben zwei Typen um diese Uhrzeit? Das wäre doch mal eine interessante Information gewesen. Aber nein, in dem Bericht stehen so öde Sachen drin, wie dass der gute Chris achtundzwanzig Jahre alt ist, seinen Beruf als Schornsteinfeger gern ausübt und vor wenigen Tagen seinen Beziehungsstatus in den sozialen Netzwerken wieder auf Single gesetzt hat.
Das soll mich jetzt überraschen oder gar informieren?
Okay, zumindest hatte er, im Gegensatz zu mir, schon mal einen Vergeben-Status. Diesen Status hatte ich noch nie. Da fällt mir ein: Ich bin in gar keinem sozialen Netzwerk. Vielleicht sollte ich mich doch Mal bei »Cupid-Cloud« anmelden.
Aber zurück zum Beziehungsstatus meines Klienten: Diese Information, dass er wieder Single ist, ist total unnütz, denn sonst würde von dem Kerl wohl kaum ein Wort in diesem Auftrag stehen – und ich nicht auf dem doofen Standstreifen.
Die Vorlieben und Hobbys von unserem Chris sind ebenfalls fein säuberlich in einer Tabelle aufgeführt. Handy-Weitwurf hab ich da zum Beispiel gelesen. Gut, wenn man zu viele alte Handys hat, ist das durchaus … eine sinnvolle … äh nein … aber man hat Bewegung und ist an der frischen Luft. Auf jeden Fall machen diese Freizeitbeschäftigungen (oder vielmehr einige davon) und seine Charakterzüge Chris zum optimalen möglichen Partner für die niedliche Daphne.
Deswegen bin ich hier, neben besagter junger Frau, auf der Autobahn und glotze dumm aus der Wäsche. Zum Glück zählt Hilfsbereitschaft zu einer von Chris‘ guten Eigenschaften – und auch sein Faible für lange Frauenbeine –, was mir mein Vorgehen erleichtern wird. Hoffe ich.
Neben mir starrt Daphne ziemlich ratlos unter die Motorhaube und tut so, als könne sie den Defekt des streikenden Motors ausfindig machen. Was sie gar nicht kann, da sie erstens kein Mechaniker ist und es zweitens überhaupt keinen Defekt gibt.
Woher ich das weiß? Weil ich den Tank geleert habe. Mit bloßer Willenskraft, einfach so, wie … Keine Ahnung. Tja, was soll ich sagen, ich kann es, also tue ich es.
Mir fiel auf die Schnelle leider nichts anderes ein als die Autopanne, weil sich die beiden, laut Bericht, unter üblichen Umständen nicht über den Weg gelaufen wären.
Eigentlich befindet sich Daphne auf dem Weg zur Hochzeit ihrer Cousine. Deshalb trägt sie ein schönes Sommerkleid, was mich schmunzeln lässt, und hoffentlich auch bald Chris.
Ich musste Daphne mit weißem Rauch, der auf der rechten Seite des Motorraums herausrauschte, in eine günstige Position navigieren, damit sie besser in Chris‘ Blickfeld geraten würde.
Der Edelstein meines Armbandes beginnt, grün zu leuchten: das verabredete Signal der Cupida-Leitstelle. Es zeigt mir an, dass der andere Klient in der Nähe ist. Tatsächlich sehe ich von Weitem einen silbernen Golf kommen. Endlich! Ausgezeichnet, er imitiert die Geschwindigkeit einer fußlahmen Schnecke.
Jetzt ein kleiner Windstoß, der Daphnes Rock im richtigen Augenblick anhebt und ihre schönen Beine entblößt, die Chris sehen sollte.
Ja, genau so! Meine Rechnung geht auf, und Chris legt eine Vollbremsung hin.
Himmel, bin ich gut!
Ein paar Meter weiter vor uns parkt er seine Karre auf der Standspur. Alter Schwede, der Kerl muss es ja nötig haben, denn eilig springt er auf der Fahrerseite heraus. Er macht eine gute Figur in Jeans und Shirt.
Währenddessen erhebt sich auf der Beifahrerseite ein Typ im Anzug aus dem Wagen. Ohne dass sich die Tür öffnet. Er durchdringt ohne Probleme die Karosserie. Na super! Ein Erist! Der hat mir gerade noch gefehlt.
