Loe raamatut: «Süffiger Single Malt für MacDonald»

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Winter

Süffiger Single Malt für MacDonald


Frank Winter

Süffiger Single Malt für MacDonald

Schottland-Krimi mit Rezepten


Haftungsausschluss: Die Rezepte dieses Buchs wurden von Verlag und Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Die Haftung des Verlags bzw. des Herausgebers für Personen–, Sach– und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Frank Winter kennt Edinburgh und Schottland wie seine Westentasche. Immer wieder zieht es ihn in die urwüchsige schottische Landschaft, seine historischen Städte und zu den geheimnisvollen Seen. Gleich seinem Helden Angus MacDonald setzt er sich für die Küche des Landes ein. Sein Buch »Schottisch kochen« (erschienen im Verlag Die Werkstatt) wurde von der Gastronomischen Akademie Deutschlands mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

© 2018 Oktober Verlag, Roland Tauber

Am Hawerkamp 31, 48155 Münster

www.oktoberverlag.de Alle Rechte vorbehalten

Satz und Umschlag: Thorsten Hartmann unter Verwendung eines Fotos von Kydroon / iStockphoto

Rezepte: Frank Winter

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

E-Book ISBN: 978-3-946938-42-2

Inhalt

Die Personen

Angus MacDonald verschluckt sich

Balmorals feine Whisky-Bar

Auchentoshan/Kilpatrick, Lowlands

Der Gourmet wird bedrängt

Fiese Gangster

Auktionsfieber in Edinburgh

Tony Wang tischt auf

Lukull ist zu Hause

Mister Witherspoons Unglück

Wangs wollen verreisen

Versteigerung außerhalb der Reihe

Der Gourmet lässt sich nicht in Bockshorn jagen

Emma Anderson geht aufs Ganze

Rezepte

Haggis, Neeps and Tatties, neu betrachtet, Teil eins

Haggis, Neeps and Tatties, neu betrachtet, Teil zwei

Vegetarische schottische und orientalische Küche vereint

Whisky-Cordials: fruchtige Whisky-Drinks

Whiskys für den alltäglichen Geldbeutel, die Angus Thinnson MacDonald im Buch verköstigt

Glossar schottischer, britischer und whiskyhafter Begriffe

Thema Fake Whisky/Falscher Whisky

Die Personen

Angus Thinnson MacDonald

Unser Gourmet bekommt unerträglichen Whisky zu trinken und nimmt diesen Fehdehandschuh an, denn niemand peinigt ungestraft die Welt guten Essens und Trinkens!

Alberto Vitiello

Kommt MacDonalds bester Freund in die Wechseljahre oder ist sein erratisches Verhalten anders zu erklären? Steckt gar eine junge Frau dahinter?

Tony Wang

Liebling all derer, die ihn kennen. Der junge Mann aus begütertem Hause sammelt seltene Whiskys und liebt es, sie mit seinen Gästen zu teilen.

Larry Wang

Tony Wangs Bruder rückt MacDonald allzu häufig auf die Pelle.

Peter Gourlay

Der Whisky-Experte des renommierten Auktionshauses Drummonds legt Wert darauf, sich über seine Mitmenschen zu erheben und lebt auf großem Fuß.

Emma Anderson

Interessiert sich die ehemalige Drummonds-Mitarbeiterin und Expertin für gefälschte Whiskys ernsthaft für den Junggesellen Angus MacDonald?

Adam Witherspoon

Ein extrem reicher Privatier, entdeckt gefälschten Whisky in seiner Sammlung und gerät fast bühnenreif außer sich.

Kevin Wordie

Der Inhaber des Geschäftes Imperial Whiskys auf der Royal Mile scheint gesundheitliche Probleme zu haben.

Alastair Carnegie

Schottlands bester Master Blender aus Glasgow steht seinem Freund Angus mit gutem Rat zur Seite.

Signor Londero

Auch der italienische Restaurantinhaber und Geschäftsmann gibt für seltenen Whisky viel Geld aus.

… sowie weitere Personen in Edinburgh.

»Ich weiß nicht, ob Sie sich an das erste Mal erinnern, als Sie Whisky tranken und an den ungeheuren Schock für Ihre Nerven. In Schottland geschieht das in der Regel, wenn Kinder vier Jahre alt werden.«

Billy Connolly, schottischer Kabarettist und Schauspieler

Angus MacDonald verschluckt sich

»Niemals hätte ich gedacht, das von dir zu hören«, sagte Alberto Vitiello und drohte seinem Freund mit dem Zeigefinger, während er den Wasserfleck anstarrte.

