Loe raamatut: «Geschichte meines Lebens», lehekülg 11

Font:

Zwölfter Brief.

27. vendémiaire Abends (Octb. 1798).

„Heute reise ich ab, meine gute Mutter. Ich habe Abschied von meinem Hauptmann genommen, der mir, ganz entzückt von Deinem Briefe, ein Empfehlungsschreiben an den Eskadron Chef gegeben und mich mit Zärtlichkeit umarmt hat. Ich weiß nicht, was ich gethan habe, aber dieser würdige Mann scheint mich trotz seiner äußeren Kälte zu lieben wie einen Sohn. Beurnoville hat mich überall empfohlen; er überhäuft mich ebenfalls mit Güte und nennt mich seinen Sachsen. Ich glaube fast, daß ich Alles das mehr den Briefen meiner lieben Mutter als meinem guten Willen zu danken habe. — Ich sende Dir hierbei ein Duplicat meiner Einschreibung. Beaumont hat mich nach der Sektion geführt und mich einschreiben lassen. Diese Maßregel war nöthig, denn ohne sie hätte mich, trotz meiner Gegenwart beim Heere, doch die Strafe des Gesetzes getroffen.“

„Du wirst also lesen, daß ich jetzt die Profession eines reitenden Jägers betreibe und daß ich eine Größe von 1 mètre 733 milimètres habe — und weil Du davon nichts verstehst, denkst Du vielleicht, ich wäre in diesem Monat um 733 Spannen gewachsen; aber es macht nicht mehr als 5 Fuß 8 Zoll. — Als ich gestern meinen Platz in der Diligence bestellte, habe ich den Commis, der mich einschrieb, entführt. — Ah, mein Herr, ich gehöre zum Aufgebot — das ist eine Uniform, die Ihnen sehr gut kleidet, wollen Sie mich Ihrem Hauptmann zuweisen? — Gewiß, mein Kamerad; ich gehe eben zu ihm, begleiten Sie mich. Ein junger Mann, der sich eben auch für die Diligence einschreiben ließ, hörte das und ging mit uns. Bald werde ich den Postillon und die Pferde verleiten, uns zu folgen. Du siehst, liebe Mutter, daß ich nicht allein eine Vorliebe für den Militärstand habe — Alle sind freudig und stolz. — Ich reise ab — ich liebe Dich und empfehle Vater Deschartres, meiner Bonne und selbst Tristan ein wenig, Dich zu zerstreuen, zu beruhigen und Dich zu pflegen. Sei überzeugt, daß ich bald wiederkommen und mich sehr glücklich darüber fühlen werde.

Moritz.“

Dreizehnter Brief.

Köln, 7. brumaire.

„Da bin ich in Köln! Wie schon so weit? — Denke Dir, als ich in Brüssel ankommend, in das Zimmer der sechsten Compagnie trete, war man eben im Begriff zu Tische zu gehen, d. h. sich um die gemeinschaftliche, große Schüssel zu setzen. Man lud mich höflich ein mitzuessen, ich nahm einen Löffel und aß mich mit der ganzen Gesellschaft dick und voll. Ein wenig Rauchgeschmack abgerechnet, war die Suppe, meiner Treu, ganz gut und ich versichere Dir, daß man bei dieser Küche nicht zu Grunde geht. Ich regalirte dann die Kameraden mit einigen Krügen Bier und etwas Schinken — wir rauchten einige Pfeifen miteinander und waren bald so gute Freunde, als hätten wir schon zehn Jahre zusammen gelebt. Plötzlich wurde Appel geblasen und man versammelte sich im Hofe. Der Eskadron-Chef näherte sich, ich trat auf ihn zu und überreichte ihm den Brief des Hauptmanns. Er drückte mir die Hand und theilte mir mit, daß sich der Brigade-Chef und der General, nebst dem übrigen Theile meines Regiments bei den Vorposten der Armee vor Mainz befänden. Ich sah im Augenblicke ein, daß in Brüssel nichts weiter für mich zu thun sei — ich sagte das dem Eskadron-Chef ganz aufrichtig und er gab mir vollkommen Recht. Er ließ mir eine Marschroute für die Vorposten ausstellen, und nach achtzehnstündiger Freundschaft mit meinem Chef und meinen Kameraden reiste ich ab. Aber das Schicksal nützt mir mehr, meine liebe Mutter, als alle Vorsicht. Ich ging über Köln, um mich in die Gegend von Frankfurt zu begeben, wo mein Regiment steht, da erfuhr ich, daß der Bürger von Harville, General en Chef und Inspektor der Cavalerie, in zwei Tagen von Mainz hierherkommen würde. — Ich gebe also meine Reise auf und warte. — Alle sagen, daß er mich, auf die Empfehlung Beurnoville's, seines Freundes, ohne Weiteres als Ordonnanz annehmen wird. — Ich werde also etwas mehr Bewegung haben — wenn nicht körperliche, doch geistige — als wenn ich die Lebensweise der Soldaten in der Kaserne führen müßte. Also meine Angelegenheiten stehen gut, sei ganz ruhig.