Meine Augen verengen sich automatisch vor Missmut, als ich meinen Gegner in Augenschein nehme. Denn sein Ziel ist es, das Zusammenkommen zweier Menschen zu verhindern. Er und ich wetteifern mit unseren jeweiligen Kollegen um den ewigen Sieg.
Die Eristen säen Zwietracht, während wir, die Cupidas, Liebe gedeihen lassen wollen. Ja, ich weiß, die Menschen nennen uns Cupido, aber wir selbst betiteln uns als Cupida. Wie ich meinen Auftrag erhalte, so bekommt auch der Erist seine Anweisung – mit allen nötigen Angaben. Obwohl unsere Ziele nicht unterschiedlicher sein könnten, sind unsere Arbeitsweisen die gleichen.
Der Erist holt einen Wirkungsstab aus der Innentasche seines Jacketts, was mir sagt, dass er ein Neuling ist, der noch das Hilfsmittel braucht, um seinen Willen zu bündeln. Ich habe schon fast Mitleid mit ihm, denn ich habe meinen das letzte Mal vor einem Jahrhundert benutzt. Aber dennoch muss ich zugeben, dass die Eristen-Stäbe cooler aussehen als unsere. In den schwarzen Stäben perlt nämlich rote Lava hin und her, was diese geheimnisvoll und vor allem cool macht. In den Cupida-Stäben dagegen glitzern doofe Silberpartikel herum und lassen einen damit wie eine tussige Fee wirken. Das wiederum erklärt, warum ich heilfroh bin, das Teil nicht benützen zu müssen.
Die zwei Männer kommen auf uns zu, und ich verschränke grinsend die Arme vor der Brust, während ich mich an Daphnes Wagen lehne.
Chris strahlt über alle vier Backen und reibt sich die Hände. »Hi. Na, kann ich helfen?«
Absichtlich schaue ich nur Chris an und erwidere sogar dessen Begrüßung mit einem Lächeln. Obwohl mich auch dieser im Moment nicht sehen und hören kann – wie jeder Mensch.
»Hey. Das wäre super«, säusle ich.
Durch diesen Kniff glaubt der Erist vor mir, ich sei ein Mensch. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich nicht gerade der typischen Erwartung entspreche, die man im Allgemeinen von einer Cupida hat. Ich bin weder eine engelhafte Blondine in einem Hängerkleidchen noch habe ich himmelblaue Augen, unter denen ein Knutschmund schmollt. Vergesst es! Ich bin brünett und trage eine gewöhnliche Jeans. Meine Augen sind froschgrün, und mein Mund ist völlig unsexy. Ach, und Flügel habe ich auch keine, geschweige denn Pfeil und Bogen.
In einer verlegenen Geste streicht sich Daphne eine Haarsträhne hinter das Ohr und sagt errötend: »Oh, ich hoffe es, weil ich habe nämlich keinen Plan, was auf einmal los ist. Der Motor rauchte sogar schon.«
Der Erist wendet den Kopf, um Daphne besser zu verstehen, und ich habe das Gefühl, ihm kommt allmählich ein Verdacht.
Chris kratzt sich an der Stirn. »Mach dir nichts draus. Bei mir muss die Elektronik auch einen Schuss haben. Der Tempomat schaltete sich aus heiterem Himmel ein, und ich bekam ihn nicht mehr aus. Deswegen musste ich mit achtzig über die Autobahn kriechen.«
Haha, der kleine Erist dachte wohl, wenn er rumtrödeln würde, wäre Daphne schon längst bei ihrer Cousine. Falsch gedacht, Dummerchen! Selbst wenn er Chris‘ Golf total lahmgelegt hätte, würde ich jetzt mit Daphne bei ihnen stehen, denn den Erstkontakt gewinne ich immer.
Indessen beugt sich Chris tatkräftig über den Motorblock. »Wollen mal schauen, wo das Problem liegt. Ansonsten rufen wir die Pannenhilfe.«
Der Erist schwenkt seinen Stab, und aus den Tiefen des Motorraums spritzt eine schwarze Fontäne empor, die Chris von Kopf bis zur Hüfte einsaut.
»Wow, wo kommt denn das her?«, schreit der junge Mann und macht einen Satz zur Seite.
