Loe raamatut: «Wohnt Gott im Gehirn?», lehekülg 5

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Wachheit und Aufmerksamkeit während der Meditation: Die Studien von Richard Davidson und Sara Lazar

Die große Herausforderung der Erforschung des Bewusstseins besteht darin, das subjektive Erleben der untersuchten Personen den damit einhergehenden Hirnaktivitäten exakt zuzuordnen. Bewusstseinsphänomene sind, im Gegensatz zu Hirnvorgängen, öffentlich nicht beobachtbar. Es besteht eine Dichotomie zwischen den Erlebnisberichten einerseits und den ihnen zugeordneten Messungen der Hirnaktivität andererseits. Außerdem sind die Inhalte des Bewusstseins nicht zwangsläufig identisch mit dem sogenannten reinen Bewusstsein. Der französische Molekularbiologe und buddhistische Mönch Matthieu Ricard unterscheidet die Inhalte des Bewusstseins von der „reinen Bewusstheit“ bzw. von der „Lichtnatur des Geistes“. Im reinen, ungetrübten Bewusstsein sieht er den gemeinsamen Nenner aller Gedanken, Emotionen und mentalen Vorgänge. Durch unsere Wahrnehmungen werfe das reine Bewusstsein gleichsam sein Licht auf die äußere Welt und erhelle unsere innere Welt durch die Erinnerung an die Vergangenheit, die Vorstellungen von der Zukunft und das Gewahrsein der Gegenwart. Ricard nennt die Basiseigenschaft des Bewusstseins das „ungetrübte Bewusstsein“ oder die „reine Bewusstheit“. Diese Eigenschaft könne durch die Inhalte des Bewusstseins, wie Gedanken, Liebe oder Wut, Freude oder Eifersucht, weder bedingt noch verändert werden. Für Ricard gehören mentale Phänomene nicht wirklich zum Wesen des Bewusstseins. „Sie treten einfach nur innerhalb des Bewusstheitsraums, im Rahmen verschiedener Bewusstseinszustände in Erscheinung und werden von dieser Grundbewusstheit ermöglicht.“ (Singer & Ricard 2008, 16)

Was Ricard damit ausdrücken will, veranschaulicht er anhand mehrerer Beispiele. So könne Wasser zwar Giftstoffe und auch heilsame Substanzen transportieren, sei aber selbst weder giftig noch heilsam. Ein Spiegel könne alle Arten von Bildern reflektieren, aber keines gehöre zu ihm, durchdringe ihn oder bleibe in ihm. Wäre dies der Fall, dann überlagerten sich alle Bilder, und der Spiegel wäre nutzlos. Auf ähnliche Weise sorge das reine Bewusstsein dafür, dass alle mentalen Gebilde entstehen können, ohne dass es selbst dadurch verändert werde. Die reine Bewusstheit ist vergleichbar mit der Tonerde und die mentalen Phänomene mit den verschiedenen Formen, in die der Ton gebracht werden kann. Gleichgültig, welche Gestalt der Ton annehme: Er selbst bleibe im Wesentlichen unverändert. „Das Bewusstsein ist auf allen seinen Ebenen ein dynamischer Strom aus Momenten reiner Bewusstheit mit oder ohne Inhalt. Hinter der Trennwand aus Gedanken liegt immer und zu jeder Zeit ein reines Bewusstsein, das nicht von seinen Inhalten getrübt ist.“ (Singer & Ricard 2008, 17)

Kann man sich tatsächlich bewusst sein ohne jeglichen Inhalt? Wie wird man sich des Bewusstseins bewusst? Meditierende, denen es gelingt, ihr Bewusstsein von allen Inhalten zu entleeren, erleben dennoch eine intensive Präsenz, Wachheit, Aufmerksamkeit und Bewusstheit. Matthieu Ricard beschreibt Meditation wie folgt:

„Wir müssen lernen, die Gedanken kommen und gehen zu lassen, statt ihnen zu gestatten, immer wieder von uns Besitz zu ergreifen. Wir müssen lernen, in der Frische des Augenblicks zu verweilen – das Vergangene ist vorbei, die Zukunft noch nicht erschlossen, und wenn man in reiner Achtsamkeit und Freiheit verharrt, dann kommen die störenden Gedanken, aber sie gehen auch wieder, ohne Spuren zu hinterlassen – das ist Meditation.“ (Singer & Ricard 2008, 14)

