Die Freunde des Schicksals

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Die Freunde des Schicksals
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

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Die Freunde des Schicksals



Das Ende & der Anfang



Fatum Lev










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Impressum:



Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.



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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR



Mühlstr. 10, 88085 Langenargen



Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2014.



Lektorat: Hedda Esselborn



Titelbild: Tina Markruksa



Innenillustrationen: Laylor



Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM



ISBN: 978-3-86196-376-9 - Taschenbuch



ISBN: 978-3-96074-293-7 - Ebook






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Inhalt





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Ich möchte mich bei Kowu, Benjamin, Ryuchan und Anton bedanken, die mir bei der Entstehung der Geschichte wichtige Tipps gegeben haben.





*





Kapitel 1



„Gibt es Gerechtigkeit im Leben?“ Diese Frage stellte sich Lena in den letzten Tagen häufig. Seit einer Weile marschierte sie mit traurigem Blick durch einen Wald. Das dreizehnjährige Mädchen musste an ihren verstorbenen Freund denken und sie verspürte das Gefühl, gleich weinen zu müssen. Das Zwitschern der Vögel hörte sie nicht wirklich. Den kalten Oktoberwind an ihrem Gesicht ignorierte sie auch. Sie trug keine Jacke, es war ihr egal, ob sie sich eine Erkältung holte. Das rothaarige Mädchen schrie verzweifelt Richtung Himmel: „Ventus ... Warum musste es dich treffen? Warum ist das Leben so grausam? Ich hasse das Leben!“



Seitdem sie wach war, dachte Lena nur an diesen Schicksalsschlag. Es war vor zwei Tagen geschehen. Lena hatte ihr Pferd Ventus, ihren einzigen Freund, auf der Koppel ihres Gnadenhofes im Sterben liegend gefunden. Sofort war sie ins Haus gerannt und mit einem Koffer Verbandszeug zurückgekehrt. Sie hatte sich zu ihm gekniet. Seine Verletzungen waren sehr schlimm gewesen. Diesen Anblick würde sie niemals vergessen können. Das Mädchen hatte versucht, seine Verletzungen zu behandeln und hatte ihm ins Ohr geflüstert, dass alles gut werden würde. Aber in ihrem Inneren war ihr bewusst gewesen, dass es keine Hoffnung gab. Dann hatte sie seinen Kopf auf ihre Beine gelegt und ihn liebevoll gestreichelt. Durch sein Schnauben hatte sie gespürt, dass er über ihre Anwesenheit froh war.



Nach einer Weile war der unvermeidbare Moment gekommen. Ventus hatte Lena noch einmal mit einem herzlichen Blick angeschaut, bevor er für immer die Augen schloss. Danach hatte sie sich auf seinen Körper gelegt. Es war ihr egal gewesen, dass ihre Kleidung beschmutzt wurde. Sie wollte sich von ihm verabschieden. Dann hatte sie angefangen, heftig zu weinen.



Nun setzte sich das Mädchen und lehnte sich mit dem Rücken und dem Kopf gegen einen Baumstamm. Sie atmete langsam. Ihre Gedanken beschäftigten sich nun mit dem Tod ihrer Eltern. Vor vier Jahren war ihre Tante Sarah zu ihr nach Hause gefahren und hatte ihr berichtet, dass ihre Mutter und ihr Vater bei einem Verkehrsunfall gestorben waren. Ein Geisterfahrer war dafür verantwortlich gewesen. Diese schlimme Nachricht hatte sie in einen Zustand von Traurigkeit und Fassungslosigkeit versetzt. In ihr war eine große Leere entstanden. Sie hatte kaum etwas essen und trinken wollen, die meiste Zeit des Tages hatte sie sich in ihrem Zimmer befunden und auf ihrem Bett sehr viel geweint. Sie hatte gehofft, dass alles ein Albtraum wäre. Es dauerte sehr lange, bis sie die Wahrheit akzeptiert hatte.



