Loe raamatut: «Der Königstein und seine Gefangenen»
Gunter Pirntke
DER KÖNIGSTEIN
UND SEINE GEFANGENEN
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2014
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Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Einleitung
Der Adel schlägt zurück
Beichling und Genossen
Der diebische Bürgermeister
Die schwedische Geißel
Ein unbekannter Arrestant mit drei Dienern
Prinzliche Gefangenschaft
Die gefangenen Geheimen Räte
Der goldmachende Baron
Der Schwager der Gräfin Cosel
Der Reichsgraf aus Crostau
Ein Spion bei Brühl
Der Reformator der ersten Verfassung Sachsens
Die Kommunarden um Bakunin auf der Festung
Der sozialdemokratische Hochverräter
Und es saßen ein
Ein General ging stiften
Schlussbemerkungen
Danksagung
Quellenverzeichnis
Bilderverzeichnis
Endnoten
Fußnoten
Weitere Veröffentlichungen
Einleitung
Da die Festung Königstein für uneinnehmbar gehalten wurde, glaubte man, dass auch niemand von hier fliehen könne und nutzte sie als Gefängnis für Staats-, Bau-, Militär, Zivil- und Kriegsgefangene; darunter viele namhafte Persönlichkeiten.
Christian I. (* 29. Oktober 1560 in Dresden; † 25. September 1591 ebenda), welcher seit 1586 Kurfürst von Sachsen war, ließ ab 1589 die Festung nicht nur als uneinnehmbare militärische Anlage ausbauen und als Ort von Vergnügungen aller Art in der wundervollen Landschaft gestalten, sondern bald auch als ein Ort, an dem man unliebsame, in Ungnade gefallene oder Kapitalverbrechen begangene Menschen von allem gesellschaftlichen Umgang isolieren konnte.
Der erste Staatsgefangene, der auf den Königstein gebracht wurde, war Oberhofprediger Dr. Martin Mirus. Er ist im Gefangenverzeichnis noch nicht mit einer Nummer versehen. Dieses Verzeichnis umfasst 933 Einträge und endet mit einem gewissen Emil Eisenberger, der am 3. Juni 1922 auf dem Königstein gebracht wurde. Spätere Inhaftierte wurden dann anderweitig erfasst.
Ein förmliches Staatsgefängnis wurde erst zum Anfang des 17. Jahrhunderts in der Georgenburg angelegt und durch den Oberhofprediger Höe von Höenegg 1619 eingeweiht. Übrigens gibt es auch noch einige unterirdische Gefängnisse für gemeine Verbrecher wie das Mohrenloch und die Türkenkammer. Letzteres hat den Namen von einem Mann namens Türk, welcher den Kommandanten Wolf Friedrich von Beon, der die Festung um Holz und anderen Materialien betrog, indem er die größten Stämme gefällt hat und sie den Kurfürsten verkaufte. Beon wurde dafür am 17. Juni 1610 zwischen der Königsnase und Christiansburg an einem Baum gehängt, Türk aber in jenes unterirdisches Gefängnis geworfen und diejenigen 32 Knechte, welche bei jenen Betrügereien mitgeholfen hatten, kamen zum Festungsbau nach Dresden.
Die Zahl aller Staatsgefangenen vom Jahre 1591 (weiter reichten die Quellen nicht) bis zum September 1804 war 155. Hiervon sollten nur die Bekanntesten erwähnt werden.
Lässt sich auch von vielen, aus Mangel an Quellen, nichts Historisches beibringen, so veranlassen doch die bloßen Namen vielleicht schon manche Kenner der Materie, weiteres beizubringen.
Vollständige Biografien der Gefangenen liegen ohnehin nicht in den Festungsaufzeichnungen vor und auch im Sächsischen Staatsarchiv wird man nicht allzu sehr fündig. Wenn aber aus begreiflichen Ursachen manche Namen nur kurz abgefertigt werden, so ist es nicht dem Verfasser anzulasten. Wie alles in der Welt seine Grenzen hat, so hat es auch die historische Feder.