MacDonald zog es vor, nicht mit unhöflicher Gestik adressiert zu werden, schwieg aber. In dieser Beziehung war der Italiener unbelehrbar. Auch nach Jahrzehnten in schottischer Emigration fuchtelte er gerne.

»Du willst also weder Haggis noch Whisky, Angus?«

Der große Gourmet verschränkte die Arme und schaukelte auf seinem Stuhl hin und her. »Nein und abermals nein!«

»Certo. Wenn Whisky solch einen komischen Namen hat, ist es nicht verwunderlich. Obbendobben!«

»A-u-c-h-e-n-t-o-s-h-a-n! Sprich: Okentoschen, ein Lowlander.«

»Einverstanden. Aber wieso isst du keinen Haggis mehr?«

»Ich frage mich, wem ich die letzten fünf Minuten mein Leid geklagt habe. Du kannst es kaum gewesen sein!«

»Nimm die Sache nicht so schwer. Ich hatte auch schon Wasserrohrbrüche. Ist alles nur menschlich.«

»Was bitte hat ein Rohrbruch Humanes an sich? Wie auch immer, ich saß gemütlich auf diesem Stuhl und arbeitete am Versöhnungsmenü für Karen …«

»Angus, ich zweifle, ob das mit deiner Hausärztin noch etwas wird. Ihr kennt euch schon so lange.«

»Da brate mir jemand einen Storch! Nun bekomme ich wieder romantische Tipps von Signor Vitiello! Ist es gestattet, fortzufahren?«

»Si, mach nur. Was willst du deiner Bekannten denn kochen?«

»Haggis, Neeps und Tatties, dekonstruiert. Weil Karen unser Nationalgericht nicht mag, habe ich mir gedacht, eine Kreation frei nach Ferran Adrià könnte ihr behagen. Kartoffelroulade mit Haggisfüllung, dazu pikantes Rübengemüse und Karottenpickles. Das Rezept für Letzteres überließ mir Mister Dinwiddie.«

Alberto strich sich die Hand übers Kinn. »Hm, gar nicht übel.«

»Meinst du das ernst?«

»Si, Signore. Ferran Adrià hat verrückte Ideen und kulinarische Experimente bringen die Küche voran. Moment, ist deine Ärztin nicht Vegetarierin?«

»Karen hat sich zur Flexitarierin gewandelt.«

»Das heißt, sie isst hin und wieder Fleisch?«

»So ist es, und als Aperitif wollte ich zwölfjährigen Auchentoshan präsentieren. Er ist leicht und bekömmlich. Manche Menschen bezeichnen ihn gar als Ladies’ Drink.«

»Willst du auch etwas über diesen Tokenhoschen schreiben?«

»Auchentoshan, sprich Okentoschen, und du musst das gar nicht so komisch sagen. Unsere Lowlander werden unterschätzt, und es wäre in der Tat nicht verkehrt, etwas Nettes über sie zu verfassen. Doch zurück zum Thema: Zunächst bemerkte ich das Unglück nicht so richtig.«

»Prego? Redest du über das geplatzte Wasserrohr?«

»No, vom Whisky! Durch meine Arbeit am Menü war ich abgelenkt. Mir dünkte dennoch, dass etwas nicht stimmte.«

»Fehltöne?«

»Der Scotch schmeckte nicht schlecht, nur anders … zu gewöhnlich. Das Original hat delikate Zitrusnoten, die völlig fehlen. Auch vermisste ich den Hauch von Nuss im Finish.«

»Es handelt sich also um eine Fälschung?«

»Jawohl, ein einfacher Blended Scotch, in zu kräftiger Farbe. Man hat wohl mit einer gehörigen Menge Farbstoff nachgeholfen.«

»Wo willst du jetzt wohnen?«, fragte Alberto und sah gebannt zum Eimer, der gleich überschwappte. Er an Angus’ Stelle hätte sich um das häusliche Problem gekümmert und nicht um irgendeinen Whisky mit albernem Namen! »Du musst deine Küche und das darüber liegende Badezimmer evakuieren und ausziehen, bis die Handwerker alles repariert haben. Porca miseria, der Eimer ist voll!«

»Gut, dass ich vorgesorgt habe.« Angus bückte sich, zog unter dem Tisch ein zweites Behältnis hervor und tauschte es gegen das volle aus.

