Rachezeit

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Geneviére Paris

Rachezeit

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1 Jahr später

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Die Sicht der Mörderin

6. Kapitel

7. Kapitel

Die Sicht der Mörderin

8. Kapitel

9. Kapitel

Die Sicht der Mörderin

10. Kapitel

Die Sicht der Mörderin

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Epilog

Nachwort

Von Geneviére Paris sind ebenfalls erschienen:

Impressum neobooks

Prolog

Das junge Mädchen sah sich noch ein letztes Mal in dem winzigen Zimmer um. Es befand sich nicht einmal mehr das kleinste Teil darin, das von ihrem bisherigen Leben zeugte. Es war fast so, als hätte sie nie hier gelebt. Sie wischte sich die Tränen der Verzweiflung von dem schmalen Gesicht. Ihre langen hellbraunen Haare hatte sie zu einem ordentlichen Zopf geflochten. Dann schulterte sie die schwarze Reisetasche, deren Inhalt ihr gesamter Besitz war. Einen letzten Blick ließ sie über das schmale Bett huschen. Auf dem dünnen Kopfkissen lag ein Umschlag. Darin war ein Brief, der ihre Abschiedsworte enthielt. Viel hatte sie ihrer Pflegefamilie jedoch nicht mitzuteilen. Sie öffnete nun die Tür ihres ehemaligen Zimmers und horchte in die Stille, die sich über die restliche Wohnung gelegt hatte. Schnell lief sie durch den Flur und die Treppen hinunter. So verließ sie den Ort, an dem sie vierzehn ihrer fünfzehn Lebensjahre verbracht hatte, ohne sich auch nur ein einziges Mal umzudrehen.

An der Straßenecke wartete ein grauer Fiat auf sie.

„Hi Süße!“ Der Fahrer, ein Mann von Mitte dreißig, öffnete ihr die Beifahrertür und nahm ihr die Tasche ab, um sie auf den Rücksitz zu werfen. Das Mädchen rutschte auf den Sitz und ließ sich von ihm küssen, bevor sie sich anschnallte.

„Lass uns bloß von hier verschwinden!“ flüsterte sie dann. Der Mann lachte und startete den Wagen. Während der Fahrt sprachen die Beiden kein Wort. Erst, als er vor einem hübschen Einfamilienhaus parkte, wisperte sie ein fast tonloses

„Danke, dass ich bei dir wohnen darf. Sonst hätte ich gar nicht gewusst, wohin ich gehen könnte!“ Leise lachte er und nahm ihre schwere Reisetasche. Beim Betreten des Hauses legte er ihr seinen muskulösen Arm besitzergreifend um die schmalen Schultern. Dann fiel die Tür hinter ihnen in das Schloss.

1 Jahr später

Zitternd stand sie in der Mitte des Raumes. Der letzte Kunde war eben erst gegangen. Ihr Körper schmerzte noch von seinen Schlägen. Ihre Haare hingen ihr strähnig in das Gesicht, das von den Tränen, die sie so häufig vergoss, ganz verquollen war. Dunkle Schatten lagen unter den Augen. Nun öffnete sich die Tür erneut.

„Komm her!“ Die einst so zärtliche Stimme hatte einen herrischen Klang angenommen. Wieder einmal fragte sie sich, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie bei ihren Pflegeeltern geblieben wäre. Sie vermisste sogar deren leiblichen Sohn, der sie oft mit Streichen gequält hatte. Und obwohl sie es eigentlich nicht wollte, befolgte sie den Befehl, denn er würde sie sonst holen. Was das bedeutete hatte die erst sechzehnjährige auf schmerzhafte Weise lernen müssen. Viele Narben an ihrem schmächtigen Körper zeugten davon, was dieser Mann, und viele weitere, ihr täglich an tat. Er legte eine Hand in ihren Nacken und küsste sie.

„Oh meine Süße! Es war eine sehr gute Idee von dir, zu mir zu ziehen. Du bist halt meine Beste!“ Sie schluckte ihre Tränen hinunter und ließ zu, dass er sie auf das Bett drückte. Wie erstarrt lag sie unter ihm und wünschte sich den Mut, sich endlich gegen diesen Mann wehren zu können.