Doch zurück zu Mirus. Nach dem Tod seines Vaters und der Übernahme der Regierung 1586 zeigte Christian I. wenig Interesse an den Staatsgeschäften und gab sich Vergnügungen, vor allem der Jagd und dem Alkohol hin. Die Auseinandersetzung zwischen lutherischer Orthodoxie und dem an Melanchthon anlehnenden Philippismus (Die Bezeichnung geht auf Philipp Melanchthon zurück, der nach dem Tode Martin Luthers 1546 die Führungsrolle im Protestantismus übernahm und deren Linie bestimmte.), der während der Regierungszeit seiner Eltern geherrscht hatte, war Christian zuwider. Schon 1585 als Mitregent seines Vaters erließ er ein Gesetz gegen das Theologengezänk. Auch die von seinem Vater veranlasste Konkordienformel lehnte er ab.
Mirus begleitete 1575 den Vater des Kurfürsten, Kurfürst August, auf den Immerwährenden Reichstag zu Regensburg und hielt hier sieben scharfe Predigten gegen das Papsttum. Im Auftrag des Kurfürsten beteiligte er sich auch eifrig an der Konkordienformel vom Lichtenburger Konvent am 15. Februar 1576 bis zu dessen Vollendung.
1580 wurde Mirus Mitglied des Oberkonsistoriums in Dresden. Er genoss in hohem Grade das persönliche Vertrauen seines Fürsten und hat bei allen erfreulichen und traurigen Ereignissen in der kurfürstlichen Familie sein Amt als Seelsorger und geistlicher Berater mit großer Gewissenhaftigkeit verwaltet.
Als Mirus dann als Beichtvater von Christian I. den Kurfürsten wegen dessen calvinistischen Bestrebungen zur Rede stellte, wurde er mehrfach vernommen, als Hofprediger entlassen und auf Betreiben von Kanzler Krell am 29. Juli 1588 auf die Festung gebracht. Nachdem er seine Verfehlungen eingestanden hatte, konnte er am 16. November 1588 die Festung verlassen und ging nach Jena. Nach dem Tod von Christian I. 1591 holte ihn die Kurfürstinwitwe Sophie zurück und setzte ihn wieder in seine Ämter ein. Nun war es seinerseits Mirus, der nach dem Sturz von Kanzler Krell dessen Verbringung nach dem Königstein betrieb. Dazu in unserem erstes Kapitel mehr.
Von den insgesamt 993 Festungsgefangenen, die das Häftlingsbuch der Festung zwischen 1591 und 1922 verzeichnet, waren die meisten in der Georgenburg und im alten Zeughaus inhaftiert. Aus dieser großen Zahl sollen nur einige Wenige genannt werden, die wie Kanzler Krell im Bewusstsein der Menschen geblieben sind, die einen festen Platz in der sächsischen Geschichte haben und deren Namen von Generation zu Generation weitergegeben werden. Da wurde am 27. Oktober 1632, mitten im Dreißigjährigen Krieg, der Prager Jurist Dr. Joachim Kratz auf Befehl von Kurfürst Johann Georg I. von der Burg Hohnstein auf den Königstein verlegt und im Krellturm „über den Gemach, da D. Krell gesessen“, verwahrt. Kratz war auf dem Landtag 1631 in Leipzig, auf dem der Kurfürst mit seinen Landständen über einen Wechsel von der katholischen Liga zu der evangelischen Union beriet, als Spion des Kaisers entlarvt und verhaftet worden. Nach 18 Jahren Haft auf dem Königstein kam er schließlich nach dem Westfälischen Frieden auf Ansuchen Kaiser Ferdinands III. am 15. März 1650 frei.