Vitiello ging in die Knie und schüttelte den Kopf. Wie erwartet, stand dort kein weiterer Eimer. Was wollte Angus unternehmen, wenn der Ernstfall eintrat? »Allora, ich meine, dass …«

»Braid Hills, Morningside Road.«

Alberto sah ihn hilflos an.

»So heißt das Hotel, in das ich ziehe, und bevor du dich beschwerst, weil ich nicht in der Villa Buongiorno nächtige: Erstens hättet ihr nach Aussage deiner lieben Frau nichts Adäquates für mich und zweitens gehört zum Braid Hills ein ausgezeichnetes Restaurant …«

»Als ob ich dir nicht hätte kochen können!«

»… und ein weiteres, das Buckstone’s, befindet sich schräg gegenüber. Doch zurück zu unserem neuen Fall.«

»Wo hast du den Whisky gekauft? Parkplatz oder Pub?«

»Good Lord! Meine Spirituosen pflege ich immer noch in Fachgeschäften zu erwerben.«

Vitiello wurde erneut durch das Tropfwasser abgelenkt. »Angus, wann kommen denn die Handwerker?«

»Schwer zu sagen.«

»Typisch für das Land! Wie Könige lassen die Burschen sich bitten. Demokratie ist schön und gut. Aber nur, wenn sich alle Menschen an unsere Spielregeln halten.«

»Um ehrlich zu sein, habe ich noch niemanden angerufen.«

»Non posso credere! Das glaube ich nicht!« Der Italiener zückte sein mobiles Telefon und rannte aus der Küche.

»Er ist ein netter Kerl, doch immer so eilig«, informierte Angus die Decke. Vom Flur war Alberto zu hören: »So geht das nicht! Was bilden Sie sich ein?! Mein Freund muss leben können wie ein Mensch!«

Alberto bestand darauf, in den nächsten Supermarkt zu fahren und ein Kontingent an breiten Wannen zu kaufen, die er um den Küchentisch gruppierte. Er liebte es, als Detektiv zu arbeiten, aber handwerkliche Probleme zu lösen, war noch befriedigender für ihn. MacDonalds favorisierte Metiers hießen Kulinarik und Drinkologie, und so ließ er seinen Freund alleine, nicht sicher, ob das die noble schottische Art war. Doch niemand schadete ungestraft der Whisky-Welt! Die Flasche Auchentoshan hatte er bei Imperial Whiskys auf der Royal Mile erworben. Obwohl passionierter Gast städtischer Busse, stieg er, seiner Kalamität wegen unleidlich, in ein geräumiges, braunes Taxi. Der Fahrer setzte ihn in der Nähe des Geschäftes ab. Seine Aktenmappe mit dem Corpus Delicti unter den Arm geklemmt, schlenderte er durch die Fußgängerzone. Selbst im Winter mangelte es der Old Town nicht an Touristen aus aller Welt, die MacDonald gefällig benickte. Natürlich, wem würde die kopfsteingepflasterte Straße mit ihren historischen Gebäuden nicht gefallen? Fast ein Vierteljahrhundert zuvor hatte Kevin Wordie Imperial Whiskys eröffnet, und nie hatte MacDonald etwas zu beanstanden gehabt. Als er den Laden betrat und die dunkelbraunen Holzregale mit Whiskys und einer Auswahl an schottischen Bieren erblickte, besserte sich seine Laune. Ein junger Mann mit modischem Hipsterbart und Koteletten trat ihm in den Weg. In seinem Alter hätte er nicht so tiefe Stirnfalten haben dürfen. Das Gesicht dagegen war glatt und ohne Makel. Ob hier mit Nervengas nachgeholfen worden war? Zu viele Menschen hingen heutzutage einem narzisstischen Körperkult an.

»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«

»Seien Sie gegrüßt, junger Mann. Würden Sie bitte Kevin sagen, dass ich hier bin? Mein Name ist Angus MacDonald.«

»So, Mister Wordie wollen Sie? Gibt’s einen Termin?«

»Ich darf Ihnen versichern, dass so etwas in den vergangenen 25 Jahren nicht notwendig war.«

»Wir sind sehr beschäftigt!«

»MacDonald sah sich im Laden um. Außer ihm waren nur zwei Kunden zugegen. »Verraten Sie mir Ihren Namen?«

»Somerled. Das kommt aus dem Altnordischen und bedeutet …«

»Sommerwanderer, von Sumarlioi abgeleitet. Es war der Name des ersten Lord of the Isles, dem Gründer der Clans MacDonald und MacDougall.« Zumindest eine Sache hatten sie gemeinsam!