1. Kapitel

Das erste, was Tanja Braun auffiel, als sie das Einfamilienhaus betrat, war die laute Musik. Erst dann nahm die junge Kommissarin alle anderen Eindrücke in sich auf: Porzellanscherben, die von einer hinuntergefallenen Vase stammten, Wasser, das sich durch diese Scherben schlängelte, zertrampelte Blumen, die in der Vase gewesen sein mussten. Langsam ging sie durch den Flur in das Wohnzimmer. Dort sah es kaum besser aus. Einige Möbelstücke waren umgeworfen. Bücher von den Regalen gerissen und zu Boden geworfen worden und dann war da noch der metallische Geruch von Blut, der das alles zu dominieren schien. Sie starrte auf die nackte Leiche eines Mannes, der an einen Stuhl gefesselt war. Ihm war die Kehle durchgeschnitten worden und ein blutiges Messer lag in der Nähe auf dem Boden. Tanja schluckte.

„Die erste Leiche?“ Eine nicht unfreundliche Stimme riss sie aus der Betrachtung des Mannes. Erschrocken drehte sie sich um. Der Arzt, der nun näher trat, reichte ihr die Hand, bevor er Handschuhe überstreifte. Die junge Frau nickte.

„Ja! Ich bin Tanja Braun und seit genau dreieinhalb Minuten Mitglied der Mordkommission.“

„Und dann direkt solch ein unschöner Anblick. Tut mir echt leid!“

„Ich wollte doch unbedingt zur Mordkommission, also ist es schon okay. Was ist denn das für ein Lied?“

„Brunner und Brunner, Das Lied heißt: Die Blumen blühen nicht mehr. Es geht darin um Kindesmissbrauch. Eigentlich um Kinderprostitution.“ Ein Mann, der fast doppelt so alt war, wie die gerade erst sechsundzwanzig jährige trat auf sie zu.

„Hallo Tanja, es tut mir leid, dass ich dich an deinem ersten Tag direkt zu einem Tatort gerufen habe, doch es ging leider nicht anders.“

„Ich wollte es doch nicht anders. Meinst du wirklich, dass das hier etwas mit Kindesmissbrauch zu tun hat? Wer war denn das Opfer?“

„Lukas Kröger. Er war siebenunddreißig Jahre alt und Anwalt. Seine Schwester hat ihn gefunden.“ Er wies auf eine junge Frau, die an dem Panoramafenster saß, das fast die gesamte Wand, der Tür gegenüber, in Anspruch nahm. Tanja ging auf sie zu.

„Guten Morgen! Mein Name ist Tanja Braun. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen.“ Die Frau nickte. Sie war blass und hatte dunkle Schatten unter den Augen, so dass ihre Haut fast grau wirkte.

„Maike Kröger. Lukas ist, war mein großer Bruder. Er war zwölf Jahre älter als ich. Aber könnten wir bitte von hier weggehen? Ich fühle mich nicht sehr wohl, über Lukas zu sprechen, während seine Leiche dort liegt.“ Jan Hoppe, der Kommissariatsleiter nickte.

„Wir können ins Präsidium fahren, wenn es Ihnen lieber ist.“

„Ja bitte! Dürfte ich aber mit meinem eigenen Wagen fahren?“

„Wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen, natürlich. Tanja, bist du mit deinem eigenen Wagen hier, oder willst du mit mir mitfahren?“

„Ich fahre mit dir mit!“ Sie gingen hinter Maike Kröger her, die in einen grünen Passat stieg, der auf der anderen Straßenseite geparkt war. Dahinter stand ein verbeulter VW-Bus, der aussah, als wäre er älter, als die Kommissarin. Und genau zu diesem Wagen ging Hoppe.