Als dann der starke August die Regierung übernahm, nahm die Zahl der Staatsgefangenen merklich zu. Es begann sogleich bei Übernahme der Regentschaft 1694 nach dem unerwarteten plötzlichen Tod seines älteren Bruders Johann Georg IV., zu dem er immer nur ein gespanntes Verhältnis hatte. Da wurde die Mutter der Mätresse Johann Georgs, Ursula Margarete von Neitschütz, und der Kammerdirektor Ludwig Gebhard von Hoym verhaftet und als Staatsgefangene auf den Königstein gebracht. Die gegen sie eingeleitete Untersuchung wegen Zauberei, in deren Verlauf sie 1695 mit Daumen schrauben und Schnüren gefoltert worden war, wurde auf Befehl des Kurfürsten, nachdem das Vermögen der Reichsgräfin von Rochlitz an den Fiskus zurückgelangt war, eingestellt. Die „Generalin“ Neitschütz wurde aus der Haft
entlassen und Kammerdirektor von Hoym kaufte sich mit 200.000 Talern frei. Wir kommen noch darauf zurück.
Im Verlauf des 1700 begonnenen Nordischen Krieges schickte August der Starke mehrere seiner engsten Minister und Ratgeber auf den Königstein, weil sie bei ihm in Ungnade gefallen waren oder ihm nach einem plötzlichen Politikwechsel im Wege standen. Als ersten traf es den Großkanzler Wolf Dietrich von Beichlingen, der im Frühjahr 1703 in den Verdacht geraten war, sich Unterschlagungen und Pflichtverletzungen schuldig gemacht zu haben. Kurzer Hand ließ August der Starke seinen langjährigen Vertrauten Beichlingen, dessen beide Brüder Oberfalkenmeister Gottlob Adolph und Erbpostmeister Hanns Siegfried sowie deren Mitarbeiter Pretten, Oferal und Alberti am 10. April 1703 zwischen 22 und 23 Uhr im polnischen Marienburg verhaften und in drei Wagen auf den Sonnenstein und auf den Königstein bringen.
Dort trafen sie am 19. April ein, wurden unter strengen Haftbedingungen in der Georgenburg untergebracht und ab 21. April 1703 begannen die Vernehmungen Beichlingens durch eine aus 12 Mitgliedern bestehende Kommission. Ohne Urteil blieben die Beichlingens bis zum 31. Januar 1709 in Festungshaft. Dann kamen sie unter Rückgabe ihres Eigentums und der Güter ihres Vaters am 1. Februar 1709 gegen das Versprechen frei, keine Rache zu nehmen und sich nicht ohne kurfürstliche Genehmigung von ihren Gütern zu entfernen. Auch dazu später mehr.
Besonders schlimm erging es Johann Reinhold Patkul, seit 1698 im Dienst Augusts und ab 1704 Gesandter des russischen Zaren Peter dem Großen bei August dem Starken. Sein erklärter Todfeind war der junge Schwedenkönig Karl XII. Im Dezember 1705 wurde Patkul plötzlich in Dresden unter dem Vorwurf verhaftet, russische Hilfstruppen an Österreich vermitteln zu wollen und mit dem Schwedenkönig Karl XII. in Verbindung getreten zu sein. Die Begründung war absurd. Beim Einfall der Schweden in Sachsen wurde Patkul dann vom Sonnenstein in Pirna auf die Festung Königstein verlegt und für ein halbes Jahr in der Georgenburg in einem Raum über demjenigen Beichlingens untergebracht. Auf Grund des Altranstädter Friedens, von Augusts Beauftragten Imhoff und Pfingsten ausgehandelt, musste Patkul entsprechend Artikel 11 des Vertrages an die Schweden ausgeliefert werden. Um dem zu entgehen, hatte man versucht, eine Flucht Patkuls vom Königstein zu arrangieren. Der Plan wurde jedoch dem Schwedenkönig verraten und dieser handelte. Spät am Abends des 6. April 1707 wurde Patkul einer schwedischen Eskorte übergeben, die ihn in einer Reisekalesche wegbrachte. Von einem schwedischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt, wurde er am 10. Oktober 1707 in der Nähe von Posen grausam hingerichtet. Der sächsische Kurfürst und polnische König muss ein schlechtes Gewissen gehabt haben, denn er ließ 1713 die Gebeine Patkuls einsammeln und in Warschau beisetzen.