Somerled starrte ihn grimmig an.

»Trifft das nicht zu?«

»Doch, alles in Ordnung, aber Kevin Wordie hat keine Zeit!«

»Schön, dann erzähle ich Ihnen von dem grauenhaften Trunk, der mir hier als Auchentoshan über die Theke gereicht wurde.« MacDonald zog die Flasche aus der Tasche. »Dieses Konstrukt stammt nicht aus den Lowlands!«

Als die anderen Kunden zu Somerled blickten, wurde er nervös. »Ich werde sehen, was ich tun kann, Mister …«

»MacDonald!«

Der Verkäufer kniff sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase. »Bin gleich zurück.«

»Gut, ich warte hier.«

»Könnten Sie die Flasche …?«

MacDonald nickte und verstaute den Lowlander wieder in seiner Mappe. Während der junge Mann weg war, sah er sich im Geschäft um, konnte aber keinen Auchentoshan ausfindig machen. Ob Wordie von dem Problem wusste und deshalb nichts nachbestellt hatte?

»Potzblitz, wenn das nicht mein Freund Angus ist!«

MacDonald drehte sich um und war entsetzt, wie schlecht der Ladenbesitzer aussah, aufgeschwemmt, mit dicken Tränensäcken unter den Augen. »Kevin, schön, dich zu sehen. Bist du wohlauf?«

»Tadellos, Angus, und du?«

War Wordie geschrumpft? Mit knapp fünfzig Jahren? »Ich kann nicht klagen, was bezüglich der Flasche …«

»Pst!«, sagte Wordie nachdrücklich. »Lass uns in mein Büro gehen.«

»Bitte, wenn das gewünscht wird.« Zisch- und Brummlaute hatten in menschlicher Verständigung seit dem Ende der Höhlenzeit nichts zu suchen!

Der altersschwache Schreibtisch im Büro würde unter seiner Last, unzähligen, schiefen Papierstapeln, bald kapitulieren. Von einer geordneten Registratur hielt man bei Imperial Whiskys wohl nicht mehr viel. Dringendste Aufgabe einer Reinigungskraft: Wände von flaumigen Spinnennetzen und Schriftstücke von respektablen Staubschichten befreien.

»Ich komme im Moment einfach nicht zum Aufräumen«, sagte Wordie mit hängenden Schultern und setzte sich auf einen Holzstuhl hinter dem Sekretär. »Nimm doch bitte Platz, Angus.«

MacDonald konnte keine weitere Sitzgelegenheit ausmachen. »Ich will nicht wählerisch sein, doch wo genau soll ich mich niederlassen?«

Der Ladenbesitzer schien wie aus einer Trance zu erwachen. »Oh, entschuldige bitte. Ich bin etwas zerstreut.« Sein linker Arm schnellte in die Luft.

»Kevin, falls du, äh, gesundheitliche Probleme hast, kann ich dir eine gute Ärztin empfehlen.«

»Nein, wird nicht nötig sein, muss nur mal ausschlafen.«

»Bist du sicher?«

»Jaja. Was kann ich für dich tun?« Wordie versuchte zu lächeln, wobei sein Mund außer Kontrolle geriet und bizarre Kreise drehte.

Ob der Mann vergessen hatte, seine Medizin einzunehmen? Danach zu fragen, wäre nicht gentlemanmäßig gewesen. Behutsam zog MacDonald die Flasche aus der Aktenmappe. »Diesen Zwölfjährigen kaufte ich kürzlich bei dir.«

»Hat er geschmeckt?«, fragte Wordie und blickte auf einen fragilen Papierstapel.

