Die tägliche Heilung

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Die tägliche Heilung
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Dr. med. Georg Weidinger


Gaufen –

Bewegung für jeden Tag

ENNSTHALER VERLAG STEYR

Erklärung:

Die in diesem Buch dargebotenen Vorstellungen, Vorschläge und Therapiemethoden sind nicht als Ersatz für eine professionelle medizinische Behandlung gedacht. Jede Anwendung der in diesem Buch angeführten Ratschläge geschieht nach alleinigem Gutdünken des Lesers. Autor, Verlag, Berater, Vertreiber, Händler und alle anderen Personen, die mit diesem Buch in Zusammenhang stehen, übernehmen keine Haftung für eventuelle Folgen, die direkt oder indirekt aus den in diesem Buch gegebenen Informationen resultieren oder resultieren sollen. Es wird darauf hingewiesen, dass alle Angaben trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des Verlags ausgeschlossen ist.

Fotos:

S. 43, S. 73, S. 99: Pixabay; S. 123: DIE BESORGER.

Alle anderen Fotos von Georg und Gabriele Weidinger

Illustrationen:

Georg Weidinger

www.ennsthaler.at

1. Auflage 2014

ISBN 978-3-7095-0037-8 EPUB

Dr. med. Georg Weidinger · Die tägliche Heilung

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2014 by Ennsthaler Verlag, Steyr

Ennsthaler Gesellschaft m.b.H. & Co KG, 4400 Steyr, Österreich

Lektorat: Dr. Christian Heindl

Satz: DIE BESORGER mediendesign & -technik, Steyr

Umschlaggestaltung: Christoph Ennsthaler

Umschlagillustration: Georg Weidinger

Einleitung

Ich bin praktischer »Chinesen-Arzt« in Wien-Favoriten. Meine Praxis ist von einer riesigen Fläche Asphalt und Beton umgeben, so wie die meisten Wohnungen in Wien, so wie die meisten Wohnungen in den Großstädten. Um zu meiner Praxis zu gelangen, muss ich mich irgendwie auf dieser Fläche bewegen oder bewegen lassen. Ich kann ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen. In meinem Fall führt eine Buslinie von unserem Zuhause weg bis zum Reumannplatz, und von dort führt die zweite Buslinie an meiner Praxis vorbei. Ich kann also diese Busse bemühen, mich von zu Hause in meine Praxis zu bringen. Theoretisch kann ich auch unser Auto nehmen, um die etwa vier Kilometer Asphaltfläche zu überwinden, wobei dann diese vier Kilometer schnell auf sechs Kilometer anwachsen im Rahmen der Parkplatzsuche … Ich könnte auch mit dem Fahrrad fahren, aber da ich immer meinen Hund Findus bei mir habe, scheidet das aus. Damit scheiden für mich auch der Tretroller oder die Rollschuhe aus, zumal Findus in der Stadt an der Leine geführt werden muss und Begegnungen mit anderen Hunden, Radfahrern, Fußgängern sehr schnell, speziell auf dieser Asphaltstrecke, zu einer Begegnung dritter Art ausufern würden … Oder ich kann gehen … oder ich kann laufen … oder ich kann gaufen. Egal wie, aber einmal am Tag muss ich von A nach B gelangen und einmal von B nach A, von unserem Zuhause in meine Praxis und wieder zurück, zeitversetzt. Dazwischen finden mein Körper viel Ruhe und mein Geist viel Arbeit. So wie ich müssen sehr viele Menschen, die sich den Regeln der westlichen Arbeitswelt unterwerfen, täglich oder fast täglich morgens von A nach B gelangen und abends von B nach A. Dazwischen liegt die Arbeit, danach beginnt das Privatleben. So das Konzept unserer Welt. Manche, so wie ich, haben das Glück beziehungsweise dem Glück entsprechend nachgeholfen, dass A–B und B–A nur wenige Kilometer sind, bei manchen befindet sich A–B und B–A sogar im gleichen Haus. Aber für die meisten Großstädter und auch Kleinstädter gilt es, täglich eine beachtliche Menge Asphalt- und Betonfläche zu überqueren, um schlussendlich dem begehrten Ziel des Broterwerbs für zu Hause durch Arbeit außerhalb dieses Hauses nachkommen zu können.