Beim Anrücken der schwedischen Truppen nach Kursachsen Ende August 1706 wurden weitere Gefangene zur Sicherheit auf den Königstein gebracht, so am 28. August die beiden polnischen Prinzen Jakob und Constantin Sobiesky, die die Festung aber schon am 28. November wieder verlassen durften. Dazu gehörte auch der Leipziger Bürgermeister Franz Conrad Romanus, der wegen Betrügereien verhaftet worden war und am 5. September 1706 auf die Festung kam, wo er am 14. Mai 1746 als Staatsgefangener verstarb.
Die Festungschronik enthält für 1706 auch einen merkwürdigen Eintrag: Nomen nescio. Ein Herr mit drei Dienern. Sie waren vom 26. August 1706 bis zum 22. September 1707 in der Georgenburg untergebracht. Bei diesen vier Personen handelt es sich zweifelsfrei um Johann Friedrich Böttger und seine Gehilfen, die von der Albrechtsburg in Meißen auf den Königstein gebracht wurden. Böttger hatte schon einmal mit der Festung Bekanntschaft gemacht, als er nach seiner Flucht 1703 von Österreich nach Sachsen zurückgebracht worden war. Der Alchimist Böttger befasste sich in der Georgenburg unter der Aufsicht von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Bergrat Gottfried Pabst von Ohain mit der Herstellung von weißem Porzellan, das nachweislich dann in Dresden am 15. Januar 1708 erstmals gelang. Das bewahrte sicher Böttger das Leben und brachte ihm ein Jahr später die Freiheit.
Einem anderen Alchimisten war am Hofe August des Starken ein schlimmeres Schicksal beschieden. 1713 war der aus einer Frankfurter Ratsfamilie stammende Johann Hektor von Klettenberg aus seiner Vaterstadt nach Kursachsen geflohen, um einer Verurteilung wegen Tötung eines Verwandten im Duell zu entgehen. Der im Ruf eines „Goldmachers“ stehende Klettenberg versprach das Goldmachen auch August dem Starken. Da der trotzdem völlig verschuldete Klettenberg kein Gold herstellen konnte, war er 1717 verhaftet worden und kam am 18. März 1719 als Staatsgefangener auf den Königstein. Zwei Mal gelang ihm die Flucht von der Festung, wurde aber immer wieder eingefangen. Am 1. März 1720 wurde das Todesurteil gegen ihn vollstreckt.
Als Karl XII. mit seinen Truppen im September 1707 abgezogen war, ließ August der Starke seine beiden Verhandlungsführer beim Frieden von Altranstädt im November 1707 verhaften und auf den Sonnenstein bringen. Er warf ihnen vor, seine erteilten Weisungen und Vollmachten überschritten zu haben. Beide kamen am 10. August 1709 auf den Königstein. Ihnen wurde der Prozess gemacht und am 20. Dezember 1710 das Urteil gefällt. Anton Albrecht Freiherr von Imhoff wurde zu lebenslanger Haft und Einziehung seiner Lehngüter verurteilt, dann zu zehn Jahren Haft begnadigt und schließlich nach sieben Jahren Gefängnis Ende 1713 in die Freiheit entlassen.
Der Geheime Referendar Pfingsten wurde erstinstanzlich zum Tode durch das Schwert verurteilt. In zweiter Instanz wurde das Urteil in lebenslanges Gefängnis umgewandelt. Am 21. November 1735 starb er auf der Festung. Der Königstein sah dann im 18. Jahrhundert zwei weitere Staatsgefangene, die im Gedächtnis der Menschen geblieben sind. Der eine ist Friedrich Wilhelm Menzel, 1726 in Dresden geboren und seit 1744 Geheimkanzlist bei Premierminister Brühl.