Wenn sie nur an ihre Tante dachte, verspürte sie einen Zorn auf sie. Seit dem Tod ihrer Eltern musste sie leider bei ihr wohnen. Bei ihr zu leben, war für sie überhaupt nicht schön. Ihre Tante Sarah hatte wegen ihres Berufs als Tierärztin kaum Zeit für sie und konnte ihr wegen ihrer Probleme in der Schule nicht wirklich helfen.



Nun musste sie an Ventus’ Mörder denken. Helen, die Besitzerin des Gnadenhofes, hatte ihr berichtet, dass sie zwei Jugendliche mit Messern in den Händen hatte wegrennen sehen. Das Mädchen würde ihnen niemals vergeben. Sie hasste solche Menschen. Ihr Handeln war in Lenas Augen unverzeihlich. Das Wichtigste in ihrem Leben war ihr genommen worden.



Lena schloss die Augen und erinnerte sich an die Augenblicke auf dem Gnadenhof. Jeden Tag war sie dort gewesen, um die Tiere mit Fressen und Trinken zu versorgen. Auch bei schlechtem Wetter war sie trotzdem mit dem Fahrrad dorthin gefahren. So hatte das Mädchen ihre Sorgen und Probleme für eine Weile vergessen können. Zufällig hatte sie erfahren, dass ein Bauer Ventus zum Metzger bringen wollte. Für seine Rettung hatte sie ihr ganzes Erspartes geopfert. Ihr war klar gewesen, dass dieses Geld für mögliche schwere Zeiten gedacht war. Aber sie hatte es nicht ertragen können, dass viele Pferde so ein trauriges Ende erleiden mussten. Deshalb wollte sie so viele von ihnen retten, wie es ihre finanziellen Möglichkeiten erlaubten.



Bei ihrer ersten Begegnung hatten beide gespürt, dass sie sich sehr mochten. Seine ruhige und sanfte Art hatte sie als sehr angenehm empfunden. Lena war sehr geschockt gewesen über seinen schlechten Gesundheitszustand und hatte ihn unbedingt wieder gesund machen wollen. Deshalb hatte Lena sogar die Schule geschwänzt, die sie wegen ihrer Mitschüler sowieso hasste. Der Ärger mit ihrer Tante und den Lehrern war ihr egal gewesen. Während seiner Pflege waren sie Freunde geworden, manchmal hatte sie sogar in seinem Stall geschlafen. Ihre Gegenwart hatte schließlich dafür gesorgt, dass er schneller wieder auf die Beine kam.



Wenn Lena den Gnadenhof erreicht hatte, hatte sie schnell gespürt, dass ihre schlechte Stimmung wegen der Schule langsam immer weniger wurde. Sie hatte ihr Fahrrad abgestellt und war sofort zu Ventus’ Koppel gerannt. Ihr Freund hatte jedes Mal vor Freude gewiehert, wenn er sie gesehen hatte. Das Mädchen war über den Zaun geklettert und hatte ihn intensiv umarmt. Eines Tages hatte sie ihm zugeflüstert: „Ich bin so froh, dass du für mich da bist. Du hilfst mir, meine schlechte Laune wegen Sarah und der Schule zu vergessen. Durch dich ist meine Trauer um meine Eltern verschwunden und ich kann mich wieder richtig glücklich fühlen. Dafür danke ich dir. Du bist mein bester und einziger Freund. Ich wünsche mir, dass wir für immer zusammenbleiben können.“



Sie hatte ihn auf seine Stirn geküsst. In diesem Augenblick hatte Ventus ihre Haare liebevoll mit seinen Nüstern angeschnaubt. Sie hatte darüber jedes Mal lachen müssen, weil es immer so lustig war. Dann hatte ihr Freund sanft mit seinem Kopf ihr Gesicht berührt. Lena hatte sich darüber sehr gefreut und ihn gefragt: „Bei dem schönen Wetter habe ich Lust, wieder den See zu besuchen. Ist es in Ordnung, wenn ich auf dir reite?“



Gleichzeitig hatte sie bestimmte Handbewegungen gemacht. So hatte sie ihm mitgeteilt, was sie von ihm wollte. Ventus hatte das begriffen und genickt. Er war damit einverstanden. Lena hatte ihn immer gefragt, denn sie hatte das nicht als selbstverständlich gesehen. Das Mädchen betrachtete sich und Tiere auf gleicher Augenhöhe.