Seit vielen Jahren gelangen Menschen (durch welche Bewegungsform auch immer …) in meine Praxis, um sich Rat und Hilfe bei ihren Erkrankungen und Beschwerden zu holen. Dazu muss ich erklären, dass ich kein »normaler« praktischer Arzt bin und dass meine Praxis auch keine »normale« Arztpraxis ist, so wie man sie üblicherweise kennt. »Systemkonforme« Praxen von Allgemeinmedizinern unterliegen den Gesetzen der Krankenkassen. Die Krankenkassen geben dem Arzt Geld, damit dieser eine Leistung am Patienten vollbringt. Durch diese Geldgabe behält sich die Krankenkasse das Recht ein, zu sagen, welche Leistung der Patient bekommt. Das ist auch ihr gutes Recht, da sie ja dafür bezahlt. Die Krankenkasse definiert durch ihre Gabe die Leistung in Qualität und Umfang sowie was überhaupt eine »Leistung« ist. Und da haben wir noch gar nicht vom Patienten oder dessen Beschwerden geredet. Das klingt kompliziert, ist es auch, zumal die von der Krankenkasse geforderte Leistung oft schon erbracht ist, ohne dass dem Patienten geholfen wurde. Und da ich für alles etwas länger brauche als andere, würde meine Leistungserbringung für jeden einzelnen Patienten wahrscheinlich deutlich länger dauern, sodass ich pro Tag deutlich weniger Leistungen erbringen könnte, wodurch ich deutlich weniger als andere Kollegen bezahlt bekäme und deshalb auch nicht davon leben könnte. Und weil ich das sehr früh in meiner Arztkarriere erkannt habe, praktiziere ich »außerhalb« dieses Systems und dann auch noch eine Form der Medizin, welche die Krankenkasse nicht als Leistung sieht, zumal sie sehr viel Zeit braucht. Meine Praxis ist eine TCM-Praxis, eine Praxis für Traditionelle Chinesische Medizin, und sie ist eine Rede- und Zuhörpraxis: Zuerst redet der Patient, ich höre zu, dann rede ich und zwar viel, und dann schauen wir gemeinsam, was sich verändert an den Beschwerden und Krankheiten.

Wie gesagt: Seit vielen Jahren gelangen Menschen mit ihren Leiden in meine (Form der) Praxis und seit vielen Jahren höre ich immer wieder ähnliche Sachen. Die Leiden sind zwar sehr unterschiedlich, doch haben sie hier in unserer Großstadt meist die gleichen Wurzeln. Zu wenig Bewegung, zu viel Stress und die falsche Ernährung. Und dann fühlt man sich elend, hat keine Lebensfreude mehr, keine Energie und landet schlussendlich in meiner »Alternativ-Praxis«. Und das, was die meisten Patienten von mir zu hören bekommen, ist etwas, das sie schon in anderer Form von meinen Kollegen in den »normalen« Arztpraxen gehört haben. Aber dieses Gehörte gehört in den normalen Arztpraxen nicht zu den von den Krankenkassen bezahlten Leistungen, und so hat es oft keinen Wert, wenn ein engagierter Kollege über Veränderungen der Lebensführung redet. Und somit betritt dieses Gesagte bei dem einen Ohr das Gehirn und verlässt es bei dem anderen Ohr in aller Eile wieder. Das was die meisten Patienten von mir zu hören bekommen, ist etwas, das sie sehr oft ohnedies selbst wissen, aber nicht wissen wollen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass einfache Dinge einfach sind, auch in unserer komplizierten Welt, dass es diese eine Pille nicht gibt, die all unsere gesundheitlichen Versäumnisse im Alltag einfach wegmacht. Sie wollen nicht wahrhaben, dass sie es sehr oft (eigentlich fast immer) selbst in der Hand haben, wie gut es ihnen geht und wie gesund sie sind. – Und warum? Weil es bedeutet, dass man Eigenverantwortung übernimmt und weil das anstrengend ist!