Als Spion des Preußenkönigs hatte er seit 1752 die diplomatische Korrespondenz Brühls mit den Höfen in Wien, St. Petersburg und Paris kopiert, an den preußischen Gesandten Maltzahn in Dresden gegeben und dafür viel Geld erhalten. Preußens König Friedrich der Große war damit über Pläne, Absichten und Verbindungen Brühls informiert. Das schaffte für Friedrich II. einen weiteren Grund, in Sachen einzufallen.
Im Oktober 1756 kam Menzel mit nach Warschau, wohin August III. und Brühl fliehen mussten, und wurde dort seiner Spionagedienste überführt. Brühl ließ durch Kriegsrat Götze Menzel und dessen Schwager Johann Benjamin Erfurth als Helfer verhaften. Beide wurden in Prag auf ihrer Flucht aufgegriffen und von den Österreichern auf den Spielberg bei Brünn gebracht. Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges wurden sie dann von Österreich an Kursachsen ausgeliefert. Am 2. August 1763 wurden sie auf dem Königstein arretiert. Menzel verbrachte auf der Festung 33 Jahre – bis zu seinem Tod – unter schweren Haftbedingungen wie völliger Verwahrlosung und bis 1779 in ständigen Beinfesseln. Menzel starb im Alter von 70 Jahren am 22. Mai 1796. Der Goldschmied Erfurth verbrachte unter gleichen Haftbedingungen mit Ketten und Sperreisen bei geringer Kost 14 Jahre auf der Festung und starb am 14. Juni 1778.
Der andere, der als letzter wichtiger bekannter Königsteiner Staatsgefangene bezeichnet wird, war Pierre Aloysius Marquis d’Agdollo, ein Abenteurer, der sich einmal als Venezianer, zum anderen als Sohn einer vornehmen persischen Familie ausgab.
Er stand zunächst hoch in der Gunst von Kurfürst Friedrich August III. Peter Aloysius Marquis d’Agdollo war der Sohn von Gregorio d’Agdollo, einem Kaufmann in Venedig. Er trat in das Militär des Kurfürstentums Sachsen ein, kämpfte im Siebenjährigen Krieg mit, wurde 1768 Major, 1769 Flügeladjudant des Prinzen Xaver und Obrister der Schweizergarde.
Er heiratete am 6. Juni 1764 die Witwe des Feldmarschalls Rutowski (eines natürlichen Sohnes August des Starken), die geborene Fürstin Lubomirska; die Ehe wurde aber auf Wunsch Lubomirskas geheim gehalten, weil sie um ihren Rang am Hof fürchtete.
Prinz Xaver brauchte d’Agdollo zu geheimen Missionen und die Witwe des Kurfürsten, Maria Antonia, betraute ihn bei ihrer Abwesenheit von Dresden mit Aufträgen.
Namentlich benutzte sie ihn 1776 zu geheimen Verhandlungen mit den Ministern ihres Sohnes, als es darum ging, ihre für 200.000 Taler in Rom und den Niederlanden versetzten Juwelen einzulösen und sie von einer Schuldenlast von mehr als 700.000 Talern durch Abtretung ihrer künftigen Ansprüche an den Allodial-Nachlass des kinderlosen Kurfürsten Max III. Joseph von Bayern an ihren Sohn zu befreien.
Der Marquis war zwar durch offene Zurücksetzung bei Beförderung gegen den Kurfürsten, besonders dessen Günstling, den Grafen Marcolini, sehr erbittert, aber Intrigant wie er war, spielte er doch doppeltes Spiel, verkehrte mit Marcolini viel und teilte geheim zu haltende Briefe der damals im Auslande lebenden Kurfürstin-Witwe über diese Angelegenheit an ihn den sächsischen Ministern mit, daneben jedoch bat er den König von Preußen um Anstellung und bot sich ihm als Spion an, scheint auch Verbindungen mit Wien gehabt und der Kaiserin Maria Theresia, welche ebenfalls entfernte Ansprüche aus jenen Nachlass hatte, die der Kurfürstin gegen hohe Summen angeboten zu haben.
