Loe raamatut: «Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt!»
JOHANN CHRISTOPH FRIEDRICH SCHILLER wurde 1759 in Marbach am Neckar geboren und studierte zunächst Jura, dann Medizin und lehrte in Jena. Bereits mit 13 Jahren tätigte er seine ersten literarischen Versuche. Zeitlebens plagten ihn immer wieder gesundheitliche und finanzielle Sorgen. Er beschäftigte sich intensiv mit der Literatur Shakespeares, Voltaires, Rousseaus, machte Bekanntschaft mit Fichte, Hölderlin, Humboldt und pflegte eine intensive Freundschaft mit Goethe. Als hervorragender Kenner der griechischen Mythologie und der europäischen Geschichte bestimmt er zusammen mit Goethe, Wieland und Herder den Stil der Weimarer Klassik. Er starb 1805 in Weimar.
DR. PHIL. HANS-JOACHIM SIMM, geboren 1946 in Braunschweig, lebt als freier Publizist bei Frankfurt am Main. Er war bis 2009 Leiter des Insel Verlags, des Verlags der Weltreligionen und der Buchreihe edition unseld. Er gab zahlreiche Werkausgaben deutscher Dichter und Schriftsteller und diverse Anthologien heraus.
Zum Buch
Der Band zeigt die großen Themen des Menschseins, um deren Klärung Schiller gerungen hat, Fragen nach der Würde und den Werten der Liebe und der Freundschaft; Schiller gibt Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele und offenbart gleichermaßen seinen nie verlorenen Glauben an eine höhere Gerechtigkeit. Die vorliegende Sammlung belegt sowohl die Zeitlosigkeit als auch die biographischen und geschichtlichen Hintergründe des Schillerschen Denkens und Schreibens. Kontexte bleiben erkennbar, und zugleich wird die Gegenwärtigkeit Schillers unmittelbar ersichtlich.
Herausgegeben von
Hans-Joachim Simm
Friedrich Schiller ist keineswegs auf einzelne Aspekte zu reduzieren, seine Persönlichkeit nicht und auch nicht sein Werk. Der Vielschichtigkeit und Lebendigkeit seiner Ideen und seines Werkes will die vorliegende Sammlung Ausdruck geben, voran mit Gedichten aller Gattungen, von den Hymnen bis zu den Xenien. In der Gedichtauswahl wie in den Auszügen aus den Prosaschriften und den Dramen erscheint ein sehr modernes Bild des Klassikers. In den Briefen, die hier versammelt sind, wird sein inneres Leben sichtbar. Seine ästhetischen Schriften sind vom Nachdenken über das Verhältnis von Sinnlichkeit, Schönheit und Freiheit geprägt. Im Zentrum seiner Dramen, wie den Räubern und Don Carlos, steht die Idee der Freiheit, sowohl der politischen und gesellschaftlichen als auch der persönlichen Freiheit, die ihm Voraussetzung für jene war.
"Ich habe ihn (Schiller) auswendig gelernt, habe in seiner Sprache gesprochen und in seinen Bildern geträumt." Fjodor Dostojewski
Friedrich Schiller
Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt!
Friedrich Schiller
Man liebt nur,
was einen in
Freiheit setzt!
Herausgegeben von
Hans-Joachim Simm
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2014
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: Friedrich Schiller auf einem Esel sitzend
(Illustration nach einer Zeichnung von
Johann Christian Reinhart 1785/87)
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0414-1
INHALT
Ein Klassiker für die Gegenwart
Der berufene Leser
Irrend suchte mein Blick umher
An die Parzen
Die Blumen
Der Flüchtling
Die Größe der Welt
Das Glück und die Weisheit
Zuversicht der Unsterblichkeit
Vorüber die stöhnende Klage
Der Triumph der Liebe
Elysium
Laura am Klavier
Ich möchte gern in dieser holperichten Welt einige Sprünge machen, von denen man erzählen soll
Die Räuber
Schlagfertige Antwort
Die Verschwörung des Fiesco zu Genua
An Andreas Streicher, Bauerbach 8. Dezember 1782
Kabale und Liebe
Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?