»Langweile ich dich mit meinem Geplapper?«

»Im Gegenteil!«, antwortete der Shop-Besitzer fast quiekend. »Du hast etwas zu beanstanden?«

»Ist dir aufgefallen, wie kräftig die Farbe ist?«

»Ohne dir widersprechen zu wollen, das alleine ist …«

»Du kannst gerne probieren!«, unterbrach MacDonald ihn. »Nimm doch bitte einen tüchtigen Schluck.«

Wordie zog den Mund ein und sah wieder nicht sehr intelligent aus. »Wird nicht nötig sein. Möchtest du eine neue Flasche oder lieber das Geld zurück?«

»Mit einem anderen Whisky wäre ich wohl am besten bedient.«

»Ja, mit Vergnügen. Wenn sonst nichts ist … mein Stellvertreter hilft dir gerne.«

»Der junge Mann mit der exaltierten Haarpracht im Gesicht? Großartig, aber eine Frage hätte ich noch. Woher hast du …«

Wordie schnappte sich ein brummendes Mobiltelefon und streckte die Hand in MacDonalds Richtung, ohne ihn anzusehen. Ebenfalls eine Geste, die der Gourmet verschmähte! Warum musste jedwede direkte Konversation zu Gunsten tragbarer Telefone unterbrochen werden!

Hitzköpfig und mit einer Flasche zwölfjährigem Glen Garioch stieg MacDonald in ein Taxi, das ihm im Schritttempo gefolgt war. »Gepanschten Whisky veräußern und dann sachdienliche Auskünfte verweigern! Wo kommen wir da hin!«

»Unser Ziel, Sir?«, fragte der Fahrer und drehte den Kopf halb zu ihm, ein kleiner Mann mit grauem Haarkranz und Mütze.

»Zum Braid Hills, bitte.«

»South Morningside Road. Okay, Sir, wird gemacht. Schöner Tag heute, nicht wahr?«

MacDonald nickte. Wordie hatte ihn zwar verärgert, aber es ziemte sich nicht, Fremden Intimes mitzuteilen. Am Verdächtigsten wirkte dieser Assistent. Beim Übergeben der neuen Whiskyflasche trieb er die Unhöflichkeit auf die Spitze, schaute ihn, als zwei bildhübsche, junge Französinnen den Laden betraten, kaum noch an! »Kennen Sie Imperial Whiskys, mein Herr?«, fragte er den Taxifahrer.

»Sie meinen den Laden, in dem Sie gerade waren?«

»Genau.«

»Wie es aussieht, ist es ein gutes Sortiment. Hab kein Problem damit, die Jungs zu empfehlen.«

»Kommt das häufig vor?«

»Ay?«

»Werden Sie von Touristen nach Whisky-Läden gefragt?«

»Jaja, klar.«

»Kaufen Sie selbst dort ein?«

»Ich bin kein großer Whisky-Trinker. Mehr so Bier und Gin.«

»Woher wissen Sie dann, dass das Geschäft gut sortiert ist, wenn ich fragen darf?«

»Mein, äh, Schwager kennt sich mit Whisky aus. Kaum Verkehr heute. Gleich sind wir da.«

Abrupter Themenwechsel! Zudem waren sie noch über eine Meile entfernt.

»Bleiben Sie länger im Braid Hills?«

»Weshalb wollen Sie das wissen?«, fragte MacDonald, skeptisch werdend.

»Ich würde Ihnen gerne meine Visitenkarte geben.«

»Ja, gerne. Normalerweise bringe ich hier nur Gäste von außerhalb unter. Für mich ist es das erste Mal.«

Der Fahrer fuhr den Berg hoch und hielt direkt vor dem Hoteleingang. MacDonald stöhnte.

»Stimmt was nicht, Sir?«

»Alles in bester Ordnung. Ich hatte nur vergessen, wie schön es hier ist.«

Nie war der Ausspruch »My home is my castle« treffender als bei diesem heimeligen, dreistöckigen Hotel aus unverputzten Backsteinen, mit seinen vielen Türmchen, Dachfenstern und Vorsprüngen.

»Brauchen Sie eine Quittung?«

»Bitte, wenn es möglich wäre.«

Der Fahrer reichte ihm den Beleg und seine Visitenkarte. »Darf ich Sie noch etwas fragen, Sir?«

»Sehr gerne.«

»Mir fällt auf, dass Sie kein Gepäck haben …«

»Gebrochener Kaffeefilter! Wie konnte ich das vergessen? Bringen Sie mich nach Dean Village.«

»Zum anderen Ende der Stadt?«

Es war nicht nötig zu grinsen, weil er sich einen weiteren Batzen verdiente!

Alberto stand vor seinem Haus, neben ihm ein Klempner in blauem Overall und mit rotem Irokesen-Haarschnitt! »So, das wären dann genau 17 Pfund, Sir«, meinte der Taxifahrer.

MacDonald wischte ein Staubkörnchen von der Hose. Wie erwartet! »Hier, bitte.«

Der Taxifahrer nickte, ließ MacDonald aussteigen und raste davon.