Großes Aufsehen erregte seine plötzliche Verhaftung am 16. September 1776 und Abführung auf die Festung Königstein; er blieb bis an seinen Tod Staatsgefangener. Der Grund seiner Verhaftung blieb geheim; sogar seinen Ministern verschwieg der Kurfürst die Ursache. Nur der Kurfürst und dessen Mutter, auf deren Anregung die Verhaftung erfolgte, kannten d’Agdollos Vergehen. Der Kurfürst erklärte seinen Ministern, dass die Sache nur ihn persönlich angehe, nichts mit der Erbschaftsangelegenheit zu tun habe und deshalb nicht vor den Staatsrat gehöre. Ein katholischer Geistlicher soll d’Agdollo vernommen und dessen Aussagen mündlich dem Kurfürsten übermittelt haben; der Kurfürst selbst verurteilte d’Agdollo zu lebenslänglicher Festungshaft.
Ein Teil der Briefe zwischen dem Kurfürsten und seiner Mutter, namentlich ein Schriftstück des Marquis, das Schmähungen und Drohungen enthalten haben soll, scheint vom Kurfürsten selbst vernichtet worden zu sein. Wegen der unglücklichen Verhandlungen mit dem Marquis d’Agdollo wurden die sächsischen Minister Leopold Nicolaus von Ende und Graf Sacken am 26. März 1777 durch den Kurfürsten gemeinsam und für beide wenig ehrenhaft entlassen.
D’Agdollo starb auf dem Königstein am 27. August 1800. Die Haftbedingungen waren für ihn wohl recht leicht, denn er konnte sich auf der Festung frei bewegen. Die Stelle, wo er gewöhnlich ein Sonnenbad nahm, wurde bald „Agdollos Ruhe“ genannt.
Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurde die Festung Königstein das Staatsgefängnis für aufrührerische Bürger und bürgerliche Demokraten. Es begann 1790 mit dem kursächsischen Bauernaufstand. Am 11. September 1790 wurden die als Anführer ausgemittelten Bauern auf den Königstein gebracht. Es waren 34 Hüfner, Gärtner und Häusler vor allem aus der Lommatzscher und Meißner Gegend, die als Baugefangene zwischen acht Wochen und mehreren Monaten auf der Festung schwer arbeiten mussten. 1791 durften die letzten von ihnen die Festung verlassen.
Vierzig Jahre später wurde das Königreich Sachsen im Spätsommer 1830 und im Frühjahr 1831 von revolutionären Unruhen erschüttert, die zur konstitutionellen Monarchie und damit zu bürgerlichen Verfassungszuständen führten. Die ausgemachten Anführer der Aprilunruhen 1831 wurden polizeilich verfolgt, verhaftet und mit hohen Zuchthausstrafen belegt. Zwei von ihnen, die Dresdner Bürger Nudelfabrikant Anton Bertholdi und der promovierte Jurist Bernhard Moßdorf waren am 18. April 1831 verhaftet und nach mehrmonatigen Verhören am 2. September 1831 als „Häupter der Bewegung“ von der speziell eingesetzten Untersuchungskommission ohne ordentliches Gerichtsverfahren zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt worden. Sie wurden in der Nacht vom 2. zum 3. September 1831 auf der Festung abgeliefert und in die Räume Nr. 9 und Nr. 10 auf der Georgenburg eingesperrt. Sie hatten sich im heftigen, allerdings überwiegend selbst provozierten Konflikt mit den Festungsmilitärs wie Platzadjutant Fuchs befunden.