„Na komm! Das ist mein Wagen. Ich bin nicht dazu gekommen, mir einen Wagen aus dem Fuhrpark zu holen. Aber du brauchst keine Angst zu haben, der fällt schon nicht auseinander.“ Seine neue Kollegin warf einen letzten skeptischen Blick auf das Fahrzeug, stieg jedoch kommentarlos ein.

„Erzählst du mir mal bitte die Fakten des Falles?“ Tanja betrachtete ihren neuen Chef, der ihr bereits am Tag zuvor, als sie sich bei ihm vorgestellt hatte, das 'du' angeboten hatte, von der Seite.

„Das würde ich ja tun, doch ich habe dir bereits alles gesagt, was ich weiß. Kröger ist seit fast fünf Stunden tot. Meinte jedenfalls unser Gerichtsmediziner, Doktor Hansson. Und der irrt sich selten. Genaueres kann er jedoch erst nach der Obduktion sagen. Und die Todesursache war ja relativ offensichtlich.“

 

„Aber was sollen wir von der ganzen Sache halten? Die Musik, dass Kröger sich hat fesseln lassen, auf den ersten Blick wies er keine Abwehrverletzungen auf, was bedeuten würde, dass es um ein einvernehmliches Fesseln ging. Doch da sprechen die Kampfspuren doch gegen.“

„Bestimmt kann uns die Spurensicherung mehr sagen, sobald sie mit dem Haus fertig sind. Oder seine Schwester weiß mehr.“

„Sie wirkt sehr gefasst.“

„Das ist vielleicht der Schock. Und dann muss ich mich wohl für den Einstieg entschuldigen. Normalerweise bin ich dagegen Frischlinge direkt am ersten Tag zu einem Tatort zu rufen. Aber wir sind derzeit so unterbesetzt. Wir sind derzeit nur fünfzehn Leute für zwölf Fälle. Gleich lernst du auch das Team kennen, was ich für diesen Fall zusammengestellt habe. Dieses Team besteht aus vier Personen. Nein, fünf mit dir.“

„Es ist schon okay, dass ich heute schon an einen Tatort musste. Das musste doch früher oder später sein, da ich mir diese Arbeit ausgesucht habe. Ich wollte doch unbedingt zur Mordkommission. Und Lukas Kröger war halt meine erste Leiche. Das wird bestimmt noch mit der Zeit. Dich scheint es nicht zu belasten.“

„Ich bin ja auch schon seit zwanzig Jahren bei der Mordkommission. Davor war ich drei Jahre bei der Sitte. Das fand ich manchmal schlimmer, als mir die ganzen Leichen anzusehen.“

„Ich weiß. Ich habe es ja auch nur ein halbes Jahr bei der Sitte ausgehalten. Besonders die missbrauchten Kinder gingen mir zu sehr an die Nieren. Oft hatte ich sogar Albträume.“

„Die Mordkommission ist da in vieler Hinsicht besser. Normalerweise haben wir es eher selten mit missbrauchten Kindern zu tun. Es sei denn, dass Kinder durch diesen Missbrauch zu Tode kommen. Das kommt ja leider zurzeit immer häufiger vor. Die Menschen sind so brutal geworden. Und einige so ignorant.“

„Was war das eigentlich für ein Lied? Zwar hast du es mir gesagt, doch ich konnte den Text nicht verstehen.“

„Das ist kein Problem, wenn du dir die CD anhören willst, kannst du das nachher in meinem Büro tun. Ich habe sie dort nämlich liegen.“ Mit diesen Worten bog er auf den Parkplatz des Polizeipräsidiums ein.

Maike Kröger parkte direkt neben ihnen. Nun fuhren sie mit dem Fahrstuhl hoch in den dritten Stock. Jan Hoppe führte sie in sein Büro. Zwei voll gestellte Schreibtische standen dort. Er setzte sich an den einen und bot Maike Kröger den Stuhl an, der davor stand. Wie selbstverständlich setzte Tanja Braun sich an den anderen Schreibtisch.