Die schönen Erinnerungen machten ihr bewusst, dass sie all das nie wieder erleben würde. Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals und musste weinen. Sie schrie verzweifelt: „Ich vermisse dich so sehr! Ich brauche dich!“ Viele Tränen liefen über ihre Wangen. Es dauerte lange, bis sie nicht mehr weinte. Dann wischte sie sich das Gesicht mit einem Arm trocken.



Unerwartet nahm sie einen sehr schnellen Luftzug war. Lena schaute sich neugierig um und erschrak. Mit offenem Mund erkannte sie, dass ein blaues Einhorn mit Flügeln vor ihr stand. Sie stand auf. Lena war sich bewusst, um was für ein Tier es sich handelte.



Nachdem ihr Schock nachgelassen hatte, betrachtete sie das Zauberwesen genauer. Es hatte ein silbernes Horn und seine Mähne und sein Schweif waren schwarz. Weiter bemerkte das Mädchen an beiden Flanken jeweils einen dunklen Löwenpfotenabdruck. Sie wollte mit ihrer Hand das blaue Fell berühren, um sicherzugehen, dass sie nicht träumte.



Lena näherte sich dem Einhorn vorsichtig. Es schien zu erkennen, was das Mädchen vorhatte, daher blieb es stehen und schaute sie freundlich an. Bei dem Zauberwesen angekommen legte Lena ihre Hand ganz langsam auf das schöne Tier und streichelte sein blaues Fell behutsam. Es fühlte sich angenehm weich und warm an. So erkannte Lena, dass sie nicht träumte. Sie war erstaunt, dass es das Einhorn nicht störte.



Plötzlich erinnerte sich Lena an ein bedeutsames Gespräch. Vor ein paar Monaten hatte Helen ihr berichtet: „Ich meine es wirklich ernst. Gestern ist ein blaues Einhorn mit Flügeln hier aufgetaucht. Es hat alle Tiere mit seinem Horn von ihren seelischen und körperlichen Verletzungen geheilt.“



„Einhörner kann es doch nicht geben! Das kaufe ich dir nicht ab“, hatte Lena kommentiert. Das Ganze war noch vor der Rettung von Ventus geschehen.



„Es gibt doch Einhörner. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Helen hat die Wahrheit gesagt“, murmelte sie zu sich selbst. In diesem Moment wünschte sie sich sehr, das Einhorn wäre vor zwei Tagen da gewesen. Vielleicht hätte es ihren Freund retten können.



Das Einhorn sprach mit ruhiger Stimme zu ihr: „Hallo. Ich bin Mystic Blue.“

 



„Hallo. Ich bin Lena Walker. Hat dein Erscheinen einen Grund? Bist du das Einhorn, das vor einiger Zeit alle Tiere auf dem Gnadenhof geheilt hat?“, stotterte das Mädchen und spürte ihr Herz vor Aufregung schneller klopfen. Während Lena auf die Antwort wartete, merkte sie, dass ihre Trauer nachließ. Das verblüffte sie. Sie bewegte nervös ihre Finger und grübelte über Mystic Blues Erscheinen. In ihrem Körper herrschte nun eine große Spannung. Sie wollte unbedingt erfahren, wieso das Einhorn ausgerechnet sie besuchen wollte.