Bertholdi unternahm einen Fluchtversuch, der scheiterte. Dann wurden die Schikanen so groß, dass er nur im Selbstmord einen Ausweg sah. Am 4. September 1833 erhängte er sich an den Eisengittern seines Gefängnisraumes. Eine Woche danach unternahm Moßdorf einen Fluchtversuch, der ebenfalls misslang. Am 13. November wurde er in den Gefängnisraum gebracht, in dem sich sein Freund Bertholdi das Leben genommen hatte. Was dann in der Nacht vom 13. zum 14. November 1833 geschah, bleibt für immer unklar. Am Morgen des 14. November fand man Moßdorf wie Bertholdi erhängt am Fenster. Bereits einen Tag später gab es unter den auf der Festung stationierten Soldaten Gerüchte, dass Moßdorf erdrosselt worden sei. Es gab keine zivilgerichtliche Untersuchung. Erst nach dem März 1848 begann vor dem Stadtgericht Dresden ein Untersuchungsverfahren. Aber auf die Fragen, wie sich ein Mensch, der in Ketten kreuzweise am Fußboden in der Mitte des Raumes geschlossen ist, zum Fenster bewegen konnte und warum Moßdorfs Leiche die gleichen Verletzungen aufwies wie die von Bertholdi: Schnittwunden am Hals und am linken Arm, Würgemahle am Kehlkopf gab es keine Erklärung. Staatsbeamte sorgten später für den ergebnislosen Ausgang der gerichtlichen Untersuchungen.
Die im Vormärz aufflammende nationale Bewegung in dem seit 1795 staatlich nicht mehr existierenden Polen führte zum Krakauer Aufstand, der von Russland, Österreich und Preußen militärisch niedergeschlagen wurde. Viele Polen flüchteten 1846 über Sachsen nach Frankreich. Der Anführer der Republik Krakau Dr. Johann Tyssowski gehörte dazu. Er wurde Anfang März 1846 in Dresden verhaftet und Ende jenes Monats auf die Festung Königstein verbracht. Am 15. Mai 1846 traf ein österreichischer Kriminalrat auf der Festung ein und verhörte in den nächsten Wochen im Beisein des sächsischen Appellationsrates Ertel. Im Verlauf der Verhöre wurde offenbar, dass enge Verbindungen zwischen sächsischen Demokraten und polnischen Emigranten in Paris bestanden, was auch in Sachsen zu neuen Kriminaluntersuchungen führte. Am 9. Februar 1847 wurde Tyssowski an Österreich ausgeliefert.
Dann kamen die Revolutionsjahre 1848/1849 mit dem Maiaufstand vom 3. bis 9. Mai 1849 in Dresden. Die führenden Köpfe des Aufstandes, denen die Polizei habhaft wurde, kamen auf den Königstein. Am 29. August 1849 wurden der Russe Michael Bakunin, militärischer Berater der Aufständischen, weiterhin der Musikdirektor August Röckel, das Mitglied der Provisorischen Regierung Otto Leonhard Heubner und der Kommandant der Dresdner Kommunalgarde Alexander Clarus Heintze in der Festung eingeliefert. Bis zu ihrer Verurteilung verblieben sie in der Georgenburg. Bakunin wurde am 12. Juni 1850 an Österreich ausgeliefert, Röckel, Heubner und Heintze kamen am 18. Juni 1850 in das Zuchthaus Waldheim.
Der nächste prominente Festungsgefangene war August Bebel. Weil er sich 1871 zur Pariser Kommune bekannt hatte, wurde er angeklagt und vom Landgericht Leipzig im März 1872 zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt, von denen er die meiste Zeit in der Strafanstalt Waldheim verbüßte und im April/Mai 1874 für drei Wochen auf dem Königstein war, wo er im Alten Zeughaus untergebracht worden war. Die wohl letzten politischen Gefangenen auf der Festung Königstein vor dem Ersten Weltkrieg waren die Mitarbeiter der satirischen Zeitschrift „Simplizissimus“ Karikaturzeichner Thomas Theodor Heine und Dramatiker Frank Wedekind. Wegen „Majestätsbeleidigung“, sie hatten sich über die Palästinareise Kaiser Wilhelms II. 1898 lustig gemacht, wurden Heine vom Landgericht Leipzig zu sechs Monaten Festungshaft und Wedekind, der erst im Juni 1899 nach Leipzig zurück kam, zu sieben Monaten Festungshaft verurteilt, die sie auf der Festung Königstein verbüßten. 1899 und 1900 saßen beide ihre Strafe ab, ohne die Mitarbeit am „Simplizissimus“ aufzugeben. Nach der Novemberrevolution 1918 blieb die Festung Königstein noch einmal für kurze Zeit ein Ort für politische Gefangene. 1919 traf es 50 Funktionäre der KPD und der USPD, unter ihnen Fritz Hecken aus Chemnitz als Mitbegründer der KPD. Eingesperrt im Obergeschoss des Alten Zeughauses, konnte er am 25. September 1919 die Festung wieder verlassen. Ende Dezember 1919 wurde Hecken erneut verhaftet und auf den Königstein gebracht. In Sachsen herrschte Belagerungszustand. Es wurde aber gegen ihn kein Prozess eingeleitet und auf Weisung der sächsischen Regierung wurde er am 10. Januar 1920 wieder entlassen.