Der Kampf
An Christian Gottfried Körner, Mannheim 10. Februar 1785
An Ferdinand Huber, Mannheim 25. März 1785
Untertänigstes Promemoria an die Konsistorial-Rat Körnersche weibliche Waschdeputation
Das Universum ist ein Gedanke Gottes
An die Freude
Philosophische Briefe
Don Karlos
An Ferdinand Huber, Weimar 28. August 1787
An Christian Gottfried Körner, Weimar 7. Januar 1788
Auch ich war in Arkadien geboren
Die Götter Griechenlandes
Resignation
An Christian Gottfried Körner, Weimar 2. Februar 1789
An Caroline von Beulwitz, Weimar 5. Februar 1789
Da rief man denn! Der neue Professor wird lesen
An Christian Gottfried Körner, Jena 28. Mai 1789
An Charlotte von Lengefeld, Jena 24. Juli 1789
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?
Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Für Johannes Groß
Die Kultur soll den Menschen in Freiheit setzen
Über Anmut und Würde
Die Begegnung
Kallias
Die verschiedene Bestimmung
Über das Erhabene
Die idealische Freiheit
Brief an den Herzog von Augustenburg, 3. Dezember 1793
Nur der Starke wird das Schicksal zwingen
An Johann Wolfgang Goethe, Jena 31. August 1794
Die Sänger der Vorwelt
Das Ideal und das Leben
Durch das Ideal kehrt er zur Einheit zurück
Die Ideale
Über naive und sentimentalische Dichtung
An Charlotte Schiller, Weimar 20. September 1794
An Johann Wolfgang Goethe, Jena 29. September 1794
Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit
Die Teilung der Erde
Über die ästhetische Erziehung des Menschen
Spiel des Lebens
Spruch des Konfuzius
Spruch des Konfuzius
Pegasus im Joche
Der Metaphysiker
Die Weltweisen
Die zwei Tugendwege
Suchst du das Höchste, das Größte?
Das Unwandelbare
Theophanie
Das Höchste
Unsterblichkeit
Das verschleierte Bild zu Sais
Die Macht des Gesanges
Man liebt nur, was einen in Freiheit setzt
Über die notwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen
An Johann Gottlieb Fichte, Jena 4. August 1795
Würde des Menschen
Das Ehrwürdige
Die schönste Erscheinung
Güte und Größe
Griechheit
Die zwei Fieber
Warnung
Wechselwirkung
Pflicht für jeden
Die Übereinstimmung
Der Schlüssel
Glaubwürdigkeit
Wahrheit
Schönheit
Aufgabe
Bedingung
Das eigne Ideal
An Wilhelm von Humboldt, Jena 1. Februar 1796
Daß es dem Vortrefflichen gegenüber keine Freiheit gibt als die Liebe
Das Mädchen aus der Fremde
An Johann Wolfgang Goethe, Jena 2. Juli 1796
Des Mädchens Klage
Lies uns nach Laune, nach Lust, in trüben, in fröhlichen Stunden
Der Kunstgriff
Amor als Schulkollege
Analytiker
Der Geist und der Buchstabe
Wissenschaft
Das philosophische Gespräch
An den Leser
An gewisse Umschöpfer
Der Purist
Ich
Dem Zudringlichen
Unglückliche Eilfertigkeit
Was ist das Schwerste
Böser Kampf
Die Idealwelt
Wahl
Ein deutsches Meisterstück
Freund und Feind
Das Tor
Es glänzen viele in der Welt
Licht und Wärme
Der Taucher
Der Handschuh
Hoffnung
Das Geheimnis
Die Worte des Glaubens
Breite und Tiefe
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn
Poesie des Lebens
Die Bürgschaft
Das Lied von der Glocke
Wo viel Freiheit, ist viel Irrtum
Wallenstein
Nänie
Denn Soldaten, Helden und Herrscher habe ich vor jetzt herzlich satt
An Johann Wolfgang Goethe, Jena 19. März 1799
An Friedrich Hölderlin, Jena 24. August 1799
An Christian Gottfried Körner, Jena 26. September 1799
Die Worte des Wahns
An Christian Gottfried Körner, Jena 1. November 1799
Maria Stuart