Unsere ganze moderne Welt ist darauf ausgerichtet, uns alles im Leben immer leichter zu machen. Und leichter machen bedeutet, uns Handlungen und Bewegungen und Denken immer mehr abzunehmen. »Outsourcing« ist ein modernes Wort dafür: So wie eine Firma zum Beispiel ihre Buchhaltung outsourct – das heißt, eine externe Firma übernimmt die Arbeit der Buchhaltung –, outsourcen wir Verschiedenstes in unserem Leben: Zum Beispiel outsourcen wir die räumliche Bewegung an ein Auto, einen Bus, eine U-Bahn, einen Zug. Wir outsourcen das Kochen an ein Lokal, eine Kantine, einen Lieferantenservice. Wir outsourcen das Entspannen, das aktive Denken und Reden an das Berieseln lassen vom Fernseher. Wir outsourcen unsere Bedürfnisse an vorgespielte Bedürfnisse aus der Werbung. Oder wir outsourcen unsere Träume an die Vorstellungen unserer Gesellschaft oder an einen Urlaub. – Und warum tun wir das? Weil viele Menschen sehr gute Ideen haben und uns mit ihren Ideen das Leben »erleichtern« und dann gleich auch damit Geld verdienen wollen.

»So funktioniert nun einmal unsere Gesellschaft. Das ist eben so und wenn man hier lebt, muss man sich den Spielregeln unterwerfen …« – Ist das wirklich so? Sind nicht wir die Gesellschaft? Sind nicht wir diejenigen, welche die Spielregeln machen? – Solche und ähnliche Worte hören Menschen, die in meine »Alternativ-Praxis« kommen, und sie merken schon, dass das anstrengend ist …

Also, von mir bekommen Sie die »eierlegende Wollmilchsau-Pille« NICHT! Von mir bekommen Sie zu hören, dass ich schon alle Ausreden kenne, die einem nur irgendwie irgendwann einfallen können, um ja zu verhindern, sein eigenes Leben, seine Lebensführung dahingehend zu ändern, endlich zu heilen, endlich gesund zu werden. Und das bekommen Sie von mir in jeder Form zu hören, in Zeitungsartikeln, in meiner Praxis, am Telefon, bei Seminaren, vor dem Kindergarten, im Einkaufsmarkt und in diesem Buch. Und warum? Weil es nur so geht! Es funktioniert nur dann, wenn wir – jeder für sich – bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen und heute anfangen, etwas in unserem Leben zu ändern. Und dass heißt konkret:

•tägliche Bewegung

•bessere Ernährung

•Stressabbau und -umbau

•Lebensfreude

Ich werde Ihnen in diesem Buch noch im Detail darlegen, warum diese einzelnen Punkte so wichtig sind, mit dem großen Schwerpunkt der täglichen Bewegung. Wie schon gesagt kommen seit vielen Jahren Menschen in meine Praxis und erzählen mir von ihren Beschwerden. Und bei vielen der Beschwerden handelt es sich um Folgen aus unserem viel zu vielen täglichen Sitzen und viel zu wenigem täglichen Bewegen. Und wenn wir uns dann endlich bewegen, ein- bis zwei- oder dreimal die Woche (aus einem schlechten Gewissen gegenüber unserem Körper heraus oder weil ich es gesagt habe …), tun wir es falsch, nämlich mit Stress, unter (Zeit-)Druck, mit der falschen Technik. Aber zumeist überwiegen die Ausreden, nicht die Bewegung: Ich hab’ keine Zeit. Wann soll ich das machen? Ich bin in der Früh beim Aufstehen viel zu müde. Ich bin abends nach der Arbeit viel zu müde. Generell bin ich viel zu müde. Mir tut der linke Fuß weh. Mir tut das rechte Knie weh. Mir tut das linke Ohrläppchen weh. Ich habe gerade gegessen. Ich habe nichts gegessen. Ich hasse Schwitzen. Da rinnt mir ja meine Schminke runter. Ich halt es mit Churchills »no sports«. Ich habe Kinder zu Hause. Ich habe Katzen zu Hause. Ich habe eine Tante dritten Grades zu Hause. Mein Mann wartet schon auf sein Essen. Das Fitnessstudio ist viel zu weit weg. Überhaupt gibt’s nur Asphalt und Beton und keine Natur um mich herum. Es ist viel zu kalt draußen. Es ist viel zu heiß draußen. Wenn es regnet, werde ich nass und dann verkühle ich mich. Wie sehe ich denn aus, wenn ich laufe? Ich kann das sicher nicht! Mein Hausarzt sagt, das brauche ich nicht machen, das bringt eh nichts. Ich bin viel zu dick. Ich bin viel zu dünn. Ich bin ja schon zu alt dafür. Bei mir bringt das auch nichts mehr. Können Sie mir nicht doch irgendwelche chinesischen Kräuter stattdessen aufschreiben oder ein paar Nadeln stechen …? – Nein. Punkt.