„Nun Frau Kröger, erzählen Sie uns doch bitte etwas über ihren Bruder. Wer könnte einen Grund gehabt haben, ihn zu ermorden?“

„Mein Bruder ist, nein, war muss ich ja jetzt sagen, zwölf Jahre älter als ich. Ich war elf, als unsere Eltern starben. Wir erbten das Haus und Lukas hat mich aufgezogen. Mit neunzehn bin ich nach Göttingen gezogen, um dort zu studieren. Seitdem hatten wir nicht mehr viel Kontakt. Wir waren wohl zu unterschiedlich. Erst vor fünf Wochen bin ich zurückgekommen. Ich habe hier einen Job bekommen.“

„Ich habe immer angenommen, dass der Tod der Eltern Geschwister enger zusammenschweißt. Warum war das bei Ihnen und Ihrem Bruder nicht so?“

„Vielleicht hätte der Tod unserer Eltern uns einander angenähert, doch Lukas war mitten im Jurastudium und da störte ihn seine pubertierende Schwester schon sehr. Außerdem war der Altersunterschied wohl auch zu groß. Er war eher mein Vormund, statt mein Bruder.“

„Hatte Ihr Bruder irgendwelche Feinde?“

„Ich weiß es wirklich nicht. Wenn er sich nicht sehr geändert hat, war er sehr ehrgeizig. Um seine Ziele zu erreichen, ging er über Leichen. Das habe ich damals gesehen. Und als Anwalt macht man sich doch bestimmt Feinde. Außerdem erwartet er immer zu viel von anderen. Das machte mir die damalige Situation auch nicht leichter.“

„Und wie sah sein Privatleben aus? Hatte er beispielsweise eine Freundin?“ Tanja, die bisher still zugehört hatte, beugte sich etwas vor und fixierte Maike Kröger. Diese schüttelte den Kopf.

„Soweit ich weiß, hatte er keine Freundin.“

„Haben Sie eine ungefähre Ahnung, wie lange die letzte Beziehung Ihres Bruders vorbei ist?“ Nun befragte Hoppe die junge Frau wieder.

„Ich weiß es wirklich nicht. Ich war die letzten sechs Jahre nicht hier. Wir haben uns nicht einmal gesehen. Und unsere Telefonate in der Zeit kann man auch an einer Hand abzählen. Sogar zu Geburtstagen kam nur eine Karte und kein Anruf. Heute hätten wir uns zum ersten Mal wiedertreffen wollen.“ Nun liefen der jungen Frau doch Tränen über das Gesicht.

„Kennen Sie wenigstens irgendwelche Freunde Ihres Bruders?“

„Nur Axel Marquart. Die beiden sind schon seit Studientagen miteinander befreundet. Sie haben sogar eine Kanzlei zusammen aufgemacht. Wenn jemand etwas über meinen Bruder weiß, dann Axel. Vielleicht kennt er ja auch noch mehr Freunde meines Bruders.“

„Vielen Dank für Ihre Hilfe. Und sollte Ihnen noch etwas einfallen, melden Sie sich bitte bei mir.“

„Das werde ich machen. Und wann kann ich mich um die Beerdigung meines Bruders kümmern?“ Mit diesen Worten war Maike Kröger aufgestanden.

„Ich werde Sie anrufen, sobald die Obduktion vorbei ist.“ Hauptkommissar Hoppe reichte ihr die Hand und brachte sie bis zu der Bürotür, um diese hinter Maike Kröger zu schließen.

„Und, was hältst du davon?“ Tanja Braun stand auf, nachdem sie den Aufzug hatte quietschen hören.

„Nun, ich denke, dass wir jetzt mit diesem Marquart reden sollten. Komm mit!“ Bei den schnellen Schritten ihres neuen Chefs, hatte Tanja Probleme mitzuhalten.

Wieder stiegen sie in den VW-Bus. Hoppe fuhr schneller, als es erlaubt war. Tanja biss sich auf die Innenseiten ihrer Wangen, um ihn nicht darauf aufmerksam zu machen. Er bremste den Wagen in der Nähe des Innenhafens vor einem riesigen Bürogebäude.

„Wow! Die Miete hier kostet mit Sicherheit Unmengen.“ entfuhr es ihm, während er ausstieg.