Das Einhorn äußerte in einem entspannten Ton: „Ja, ich bin das Einhorn, das diesen Gnadenhof besucht hat. Der Grund für meinen Besuch ist, dass ich dir mein Beileid für den Tod deines Freundes aussprechen möchte.“



Das Mädchen freute sich, als es das hörte. Dann seufzte es: „Ich danke dir für dein Beileid. Woher weißt du, dass Ventus gestorben ist?“



Mystic Blue lächelte sie an und erklärte ihr: „Durch Magie weiß ich das. Ich möchte dir helfen, damit deine Trauer weniger wird. Das ist ein weiterer Grund, warum ich zu dir geflogen bin. Ich möchte dich in die Einhornwelt Candelia bringen. Dort wird dafür gesorgt werden, dass du nicht mehr traurig bist. Deshalb wollte ich von dir wissen, ob du damit einverstanden bist?“



Lena musste eine Weile darüber grübeln. Sie fand es toll, dass das Einhorn ihr helfen wollte, ihre Trauer zu überwinden. Dieses schlimme Gefühl wollte sie unbedingt loswerden. Dann meinte sie: „Warum tust du das für mich? Das überrascht mich wirklich. Ich bin doch nichts Besonderes.“



„In meinen Augen bist du was Besonderes. Du behandelst Tiere sehr respektvoll, dir ist ihr Wohl sehr wichtig. Das tun nicht viele Menschen. Deshalb möchte ich dir helfen. Bist du mit meinem Plan einverstanden?“ Mystic Blue schaute das Mädchen erwartungsvoll an.



Plötzliche musste Lena weinen. „Deine Worte bedeuten mir sehr viel. Von anderen Menschen bekam ich nie so ein schönes Lob zu hören. Ja, ich bin einverstanden, dass du mich in die Einhornwelt bringst. Ich hoffe, dass du meine Trauer beseitigen kannst.“



Mystic Blue näherte sich ihr und berührte vorsichtig mit ihrem leuchtenden Horn Lenas Kopf. Sie flüsterte: „Jetzt sollte es dir besser gehen.“ Lena fühlte am ganzen Körper eine angenehme Wärme und ein Glücksgefühl.



Das Mädchen umarmte das Einhorn. „Ich danke dir für das, was du für mich tust.“



Das Einhorn senkte seine Vorderbeine, sodass das Mädchen ohne Probleme aufsteigen konnte. Mystic Blue erklärte ihr: „Der Flug wird nicht lange dauern, deshalb sei nicht überrascht, wenn wir gleich dort sind.“



Mit Respekt und Vorsicht setzte Lena sich auf seinen Rücken. Das Mädchen lächelte und streichelte sanft das weiche blaue Fell. Mystic Blue störte das nicht. Dann schoss das Einhorn mit einer unglaublichen Geschwindigkeit in die Luft.



Es war ein tolles Gefühl für Lena, so zu fliegen. Zuerst dachte sie, dass sie wegen der kalten Luft frieren müsste. Aber dann bemerkte sie eine zauberhafte Wärme, die von Mystic Blues Körper ausging. So war sie vor der kalten Luft gut geschützt.



Tatsächlich dauerte der Flug nur ein paar Minuten und sie erreichten bald ein Gebiet in den Bergen. Dort entdeckte Lena ein großes Tal, über dem sich ein großer durchsichtiger Schutzschild befand, durch den das Einhorn problemlos hindurchfliegen konnte.



Neugierig und erfreut betrachtete Lena Candelia und war sprachlos. Es war wunderschön. Sie sah Wälder, Wiesen, Bäche, Flüsse und Pflanzenarten, die sie vorher noch nie gesehen hatte und die geheimnisvoll wirkten. Die Luft war angenehm warm. Dann beobachtete sie mit großer Freude viele Einhörner, die grasten, Wasser tranken, galoppierten oder sich unterhielten. Der ganze Anblick hatte etwas Magisches, was bei ihr ein Glücksgefühl auslöste. Lena wollte sichergehen, dass sie nicht träumte, und kniff sich ins Gesicht. Als sie erkannte, dass sie wirklich wach war, lächelte sie.



