Loe raamatut: «Geschichte meines Lebens», lehekülg 10

Font:

Erster Brief.

(Wahrscheinlich in den letzten Tagen des Jahres VI, October 1798, geschrieben.)

An die Bürgerin Dupin in Nohant.

Paris. „Endlich habe ich einen Brief von Dir erhalten, meine liebe Mutter! er ist acht Tage unterwegs gewesen, was man gerade nicht als schnelle Ankunft bezeichnen kann. Wie gut Du bist, Dich nach mir zu sehnen! und Du fürchtest also eben so sehr, daß ich an's Ziel gelange, als daß ich es nicht erreiche — das ist nun freilich wunderbar. Was mich betrifft, so bin ich über die Familienangelegenheiten, die uns belasten, vollständig beruhigt. Ich betreibe diese Sache mit Beaumont; quäle Dich also nicht, wir werden sie schon zu Ende bringen.“

„Aber Deine Unruhe in Betreff der Zeitverhältnisse thut mir weh, und ich bitte Dich, mein armes Mütterchen, fasse Muth! Es ist rein unmöglich, sich unter irgend welchem Vorwande der letzten Verordnung zu entziehen, die auch mich ganz speziell betrifft. Die Generäle dürfen sich ihre Adjutanten nur aus der Reihe der Offiziere wählen; die öffentlichen Unterrichtsanstalten wie die polytechnische Schule, das Conservatorium u.s.w. haben den Befehl erhalten, keinen Zögling aufzunehmen, der zur ersten Klasse der Wehrpflichtigen gehört. Du siehst also, daß Jeder dienen muß, und daß es gar kein Mittel giebt, nicht Soldat zu werden. Beaumont hat an alle Thüren geklopft und überall denselben Bescheid bekommen. Man fängt nicht mehr damit an, Offizier zu sein, aber man gelangt dahin, wenn man kann. Beaumont kennt ganz Paris, er ist besonders befreundet mit Barras und hat mich dem tapfern Herrn von Latour d'Auvergne vorgestellt, der werth ist, seiner Unerschrockenheit, seiner Bescheidenheit und seiner Talente wegen, der Türeune dieser Zeit genannt zu werden. Nachdem derselbe mich mit großer Aufmerksamkeit betrachtet hatte, sagte er mir: Der Enkel des Marschall von Sachsen wird sich doch nicht fürchten, einen Feldzug mitzumachen? Diese Worte ließen mich weder erröthen noch erbleichen; ich gab ihm zur Antwort: sicher nicht! und dann fügte ich hinzu: aber ich habe mancherlei gelernt, ich wünsche meine Talente auszubilden und ich glaube, daß ich als Offizier oder im Generalstabe meinem Vaterlande mehr nützen könnte, als in den willenlosen Reihen der Gemeinen. — „„Nun wohl!““ erwiederte er, „„das ist freilich wahr, Sie müssen sich eine ehrenhafte Stellung erringen. Indessen müssen Sie immer damit anfangen, von unten auf zu dienen, aber hören Sie, was mir einfällt, um diese Zeit so viel als möglich für Sie abzukürzen.““