Die Jungfrau von Orleans
Das Mädchen von Orleans
Ewig jung ist nur die Phantasie
Der Antritt des neuen Jahrhunderts
An die Freunde
An Johann Friedrich Cotta, Weimar 4. September 1800
Die vier Weltalter
Kassandra
Alles Göttliche auf Erden / Ist ein Lichtgedanke nur
Die Gunst des Augenblicks
Sehnsucht
Die Braut von Messina
An Johann Friedrich Cotta, Weimar 1. Juli 1802
Der Jüngling am Bache
Berglied
Der Pilgrim
Punschlied
Und eine Freiheit macht uns alle frei
Wilhelm Tell
An Wilhelm von Wolzogen, Weimar 20. März 1804
An Johann Friedrich Cotta, Weimar 22. Mai 1804
An Johann Wolfgang Goethe, Weimar 6. Juni 1804
An Charlotte Schiller, Weimar 21. August 1804
An Christian Gottfried Körner, Weimar 10. Dezember 1804
An Johann Wolfgang Goethe, Weimar 22. Februar 1805
An Wilhelm von Humboldt, Weimar 2. April 1805
Doch noch kein Auge schaute / Den Meister, der es baute
Parabeln und Rätsel
Demetrius
Abschied vom Leser
Nachbemerkung
EIN KLASSIKER FÜR
DIE GEGENWART
Friedrich Schiller ist keineswegs auf einzelne – oft aus den unterschiedlichsten Motiven popularisierte – Aspekte zu reduzieren, seine Persönlichkeit nicht und auch nicht sein Werk. Er war nicht ausschließlich der enthusiastische Stürmer und Dränger, noch war er nur der pathosschwere Dramatiker, auch nicht der abstrakt-philosophische Gedankenlyriker, der Verfasser von Balladen, die zur Parodie reizen, und schon gar nicht der Sentenzenschreiber oder Versveredler von Volksweisheiten. Die Vorurteile, ja der Spott schon der Romantiker haben den Blick auf Schiller und sein Werk verstellt, die Vereinnahmung zum ‚deutschen Nationaldichter‘ und Charakterisierungen wie „erhaben, edel, herzerhebend“ haben „seine poetische Individualität, seine unbändige Imagination und seine überragende Intellektualität“ (Norbert Oellers) verdeckt.
Der Vielschichtigkeit und Lebendigkeit seiner Ideen und seines Werkes will die vorliegende Sammlung Ausdruck geben, voran mit Gedichten aller Gattungen, von den Hymnen bis zu den Xenien. In der Gedichtauswahl wie in den Auszügen aus den Prosaschriften und den Dramen erscheint überraschenderweise ein sehr modernes Bild des Klassikers. In den Briefen, die hier versammelt sind, in den Briefen an Freunde, die ihn, wie Christian Gottfried Körner oder Johann Wolfgang Goethe, lange Zeit begleiteten, wird sein inneres Leben, seine Zerrissenheit sichtbar. Zu schaffen machten ihm seine schwierige Stellung in der höfischen Gesellschaft Weimars, die Abwehr von Intrigen, finanzielle Nöte, die drückende Sorge um die Familie, Existenzängste. Er hat – auch das wird in der Anthologie deutlich – sein Werk einem ständigen Kampf gegen sich selbst abgetrotzt, vor allem gegen seine Krankheit; oft hat er seine Arbeit geradezu als Sklaverei empfunden. Nur auf diesem Hintergrund sind Hochgestimmtheit und Witz, Begeisterung und Verzweiflung zu verstehen, die sein Werk durchziehen.
Neben den Alltagsproblemen des Dichters, die auch heute noch berühren und so gar nicht fremd sind, zeigt der Band die großen Themen des Menschseins, um deren Klärung Schiller gerungen hat, Fragen nach der Glückseligkeit, der Vollkommenheit und Würde, der Natur, der Schönheit, der Sittlichkeit und Tugend, der Hoffnungen, der Liebe und Freundschaft; Schiller gibt Einblicke in die Abgründe der menschlichen Seele und offenbart gleichermaßen seinen nie verlorenen Glauben an eine höhere Gerechtigkeit.