Auch nahm sie einen zauberhaften Geruch wahr, der schwer zu beschreiben war. Er roch so toll, dass sie sich sicher war, ihn niemals vergessen zu können. Sie liebte diesen Ort sofort. Er gab ihr das Gefühl von Geborgenheit. Es überraschte sie sehr, dass ein Ort eine solche Wirkung haben konnte. Dieses Gefühl hatte sie zuletzt gekannt, als ihre Eltern noch gelebt hatten. Sie fand es sehr schade, dass sie nicht gemeinsam mit Ventus das Land der Einhörner besuchen konnte.



Dann landete Mystic Blue auf einer Lichtung eines Waldgebietes, wo beide von einem grauen Pferd erwartet wurden. Es wieherte vor Freude, als es die beiden sah. Lena rutschte vorsichtig von Mystic Blues Rücken herunter und guckte sehr ungläubig. Sie sagte zu dem blauen Einhorn: „Das Pferd sieht genauso aus wie Ventus. Das überrascht mich. Ich frage mich, warum es sich über meine Anwesenheit freut.“



„Lena, das Pferd, das du gerade siehst, ist Ventus! Er hat sein Leben zurückbekommen“, antwortete das Einhorn freudig.



„Wie ist das möglich?“ Lena guckte Mystic Blue geschockt an.



„Mit Magie ist das möglich. Ich lasse euch für eine Weile allein. Ich komme später wieder, damit wir uns über eure Zukunft unterhalten können“, antwortete das Einhorn.



Mystic Blue flog davon und schnell rannte Lena zu ihrem besten Freund. In ihrem ganzen Körper herrschte ein großes Glücksgefühl. Das Mädchen spürte, dass sie den Tränen nahe war, aber sie konnte sich zusammenreißen. Sie bemerkte, dass Ventus deutlich jünger aussah, als sie ihn in Erinnerung hatte. Lena dachte: „Es gibt doch Gerechtigkeit im Leben.“



Noch bevor sie ihn erreichte, wurde er in ein gelbes Licht gehüllt. Dann sah sie, dass er sich in ein Einhorn mit Flügeln verwandelte. Er hatte ein silbernes Horn, seine Mähne und sein Schweif waren schwarz und der Rest seines Körpers weiß. Lena brauchte nicht lange, bis sie begriff, was eben passiert war. Sein neues Aussehen gefiel ihr. Sie fand, dass er als Einhorn eine tolle Ausstrahlung hatte.



Als sie endlich bei ihm war, umarmte sie ihn heftig. Lena hätte ihn am liebsten nie wieder losgelassen. Sein Fell fühlte sich angenehm weich an. Sie hatte das Gefühl, als ob die Trauer um seinen Tod nie da gewesen wäre. In diesem Moment fühlte sie sich sehr glücklich.





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Kapitel 2



Während Lena Ventus immer noch umarmte, erinnerte er sich an die Momente nach seinem Tod. Jedes Mal, wenn er das tat, hatte er das Gefühl, eine schöne Reise zu machen.



Ventus spürte an seinem Gesicht einen angenehmen Luftstrom und öffnete seine Augen. Er schaute sich neugierig um und stellte fest, dass er auf einem Rasen lag. Nun guckte er irritiert. Der Grund war, dass er sich immer noch gut an Lenas verzweifelten und traurigen Blick erinnern konnte, bevor er gestorben war. Das Pferd hatte das Gefühl, dass das eben erst geschehen war.



Er stand auf und betrachtete die Umgebung genauer. Die Wiese war sehr groß. Darauf befanden sich Pflanzenarten, die er vorher noch nie gesehen hatte. Die Gerüche waren ihm neu und dufteten sehr angenehm. Erst in weiter Ferne konnte er Bäume entdecken. So was hatte er vorher noch nie gesehen. Die Landschaft machte einen sehr friedlichen Eindruck, die Luft hatte einen angenehmen Geruch. Er hätte ihn in Worten schwer beschreiben können, weil er sich ständig veränderte.