„„Ich habe einen vertrauten Freund, der Oberst im 10. Regiment der reitenden Jäger ist. Sie müssen in sein Regiment eintreten und er wird sich freuen, Sie zu haben. Er wäre früher seiner Geburt nach vornehm gewesen und er wird Sie mit Freundschaft überhäufen. Sie mögen dann gemeiner Jäger bleiben, bis Sie sich in der Reitkunst vervollkommt haben. Der Oberst ist auf der Avancements-Liste, wenn er General wird, nimmt er Sie auf meine Empfehlung in seine Umgebung. Avancirt er nicht, so lasse ich Sie im Geniecorps eintreten. Unter keiner Bedingung dürfen Sie jedoch auf Beförderung hoffen, ehe Sie die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt haben. Und so muß es auch sein! wir werden den Ruhm und die Pflicht, die Freude, unserm Vaterlande mit Glanz zu dienen und die Gesetze der Gerechtigkeit und Vernunft mit einander zu verbinden wissen.““ Dies ist der fast wörtliche Inhalt seiner Rede. Und nun, mein Mütterchen, was sagst Du dazu? Ist darauf irgend etwas zu erwiedern? ist es nicht schön, ein Mann, ein tapferer Mann zu sein wie Latour d'Auvergne, und kann man diese Ehre nicht durch einige Opfer erkaufen? oder möchtest Du, daß man von Deinem Sohne, dem Enkel Deines Vaters, Moritz von Sachsen, sagte: daß er sich scheute, einen Feldzug mitzumachen? Die Laufbahn ist mir geöffnet und ich sollte eine ewige, schimpfliche Ruhe dem rauhen Pfade der Pflichten vorziehen? Und überdies, bedenke, liebe Mutter, daß ich zwanzig Jahr alt bin, daß wir zu Grunde gerichtet sind, daß ich ein langes Leben vor mir habe, und auch Du, Gott sei Dank! und daß ich, wenn ich es zu etwas bringe, Dir etwas von dem Wohlleben wiedergeben kann, das Du verloren hast; meine Pflicht und mein Ehrgeiz verlangen dies von mir. Beaumont ist zufrieden mit meinen Ansichten; er sagt, daß man sich fügen muß. Nun ist es einleuchtend, daß ein Mann, der nicht darauf wartet, daß man ihn wie eine zu liefernde Waare in ein Register einträgt, sondern sich freiwillig stellt, um zur Verteidigung seines Vaterlandes zu eilen, größere Rechte an Wohlwollen und Beförderung hat, als derjenige, der sich mit Gewalt herbeiziehen läßt. Ader diese Handlungsweise wurde von unsern Standesgenossen mißbilligt werden. — Sie würden Unrecht haben und ich würde ihre Mißbilligung mißbilligen. Wir müssen sie also reden lassen und sie würden am Besten thun, wenn sie meinem Beispiele folgten. Andere kenne ich wieder, die viel mehr als ich Patrioten sein wollen, und sich doch gar nicht dazu getrieben fühlen, zu den Fahnen zu eilen.“ „Man glaubt hier nur wenig an den Frieden und Beaumont giebt mir den Rath, gar nicht darauf zu rechnen. Herr von Latour d'Auvergne hat Zuneigung zu mir gefaßt; er hat zu Beaumont gesagt, daß ihm mein ruhiges Aussehen gefällt, und daß er durch die Art und Weise, wie ich ihm geantwortet habe, einen Mann in mir erkannt hat. Wahrscheinlich sagst Du, liebe Mutter, daß er mich in einem minder guten Augenblicke gesehen hat, aber kann man nicht oft solche Augenblicke haben? die Gelegenheit muß nur erst da sein! Unser Vermögen ist vernichtet; sollen wir uns deswegen zu Boden werfen lassen? Ist es nicht schöner, sich über sein Unglück zu erheben, als durch eigne Schuld von der Höhe herabzustürzen, auf die uns der Zufall gestellt hatte? Der Anfang meiner Laufbahn kann auch nur einem gewöhnlichen Geiste widerwärtig scheinen; Du aber, Du wirst Dich nicht schämen, die Mutter eines tapfern Soldaten zu sein. Die Heere sind jetzt sämmtlich wohl disciplinirt. Die Offiziere sind Alle Männer von Verdienst — also ängstige Dich nicht. Es handelt sich auch nicht darum, gleich in den Kampf zu ziehen, sondern einige Zeit mit Reitübungen hinzubringen, was mir um so weniger schwer fallen wird, dich auf Deinen Antrieb vielleicht schon mehr von dieser Kunst gelernt habe, als mir noch davon zu lernen bleibt.“

„Ich brauche mich dessen freilich nicht zu rühmen und will damit auch nur sagen, daß ich keine Lehrzeit vor mir habe, die meinen Knochen Gefahr bringt, oder dem Zuschauer Stoff zum Lachen bietet. Auch in dieser Hinsicht kannst Du also ganz ruhig sein. Leb' wohl, Mama; sage mir Deine Meinung über alle meine Ansichten und bedenke, daß aus dem Schmerz der Trennung für uns Beide ein großes Glück hervorgehen kann. Leb' nochmals wohl; ich umarme Dich von ganzem Herzen.“

„Ich umarme Deschartres und ersuche ihn, etwas mehr an seinem Bogen zu streichen, um das Schnarren und Quiken zu vermeiden. Nun, so lache doch ein bischen, mein Mütterchen.“