 

Also: Die Idee ist ganz einfach. Es ist notwendig, dass Sie – ja, Sie meine ich – sich täglich entspannt bewegen (warum, dazu später im Detail). UND Sie haben keine Zeit. UND Sie müssen täglich von A nach B gelangen und abends wieder zurück von B nach A. UND Sie müssen täglich eine große Fläche Asphalt und Beton überwinden. ALSO nutzen Sie ihren Arbeitsweg, um sich zweimal täglich zu bewegen. Und diese Bewegung machen Sie auf die natürlichste und entspannteste Weise, um sich dabei gleichzeitig zu entspannen und einerseits morgens entspannt in der Arbeit anzukommen und andererseits abends entspannt und ohne Arbeit im Kopf zu Hause anzukommen. Und die natürlichste und gesündeste Bewegungsform, die uns die Evolution mitgegeben hat, ist nicht das Gehen, das uns und unseren Körper vor allem auf hartem Untergrund sehr anstrengt und Beschwerden machen kann, ist nicht das normale Laufen, das vor allem mit unseren hoch technisierten Laufschuhen den Bewegungsapparat sehr belastet und außerdem nicht geeignet ist, als entspannte Fortbewegungsform in der Stadt (bei all dem Verkehr und den vielen Menschen, vor allem vor der Arbeit), sondern ein sehr, sehr langsames, achtsames und entspanntes Laufen. Und weil dieses Laufen von der Technik her wie Laufen und vom Tempo her etwa so schnell ist wie schnelles Gehen und die Ruhe in sich tragen soll wie langsames Gehen, nenne ich es einfach GAUFEN (wenn Sie es englisch haben wollen, schlage ich den Namen Wunning vor: das W von »Walking« und der Rest von »Running«). Gaufen hat vom »Gehen« das G und vom »Laufen« den Rest. Gaufen hat vom Gehen einen Buchstaben und vom Laufen fünf, und so ist auch etwa die Proportionsverteilung der Technik: mehr vom Laufen, weniger vom Gehen.

Wenn Sie wissen wollen, wie Gaufen genau funktioniert, warum es die gesündeste Bewegungsform ist, warum sie sich überhaupt zweimal täglich bewegen sollen, welche Schuhe man am besten verwendet, welches Gewand man am besten anzieht, wie man das in den Alltag einbauen können soll, wenn man einen viel längeren (als meine vier Kilometer) oder einen viel kürzeren oder gar keinen Arbeitsweg täglich zu bewältigen hat, wie man das seinem Chef beibringen soll, dass man jetzt gauft, wie man das den Kolleginnen und Kollegen erklärt, was man am besten davor und danach essen soll, wie man mit Schwitzen und verschmierter Schminke umgeht und was immer ihnen noch als Ausrede einfallen könnte, sich eben NICHT täglich zu bewegen, dann lesen Sie weiter – ich werde Ihnen in diesem Buch die Antworten geben.

Warum soll ich mich überhaupt zweimal täglich bewegen?

Ich bin »chinesischer Arzt«, also Arzt für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), und so erkläre ich es Ihnen auf »Chinesisch« (viel genauer und mit allen anderen Zusammenhängen finden Sie das »Chinesische« in meinem Buch »Die Heilung der Mitte – die Kraft der Traditionellen Chinesischen Medizin«[1]): Wir – die »Chinesenärzte« und alle, die sich weltweit bereits dieser Medizinform verschrieben haben – sagen, dass die Leber vom chinesischen Denken her dafür sorgt, dass sich alles im Körper gut bewegt. Die Leber, von der ich spreche, ist nicht die Leber, von der ein westlicher Arzt spricht. Wichtig ist, dass Sie alles, was ich Ihnen über die Chinesische Medizin erkläre, einfach einmal als eine Art Denkmodell annehmen und annehmen können. Wie wir denken ist geprägt von der Kultur, in der wir aufwachsen. Und, wie Sie wahrscheinlich wissen, ist vor allem die traditionelle chinesische Kultur – also jene VOR den Einflüssen des Westens mit ihren politischen und wirtschaftlichen Dogmen – ganz anders als unsere. Um verstehen zu können, wie die Traditionelle Chinesische Medizin funktioniert, müssen wir Westler erst einmal unsere Denkweise beiseite stellen und zuhören.