Ventus spürte schnell, dass dieser Ort etwas Magisches hatte. Auch empfand er das Gefühl von Geborgenheit. Es lag schon sehr lange zurück, dass er dieses schöne Empfinden erlebt hatte. Nun betrachtete Ventus seinen Körper und war erstaunt. Alle Verletzungen waren verschwunden. Er fand, dass sein Fell nun deutlich schöner aussah im Vergleich zu seinem alten Leben.



Plötzlich nahm er wahr, dass ein schönes Wesen vor ihm gelandet war. Mit großem Staunen blickte das Pferd auf ein weißes Einhorn mit Flügeln, dessen Mähne und Schweif grau waren und das ein silbernes Horn hatte. Ventus guckte es neugierig und respektvoll an. Die Schönheit des Einhorns beeindruckte ihn sehr.



Das Zauberwesen sprach mit einer angenehmen Stimme zu ihm: „Hallo, ich bin Salva. Ich hoffe, dass mein Erscheinen dir keine Angst gemacht hat. Falls doch, war das von mir nicht beabsichtigt. Ich bekam die Aufgabe, dir diesen Ort genauer zu zeigen und dir zu erklären, was mit dir noch geschehen wird.“



Das Pferd starrte den Einhornhengst kurz verwirrt an. Dann äußerte es sich nervös: „Ich bin Ventus. Du hast mir keine Angst gemacht, dein Auftauchen hat mich eher verdutzt. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ehrlich gesagt hatte ich mir das Jenseits anders vorgestellt. Bist du ein Einhorn? Wie wird es denn mit mir weitergehen?“



Das Einhorn schaute ihn freundlich an. „Ich bin ein Alicorn, das ist eine besondere Einhornart. Damit sind Einhörner mit Flügeln gemeint. Jetzt muss ich aber erst einmal ein Missverständnis klären: Der Ort, an dem wir uns befinden, ist nicht das Jenseits. Du sollst wissen, dass du wieder lebst!“



Nachdem Ventus den letzten Satz gehört hatte, starrte er Salva eine Weile mit einem verdutzten Gesichtsausdruck an. Viele Gedanken schossen durch seinen Kopf. „Vielleicht sehe ich Lena wieder“, dachte er voller Hoffnung. Stotternd sagte er zu Salva: „Ist das wirklich ernst gemeint? Ich bin doch ein Niemand. So was verdient doch nur jemand, der etwas Besonderes getan hat.“



„Ja, das habe ich wirklich ernst gemeint. Du bist kein Niemand, denn du hast etwas Besonderes getan. Deshalb hast du dein Leben zurückbekommen. Wir sollten erst mal losgehen, weil sich jemand mit dir unterhalten möchte. Ihr sollt klären, wie es mit dir weitergehen soll. Unterwegs erzähle ich dir etwas über diesen Ort und über meine Lebensgeschichte“, erklärte Salva ihm.



Während sie schlenderten, schaute sich Ventus mit großer Neugier genauer um. Das Pferd stellte schnell fest, dass es keine Waldtiere gab. Es konnte keinen Geruch von ihnen wahrnehmen. Darüber war es sehr erstaunt.



Das Wetter fühlte sich sommerlich an. Dabei erinnerte Ventus sich daran, wie er mit Lena zu dieser Jahreszeit zu einem See geritten war. Das hatte er gerne mit seiner einzigen Freundin gemacht.