Das Leben großer Männer ist doch zum großen Theile unbekannt, und viele der bewunderungswürdigsten Regungen haben keinen Zeugen, als Gott und das Gewissen. In dem vorstehenden Briefe finde ich eine solche Regung, die mich tief gerührt hat. Wir sehen hier Latour d'Auvergne, diesen ersten Grenadier von Frankreich, diesen tapfern, einfachen Helden, der kurze Zeit nachher als gemeiner Soldat ins Feld zog, obwohl das neue Gesetz auf seine weißen Haare nicht Anwendung fand ... Aber dies ist eine Geschichte, an die Alle, die sie vergessen haben könnten, wieder erinnert werden müssen. Latour d'Auvergne hatte einen neunzigjährigen Freund, der nur von der Arbeit seines Enkels lebte. Das Conscriptions-Gesetz trifft den jungen Mann, und es giebt kein Mittel sich davon loszumachen. Aber Latour d'Auvergne erhält — als besondere Belohnung für ein ruhmvolles Leben — die Erlaubniß, als gemeiner Soldat in das Heer zu treten, um den Enkel seines Freundes zu ersetzen. Er zieht von dannen, bedeckt sich mit neuem Ruhm, und stirbt auf dem Schlachtfelde, nachdem er jede Auszeichnung, jede Beförderung zurückgewiesen hat! ... Und nun steht dieser Mann, der vielleicht schon den Plan gefaßt hat, mit 55 Jahren an die Stelle eines armen jungen Mannes als Rekrut einzutreten, einem andern jungen Manne gegenüber, der sich zögernd in die Nothwendigkeit des Militärdienstes fügt. Er beobachtet dies verzogene Kind, das eine zärtliche Mutter der Strenge der Disciplin und den Gefahren des Krieges entziehen möchte; er befragt seinen Blick, seine Haltung. Wir begreifen, daß er sich seiner nicht annehmen würde, wenn er ein zaghaftes Herz in ihm entdeckte und daß er ihn durch die Erinnerung an den Krieger-Ruhm seines Großvaters zum Erröthen zwingen würde. Aber ein Wort, ein Blick des Jünglings genügen, um ihm in demselben den künftigen Mann zu zeigen. Und sofort wendet er sich dem Jünglinge freundlich zu, sagt ihm gütige Worte und geht durch großmüthige Versprechungen in die Besorgnisse seiner Mutter ein. Er weiß, daß nicht alle Mütter Heldinnen sind und er fühlt, daß diese Mutter die Republik nicht lieben kann, daß dieser junge Mann mit außerordentlicher Sorgfalt erzogen ist, daß man ehrgeizige Wünsche für ihn hegt, und daß man die antike Aufopferung eines Latour d'Auvergne nicht zu seinem Vorbilde wählen möchte. Aber dieser Latour d'Auvergne scheint die Größe seiner Handlungsweise gar nicht zu kennen, und er ist so wenig eitel darauf, daß er Andere nicht darauf hinweist. Er verlangt von Niemanden gleiche Tugend und er kann diejenigen lieben und achten, die nach dem Wohlstande und der äußern Ehre trachten, die er verschmäht. Er geht auf ihre Pläne ein; er schmeichelt ihren Hoffnungen; er wird an ihrer Verwirklichung arbeiten, wie ein gewöhnlicher Mensch, der die Freuden des Lebens und das Lächeln des Glückes zu schätzen weiß. Und als wollte er seine Verdienste vor sich selber schmälern und sich vor Hochmuth bewahren, faßt er seine Ansicht in die Worte zusammen: „Man kann den Ruhm und die Pflicht, die Freude unserm Vaterlande mit Glanz zu dienen, und die Gesetze der Gerechtigkeit und Vernunft miteinander verbinden.“

Mir erscheint diese wohlwollende, einfache Sprache dreifach groß, dreifach heilig im Munde eines Helden. Was wir von einem glänzenden Leben wissen und sehen, kann immer einer heimlichen Berechnung des Stolzes zugeschrieben werden. Aber in den Einzelnheiten, in den scheinbar unbedeutenden Thatsachen, erfassen wir das Wesen des Menschen. Wenn ich jemals an der Unbefangenheit im Heldenthum gezweifelt hätte, würde mir diese Freundlichkeit des ersten Grenadiers von Frankreich Beweis dafür gewesen sein.