»Guten Tag, oh Sir!«, rief der Indianer-Handwerker unbändig laut.

»Auch Ihnen einen schönen Tag.« Durfte man sich der lauen Hoffnung hingeben, dass der Herr trotz Kostümierung sein Metier verstand?

»Oh, auf Wiedersehen, Sir«, sagte der Irokese, stieg in seinen Pick-up und donnerte ebenfalls die Straße hoch.

MacDonald wollte Alberto nicht auf seltsame Haarpracht und schnelle Abreise hinweisen, denn das würde unweigerlich zu einem Lamento über die mangelnde Moral zeitgenössischer Handwerker führen und dass man glücklich sein könne, wenn überhaupt jemand aufkreuzte!

»Bevor ich dir alles erkläre, Angus, musst du mir sagen, ob Dougal Dinwiddie friedlich ist.«1

»Es spielt keine Rolle, da …«

»Ich schicke dir keinen guten Handwerker, damit er dann von einem wandelnden Bettlaken rausgeekelt wird!«

»… Mister Dinwiddie für zwei Monate nach Indien gefahren ist.«

»Ich dachte, Gespenster fliegen?«

»Wie auch immer, Angst muss der Indianer keine haben.«

»Angus, hör mir genau zu, es ist sehr einfach. Er fängt übermorgen früh um acht Uhr an. Heute und morgen gibt es noch einen anderen Auftrag, und das Wasser in deinem Haus ist abgestellt.«

»Auch das noch!«

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Alberto sah ihn wütend an. »Wie soll der Mann sonst arbeiten und weiterer Wasserschaden vermieden werden?«

»Ich habe mich für meine unprofessionelle Äußerung zu entschuldigen. Die Geschichte mit dem falschen Auchentoshan macht mich unleidlich.«

»Sisi, aber ein defektes Wasserrohr kann lebensgefährlich werden! Kommst du vom Whisky-Laden?«

»So ist es.« Vom Umweg über das Hotel würde er ihm keinesfalls erzählen. Der Rügen wegen seiner angeblichen Unbeholfenheit im Alltag waren heute bereits genug.

»Hast du unterwegs ein bisschen getrunken?«

»Nein!«

»Ich frage nur, weil Whisky aus deinem Täschchen ragt.«

MacDonald fuhr mit Daumen und Zeigefinger über den Flaschenhals. Irgendetwas daran störte ihn. »Diese Flasche Glen Garioch habe ich als Ersatz für den falschen Lowlander erhalten.«

»Am besten gibst du mir einen Hausschlüssel, damit ich alles beaufsichtigen kann. Du wirst in den Bergen wohnen, und für mich ist dein Haus von Fountainbridge aus besser zu erreichen.«

»Vielen Dank. Kann ich dir kurz von unserem neuen Fall erzählen?«, fragte Angus.

»Wenn es unbedingt sein muss, gehe ich kurz mit dir ins Haus. Eine Sache für kulinarische Detektive kann ich nicht sehen. Mister MacCracken denkt das auch.«

»Ein Bekannter von dir?«

»No! Dein Klempner!«

»Was zum Milchmann hat er damit zu tun?«

»Detektive und Journalisten sollten niemals voreingenommen sein und alle möglichen Quellen zu Rate ziehen.«

»Sagt wer?«

»Angus Thinnson MacDonald, der Erste«, antwortete Vitiello und verbeugte sich. »MacCracken schätzt einen guten Whisky und meint, Fälschungen gibt es häufiger, als man annimmt. Die werden aber in Pubs verkauft.«

»Wie interessant. Kann der Herr auch etwas zu Imperial Whiskys sagen?«

»Eher weniger.«

»Wo kauft er seinen Whisky?«

»Im Supermarkt.«

»Wunderbar! Da bin ich froh, dass uns unter die Arme gegriffen wird. Kennen wir MacCrackens liebsten Pub?«

»Bow Bar.«

»In der Old Town? Unmöglich. Ich kenne die Lokalität. Sie haben ein hervorragendes Sortiment an Whiskys und Bieren. Wie hast du diesen MacCracken überhaupt so schnell ausfindig gemacht?«