Meine Erfahrung aus all den Jahren Beschäftigung mit TCM ist, dass dieses Denkmodell funktioniert und wenn man es verstanden hat, uns viele Zusammenhänge in unserem Körper viel anschaulicher macht als unsere westliche Medizin imstande ist. Gerade in Bezug auf Bewegung und Ernährung erlangen viele meiner Patienten ein tiefes Verständnis. Die Vorraussetzung, damit wir Westler etwas annehmen können, ist nun einmal, dass wir es mit unserem Verstand fassen können. Die Chinesen gehen da traditionell anders heran. Sie sagen: Wenn etwas funktioniert, warum dann fragen, warum es funktioniert, wenn es doch funktioniert … – Das hat traditionellerweise auch viel mit Autoritätshörigkeit zu tun, die es in unserer »freien« Welt so kaum mehr gibt.

Also, weiter zu unserem »chinesischen Denkmodell«: Die Leber sorgt dafür, dass sich alles gut bewegt im Körper. Die Chinesen sagen: »Die Leber sorgt für den glatten Fluss aller Dinge«. Und diese Dinge sind vor allem einmal Qi und Blut. Qi (zumeist »tschi« ausgesprochen) ist die Energie, die gleichmäßig im Körper fließen soll, und Blut ist die Substanz, die gleichmäßig im Körper fließen soll. Die Definition von Gesundheit »auf Chinesisch« ist, dass alles im Körper gleichmäßig fließt, und mit »alles« meint man vor allem Energie und Substanz, Qi und Blut. Und genau darum kümmert sich die Leber (daneben sollen auch noch die Flüssigkeiten, die Nahrung, der »gute« Schleim und die Hitze gleichmäßig fließen, und auch darum kümmert sich die Leber; mehr dazu im Buch »Die Heilung der Mitte«). Die Leber sorgt für Bewegung im Körper. Krank wird man also dann, wenn es, generell oder an einer bestimmten Stelle im Körper, NICHT mehr gut fließt. Wir nennen das dann eine Blockade, eine Stagnation. Wenn Qi nicht gut fließt, nennen wir das eine Qi-Stagnation, wenn Blut nicht gut fließt, eine Blut-Stagnation (wenn die Flüssigkeiten nicht gut fließen, eine Flüssigkeits-Stagnation etc.). Die häufigsten Ursachen für eine Stagnation sind bei uns im Westen vier Dinge:

•falsche Ernährung (dazu später)

•zu wenig Bewegung

•zu viel Stress

•keine Lebensfreude, kein SHEN

Sie erinnern sich an meine Worte aus der Einleitung: Diese vier Dinge sind es, die uns krank machen. Chinesisch gesehen machen diese vier Dinge eine Blockade im Körper, eine Stagnation – und deshalb werden wir krank. Diese vier Dinge beeinflussen einander gegenseitig, befruchten einander gegenseitig, bedingen einander gegenseitig. Gehen wir Schritt für Schritt …