„Du wirst durch die Zeitungen erfahren, daß es der Conscription wegen Aufruhr in Brabant gegeben bat. Die Rebellen bemächtigten sich für einige Stunden der Stadt und Citadelle von Mecheln, aber die Franzosen, denen nichts widerstehen kann, haben sie verjagt und 300 getödtet. Man brachte noch während meiner Anwesenheit 27 von den Aufständischen nach Brüssel; es waren Leute aus allen Ständen, auch zwei Kapuziner befanden sich dabei. Die Conscription diente nur als Vorwand; das Projekt der Rebellen war eine Landung der Engländer zu fördern, denn sie zogen sich nach der Seite von Ostende und Gent. — Unsere Diligence zerbrach unterwegs und wir waren genöthigt acht Stunden in Louvin zu bleiben: alle Leute aus den Städten auf der Route kamen uns entgegen, denn da die Diligence ausgeblieben war, hatte sich das Gerücht verbreitet, es sei auch in Brüssel ein Aufstand ausgebrochen. — Der Lärm war bereits bis zu einer Landesneuigkeit angewachsen und man wollte mir kaum glauben, als ich versicherte, daß ich Brüssel sehr ruhig verlassen habe. Man sendet viele Truppen von der Mainzer Armee nach Brabant und hofft bald Alles beruhigt zu sehen. — Mehr und mehr segne ich die Sorgfalt, meine liebe Mutter, die Du auf meine Erziehung verwandtest. Die Kenntniß der deutschen Sprache ist mir hier vom größten Nutzen. Auf dem ganzen Wege habe ich meinen Reisegefährten als Dolmetscher gedient — sie waren untröstlich mich in Köln zu lassen. — Du wirst einen ziemlich traurigen Winter verleben, meine gute Mutter, und dieser Gedanke allein betrübt mich. Aber ich hoffe mit irgend einer Ordre nach dem Departement der Indre geschickt zu werden, dann will ich Dich pflegen, Dich liebkosen und zum Lachen bringen. Dein Schmerz ist meine einzige Sorge; über alles Andere, was nur passiren könnte, lache ich und bin sicher es zu überwinden.“

Während unser Jäger den General Harville erwartend, an den Ufern des Rheins spazieren ging, konnte er nicht immer der Sehnsucht nach seiner Mutter Herr werden. „Die Ufer des Rheins erinnern mich an die Ufer der Seine bei Passy“, schrieb er am 9. brumaire, „und ich überrasche mich oft in tiefer Traurigkeit von Dir träumend — ich rufe Dich dann, wie in der Zeit, als wir so unglücklich waren.“ Er machte damals Bekanntschaft mit einem Adjutanten des Generals Jacobi, sie sprachen viel von Musik, musizirten zusammen und schlossen sich eng einander an. — Endlich kam der General Harville und wählte den Schützling Beurnoville's ohne Verzug zu seiner Ordonnanz; versprach ihm ein schönes, vollständig equipirtes Pferd sobald als möglich zu verschaffen; aber die Pferde waren damals rar und es ließ ziemlich lange auf sich warten.