»Traf ihn im Baumarkt.«

»Welch bemerkenswerter Zufall.« MacDonald betastete erneut den Flaschenhals. »Mir ist nach einer schönen Tasse Tee. Lass uns hineingehen. Ich erzähle dir, was ich im Whisky-Shop erlebt habe. Danach werde ich meine Koffer packen.« Angus führte seinen Freund in die Küche. Als er den Wasserhahn aufdrehte und sich nichts tat, lachte der Italiener laut auf. »Ich habe dir doch gesagt, dass wir die Wasserzufuhr abgestellt haben.«

»Schön, dann gibt es eben keinen Tee!«

Vitiello öffnete den Verschlag unter der Spüle und reichte ihm zwei Wasserflaschen. »Du kennst mein Motto: Gut organisiert lässt sich jede Krise meistern.«

Bei mehreren Tassen chinesischen Oolong-Tees informierte MacDonald seinen Co-Detektiv.

»Hm, ich finde, wir sollten zuerst im Pub ermitteln«, sagte Alberto.

»Aufgrund des Hinweises vom Native-American-Handwerker, den ich heute zum ersten Mal in meinem Leben sah?«

»Ich habe eine starke Ahnung.«

»Bald werden wir noch aus Kaffeesatz lesen.«

»Trinken Indianer Kaffee?«

»Nur in romantischen Hollywoodfilmen. Apropos, sehr pittoresk ist die Auchentoshan-Destillerie, mein Freund.«

Alberto grinste. »Früher oder später wirst du also hinfahren müssen? Wer ist der Besitzer?«

»Beam-Suntory.«

»Da haben wir es! Du weißt, welch schlechte Erfahrungen ich mit Japanern in meinem Guest House gemacht habe.«2

»Ich sehe keine Verbindung zu unserem Fall.«

»Entsetzlich war das mit denen und ihren kampflustigen Klosett-Reinigern. Die chemische Reaktion in der Schüssel vergesse ich meinen Lebtag nicht!«

»Alberto!«

»Sisi.« Vitiello sah ihn wie ein kleiner Junge an, der warmen Kuchen vom Blech stibitzt hatte.

»Wenn du keine Fragen mehr hast, werde ich die Koffer bestücken. Du erinnerst dich noch, wo das Futter für Sir Robert steht?«

»Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um deinen Edelkater, werde ihn füttern und ausgiebig kraulen. Aber jetzt muss ich mich auf den Weg machen. Heute reisen neue Gäste an.«

»Hättest du morgen Zeit?«

»Wofür denn, bitte?«

»Um Imperial Whiskys zu observieren.«

»Geh du mal lieber alleine. Zwei Mann braucht es dazu nicht.«

MacDonald nickte und verabschiedete Vitiello freundlich, obwohl er sich über sein seltsames Verhalten wunderte. Dass er sich bei jedem neuen Fall ein wenig zierte, war Usus. Aber befederte Klempner als Kronzeugen vorzuschieben, um zu schwänzen, war neu. Er spülte das Geschirr mit dem restlichen Wasser aus den Flaschen, ging nach oben und packte Kleidung und Bücher für zwei Wochen ein. Seine Koffer schleppte er zum VW Käfer und hievte sie in den Kofferraum. Wehmütig sah er sein geliebtes Dean Village im Rückspiegel verschwinden. Wenigstens hatte sich der Verkehr auf der Morningside Road gelegt. In weniger als 15 Minuten stand er vor der Eingangstür des Hotels, die sich automatisch in seine Richtung öffnete. Das Braid Hills erfüllte all seine Wünsche an ein Hotel, war gemütlich und zugleich elegant eingerichtet. Dem Himmel war es gedankt, dass weder Sauna, Schwimmbad, Wellnessoasen und die entsprechende Kundschaft vorhanden waren. Nur weil diese überflüssigen Einrichtungen fehlten, trug das Braid Hills keine fünf Sterne. Zunächst trat man in einen kleinen Vorraum, der an einen Wintergarten erinnerte. Innen fiel dann die gemütliche Telefonzelle auf, die den Computer mit Internetanschluss beherbergte. Zur Linken drei mal vier gemütliche Ohrensessel und gegenüber die Empfangstheke aus dunkelbraunem Holz. Eine nette junge Frau begrüßte ihn im melodischen Sprachgesang der Iren. Auf MacDonald wirkte dieser wie Musik und er hätte ihr auf Wunsch mindestens zwei Waschmaschinen abgekauft. »Zimmer 326, Mister MacDonald«, sagte sie und reichte ihm das Heftchen mit dem Scheckkarten-Schlüssel. »Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck?«