Das Organ, das Qi und Blut herstellt, ist der Verdauungsapparat, und der heißt Milz. Und ihre Frage, ob das »unsere« Milz ist, das Organ in unserem Körper, können Sie sich schon selbst beantworten, wenn sie unser chinesisches Denkmodell annehmen können: Nein. – Wenn Sie etwas essen, das ihre Milz nicht verdauen kann, weil es zum Beispiel einfach viel zu anstrengend ist für Ihre Milz, dann liegt dieses Essen im Körper herum (eine Vorstellung …) und macht Blockaden von Qi und/oder Blut. Und weil die Milz sich aus dem Essen nicht alles Ernährende herausgeholt hat, stellt sie weniger Qi und Blut her. Das heißt, es fließt weniger Qi und Blut im Körper. Denken Sie an einen Fluss: Wenn der Fluss nur ganz klein ist, ein kleiner Bach, ist es viel leichter, diesen zu blockieren. Das heißt, Qi- und Blutmangel führen viel leichter zu Blockaden, zu Stagnationen. Gehen wir zurück zu unserer Leber: Die Leber, so wie oben erklärt, schaut dass alles im Körper gut fließt, dass sich Alles im Körper gut bewegt. Chinesisch sagen wir dann auch noch, dass die Leber das Blut verwaltet. Eine Vorstellungshilfe: Die Chinesen sagen, in der Leber lebt ein Geist, und dieser Geist heißt Hun. Stellen Sie sich den Hun vielleicht einmal als einen Harley Davidson fahrenden Hells Angel vor: zwei Meter groß, sehr kräftig gebaut, ein wallender grauer Bart, seine Augen verbergen sich hinter einer schwarzen Sonnenbrille, sein mächtiger Körper in schwarzem Ledergewand, dick benietet, grimmige Miene. So sitzt unser Hun auf seiner Harley Davidson. Nun stellen Sie sich vor, dass unser Hun von seiner Maschine steigt, sie abstellt, sich komplett entkleidet und in eine Badewanne legt. Das angenehm warme Badewasser entspricht dabei dem Blut.


Also, der Hun legt sich in die Badewanne, die vollgefüllt sein sollte mit angenehm warmem Blut. Doch in dieser Badewanne ist nur ein Rinnsal an Blut. Unser Hun legt sich also in eine fast leere Badewanne. Stellen Sie sich sein Gesicht vor, als er so daliegt und schön langsam realisiert (unser Hun ist nicht der Hellste, er ist wie ein animalischer Instinkt …), dass da praktisch kein Badewasser, kein Blut in seiner Badewanne drin ist … Er wird STINKSAUER. Er denkt sich: Warum liege ich Trottel eigentlich in einer leeren Badewanne …? – Was tut er? Er steht wieder auf, geht zur Milz, nackt wie er ist, packt die Milz an der Gurgel und sagt: »Du blöde Milz produzierst zu wenig Blut und darum liege ich in einer leeren Badewanne.« – Und unsere arme Milz stottert: »Was soll ich denn machen, ich bin doch sooo müde, dass ich dieses Essen einfach nicht verarbeiten kann und daher kann ich nicht viel Blut produzieren? Und wenn Du mich jetzt auch noch attackierst, kann ich gar nichts mehr produzieren!« – Ein wunderschöner Teufelskreis! Und jetzt kommen Sie, das denkende Vorhirn ihres Großhirns, ins Spiel. Verinnerlichen Sie sich nochmals dieses Bild! Der mächtige, nackte Hun, mit schwarzer Sonnenbrille und stinksauer, der die arme kleine Milz an der Gurgel packt. Und beide schauen fragend in ihre Richtung! – Nach einer Weile bringen Sie ein paar Worte hervor wie: »Lllieber Hun, bitte lllass die Milz lllos, sonst haben wir bald gar kein Qi und Blut mehr. Mmmein Vorschlag: Ich nehm’ Dir Deine Arbeit ab. ICH bewege mich als Ganzes, dann hast Du es viel leichter. Dann brauchst Du Dich nicht um die Bewegung im Körper kümmern, ok?« – Und der Hun überlegt, noch immer sauer, und lässt schön langsam die Gurgel der Milz los, geht zurück in die Badewanne, legt sich wieder hin und wartet. Er wartet nun, dass schön langsam warmes Blut kommt. Die Milz atmet einmal tief durch, und Sie, ihr Bewusstsein, ihr bewusstes Ich, ihr Vorhirn atmen auch tief durch. – »Aber wehe jemand macht die Badezimmertür auf!« schreit der Hun plötzlich aus dem Hintergrund. »Dann bin ich gleich wieder stinksauer!« – Sie wissen vielleicht, wie es sich anfühlt, wenn man nackt, nass in einer leeren Badewanne liegt und jemand die Badezimmertür aufmacht: »Mach zu, es zieht!« Die Chinesen sagen, die Leber, also unser Hun, hasst Wind. Ein Luftzug ist nichts anderes als Wind, alles, was in der Luft herumfliegt ist nichts anderes als Wind (wie Pollen, Staub, Tierhaare), unser Stress ist nichts anderes als Wind (viel Luft um nichts!), ständiger Klimawechsel wie beim Fliegen oder auch zum Arbeitsplatz pendeln ist nichts anderes als Wind. Alle sehr schnellen Bewegungen produzieren Wind (wie Sie leicht durch Wacheln der Hand nachvollziehen können), wie man sie zum Beispiel beim Davonlaufen vor einem Löwen macht (und Sie können sich leicht vorstellen, dass dieses Davonlaufen nicht nur Wind, sondern eben auch viel Stress für den Körper bedeutet!). All diesen Wind hasst die Leber, hasst der Hun. Bewahren Sie sich das Bild des Huns, wie er, der Mächtige, das Tier in uns, da nackt in seiner leeren Badewanne liegt. Es gibt jetzt mehrere Möglichkeiten für Sie, den Hun in seiner Badewanne zu halten:

 

•Sie sperren die Badezimmertüre zu, damit keiner die Tür aufmacht. Das heißt übersetzt, dass Sie in ihrem Leben jeglichen Wind und jeglichen Stress vermeiden. Das würde z. B. bedeuten, dass Sie jetzt sofort kündigen, mit dem nächsten Flieger nach Sizilien reisen, sich dort ans Meer setzen und einfach nur ins Meer starren für den Rest ihres Lebens (am besten unter einem Glassturz, damit Sie auch der Meereswind nicht belästigt …).

•ODER Sie tun das, was Sie dem Hun versprochen haben: Sie nehmen ihm die Bewegung ab und bewegen sich – entspannt (sonst spannt sich der Hun ja auch gleich wieder an), täglich (im Körper muss es ja auch täglich »glatt fließen«), langsam (sonst entsteht ja wieder Wind …).

•UND Sie unterhalten sich einmal in Ruhe mit ihrer Milz, um herauszufinden, warum sie denn so müde ist und es nicht schafft, das Gegessene zu Qi und Blut umzuwandeln. Chinesisch sagen wir, dass die Milz das Essen und die Atemluft (das »kosmische Qi«) verwendet, um daraus Qi und Blut zu produzieren. Es ist also notwendig, dass Sie gut essen – worüber wir noch reden werden – und gut atmen. Gut atmen heißt gute Bewegung machen. Dann wird die Milz schön langsam wieder mehr Qi und Blut produzieren und der Hun wird nach einer Zeit wieder in einer vollen Badewanne sitzen und sich endlich entspannen können. Wenn Sie dann die Badezimmertür aufmachen, wird der Hun ganz entspannt hinschauen, um zu sehen, wer reinkommt, und nicht, weil es zieht. Der Hun ist ja gut umspült von warmem Blut.

Auf den Punkt gebracht heißt das, dass Sie sich täglich bewegen sollten, um täglich ihren Alltag und ihren Stress besser auszuhalten (Wind), um täglich besser verdauen zu können und ihren Stoffwechsel anzukurbeln (die Milz braucht gute Atemluft, um mit dem Essen daraus Qi und Blut zu machen), um täglich viel Energie zu haben (die Milz produziert genug Qi und Blut), um auf Dauer nicht krank zu werden (es entstehen keine Stagnationen im Körper und es »fließt gut«), um gesund zu werden (viele Stagnationen können sich auch dadurch wieder auflösen, dass Sie ihren Hun besänftigen und mehr Blut und Qi produzieren) und um wieder Freude am Leben zu empfinden. Bei diesem letzten Punkt wird’s wieder chinesisch … Der SHEN ist der Geist, der in unserem Herzen wohnt. Der SHEN ist jener Geist, den man erkennt, wenn man jemanden sieht und sich denkt: Unglaublich wie der strahlt! Dem muss es so richtig gut gehen! SHEN könnte man als Ausstrahlung übersetzen. Und auch der SHEN badet gerne in Blut, so wie unser HUN! Und wenn so richtig viel und gut Blut im Körper vorhanden ist, dann fühlt sich auch unser SHEN so richtig wohl und strahlt. Und wenn der SHEN strahlt, bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig als im Ganzen zu strahlen, als einfach nur glücklich zu sein. Und wer will das nicht? Nochmals auf den Punkt gebracht (weil’s so wichtig ist): Um so richtig gesund und glücklich zu sein, müssen wir uns täglich gut und entspannt bewegen und täglich das essen, was speziell unsere westliche Milz am einfachsten zu Qi und Blut verarbeiten kann!