Er erkannte, dass die ganze Landschaft unberührt war, dass niemand sie verändert hatte. Dann hörte Ventus die Stimme von Salva: „Das Besondere an diesem Ort ist, dass man hier nicht altern kann. Der Grund ist, dass die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes stillsteht. Alles, was du siehst, ist das Reich des Löwen Yellow Destiny. Du wirst dich noch mit ihm unterhalten. Du brauchst vor ihm keine Angst zu haben, wenn du ihm begegnest. Als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe, habe ich große Furcht vor ihm gehabt. Im Nachhinein betrachtet war das ganz unbegründet gewesen.“



Ventus guckte sehr nachdenklich wegen dieser Äußerung. Er musste wieder an Lena denken. Sein Gefühl sagte ihm, dass seine Freundin sicher sehr traurig über seinen Tod war. Dann meinte er zu Salva: „Ehrlich gesagt bin ich unsicher, was ich von dem Treffen halten soll. Kannst du mir konkret sagen, worüber ich mit Yellow Destiny reden werde?“



„Du wirst dich mit ihm über dein Schicksal unterhalten. Du sollst selbst entscheiden, wie es aussehen soll. Deshalb werde ich gleich etwas über mich erzählen. So bekommst du eine Vorstellung, was dich erwarten wird.“ Salva schaute ihn freundlich an.



„Bevor du das tust, habe ich eine wichtige Frage. Vor meinem Tod war ich mit einem Mädchen namens Lena sehr gut befreundet. Werde ich sie wiedersehen? Das möchte ich unbedingt wissen, weil es für mich sehr wichtig ist“, sagte Ventus und guckte das Einhorn fragend an.



„Das musst du Yellow Destiny selbst fragen. Ich vermute, dass du deine Freundin wiedersehen wirst. Bedeutet sie dir viel?“



„Ja, sie bedeutet mir sehr viel. Sie hat mich vor einem Bauern gerettet. Er wollte mich töten lassen. Ich verdanke ihr mein Leben. Nach meiner Rettung ging es mir sehr schlecht und sie pflegte mich liebevoll gesund. Ich bin überzeugt, dass sie über meinen Tod sehr traurig ist, darum möchte ich sie wiedersehen. Sie soll wissen, dass ich am Leben bin“, seufzte Ventus.



Nachdem beide eine Weile geschwiegen hatten, nahm Ventus Salvas Stimme wahr. „Dann erzähle ich dir jetzt etwas von meiner Lebensgeschichte. Früher war ich wie du ein Pferd. Du sollst wissen, dass mein Leben als Pferd sehr traurig und schmerzvoll war. Ich wurde von ein paar Menschen arg schlecht behandelt. Von einem Bauern wurde ich übel gepeitscht. Dieser Kerl wollte mich zum Schlachter bringen. Jedoch wurde ich von einer Frau namens Susan gerettet. Sie brachte mich zu ihrem Gnadenhof und kümmerte sich sehr liebevoll um mich, pflegte mich, soweit es ging, gesund und nach sehr langer Zeit verspürte ich das Gefühl von Geborgenheit. Später tauchte das Alicorn Mystic Blue dort auf. Es heilte mich von meinen körperlichen und seelischen Verletzungen. Dasselbe machte es selbstverständlich auch bei den anderen Tieren. Aus Dank wollte ich es begleiten. Ich erfuhr von ihm, dass seine Artgenossen gefangen worden waren und sterben sollten. Bei der Rettung half ich mit. Mein Ansporn war, dass ich etwas tun wollte, worauf ich stolz sein konnte. Bei der Befreiung wurde ich allerdings getötet, als ich mich schützend vor ein Einhorn stellte.“

 



Ventus schaute Salva noch interessierter an, nachdem er seinen letzten Satz gehört hatte. Er hatte eine Vermutung, was ihn bei dem Gespräch mit dem Löwen erwarten würde. In seinem Inneren fühlte er ein Kribbeln.