Daphne schlägt sich die Hände vor den Mund. »Oh mein Gott, das ist ja … Nein, das tut mir echt leid. Dein T-Shirt ist total voll.«
Christ stöhnt sichtlich genervt auf, als er an sich herunterschaut und das Desaster begutachtet. »Scheiße, das ist Öl! Das geht nie wieder raus. Oh Mann, ey!«
Aha, für einen Anfänger hat er ganz gut reagiert, der junge Erist. Er wollte Chris sauer machen, aber der Schuss könnte auch nach hinten losgehen.
Zerknirscht fängt Daphne an, zu stammeln: »Ich komm natürlich für deine ruinierte Kleidung auf. Warte, ich hol Taschentücher, damit du dein Gesicht abwischen kannst.«
Sie tippelt in ihren hohen Schuhen um den Wagen, mitten durch den Erist hindurch, und Chris folgt ihr. Ich stehe nicht im Weg, was mich zu meinem Vergnügen bei meinem Gegner noch nicht auffliegen lässt.
Als Daphne sich ins Auto zu ihrer Tasche beugt, nutze ich Chris‘ gute Aussichtsposition und lasse nochmal ein laues Lüftchen wehen, das erneut ihren Rock hebt.
Oh, holla ein String! Prompt verbessert sich Chris‘ Laune, was an seinem Schmunzeln abzulesen ist. Sogar der Erist bewundert Daphnes Kehrseite verträumt.
»Schrecklich windig heute, nicht wahr?«, murmle ich, und nun inspiziert mich der Erist genauer. Ich ignoriere ihn natürlich immer noch, allerdings entgeht ihm mein Armband kein zweites Mal.
»Du bist eine Cupida! Ich dachte …«, schnauft er empört.
Ich lache ihm direkt ins Gesicht. »Was, dass ich ein Mensch bin? Tja, nein, mein Lieber. Ich bin Evodie, hinten mit ‚ie‹. Nur, damit du im Bericht für deine Chefin meinen Namen richtig schreibst. Die will bestimmt wissen, wer dir die Tour vermasselt hat.«
Der Kopf des Eristen läuft langsam rot an, und mit zornigem Blick schwingt er seinen Wirkungsstab. Er deutet auf Chris‘ Hose.
»Jetzt käme es doch wie gerufen, wenn seine Ex ihn zurückhaben wollte. Meinst du nicht, Evodie?« Gehässig verzieht sich sein Mund.
Zeitgleich, als Daphne Chris das Taschentuch mit einem charmanten Lächeln reicht, fängt Chris‘ Handy an, zu bimmeln. Ein Rufton erklingt, der jedem Anwesenden klarmacht, dass da seine Freundin anruft. Chris, der Trottel, hat den Klingelton noch nicht verändert.
Ich schüttele den Kopf, denn abermals outet sich der Erist als waschechter Anfänger: Niemals erzählt man dem Gegner, was man zu tun gedenkt.
Hektisch wischt sich Chris mit dem Tuch über den Mund und zerrt, mit kugelrunden Augen, das Smartphone aus seiner Gesäßtasche. Mit einem leisen »Oh, Moment, ich komm gleich wieder«, dreht er Daphne den Rücken zu. Er entfernt sich einige Schritte von ihr. Verdattert blinzelnd, bleibt Daphne stehen.
Beim besten Willen kann ich mir das Lachen nicht verkneifen, als ich den männlichen Erist in hoher Frauenstimme in seinen Wirkungsstab reinplappern höre.
»Hallo, Chris. Ich bin‘s Lena, du ich … Also ich dachte, wir sollten doch nochmal über alles reden. Hast du nicht Lust, mich zu treffen? Vielleicht heute?«
Eins muss man dem Kerl lassen, er hat seinen Bericht aufmerksam gelesen, denn der Name der Ex stimmt.
Während Chris stammelt, dass das schon möglich wäre, kappe ich kurzerhand die Unterhaltung, indem ich den Lautsprecher des Handys stumm schalte. Verwirrt schaut Chris auf sein Handy, und ich … lasse einen Platzregen runter, der sich gewaschen hat.
Chris zeigt schreiend auf sein Auto, und die beiden Menschen flüchten vor dem Mini-Gewitter, um in seinem Wagen Schutz zu suchen. Mein Gegner scheint überfordert zu sein und muss sich einen Regenschirm heraufbeschwören. Mir allerdings können die prasselnden Tropfen nichts anhaben, weil ich, lapidar gesagt, trocken bleiben will.