Drei Mal in ihrer Geschichte wurde die Festung zum Kriegsgefangenenlager. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/1871 kamen nach der Schlacht von Sedan am 2. September 1870 493 französische Kriegsgefangene und im November 1870 nochmals 200 Franzosen auf die Festung. Sie wurden im Neuen Zeughaus, in der Magdalenenburg und in den Kasematten untergebracht. Bei karger Verpflegung mussten sie körperlich schwere Erdarbeiten beim Bau von Batteriewällen verrichten.
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges 1914 bis 1918 kamen französische und russische Offiziere als Kriegsgefangene auf den Königstein.
Während des Zweiten Weltkrieges 1939 bis 1945 wurde die Festung zum dritten Mal Kriegsgefangenenlager. Zunächst kamen gefangengenommene polnische Offiziere auf den Königstein. 1941 wurde dann das Offiziersgefangenenlager IV B (Oflag IV B) für 98 französische Generäle und höhere Offiziere eingerichtet. Sie durften nach den Bestimmungen der Genfer Konvention relativ gut und freizügig leben. Spaziergänge, Tagesausflüge, Kinobesuche, eigene Theateraufführungen waren möglich. Da blieb es nicht aus, dass einige Kriegsgefangene Fluchtversuche unternahmen, von denen die meisten scheiterten.
Aber einem General gelang die spektakuläre Flucht, die bald Gerüchte aufkommen ließ. Es war der 63-jährige General Henri-Honore Giraud, der sich am 17. April 1942 gegenüber der Hinrichtungsstätte des Barons von Klettenberg über die Brustwehr abseilte.
Bevor die Festung ab Juni 1955 ein großes Museum wurde, diente sie von 1949 bis Mai 1955 als Jugendwerkhof. Für 200 Mädchen und Jungen, die zum Teil ihr Zuhause verloren oder sich strafbar gemacht hatten, wurde die Festung zu einer Stätte stalinistisch geprägter Erziehung.
Fassen wir kurz zusammen: Die mitunter auch „Sächsische Bastille“ genannte Fes tung Königstein diente über Jahrhunderte hinweg als Sächsisches Staatsgefängnis. Das (allerdings unvollständige) Gefangenenverzeichnis der Festung nennt für die Zeit zwischen 1591 und 1922 die Lebensdaten und Vergehen von 993 Häftlingen. Sie entstammten allen Bevölkerungsschichten von den ärmsten bis hin zu den adligen Kreisen und waren für alle möglichen Vergehen von Kavaliersdelikten (z. B. illegalen Duellen) über Majestätsbeleidigung bis hin zum Hochverrat auf dem Königstein gefangen gehalten worden. Haftzellen waren in der Georgenburg, die ab Beginn des 18. Jahrhunderts fast nur noch als Gefängnis diente, im Alten Zeughaus, im Brunnenhaus, in der Magdalenenburg und zeitweise auch in den Kasematten eingerichtet. Viele der Gefangenen wurden zu Bauarbeiten auf der Festung herangezogen.
Einige der bisher genannten Personen und weitere Inhaftierte auf der Festung wollen wir nun ausführlicher betrachten.