Mein Vater ging auf dies rührende Benehmen nicht weiter ein, wenigstens that er es nicht, als er seiner Mutter darüber schrieb; aber es ist gewiß, daß die Unterredung mit dem Manne, der einst die „höllische Schaar“ angeführt hatte, dessen Herz so zart und dessen Sprache so sanft war, einen tiefen Eindruck auf ihn hervorbrachte. Von diesem Tage an stand sein Entschluß fest und er fand in sich selbst eine gewisse Kunstfertigkeit, seine Mutter über die Gefahren zu täuschen, die seinen neuen Lebensweg umringten. Wir sehen, daß er ihre Gedanken von der nahen Möglichkeit der Schlachten abzulenken sucht, indem er ihr von Reitübungen erzählt; später werden wir ihn noch erfinderischer sehen, um ihr die Qualen der Besorgnisse zu ersparen, bis er selbst durch Gewohnheit gegen die Aufregung der Gefahren abgehärtet ist und anzunehmen scheint, daß auch sie an die Wechselfälle des Krieges gewöhnt wäre. Aber sie konnte sich nie darein ergeben und lange Zeit nachher schrieb sie an ihren Bruder, den Abbé von Beaumont:

„Ich verabscheue den Ruhm und ich möchte alle die Lorbeeren, auf denen ich beständig das Blut meines Sohnes zu sehen erwarte, in Asche verwandeln. Er liebt freilich, was mir Qual macht und ich weiß, daß er, anstatt sich zu schonen, zu jeder Zeit und sogar unnützer Weise an dem Orte ist, wo die meiste Gefahr herrscht. Aus dieser bezaubernden Schale hat er getrunken, seitdem er Herrn von Latour d'Auvergne zum ersten Male sah; dieser verwünschte Held ist es, der ihm den Kopf verdreht!“

Ich kehre nun zur Mittheilung der Briefe meines Vaters zurück und ich kann mir nicht denken, daß meine Leser dieselben zu lang oder zu zahlreich finden sollten. Ich habe wenigstens das Gefühl, daß ich durch ihre Veröffentlichung einzelne Züge der Vergessenheit entreiße, die eine Ehre für die Menschheit sind. Und dieses Gefühl versöhnt mich mit meiner Aufgabe und verursacht mir eine Freude, die ich nie im Dichten eines Romanes empfunden habe.

Siebentes Kapitel.
Fortsetzung der Briefe, — Freiwillige Einrangirung. — Kriegerische Begeisterung der Jugend 1798. — Brief von Latour d'Auvergne. — Soldatensuppe. — Köln. — Der General von Harville. — Caulaincourt.— Der Capitain Fleury, — Vaterlandsliebe, — Durosnel.
Zweiter Brief.

Paris, 6. vendémiaire VII. (27. Sept. 1798).

Ich schreibe Dir, liebe Mutter, vom Hause unseres Navaresers [Der Abbé Beaumont, sein Onkel.]. Das diesen Morgen publicirte Conscriptionsgesetz, welches befiehlt, ihm in sechsundzwanzig Tagen Folge zu leisten, verhindert mich Deine Antwort zu erwarten, und bestimmt mich, den Entschluß auszuführen, von dem ich Dir sagte. Wir waren beide diesen Morgen bei dem Hauptmanne der Jäger, um das Geschäft in Ordnung zu bringen. Aengstige Dich nicht, liebe Mutter; es handelt sich nicht darum ins feindliche Feuer zu gehen, sondern nur in Garnison nach Brüssel. Ich werde wahrscheinlich bald Urlaub oder eine Ordonnanz erhalten, die mich zwingt bald zu Dir zu kommen, um Dich zu umarmen. — Allen jungen Leuten hier ist der Kopf verdreht — alle hübschen Frauen und guten Mütter sind trostlos. Aber es ist durchaus keine Ursache dazu, wie ich Dich versichere, liebe Mutter. Ich hänge den grünen Dolman über die Schultern, nehme einen großen Säbel, lasse den Schnurrbart wachsen — und da bist Du plötzlich Mutter eines Vaterlandsvertheidigers und hast ein Recht an die Milliarde. Das ist reiner Profit. Also sorge Dich nicht, liebe Mutter — Du siehst mich bald wieder.“

Dritter Brief.