Panisch stochert der Erist mit seinem Wirkungsstab in der Luft herum, in Richtung Daphne. Daraufhin wird ihr die Autotür von einer Windböe aus der Hand gerissen und fällt wieder zu. In der Zwischenzeit sitzt Chris bereits im Trockenen, wohingegen Daphne erneut versucht, die Tür zu öffnen. Vergeblich reißt die durchnässte Frau am Griff.
Mit einem herablassenden Schmunzeln fege ich das Bemühen des Zwietracht-Engels zur Seite. Daraufhin stolpert Daphne ein paar Schritte rückwärts, da die Wagentür plötzlich unverschlossen ist. Den Willen meines Gegners zu überwinden, war lächerlich einfach.
Zufrieden lasse ich mich auf der Rückbank in Chris‘ Golf nieder. Ein altbekannter, leichter Druck auf meinen Körper macht mir bewusst, dass der Erist sich entschieden hat, mir Gesellschaft zu leisten. Ich fühle mich wie ein Magnet, der von einem gleichen Pol abgestoßen wird. Mein Gegenspieler grummelt verärgert vor sich hin, und wir gucken Chris dabei zu, wie diesem schier die Augen aus dem Kopf fallen. Denn Daphnes weißes Sommerkleid ist nun patschnass.
Tja, was passiert, wenn weiße Baumwolle nass wird …?
Ab da weiß sowohl der Erist als auch ich, dass Chris Daphne heimfahren wird und vorerst die Dinge ihren Lauf nehmen, ohne unser Zutun. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich den beiden nochmal einen Besuch abstatten, denn dann sind die Chancen meines Gegners auf Erfolg leider höher.
Der Stein auf dem Ring des Eristen leuchtet rot, wie auch mein Armband. Für uns beide ist dies der Aufruf, in die Zentrale zurückzukehren. Neuer Auftrag, neues Glück.
KAPITEL 2
DAS BÜRO IN DEN WOLKEN
Kaum habe ich den Gedanken an meine Rückkehr in die Cupida-Zentrale zu Ende gedacht, bin ich auch schon in dem unaufhörlichen Wahnsinn gelandet, der mein Arbeitsplatz ist.
Ein Großraumbüro, dessen Wände aus weißen Federwolken bestehen. Im Grunde ist hier alles weiß: der Boden, die Decke, die Stühle, die Schreibtische, sogar die Monitore. Selbst die Operatoren, welche die Cupidas von hier aus bei ihren Aufträgen unterstützen, sind in strahlend weiße Anzüge oder Kostüme gekleidet. Unzählige Pulte stehen akkurat in Reih und Glied, neben- und hintereinander. Mittig strebt zwischen ihnen ein breiter Gang auf eine Tür zu.
Der übliche Lärm von Stimmen, Druckern und Telefonklingeln drückt auf meine Ohren, als ich mich zu Bellamy, meinem Operator, umdrehe, der hinter seinem Schreibtisch auf mich wartet.
Auf Bellamys rundem Gesicht erscheint ein stolzes Strahlen. »Auftrag erfolgreich ausgeführt? Komm, sag schon, Evodie!«
Ich pflanze mich seufzend auf die Ecke seines Pults. »Ja, alles problemlos gelaufen. Der erste Kontakt ist immer der einfachste.«
»Hat sich ein Erist blicken lassen?« Bellamy schaut mich über seine Brille hinweg kritisch an, die ihm bis zu seiner Nasenspitze gerutscht ist.
Meine Stirn kräuselt sich, denn seine Frage erscheint mir seltsam – da es nichts Ungewöhnliches ist, dass ein Erist einer Cupida in die Arbeit pfuscht.
»Ja, aber sie schickten einen Neuling, weil sie genau wussten, dass sie den Kürzeren ziehen würden. Die Beziehung der Klienten aufrechtzuerhalten, wird wesentlich schwieriger werden. Du weißt ja, um Paare zu entzweien, senden sie meist ihre Besten aus, die mit allen Wassern gewaschen sind.«
»Das kannst du laut sagen. Frag mal Artreus, was ihm passiert ist?«
Im Getümmel suche ich nach meinem besten Kumpel. Doch nirgends ist Artreus zu entdecken, der mit seiner Erscheinung so auffällig ist wie ein bunter Hund.