Seine ästhetischen Schriften sind vom Nachdenken über das Verhältnis von Sinnlichkeit, Schönheit und Freiheit geprägt. Im Zentrum seiner Dramen steht die Idee der Freiheit, sowohl der politischen und gesellschaftlichen als auch der persönlichen Freiheit, die ihm Voraussetzung für jene war. Der Freiheitsgedanke blieb von den „Räubern“ über „Don Carlos“„bis in die letzte Lebenszeit, in der das Tell-Drama entstand, sein Leitmotiv.
Nicht erst aufgrund der Französischen Revolution allerdings verstand er Freiheit als eine keineswegs unproblematische Aufgabe der Menschheit ... er demonstrierte die inhumanen Folgen eines bis zum Extrem getriebenen Freiheitskonzepts“ (Jochen Schmidt). Toleranz und Freiheit des einzelnen enden dort, wo dem anderen sein Recht auf Selbstverwirklichung genommen wird. Auch das ein hochaktueller Gedanke. Als ‚Dialektiker der Freiheit‘, der die humanitären Chancen ebenso wie die Aporien erkannte, wurde Schiller bezeichnet.
Die Sammlung belegt sowohl die Zeitlosigkeit als auch die biographischen und geschichtlichen Hintergründe des Schillerschen Denkens und Schreibens. Kontexte bleiben erkennbar, und zugleich wird die Gegenwärtigkeit Schillers unmittelbar ersichtlich.
Der berufene Leser
Welchen Leser ich wünsche? Den unbefangensten, der mich, Sich und die Welt vergißt und in dem Buche nur lebt.
IRREND SUCHTE MEIN
BLICK UMHER
An die Parzen
Nicht ins Gewühl der rauschenden Redouten
Wo Stutzerwitz sich wunderherrlich spreißt
Und leichter als das Netz der fliegenden Bajouten
Die Tugend junger Schönen reißt; –
Nicht vor die schmeichlerische Toilette,
Wovor die Eitelkeit, als ihrem Götzen, kniet,
Und oft in wärmere Gebete
Als zu dem Himmel selbst entglüht;
Nicht hinter der Gardinen listgen Schleier,
Wo heuchlerische Nacht das Aug der Welt betrügt
Und Herzen, kalt im Sonnenfeuer,
In glühende Begierden wiegt,
Wo wir die Weisheit schamrot überraschen,
Die kühnlich Phöbus’ Strahlen trinkt,
Wo Männer gleich den Knaben diebisch naschen,
Und Plato von den Sphären sinkt –
Zu dir – zu dir, du einsames Geschwister,
Euch Töchtern des Geschickes, flieht
Bei meiner Laute leiserem Geflister
Schwermütig süß mein Minnelied.
Ihr einzigen, für die noch kein Sonett gegirret,
Um deren Geld kein Wucherer noch warb,
Kein Stutzer noch Klag-Arien geschwirret,
Kein Schäfer noch arkadisch starb.
Die ihr den Nervenfaden unsers Lebens
Durch weiche Finger sorgsam treibt,
Bis unterm Klang der Schere sich vergebens
Die zarte Spinnewebe sträubt.
Daß du auch mir den Lebensfaden spinntest,
Küß ich, o Klotho, deine Hand; –
Daß du noch nicht den jungen Faden trenntest,
Nimm, Lachesis, dies Blumenband.
Oft hast du Dornen an den Faden,
Noch öfter Rosen drangereiht,
Für Dorn’ und Rosen an dem Faden
Sei, Klotho, dir dies Lied geweiht.
Oft haben stürmende Affekte
Den weichen Zwirn herumgezerrt,
Oft riesenmäßige Projekte
Des Fadens freien Schwung gesperrt;
Oft in wollüstig süßer Stunde
War mir der Faden fast zu fein,
Noch öfter an der Schwermut Schauerschlunde
Mußt er zu fest gesponnen sein:
Dies, Klotho, und noch andre Lügen
Bitt ich dir itzt mit Tränen ab,
Nun soll mir auch fortan genügen,
Was mir die weise Klotho gab.