7. vendémiaire VII. (Sept. 1798).

„Ich bin Volontär; ich habe den großen Säbel, die rothe Mütze, den grünen Dolman. Was meinen Schnurrbart betrifft, so ist dieser nicht so lang, als ich wohl wünschte, aber das kommt noch. Man zittert schon bei meinem Anblick; wenigstens hoffe ich das. Wohlan denn, liebe Mutter, betrübe Dich nicht!

„Ich bin Soldat, aber hat der Marschall von Sachsen nicht freiwillig zwei Jahr als solcher gedient? — Du wirst selbst zugeben, daß ich in dem Alter war einen Stand zu wählen. Ich zauderte bei der Wahl, denn Du hattest zuviel Furcht vor dem Kriege — aber im Grunde wünschte ich, daß die Umstände mich zwingen möchten, meinen Neigungen zu folgen; — das ist geschehen; und ich würde glücklich darüber sein, hätte ich nicht den Schmerz Dich zu verlassen und zerrisse mir Deine Unruhe nicht das Herz. — Aber ich versichere Dir, meine gute Mutter, daß man sich dort, wo ich hingehe, nicht schlägt, und daß ich oft Urlaub haben werde, um Dich zu sehen. — Dein Jäger umarmt Dich von ganzem Herzen. — Es ist eine Trompeterstelle im Regimente offen — biete sie Vater Deschartres an. — Ich umarme meine Bonne. Adieu, ich liebe Dich.“

Fünfter Brief.

Paris, 13. vendémiaire (1798).

„Ich schreibe Dir in dem Augenblicke, wo ich zu dem General Beurnoville gehe. Ein Freund des Herrn Perrin wird mich bei dem General, dessen intimer Freund er ist, vorstellen. Beurnoville ist General der für England bestimmten Armee, zu der auch ich gehöre, und ich hoffe durch seine Verwendung ein schnelles Avancement zu haben. Es wird passend sein, daß Du ihm schreibst. Du wirst ihm sagen, daß, wenn Du mich nicht früher zu Verteidigung des Vaterlandes gesandt hast, nur die Gesetze dies verhinderten, daß mir endlich das Conscriptions-Gesetz erlaubte abzureisen und daß Du ihn um seine Verwendung bittest. In alledem wird nur die Hälfte Lüge sein, nämlich Dein Eifer mich in den Krieg zu schicken — aber Du wirst Dich aufs Beste heraus zu ziehen wissen, ich habe darum keine Sorge. — Man spricht hier wieder vom Frieden und alle meine Geschäfte sind wahrscheinlich mit Spaziergängen abgemacht.“

Siebenter Brief.

17. vendémiaire (Oct. 1798).

„Beurnoville hat mir zwei Empfehlungsbriefe gegeben, den einen für den Chef der Brigade und Commandanten des 10. Regimentes, zu dem ich gehöre, den andern für den General von Harville, den General-Inspector der Armee in Mainz. — Er empfiehlt mich ihnen als den Enkel des Marschall von Sachsen, unser Aller Vorbild, wie er sagt, und verlangt meine Verwendung zuerst als Ordonnanz und in Folge, in irgend welchem Zweige, für den man mich passend finden wird. Dem Chef der Brigade empfiehlt er mich ebenso dringend und mit der Bemerkung, daß er sich ihm für jede mir erzeigte Rücksicht sehr verpflichtet halten würde. — Du siehst, daß meine Angelegenheiten den besten Gang gehen — mit diesen Empfehlungen werde ich nicht in den Kasernen verschimmeln. Er sagt ihnen ferner, daß meine Familie mich erhält und daß ich keine Besoldung nöthig habe und darüber bin ich nicht sehr erfreut, denn wir sind nicht reich und ich werde Dir nun viel Geld kosten. Hoffen wir indessen, daß es mir bald möglich ist, von meiner Arbeit zu leben. Sei nicht in Unruhe, meine gute Mutter, und denke, daß Du vielleicht bald von mir sprechen hörst.“

„Man sagt mir, Du wolltest im Berry nicht wissen lassen, in welcher Eigenschaft ich diene, aber wir werden das nicht vermeiden können, liebe Mutter. — Erstens, wer sind die Einfallspinsel, die sich darüber aufhalten, daß Dein Sohn Soldat der Republik ist? Und dann muß ich, damit man Dich in meiner Abwesenheit nicht beunruhig, der Behörde eine Bescheinigung zusenden, daß ich mich in activem Dienste befinde; ohne das würde man mich als Flüchtling und Emigranten betrachten und das wäre mir nicht recht.“

Zehnter Brief.