»Wieso? Was ist ihm denn passiert? Ist er hier?«
Bellamy deutet mit dem Kopf auf die Tür, auf die alles im Büro ausgerichtet ist. »Er ist beim Chef. Seit geschlagenen zehn Minuten.«
»Oh je, und wie ist Phileas drauf? Hat seine Tür schon geleuchtet?«, frage ich amüsiert.
Mit einem Grunzen schiebt sich Bellamy seine Brille zurecht. »Und wie, sein Brüllen war bis in die hinterste Ecke zu hören.«
Ich schmunzle bei der Vorstellung. Denn wenn Phileas wütend wird, beginnt seine Gestalt, die eh von einer hellen Aura umgeben scheint, regelrecht zu brennen, sodass man das grelle Licht durch die Ritzen der geschlossenen Tür erkennen kann.
»Och, der arme kleine Artreus«, grinse ich verschmitzt.
Niemand, der Artreus je gesehen hat, würde ihn als arm, geschweige denn als klein bezeichnen.
In dem Augenblick öffnete sich Phileas‘ Tür, und mein Freund kommt herausmarschiert. Er sieht aus wie der übereifrige Besitzer eines Fitnessstudios. Vor lauter Muskeln sprengte er fast sein Shirt, und sein kahl rasierter Schädel glänzt wie frisch poliert. Wütend kommt Artreus auf uns zu, und sein Gesicht verrät mir, dass beschissene zehn Minuten hinter ihm liegen. Seine Nase wirkt noch knubbliger, wenn er mürrisch ist.
»Mann, als würde es mich nicht schon genug nerven, dass sich eins meiner langjährigen Klienten-Paare trennt, muss Phileas mir deswegen noch einen akustischen Einlauf verpassen. Verdammte Scheiße!«, brummt er und läuft zu seinem Schreibtisch, der schräg hinter Bellamys steht.
Ich folge ihm und habe vollstes Verständnis dafür, dass mein Kollege so sauer ist. Ein Paar zu verlieren, das man mitunter Jahrzehnte durch Höhen und Tiefen begleitet hat, ist harter Tobak. Schließlich sind wir keine gefühlskalten Zombies, sondern Profis, die sich zwar distanzieren, aber dennoch eine Verbindung zu unseren Klienten aufbauen.
»Was? Wie lange waren die zwei zusammen?«, frage ich.
Aufgebracht lässt sich Artreus in seinen Stuhl fallen und lehnt sich, mit hinter dem Kopf verschränkten Händen, zurück. »Über fünfundzwanzig Jahre. Vor zwei Jahren feierten sie ihre silberne Hochzeit.«
»Was ist geschehen, dass sie sich auf einmal getrennt haben?« Ich bin fassungslos. Verflucht, nicht mal fünfundzwanzig Ehejahre sind eine Garantie, dass ein Paar zusammenbleibt.
In Artreus‘ sonst treuherzigen Augen blitzt nach wie vor die Wut. »Ein bescheuerter Erist ist geschehen, und so wie es aussieht, der gleiche, der auch Hectors Paar entzweit hat.« Er dreht sich auf seinem Stuhl nach hinten und schreit quer durchs ganze Büro: »Hey, Hector. Hector, du kleiner fettarschiger Liebesengel?«
Aber Hector reagiert nicht, und Artreus nimmt das oberste Blatt eines Berichtes, der vor ihm liegt, und zerknüllt es. Den satten Papierball wirft er mit Schmackes zielgenau gegen Hectors Hinterkopf, der sich sofort umdreht und den Schuldigen sucht. Artreus hebt die Hand, und Hector brüllt: »Was ist, drückt dir dein enges Shirt die Luft ab, Arti?«
»Wie sah der abgefuckte Erist aus, der dich verhöhnt hat, wegen den Fünfundzwanzigern?«, schreit mein Freund.