Es gibt neurobiologische Hinweise darauf, dass sich das Gehirn während der Meditation in einem Zustand intensiver Wachheit und konzentrierter Aufmerksamkeit befindet. Richard Davidson und Antoine Lutz führten elektroenzephalografische Ableitungen durch, während Matthieu Ricard meditierte. Der Hirnforscher Wolf Singer bemerkt dazu in einem Gespräch mit Ricard:

„Ich war in hohem Maße überrascht, als ich sah, dass, während du dich in die Meditation versenkt hattest, die Amplitude oszillatorischer Hirnaktivität in einem Frequenzbereich zwischen 40 und 60 Hertz, dem sogenannten Gamma-Frequenzband, dramatisch zunahm. […] Eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen hat inzwischen Hinweise darauf gefunden, dass das Fokussieren von Aufmerksamkeit mit einer Zunahme von Gamma-Oszillationen und neuronaler Synchronizität einhergeht. Wenn die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Teilsystem des Gehirns gelegt wird, um es für die Verarbeitung erwarteter Signale vorzubereiten, findet sich eine Zunahme synchroner Gamma-Oszillationen in diesem System. Richtet sich die Aufmerksamkeit auf ein visuelles Objekt, nimmt die Amplitude synchroner Gamma-Oszillationen in Hirnbereichen zu, die sich mit der Verarbeitung visueller Informationen befassen, insbesondere in der Hirnrinde.“ (Singer & Ricard 2008, 52 – 53)

Über den Meditationsprozess und dessen Einfluss auf das Gehirn gibt es bisher wenig gesicherte Erkenntnisse. Frühere Studien zeigen die wichtige Rolle der neuronalen Synchronizität, speziell im Gamma-Frequenzbereich von 25 bis 70 Hertz, bei Phänomenen wie Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Lernen und bewusster Wahrnehmung. Solche Synchronisationen oszillatorischer neuronaler Entladungen, so nimmt man an, spielen eine entscheidende Rolle bei der Bildung kurzzeitiger Netzwerke, die verstreute neuronale Prozesse integrieren. Neuronale Synchronizität scheint ein vielversprechender Mechanismus beim Studium jener Hirnprozesse zu sein, die mentalem Training zugrunde liegen.

Richard Davidson, Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of Wisconsin, und seine Mitarbeiter untersuchten die Hirnströme von acht Mönchen aus der Tradition des tibetischen Buddhismus (vgl. Lutz et al. 2004). Die von diesen praktizierte Meditationsform ist gegenstandslos und erfordert nicht die Konzentration auf bestimmte Objekte, Erinnerungen oder Bilder. Sie betont vor allem die Förderung eines bedingungslosen liebenden Mitgefühls gegenüber allen empfindenden Wesen und die uneingeschränkte Bereitschaft zu helfen. In der Meditation soll das gesamte Bewusstsein von Liebe und einem reinen, vorbehaltlosen Mitgefühl durchflutet werden. Die Autoren vermuten, dass aktive und gegenstandslose Meditationspraktiken wahrscheinlich mit unterschiedlichen Mustern von Hirnaktivität einhergehen.

Als Meditationsprofis hatten die acht Mönche bereits 10.000 bis 50.000 Stunden Meditationspraxis hinter sich, die sich über einen Zeitraum von fünfzehn bis vierzig Jahren erstreckte. Die Länge des Meditationstrainings schätzte man aufgrund ihrer täglichen Praxis und der Zeit, die sie in meditativen Exerzitien verbrachten, in denen sie acht Stunden pro Tag sitzend meditierten. Zehn Studierende, die keine Meditationserfahrung hatten, sich jedoch für Meditation interessierten, bildeten in der Studie die Vergleichsgruppe. Vor der Datenerhebung absolvierten die zehn Meditationsanfänger ein einwöchiges Training. Zuerst erhielten sie Anleitungen zur Durchführung der Meditation. Während der Trainingssitzung sollten sie an jemanden denken, für den sie große Zuneigung empfanden, wie beispielsweise an ihre Eltern oder Angehörigen, und ihr Bewusstsein von einem liebenden Mitgefühl gegenüber diesen Menschen durchfluten lassen. Nach einigen Übungen sollten sie versuchen, dieses Gefühl gegenüber allen empfindenden Wesen hervorzurufen, ohne dabei an jemand Konkreten zu denken. Man bat sie, jeden Tag eine Stunde lang zu meditieren.