23. vendémiaire (Oct. 1798).

„Ach wie gut bist Du, mein liebes Mütterchen, daß Du mir Deine Diamanten schickst, da Du kein Geld hast, mich zu equipiren. Du handelst wie die Römerinnen, Du opferst Deinen Schmuck dem Vaterlande! — Ich werde die Diamanten schätzen lassen und sie so gut wie möglich verkaufen.“

Elfter Brief.

25. vendémiaire (Oct. 1798).

„Ich habe gestern bei Herrn von Bouillon mit Herrn von Latour d'Auvergne gegessen. Ach Mutter, welch' ein Mann ist dieser Latour! Wenn Du nur eine Stunde mit ihm sprechen könntest, so würdest Du nicht mehr betrübt sein, Deinen Sohn als Soldaten zu sehen. — Aber es ist jetzt nicht der Augenblick Dir zu beweisen, daß ich Recht habe. — Dein Kummer hindert mich, Dir gegenüber mein Recht zu behaupten. — Ich habe Latour Deinen Brief übergeben; er hat ihn reizend, bewunderungswürdig gefunden und war sehr davon ergriffen, denn er ist eben so gut als brav. Erlaube mir das Geständniß, daß ich, wenn es lauter solche Männer in der Revolution gegeben hätte, noch revolutionärer sein würde, als ich bin ... d. h. daß ich es sein würde ohne Deine Gefangenschaft und Deine Leiden.“

„Ich ging von dort nach der italienischen Oper und habe Montenerro gesehen — es ist abscheulich.“

„Alle eleganten Frauen von Paris waren dort. Madame Tallien, Mademoiselle Lange und tausend Andere bald als Römerinnen, bald als Griechinnen, das konnte mich aber nicht hindern mich zu langweilen.“

Brief von Latour d'Auvergne an meine Großmutter.

Von Passy, am 25. vendémiaire im Jahre VII. der französischen Republik.

Gnädige Frau!

„Erst in diesem Augenblicke habe ich den außerordentlich schmeichelhaften Brief erhalten, mit dem Sie mich beehrten. Sie schulden mir nicht den geringsten Dank für das, was ich für Ihren Sohn in den bedrängten Verhältnissen thun konnte, in denen er sich befand. Die einzigen Personen, die mir wirklich zu Dank verpflichtet sind, sind seine Offiziere und Kameraden, und sie ermangelten nicht auszusprechen, wie sehr sie für den Dienst erkenntlich sind, den ich ihnen leistete, indem ich den jungen Moritz zu ihrem Waffenbruder machte, der jetzt schon verräth, daß er eines Tages die hohe Bestimmung seines unsterblichen Großvaters erfüllen wird. — Man hat alles Mögliche gethan, um seinen Dienst leicht und angenehm zu machen; seien Sie also ganz ruhig, gnädige Frau, über die ersten Schritte in seiner Carriere. — Der Friede, an den ich noch immer trotz der widersprechenden Anzeichen glaube, giebt Ihnen vielleicht den Sohn eher zurück, als Sie zu hoffen wagen. Lassen Sie diese Hoffnung zwischen den Sorgen Platz finden, denen eine zärtliche Mutter so leicht Raum im Herzen giebt, wenn ihr Sohn sie zum Erstenmale verläßt. — Ich habe nicht die Absicht, gnädige Frau, Ihren Gefühlen Einhalt zu thun — sie sind zu gerecht, und wenn ich nicht das Glück habe Vater zu sein, so halte ich mich doch, nach der Wirkung, die Ihr Brief in mir hervorbrachte, wenigstens dieses Glückes würdig.“

„Genehmigen Sie, gnädige Frau, gütigst die Versicherung meiner tiefsten Hochachtung.

Der Bürger Latour d'Auvergne Corret,

Hauptmann der Infanterie.“

1,99 €
Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Objętość:
2000 lk
ISBN:
9783754183267
Toimetaja:
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

Selle raamatuga loetakse