Der General, der sich damals August Harville nannte, war der Graf von Harville und später Senator und Hofcavalier Josephinens. Vor der Revolution war er Generalmajor gewesen und diente dann unter Dumouriez. Bei der Schlacht von Jemappes hatte er sich etwas kalt und zaudernd gezeigt, wurde nach dem Verrathe seines Obern vor das Revolutionstribunal gefordert, hatte aber das Glück freigesprochen zu werden. Im späteren Verlauf seines Lebens erfreute er sich mehr der Gunst als des Ruhms. 1814 stimmte er für die Absetzung des Kaisers und wurde Pair von Frankreich. Er mochte vielleicht ein muthiger, galanter Mann sein, aber im Allgemeinen lassen Menschen, die jeder Sache gedient haben, kein warmes Andenken in den Herzen zurück; man kann ihrer Aufrichtigkeit zu allen Zeiten ein wenig mißtrauen. Der General war für Empfehlungen der Geburt sehr empfänglich und sein Adjutant und Verwandter, der junge Marquis von Caulaincourt, stachelte ihn bis zur Reaction gegen die revolutionären Ideen. Der aristokratische Charakter dieser zwei Personen ist in den Briefen meines Vaters sehr gut gezeichnet, und ich werde sie noch anführen, denn sie geben ein ziemlich originelles Gemälde von dem täglich wachsenden reactionären Geiste in der Armee — man wird finden, daß schon damals die durch die Revolution aufgestellten Gleichheitsrechte in der That durchaus nicht mehr existirten.

Vierzehnter Brief.

26. brumaire VII. (9. Novbr. 98) Köln.

„... Die Adjutanten des Generals, von denen einer der Bürger Caulaincourt ist, haben mich gestern zum Diner eingeladen. Die Mahlzeit war sehr heiter und freundschaftlich. Später gingen wir in das Zimmer des Generals, der die Rose am Beine hat, und ich bin wohl eine halbe Stunde mit ihm allein gewesen. Er sprach mit dem ungezwungenen Anstande und der Leutseligkeit eines Mannes der früheren Zeit — erkundigte sich, wie ich wohne und esse, und stellte tausend Fragen über meine Vergangenheit, meine Geburt und meine Verbindungen. Als er hörte, daß die Frau und Tochter des Generals von La Marlière den vergangenen Sommer bei Dir verlebten, daß die Tochter des Generals Guibert meinen Neffen geheirathet hat und daß Mad. Dupin von Chenonceaux die Frau meines Großvaters gewesen ist, wurde er immer gütiger, und ich sah wohl, daß dies Alles ihm nicht gleichgültig war. Hernach machte man Musik. Es waren auch viele elegante Herren und Damen aus Köln da, die für Deutsche keine schlechten Manieren hatten. Jeder fragte: „Wer ist denn dieser Jäger?“ denn es ist in Deutschland nicht Sitte, daß die Ordonnanzen in Gesellschaft der höheren Offiziere sind und diese Verletzung der Etikette machte sie ein wenig verwirrt. Ich lache darüber und gehe meinen Gang und das um so mehr, als nach der Musik eine köstliche Collation gereicht wurde, der ich alle Ehre anthat. — Dann kam Punsch, dann walzte man und endlich luden mich die Adjutanten ein mit denen des Platzkommandanten General Fréguier zu soupiren. Wir tranken Champagner, der uns über den Haufen warf, dann noch einmal Punsch — waren Alle etwas benebelt und trennten uns erst um Mitternacht.

„Du siehst, ich lebe wie ein Prinz, trotzdem ich nicht einen Kreuzer in der Tasche habe. Der Generalstab ist sehr gut zusammengesetzt. Die Adjutanten sind alle junge liebenswürdige Leute und der „Bürger“ Caulaincourt hat mir im Auftrage des Generals gesagt, daß ich in drei oder vier Monaten Offizier sein würde.