Salva bemerkte seine Reaktion und grinste ihn kurz an. „Nachdem ich gestorben war, fand ich mich hier wieder und war wie du auch der Meinung, ich befände mich im Jenseits. Yellow Destiny tauchte unerwartet aus dem Nichts auf und hat mir erklärt, dass ich wieder lebte. Wir unterhielten uns darüber, wie mein Schicksal aussehen sollte. Da sich der Kampf um das Leben der Einhörner in einer sehr kritischen Situation befand, gab es für mich nur eine Option. Ich wollte stärker ins Geschehen eingreifen. Deshalb war ich damit einverstanden, dass Yellow Destiny mich in ein Alicorn verwandelte. Am Ende wurde der Kampf gegen die Feinde gewonnen. Durch die Verwandlung konnte ich später mein Leben besser genießen. Ich musste natürlich sehr viel trainieren, bis ich meine magischen Fähigkeiten beherrschen konnte. So hast du schon eine Vorstellung, was dich bei der Unterhaltung erwarten wird.“



Ventus erinnerte sich immer noch gut daran, was seine Mutter Schönes und Interessantes über Einhörner erzählt hatte. Das Pferd fand den Gedanken wundervoll, dass es vielleicht auch in ein so schönes Wesen verwandelt werden könnte. Sein Gefühl sagte ihm, dass Lena das sicher toll finden und sich darüber freuen würde. Es war sich bewusst, dass es viel dafür tun musste. Dann flüsterte es Salva zu: „Wann werde ich mich mit Yellow Destiny treffen?“



„Das wird bald passieren. Aber zuerst möchte ich dir etwas über sein Reich erzählen“, gab dieser zur Antwort. „Wie groß dieses ist, kann ich dir nicht sagen. Ich wollte es herausfinden, aber nachdem ein Tag zu Ende war, merkte ich, dass ich sicher sehr viele Tage bräuchte, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist denkbar, dass es sogar Jahre sein könnten. Als ich Yellow Destiny dazu befragt habe, hat er so etwas angedeutet. Aus diesem Grund habe ich aufgegeben.



Wenn ich unterwegs war, hat es immer eine Stelle gegeben, an der es etwas zu trinken gab. Hier haben schlechte Gefühle keine Chance zu entstehen. Ich sehe es als Ort des ewigen Glückes.



Das Zuhause des Löwen ist wirklich geheimnisvoll. Ich erinnere mich gut, dass ich während des Fliegens die Kontrolle verloren habe und Richtung Erdboden stürzte. Dabei war ich sicher, dass ich sterben würde. Doch als ich den Boden berührte, wurde er ganz weich und ich landete sehr sanft. Kaum war ich aufgestanden, war der Untergrund wieder fest.



Ich liebe es, hier zu sein und war traurig, als meine Ausbildung zu Ende war und ich diesen Ort verlassen musste. Aus diesem Grund freute ich mich, dass ich hierher zurückkehren durfte, um ihn dir zu zeigen.“



Ventus erkannte die Freude in Salvas Stimme, als er über diesen Ort redete. Aber nun musste er an Lena denken. Er stellte sich vor, dass sie sehr viel geweint hatte und sich in einem schlechten Zustand befinden musste. Dieser Gedanke gefiel ihm nicht.



Das Reich des Löwen beeindruckte ihn sehr. Er fragte sich, ob er mit Lena hier leben könnte.



Beide schlenderten eine Weile, dann entdeckten sie einen See und bewegten sich auf ihn zu. Sie tranken sehr viel. Das Wasser schmeckte Ventus ausgezeichnet. Er hätte noch mehr trinken können. Plötzlich erschien aus dem Nichts ein großer Löwe vor ihnen. Salva raunte Ventus zu: „Ich werde euch für eine Weile allein lassen. Ich rate dir, ehrlich zu Yellow Destiny zu sein. Er mag es gar nicht, wenn jemand die Unwahrheit sagt. Wir sehen uns später.“



Salva flog weg und Ventus ging unsicher auf den Löwen zu. Als er bei ihm ankam, klopfte sein Herz vor Aufregung. Das Pferd schaute ihn respektvoll an und war von seinem Aussehen beeindruckt. Ventus schätzte, dass der Löwe eine Schulterhöhe von zwei