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Raamatust
Georg Heyms postum (1913) veröffentlichte Sammlung ist nichts für zarte Gemüter. «Nur unter größten Bedenken war sein Verleger Rowohlt bereit, dass Werk zu drucken, für dessen Schreckensvisionen er sich keinen Leserkreis vorstellen konnte.» Und tatsächlich schockiert der Inhalt selbst heute noch, wo längst, auch in der Literatur, fast alle Tabus gebrochen sind, mit seinen offenen Gewaltdarstellungen. Doch tut man dem Werk unrecht, wenn man es darauf reduziert.
Bei Georg Heyms «Der Dieb, ein Novellenbuch» handelt es sich um einen Band expressionistischer Kurznovellen: «Der fünfte Oktober», «Der Irre», «Die Sektion», «Jonathan», «Das Schiff», «Ein Nachmittag» und «Der Dieb». Allesamt sind Porträts von Außenseitertypen, deren aufgestauter Lebenshass entweder in physische Gewalt umschlägt oder die an der psychischen Gewalt einer kalten Umwelt zugrunde gehen. Was der Mensch nicht dahinrafft, erledigt schließlich die Natur. Doch alle, ob nun verroht oder sensibel, scheinen sie eins zu suchen: Halt, Verständnis, Liebe. Der Irre sehnt sich auf seinem Rachefeldzug, in Momenten, in denen ihm seine Schreckenstaten bewusst werden, nach dem verhassten Arzt. Jonathan muss die Sehnsucht nach Wärme und Zuneigung mit seinen zwei Beinen bezahlen. Am abstraktesten wird die Sehnsucht nach Beachtung in der Liebe des Diebes zu da Vincis «Mona Lisa», die ihre ablehnende Haltung und Arroganz gegen ihn mit der Vernichtung büßen muss. Vielleicht ein Grundmotiv Heyms (1887-1912), der in seiner Kindheit die Strenge eines aristokratischen Elternhauses erfahren musste. So wird man den Eindruck nicht los, dass man in «Ein Nachmittag» seiner frühen Jugend besonders nahe kommt. Die einzige Geschichte, die ohne körperliche Gewalt auskommt, deren psychische Gewalt vielleicht sogar um so eindringlicher, erdrückender auf den Leser wirkt, da hier ein Wechselbad aus Glück, Warten, Hoffen, Enttäuschung und Leid erzeugt wird, das fast jeder nachzufühlen im Stande sein dürfte.