„Man schlägt sich noch immer mit den Rebellen herum und zwischen Mons und Brüssel sind mehrere Städte verbrannt worden. Köln ist ruhig ...“

„Sage meiner Bonne, daß hier mehrere Stellen als Marketenderin offen sind und daß ich ihr eine davon anbiete. Il Signor Fugantini-Deschartres umarme ich. — Schwatzt man in unserer Gegend noch immer dummes Zeug über meine Abwesenheit oder fängt man an zu glauben, daß ich nicht flüchtig, sondern Soldat bin? Gehen denn alle unsere guten Bauern fort? Fragen sie, wo ich bin? Es kommen hier eine Masse junger Mannschaften an; man zählt sie und rangirt sie ein wie Schafe. Alle Morgen steht die Straße des Generalstabes voll; Manche singen, Andere, die armen Burschen, haben die Augen voll Thränen. Ich möchte sie trösten und ihnen meine Heiterkeit geben können.“

„Gestern glaubte ich mich bei Dir in dem perlgrauen Boudoir, auf der Straße Roi de Sicile zu befinden — es ist merkwürdig, wie die Musik Erinnerungen herbeizaubert.— Dasselbe gilt von Gerüchen. Wenn ich Deine Briefe rieche, glaube ich immer in Deinem Zimmer in Nohant zu sein und das Herz hüpft mir vor Freude bei dem Gedanken, daß ich Dich das Pult von eingelegter Arbeit öffnen sehe, das so gut riecht und so ernste Erinnerungen der vergangenen Zeiten hervorruft.“ [Dieses Meubel von eingelegter Arbeit war dasselbe, von dem Deschartres und mein Vater im Jahre 93 die Siegel lösten, um die Papiere zu unterschlagen, welche meiner Großmutter das Todesurtheil gebracht haben würden. Ich besitze das Schränkchen mit den dreiundzwanzig Fächern noch immer und einige zeigen noch die Spuren des Siegellackes der Republik, Ich habe nicht gewußt, daß es dasselbe ist, bis ich das Protokoll und den eben mitgetheilten Brief meines Vaters fand. Auch die Meubel haben ihre Geschichte; wenn sie sprechen könnten, wie viel würden sie uns zu erzählen haben.]

„Als ich aus dem Theater kam, hat dieser Satan von gutem Kerl (mein Freund, der Sekretair) mich zum Abendessen geführt. Ich wollte keinen Wein trinken, weil er hier zu theuer ist und ich mich davon zu entwöhnen wünschte — seit sechs Tagen habe ich auch keinen Tropfen getrunken, aber als ich ihn auf dem tische stehen sah und von meinem Kameraden genöthigt wurde, konnte ich nicht widerstehen.“

Achtzehnter Brief.

Köln. 23. Frimaire VII (Decbr. 98).

„Wahrhaftig, liebe Mutter, wenn ich es wagte, würde ich mit Dir zanken, denn die Nachrichten von Dir bleiben aus und daran kann ich mich nicht gewöhnen. Eben durchwühlte ich wieder die Depeschen des Generals und kehre abermals traurig zurück. Vorgestern besuchte ich meinen braven Landsmann, Hauptmann Fleury [Der Vater meines Jugendfreundes.] mit einem andern Hauptmanne seines Regiments, Wir fuhren in einem Segelschiffchen den Rhein hinab bis Mühlheim und der Wind, der uns fast das Gesicht zerschnitt, trieb uns ausgezeichnet. Fleury gab ein sehr gutes Diner und das war mir nöthig, denn der Wind hatte mir einen echten Soldatenhunger gegeben. Der brave Mann empfing uns mit offenen Armen und wir haben von nichts gesprochen. als vom Berry. — Das Gefühl, welches man Vaterlandsliebe nennt, ist zweierlei Art. Es giebt eine Liebe für den heimathlichen Boden, die wir fühlen, sobald wir den Fuß auf fremde Erde setzen, wo uns nichts befriedigt, weder die Sprache noch die Gesichter, noch die Sitten noch die Charaktere. Darunter mischt sich eine gewisse nationelle Eigenliebe, die uns veranlaßt, zu Hause Alles besser und schöner zu finden, als bei Andern. Auch das militärische Gefühl kommt, Gott weiß warum, dazu. Aber mag es Kinderei sein oder nicht, ich fühle, daß ich es habe und ein Scherz über meine Uniform oder mein Regiment könnte mich eben so sehr in Zorn bringen, wie einen alten Soldaten die Spötterei über seinen Säbel und seinen Schnurrbart. — Außer dieser Anhänglichkeit an den vaterländischen Boden und diesen esprit de corps giebt es noch eine Vaterlandsliebe, die etwas Anderes ist und die sich nicht definiren läßt. Du, meine liebe Mutter, wirst sagen, das sei meist Chimäre, aber ich liebe mein Vaterland wie Tancred:

Mag es würdig sein oder nicht, ich weihe ihm mein Leben!

Fleury und ich haben diese Liebe selbst durch die Nebel des Rheinweins dunkel empfunden, als wir auf Berry und Frankreich anstießen, daß die Gläser klirrten.

„Wie befindet sich Dein armer Meier? Ziehen seine Kinder fort? Macht Vater Deschartres noch immer ausgezeichnete Curen? Reitet er mein Pferd? Fährt er fort, die Geige zu kratzen? — Sage meiner Bonne, daß, seit sie sich nicht mehr darum kümmert, meine Hemden durchaus nicht in glänzendem Zustande sind. Ihre Idee, die Wäsche zum Ausbessern hinzuschicken, ist vortrefflich. Das Porto würde mehr betragen, als die Hemden werth sind.

„Vorgestern gab man einen großen Ball; der General war mit seinen Adjutanten anwesend. Ich begrüßte ihn, er war sehr freundlich und fragte, ob ich walzen könne. Sogleich beeilte ich mich, ihm einen Beweis dafür zu liefern und bemerkte, daß er mir mit den Augen folgte, und daß er, zufrieden lächelnd, mit seinen Adjutanten über mich sprach. Du liebst den Krieg nicht, liebe Mutter, und ich will nichts Schlimmes von dem alten Régime sagen, aber ich würde doch vorziehen, meine Probe statt auf dem Balle, auf dem Schlachtfelde abzulegen.

„Du fragst, ob ich Caulaincourt bei Seite habe liegen lassen. Er ist, wie ich Dich versichere, durchaus nicht der Mann, den man übersehen darf, denn er macht Regen und Sonnenschein bei dem General. — Ich habe ihm immer alle gebührende Achtung und Aufmerksamkeit bezeigt, aber er ist ein origineller Mensch, der mir gerade nicht besonders gefällt. Einen Tag kommt er uns freundlich entgegen, den andern empfängt er uns ganz trocken. — Er sagt Artigkeiten à la Deschartres, schilt die Sekretaire aus wie Schulknaben und behält im gleichgültigsten Gespräche immer einen Ton, als belehre er alle Welt. Er ist die personifizirte Liebe zum Befehlen, und sagt uns in eben dem Tone, daß es kalt oder warm sei, in welchem er seinen Bedienten befiehlt, das Pferd zu satteln. — Ich liebe Durosnel, den andern Adjutanten, unendlich mehr, denn er ist wirklich liebenswürdig, gut und einfach in seinen Manieren. Er spricht freimüthig und freundschaftlich und hat keine Capricen. Gestern war er auch auf dem Balle und wir tanzten dem Range nach. Zuerst kam Bürger Caulaincourt, dann Durosnel, dann ich, so daß der erste und zweite Adjutant und die Ordonnanz ihre Rotation wie Planeten ausführten.

„Alle Deine Betrachtungen über die Welt in Bezug auf meine Stellung sind sehr wahr, meine liebe Mutter. Ich werde sie mir merken und sie zu nutzen suchen. Dein Brief ist reizend und ich bin gewiß nicht der Erste, der Dir sagt, daß Du schreibst wie die Sevigné: aber Du hast mehr als sie von dem Unbestande alles Irdischen erfahren.“

Achtes Kapitel.
Fortsetzung der Briefe. — Schlittenfahrten. — Deutsche Baroninnen. — Die Stiftsdame. — Der Eisgang des Rheins.
Dreiundzwanzigster Brief.