„Anwälte wissen halt, wie sie ihr Geld machen können. Und ich weiß es seit meiner Scheidung letztes Jahr auch.“

„Wie lange warst du denn verheiratet?“

„Nur zwei Jahre, dann habe ich ihn mit einer anderen erwischt. Also habe ich meinen Kram gepackt und bin aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen.“

„War bestimmt ziemlich hart für dich!“

„Ich bin zu meiner Mutter zurück. Mein Vater war kurz zuvor an Krebs gestorben. Da haben wir uns gegenseitig Halt gegeben. Jede hat die andere gebraucht.“

„Das kann ich mir gut vorstellen.“

Während dieses Gespräches, waren sie mit einem gläsernen Aufzug in den zwölften Stock gefahren. An einer Tür aus glänzendem Mahagoni-Holz war ein poliertes Messingschild befestigt. Tanja schüttelte den Kopf, während Hoppe klopfte. Und daran sieht man mal wieder, das Geld einen auch nicht immer schützen kann.“ flüsterte sie. Ihr Chef nickte nur seufzend und klopfte erneut.

„Es tut mir leid, aber die Kanzlei ist noch nicht geöffnet. Wenn sie also bitte später wieder kommen wollen.“ Eine Frau, Anfang vierzig, in einem modisch geschneiderten Kostüm, öffnete die Tür einen Spalt breit. Hoppe zog seinen Dienstausweis aus der Innentasche seines dunkelbraunen Jacketts.

„Hoppe von der Kriminalpolizei Duisburg. Das ist meine Kollegin Tanja Braun. Wir müssen mit Herrn Marquart sprechen.“

„Herr Marquart ist derzeit nicht im Haus. Er hat ein sehr wichtiges Kundengespräch. Und auch Herr Kröger, sein Partner, ist heute noch nicht hier gewesen.“

„Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Herr Kröger einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Darüber wollten wir auch mit Herrn Marquart sprechen. Doch vielleicht können sie uns auch helfen, Frau...“

„Schleifer! Luise Schleifer. Ich bin die Sekretärin der Kanzlei. Aber bitte, kommen sie doch herein. Es muss ja nicht gleich das ganze Haus mitbekommen, was Herrn Kröger zugestoßen ist.“ Sie öffnete die Tür und ließ die Kommissare in einen holzgetäfelten Vorraum eintreten.

„Sie sagten, dass Herr Kröger ermordet wurde. Wie konnte das geschehen?“

„Wir dürfen Ihnen leider keine Auskunft geben. Außer, dass Herr Kröger letzte Nacht in seinem eigenen Haus ermordet wurde.“ Wie schon bei Maike Kröger führt Hoppe auch hier das Gespräch.

„Warum sollte ihn jemand denn ermorden? Er war immer sehr freundlich.“ Die Sekretärin schüttelte den Kopf.

„Wir hofften, dass Sie, oder Herr Marquart uns da vielleicht weiterhelfen könnten.“

„Ich selber kann Ihnen leider nichts über das Privatleben meines Chefs erzählen, obwohl ich bereits seit fünf Jahren für ihn arbeite. Aber mit Herrn Marquart war er auch privat sehr gut befreundet, vielleicht kann der Ihnen weiterhelfen.“

„Welchen Schwerpunkt hat die Kanzlei denn?“

„Damit wollen sie doch nicht andeuten, dass Sie denken, dass einer unserer Klienten Herrn Kröger umgebracht hat? Das halte ich für unwahrscheinlich, da unsere Kanzlei auf Wirtschaftsrecht spezialisiert ist.“

„Das können wir leider noch nicht sagen. Daher müssen wir dringend mit Herrn Marquart sprechen. Wann kommt er denn wieder?“

„Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, denn die Firma, bei der er momentan ist, nimmt immer sehr viel Zeit in Anspruch.“ In diesem Moment öffnete sich die Tür und ein Mann trat ein. Er kam auf die Gruppe zu.