Auch wenn man rein westlich denkt, wird heute kein Arzt mehr widersprechen, dass regelmäßige Bewegung für unsere Gesundheit notwendig ist. Trotzdem verschreibt keiner »Bewegung« als Tablette! Trotzdem bezahlt die Krankenkasse das Medikament »Bewegung« nicht! Und warum? – Weil eh jeder weiß, wie wichtig es ist, und es trotzdem keiner macht, weil es eben so offensichtlich und einfach ist. Das Motto bei uns hier im Westen lautet: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht! – Leider! Und es bedeutet eben auch, Eigenverantwortung zu übernehmen und sich täglich aufzuraffen, Bewegung zu machen. Wenn Sie es jetzt aber schaffen, ihren Arbeitsweg oder einen Teil davon, den Sie sowieso zweimal täglich zurücklegen müssen, gleich dazu zu verwenden, sich gut zu bewegen und dabei den Hun zu entspannen und gleich ihren Stoffwechsel, ihre Milz, anzukurbeln und gleichzeitig verhindern können, dass Stagnationen in Ihrem Körper entstehen, damit gleich den Boden für Gesundheit schaffen und auch noch glücklich werden (SHEN!), wäre das nicht eine tolle Lösung? Sie müssen dann nicht mehr extra vor der Arbeit laufen gehen (können Sie natürlich zusätzlich machen) oder extra nach der Arbeit ins Fitnessstudio gehen (können Sie ja auch trotzdem gerne machen), sondern können ihre freie Zeit benutzen, um einfach nur da zu sein, um einfach nur bei ihrer Familie zu sein, um die Lebenszeit, die freien Stunden, einfach entspannt leben zu können.

Die Lösung lautet: GAUFEN!

Vor 150 Jahren hat man nicht darüber nachdenken müssen, sich täglich zu bewegen. Im täglichen Leben war die tägliche Bewegung ein unverzichtbarer Teil. Man hat ohne lange darüber nachzudenken lange Strecken regelmäßig zu Fuß zurückgelegt. Um in die Arbeit oder in die Schule, zu Freunden und Verwandten zu gelangen, musste man einfach gehen. Und weil das eben so normal war, ist man sehr entspannt gegangen, und weil das so regelmäßig war, war die beste Gehtechnik das Selbstverständlichste der Welt. Wenn man heute bei uns in der Stadt zu Fuß geht, um zur Arbeit oder nach Hause zu gelangen (und beobachten Sie einmal arbeitende Menschen beim Gehen …), dann ist das meist schnell und angestrengt, auch weil die Schuhe – wie zum Beispiel schöne Schuhe, die zu einem Anzug passen – nicht fürs schnelle Gehen gemacht sind. Schnelles Gehen auf Asphalt und Beton strengt den Körper sehr an. Entspannung, auch unter Zeitdruck, ist dann schwer möglich.

Und nochmals zur Bekräftigung, wie wichtig tägliche Bewegung ist:

Was sagen Ihnen Ihr Hausarzt und -verstand, wenn Sie zum Beispiel Osteoporose haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie übergewichtig sind? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie ständig gestresst sind und auch schon einen erhöhten Blutdruck haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie erhöhte Blutfette haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie ständig Schmerzen im Rücken und Verspannungen haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie ständig Spannungskopfschmerzen haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie einen Diabetes (Typ II, die häufigste Variante, aber auch bei Typ I, um den Insulinbedarf zu senken), eine Zuckerkrankheit haben? – Regelmäßige Bewegung! Wenn Sie ständig müde sind und niedergeschlagen? – Regelmäßige Bewegung! Und, und, und! Sie hören es vielleicht schon gar nicht mehr, wenn es Ihr Hausarzt und -verstand sagen. Darum sage ich es noch einmal: REGELMÄSSIGE BEWEGUNG! Und regelmäßig heißt täglich!