Nur laß an Rosen nie die Schere klirren,
An Dornen nur – doch wie du willst.
Laß, wenn du willst, die Totenschere klirren,
Wenn du dies eine nur erfüllst:
Wenn, Göttin, itzt an Laurens Mund beschworen
Mein Geist aus seiner Hülse springt,
Verraten, ob des Totenreiches Toren
Mein junges Leben schwindelnd hängt,
Laß ins Unendliche den Faden wallen,
Er wallet durch ein Paradies,
Dann, Göttin, laß die böse Schere fallen!
O laß sie fallen, Lachesis!
An den Frühling
Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
Willkommen auf der Flur!
Ei! ei! da bist ja wieder!
Und bist so lieb und schön!
Und freun wir uns so herzlich,
Entgegen dir zu gehn.
Denkst auch noch an mein Mädchen?
Ei, Lieber, denke doch!
Dort liebte mich das Mädchen,
Und’s Mädchen liebt mich noch!
Fürs Mädchen manches Blümchen
Erbettelt’ ich von dir –
Ich komm und bettle wieder,
Und du? – du gibst es mir?
Willkommen, schöner Jüngling!
Du Wonne der Natur!
Mit deinem Blumenkörbchen
Willkommen auf der Flur!
Die Blumen
Kinder der verjüngten Sonne,
Blumen der geschmückten Flur,
Euch erzog zu Lust und Wonne,
Ja, euch liebte die Natur.
Schön das Kleid mit Licht gesticket,
Schön hat Flora euch geschmücket
Mit der Farben Götterpracht.
Holde Frühlingskinder, klaget!
Seele hat sie euch versaget,
Und ihr selber wohnt in Nacht.
Nachtigall und Lerche singen
Euch der Liebe selig Los,
Gaukelnde Sylphiden schwingen
Buhlend sich auf eurem Schoß.
Wölbte eures Kelches Krone
Nicht die Tochter der Dione
Schwellend zu der Liebe Pfühl?
Zarte Frühlingskinder, weinet!
Liebe hat sie euch verneinet,
Euch das selige Gefühl.
Aber hat aus Nanny’s Blicken
Mich der Mutter Spruch verbannt,
Wenn euch meine Hände pflücken
Ihr zum zarten Liebespfand,
Leben, Sprache, Seelen, Herzen,
Stumme Boten süßer Schmerzen,
Goß euch dies Berühren ein,
Und der mächtigste der Götter
Schließt in eure stillen Blätter
Seine hohe Gottheit ein.
Der Flüchtling
Frisch atmet des Morgens lebendiger Hauch;
Purpurisch zuckt durch düst’rer Tannen Ritzen
Das junge Licht und äugelt aus dem Strauch;
In gold’nen Flammenblitzen
Der Berge Wolkenspitzen.
Mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
Begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
Die schon in lachender Wonne
Jugendlich schön in Auroras Umarmungen glüht.
Sei, Licht, mir gesegnet!
Dein Strahlengruß regnet
Erwärmend hernieder auf Anger und Au.
Wie flittern die Wiesen,
Wie silberfarb zittern
Tausend Sonnen im perlenden Tau!
In säuselnder Kühle
Beginnen die Spiele
Der jungen Natur.
Die Zephyre kosen
Und schmeicheln um Rosen,
Und Düfte beströmen die lachende Flur.
Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen!
Laut wiehern und schnauben und knirschen und stampfen
Die Rosse, die Farren;
Die Wagen erknarren
Ins ächzende Tal.
Die Waldungen leben,
Und Adler und Falken und Habichte schweben
Und wiegen die Flügel im blendenden Strahl.
Den Frieden zu finden,
Wohin soll ich wenden
Am elenden Stab?
Die lachende Erde
Mit Jünglingsgebärde,
Für mich nur ein Grab!
Steig empor, o Morgenrot, und röte
Mit purpurnem Kusse Hain und Feld!
Säusle nieder, o Abendrot, und flöte
In sanften Schlummer die tote Welt!
Morgen, ach, du rötest
Eine Totenflur;
Ach! und du, o Abendrot! umflötest
Meinen langen Schlummer nur.