Köln, 18. Nivose Jahr VII (Januar 1799).

Der General ließ mich durch Caulaincourt zum Mittagsessen einladen; ich mußte von Jean Jacques Rousseau und meinen Erlebnissen mit Papa erzählen und der General hörte so aufmerksam zu, daß ich darüber den Kopf verloren hätte, wenn ich ein Pinsel wäre. Aber ich hütete mich wohl schwatzhaft zu werden und sagte nur das, wozu ich aufgefordert war. Nach Tisch stiegen der General und Herr Durosnel in einen prächtigen Schlitten, der einen grün-goldnen Drachen vorstellte und von zwei allerliebsten Pferden gezogen wurde; ich stieg mit Caulaincourt in einen andern Schlitten, und als mein Kamerad, der rothe Husar, mich mit dem General von Tisch kommen und wegfahren sah, machte er faustgroße Augen und glaubte wahrscheinlich zu träumen. Der General fuhr durch die ganze Stadt, um zu einer großen Schlittenfahrt einzuladen, die am folgenden Tage stattfinden sollte; ich mußte ihn bei allen Besuchen begleiten, endlich auch zu Frau von Herstadt, die er bat, ihre Tochter an der Fahrt theilnehmen zu lassen. Im Scherze warf er sich der Dame zu Füßen und sagte: Gnädige Frau, wollen Sie mich lange in dieser Stellung lassen, in Gegenwart meiner Adjutanten und meiner Ordonnanz, eines Enkels des Marschalls von Sachsen? Die Damen machten große Augen und begriffen wahrscheinlich nicht, warum ich nicht emigrirt bin.

„Wir haben auch schöne Abonnements-Bälle, die von allen höhern Offizieren und der guten Gesellschaft des Landes besucht werden. Glaubst Du wohl, daß so eine Gans von deutscher Baronin, die ihre Töchter dorthin führt, meine Gegenwart übel vermerkt und ihren Töchtern verboten hat, mit mir zu tanzen? Ein Rittmeister, der bei ihr einquartirt ist, hat mir das erzählt und er war so wüthend darüber, daß er sogleich ausziehen wollte. Sein Zorn war komisch und ich mußte ihn zufrieden sprechen; habe ihn aber nicht verhindern können, gestern Abend allen französischen Offizieren einen Wink zu geben. Als ich nun mit meinem Quartiermeister und meinem Escadronchef, die mit mir gespeist hatten, auf dem Balle erschien, näherten sich uns einige Offiziere und sagten: „„Das Wort ist gegeben, der Eid ist geleistet!““

„„Kein Franzose wird mit den Töchtern der Baronin ... tanzen und wir hoffen, daß auch Sie, meine Herren, sich dazu verpflichten werden.““ Ich frage warum — man antwortet mir, daß die Baronin ihren Töchtern verboten hat, mit Soldaten zu tanzen, und so erfahre ich, daß ich an der Verschwörung schuld bin.

„Aber ich fühle mich versucht, der edlen Baronin zu danken, welche verlangt, daß die Ordonnanzen im Hofe warten, während die Offiziere auf dem Balle sind, denn dies hat mir von Fräulein … die liebenswürdigsten Worte, die zärtlichsten Blicke eingetragen, und wir stehen in einem Wechselverhältniß von Theilnahme und Dankbarkeit, das mich zu großen Hoffnungen berechtigt. Das Fräulein ist Stiftsdame, und so ziemlich Herrin ihres Thuns; sie ist reizend — und meiner Treu, wenn sich eine Stiftsdame des kurfürstlichen Kapitels nicht vor meinem Dolman scheut, kann ich der alten Baronin und ihren Eulen von Töchtern wohl Trotz bieten.“

1,99 €
Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Objętość:
2000 lk
ISBN:
9783754183267
Toimetaja:
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

Selle raamatuga loetakse