Hector zuckt mit den Schultern. »Groß, dunkler Typ.«
»Hat 'ne Visage wie Luzifer persönlich?«
Der andere Cupida überlegt und nickt dann. »Ja, kann man sagen.«
Luzifer? Hab ich was verpasst. »Was meinst du damit?«
Artreus dreht sich wieder zu mir. »Böse. Dem Saftsack schaut die Hinterhältigkeit schon zu den Augen raus. Ich war kurz davor, das Arschloch plattzumachen, so gereizt hat er mich mit seinen dämlichen Sprüchen.«
Bellamy, der bisher still war, wirft die Frage ein, die auch mir unter den Nägeln brennt. »Kennt man den Namen des Eristen?«
Mein Kumpel schnauft. »Wie er heißt, kann ich dir nicht sagen, aber Zelos soll sich erkundigen.«
»Ich werde Zelos dabei helfen«, sagt Bellamy und schreitet sofort zur Tat, indem er sich an seinen Arbeitsplatz setzt. Zelos ist Artreus‘ Operator und Bellamys Gefährte.
Insgeheim grüble ich darüber nach, sobald wie möglich meine Fünfundzwanziger zu überprüfen, ob da noch alles im Lot ist, denn anscheinend machten die Eristen Jagd auf ältere Klienten.
»Weißt du, wie er es angestellt hat, die Fünfundzwanziger zu trennen?«
Artreus‘ Brauen heben sich, und das sagt mir, dass seine Antwort mir nicht gefallen wird. »Bei Hectors und bei meinem Paar haben es jeweils die Frauen mit ‘nem anderen getrieben.«
»Shit!«, fällt mir nur noch dazu ein. Eine übliche Vorgehensweise der Eristen und schwer zu verhindern, wenn man nicht zum richtigen Zeitpunkt vor Ort ist. Ob der Partner tatsächlich fremdgegangen ist, spielt dabei nicht mal eine Rolle. Der Erist legt Spuren und Beweise für den Lebensgefährten, der dem Beschuldigten dann nicht mehr glaubt, obwohl dieser seine Unschuld beteuert und die Wahrheit sagt. Ein Erist, wie auch ein Cupida, kann seine Gestalt verändern, in alles, was er will. Dies bietet unsereinem unendlich viele Möglichkeiten. Gute, wie auch böse – leider.
Zelos kommt aus Phileas‘ Büro und drückt mir eine weiße Akte in die Hand. »Hey, Evodie. Hier dein neuer Auftrag. Mit Mega-Wichtig-Stempel.«
Mit großen Augen beobachte ich, wie er Bellamy eine weitere Akte gibt, die den gleichen roten Schriftzug trägt. Ich tausche mit meinem Operator einen vielsagenden Blick, denn Mega-Wichtig-Aufträge sind meist sehr heikel und mit viel Aufwand und Zeit verbunden.
Bellamy vertieft sich augenblicklich in seine neue Anweisung und meint dann kopfschüttelnd, während er weiter in den Unterlagen stöbert: »Weißt du, manchmal beneide ich dich, Evodie, um deinen Job da draußen, an der Front. Aber jetzt … nicht.« Er schaute betröppelt auf. »Ich schicke gleich die Kundschafter los, um die Daten zu bekommen, die wir noch brauchen. Schreib mir auf, was du wissen musst. Verflucht, Mädchen, das wird diesmal nicht einfach.«
»Na dann, lass uns anfangen.« Enthusiastisch lasse ich mich in meinem Bürostuhl fallen und öffne mit einem Stoßseufzer die Akte.
Sogleich springt mir das Foto meines nächsten Klienten ins Auge. Ein braunhaariger Mann mit einer markanten Nase und auffallend blauen Augen, blickt mir ernst entgegen. Eine kecke Kerbe hat sich auf seinem glatt rasierten Kinn ansehnlich in Stellung gebracht. Alles in allem ist der Typ eine Zuckerschnitte, was auf meine Arbeit natürlich, wie immer, kein Einfluss haben wird.
Ich beginne, zu lesen, und mir schwant Schreckliches. Denn das Leckerchen, das auf den Namen Jonas Kinz hört, ist Witwer und sucht eine Tagesmutter für seinen achtjährigen Sohn, aber keine Ehefrau. Anscheinend hat sich Jonas in der Trauer vergraben, und drei Mal dürft ihr raten, was mein Chef mir für eine Anweisung gegeben hat?
Genau: Ich soll mich für die Stelle als Kindermädchen bewerben und Jonas eine gewisse Susan Hunz schmackhaft machen, die ebenfalls einen gleichaltrigen Sohn hat.
Tiere und Kinder sind der Alptraum eines jeden Cupidas. Und mich erwarten gleich zwei, und das, obwohl wir Engel gar nicht schlafen.