„Kann ich Ihnen helfen? Mein Name ist Axel Marquart.“ Hoppe stellte sich und seine junge Kollegin vor. Axel Marquart warf nur einen kurzen Blick auf die Dienstausweise.

„Dann kommen Sie doch bitte mit in mein Büro.“ Die Kommissare folgten ihm in einen ebenfalls sehr teuer eingerichteten Raum.

„Was kann ich für Sie tun?“ Der Anwalt setzte sich hinter seinen wuchtigen Schreibtisch und bot seinen Gästen die davorstehenden Stühle an.

„Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Partner, Herr Lukas Kröger, ermordet wurde.“

„Lukas ist tot? Aber warum?“

„Das hofften wir, von Ihnen zu erfahren. Wer hätte denn ein Motiv Herrn Kröger zu ermorden?“

„Niemand, Wir haben keine gefährlichen Mandanten.“

„Und wie sieht es mit dem Privatleben Ihres Partners aus?“

„Im Moment hatten wir kaum Privatleben. Unsere Kanzlei läuft ziemlich gut, doch je mehr Mandanten man hat, umso weniger Freizeit hat man.“

„Hatte Ihr Partner derzeit eine Beziehung?“

„Nein, vor zwei Jahren hat seine letzte Freundin ihn verlassen und seitdem hatte Lukas keine feste Frau mehr in seinem Leben. Das lag wohl auch am Zeitmangel.“

„Und was war mit Affären?“

Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, denn wir sind aus dem Alter raus, wo man mit Eroberungen prahlt. Aber, wenn wir dann mal zusammen unterwegs waren, haben sich schon die Frauen für Lukas interessiert. An Gelegenheiten hat es ihm nicht gemangelt.“

„Waren Sie regelmäßig zusammen weg?“

„Sooft es unsere Zeit halt erlaubte. Aber warum interessiert sie Lukas' Sexleben so sehr? Ist er deswegen ermordet worden?“

„Wir ermitteln in alle Richtungen. Haben Sie je über sexuelle Vorlieben gesprochen?“

„Nein, wie schon gesagt, waren wir aus dem Alter raus.“

„Und es fällt Ihnen niemand ein, der Herr Kröger umbringen wollte? Vielleicht seine Ex?“

„Steffi? Eher nicht. Sie ist ein sehr friedlicher Mensch. Jedenfalls, so wie ich sie kennengelernt habe. Und auch sonst fällt mir niemand ein, der Lukas etwas Böses gewollt haben könnte.“

„Kennen Sie viele seiner Freunde?“

„Ich war sein bester Freund. Aber ich kann Ihnen gerne auch noch die Namen seiner anderen Freunde aufschreiben. Aber das könnte ein paar Tage dauern, denn wir hatten einen sehr großen Freundeskreis. Und ich habe nicht alle Adressen im Kopf.“

„Trotzdem will ich sie bitten, dass Sie uns die Namen und Adressen so schnell wie möglich zukommen lassen. Und wie hieß die Exfreundin von Herrn Kröger?“

„Stefanie Tischler. Die genaue Adresse kenne ich jedoch nicht.“ Axel Marquart reichte den Kommissaren die Hand und schloss die Tür seines Büros hinter ihnen.

„Ein seltsamer Mensch!“ Tanja Braun kaute auf ihrer Unterlippe und zwirbelte ihre schulterlangen blonden Haare.

„Wen meinst du? Unser Opfer, Kröger, oder seinen Kumpel, Marquart?“ Hoppe steuerte den Wagen wieder in Richtung des Präsidiums, wobei er sich diesmal sogar an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt.

„Jetzt im Moment meine ich Marquart. Obwohl Kröger ja auch nicht wirklich so nett gewesen sein kann, wie Marquart behautet. Sonst wäre er ja wohl kaum so grausam abgeschlachtet worden.“

 

„Da hast du wohl Recht. Aber lass uns mal hören, was das restliche Team dazu sagt. Dann lernst du auch direkt deine neuen Kollegen kennen.“

„Ob die Spurensicherung schon etwas Interessantes herausgefunden hat?“

Das werden wir wohl auch gleich erfahren.“