MacDonald wollte der hübschen jungen Frau nicht als Schwächling erscheinen. »Meine Koffer sind zwar nicht sehr schwer, doch etwas unhandlich.«

»Natürlich, einen Moment, bitte.« Sie griff zum Telefonhörer und tippte eine hausinterne Nummer ein. Ein hinkender, junger Mann tauchte auf, halb so groß wie er. Wie sollte er diesem Dilemma entkommen? Ohne ihn zu beleidigen, konnte er dem Hotelangestellten schwerlich vorschlagen, das Gepäck selbst zu tragen. Wohin war er nun entschwunden? MacDonald drehte sich um, sah den Pagen seine beiden Koffer aus dem Käfer wuchten und die leichte Anhöhe zum Eingang hochrennen, so schnell, dass er beinahe mit der automatischen Tür kollidierte, durch die Lobby und die Treppen hoch. MacDonald schleppte sich hinterher und kam bereits im nächsten Stockwerk außer Atem. Vom langen Korridor mit dem dicken Teppich und den Ölporträts schottischer Berühmtheiten wie Bonnie Prince Charlie, Walter Scott, Robert Burns und Mary, Queen of Scots, war er aber sehr angetan und, sich keuchend seinem Zimmer nähernd, kam der junge Mann ihm auch bereits entgegen. »Habe Ihr Gepäck ins Zimmer gebracht, Sir.«

»Das dachte ich mir«, sagte MacDonald und reichte ihm diskret eine mehrfach gefaltete Fünf-Pfund-Note.

»Oh, vielen Dank, Sir. Wenn Sie während Ihres Aufenthaltes etwas benötigen, eine spezielle Flasche Whisky vielleicht …«

»Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen?«

Der Page deutete auf MacDonalds Aktenmappe. »Glen Garioch. Nicht jeder kennt diesen Highland Malt.«

»Hm, da haben Sie Recht. Sie interessieren sich für Whisky?«

»Nur so ein bisschen. Ein Verwandter von mir hat … ich will Sie nicht länger aufhalten, Sir. Wünsche eine schöne Zeit im Braid Hills.«

MacDonalds Zimmer war von angenehmer Größe, kein Riesenraum, in dem man sich verlor, aber auch nicht zu klein. Ein kleiner Vorraum trennte es vom Badezimmer, das fast so geräumig wie das Zimmer war. Durch drei schmucke Panoramafenster in jedem Raum bot sich ein prächtiger Ausblick. Auf der anderen Seite der Straße, über die seine geliebte Bus-Linie Elf fuhr, befand sich der Braidburn Valley Park. Darüber erhoben sich schmucke, kleine Häuser. Robert Louis Stevenson marschierte zwei Jahrhunderte zuvor von der City über den Park nach Hause, zum Swanston Cottage. Zur Linken konnte MacDonald die Braid Hills sehen, und zur Rechten war in der Ferne das Meer auszumachen. Wie konnte man dieses Spektakel noch steigern? Er zog kurzentschlossen Mister Glen Garioch aus seiner Mappe und entfernte die Plastik-Ummantelung vom Flaschenhals. Verdächtig leicht ging das vonstatten. Er schenkte zwei Schlückchen Whisky in ein Nosing-Glas, nippte daran und beließ ihn, den zwölf Lebensjahren entsprechend, ein Dutzend Sekunden im Mund, über der Zunge, darunter, links, rechts, bis er zu brüllen begann: »Krakelendes Moorhuhn! Das darf doch nicht wahr sein!«

»Mein Gott, ich mag den Geschmack von Whisky so sehr, dass ich mitunter denke, ich sollte Igor Strawhisky heißen.«

Igor Strawinsky (1882-1971),

Komponist

1 Alberto spielt hier auf MacDonalds Hausgast in »Currys für Connaisseure« an, das Gespenst Dougal Dinwiddie.

2 Vitiello bezieht sich auf »Dicke Luft in der Küche«, das zweite Abenteuer unserer beiden Detektive.

€6,99

Žanrid ja sildid

Vanusepiirang:
0+
Objętość:
231 lk 3 illustratsiooni
ISBN:
9783946938422
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat:
Audio
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Tekst
Keskmine hinnang 4,9, põhineb 351 hinnangul
Audio
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Tekst, helivorming on saadaval
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Tekst
Keskmine hinnang 4,3, põhineb 291 hinnangul
Tekst, helivorming on saadaval
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Tekst, helivorming on saadaval
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