Die Hirnströme aller Probanden wurden während der Meditation und in der Ruhephase vor dem Meditationsbeginn mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) registriert. Die zeitliche Auflösung des EEGs ist viel besser als die der bildgebenden Verfahren. Die räumliche Auflösung ist jedoch relativ grob und liegt im Bereich von mehreren Zentimetern. Während der EEG-Datenerhebung versuchten alle Teilnehmer, in der Meditation den Zustand des liebenden Mitgefühls hervorzurufen. Für die Messungen während der Ruhephase vor der Meditation bat man alle Teilnehmer, sich in einen nichtmeditativen, entspannten Zustand zu begeben.

Die Elektroenzephalogramm-Aufnahmen während der Meditation zeigten bei den acht Mönchen, im Gegensatz zu den zehn Mitgliedern der Vergleichsgruppe, einen deutlichen Anstieg der Aktivität und Synchronizität der sogenannten Gamma-Wellen, vor allem im Bereich des Stirnhirns und in Regionen der Scheitel- und Schläfenlappen, und zwar in einem Ausmaß, das bisher noch nie registriert worden war. Das genaue Frequenzspektrum wurde aus technischen Gründen nicht bestimmt, doch geben die Autoren einen Hinweis auf eine signifikante Zunahme der Synchronizität und Amplitude im Bereich von 80 bis 120 Hertz während der Meditation. Bei den Meditationsanfängern der Vergleichsgruppe zeigte sich nur ein leichter Anstieg der Gamma-Aktivität während der Meditation. Bei ihnen trat eine höhere Koordination der Hirnwellen nur während der Meditation mit geschlossenen Augen auf. Bei den Mönchen zeigte sich die hohe Koordination der Hirnwellen bereits bei der Meditation mit offenen Augen, nahm bei geschlossen Augen zu, wurde im Laufe der Meditation noch stärker und setzte sich auch nach der Meditation fort. Außerdem waren die hochfrequenten Gamma-Oszillationen bei den Mönchen stärker synchronisiert als bei den Meditationsanfängern.

Die bei den Mönchen erhobenen Daten deuten darauf hin, dass verstreute Neuronenpopulationen mit hoher zeitlicher Präzision in den schnellen Frequenzen synchron schwingen. Die beobachtete allmähliche Zunahme der Gamma-Aktivität während der Meditation entspricht der Ansicht, dass neuronale Synchronizität als Netzwerkphänomen Zeit benötigt, um sich aufzubauen. Gamma-Wellen treten bei intensiver Aufmerksamkeit, starker Konzentration und bei Lernprozessen auf. Sie sind ein Hinweis darauf, dass die Person extrem wach, aufmerksam und konzentriert ist. Nach Ricard ist Meditation weder eine „reine“ noch eine geistlose Entspannung, sondern vielmehr ein Zustand lebhafter Bewusstheit (vgl. Singer & Ricard 2008, 118).

Die Forscher entdeckten zudem Unterschiede im EEG-Profil der beiden Gruppen während der Ruhephase vor der Meditation. Bei den acht Mönchen zeigte sich, im Gegensatz zu den zehn Anfängern der Meditation, bereits in dieser Phase eine erhöhte Gamma-Synchronizität und Amplitude. Diese nahm während der Meditation zu und wurde noch umfassender. Für das Ausmaß der registrierten Gamma-Aktivität während der Ruhephase war nicht das Alter der Probanden ausschlaggebend, sondern die zeitliche Länge ihrer Meditationspraxis.

Diese Daten deuten darauf hin, dass eine jahrelange Meditationspraxis zu längerfristigen Veränderungen bestimmter Hirnfunktionen führt. Die Mönche hatten bereits im Ruhezustand einen erhöhten Bewusstseinszustand, der dann während der Meditation an Intensität noch zunahm. Das Bewusstsein und damit die gesamte Persönlichkeit können durch Meditation gezielt beeinflusst und verändert werden. Geistiges Training kann zu bleibenden Veränderungen im Gehirn führen. Wolf Singer vertritt gleichfalls die Ansicht, dass Meditation die Mechanismen der Aufmerksamkeit nachhaltig verändern kann, und bemerkt zur Studie von Lutz und Davidson:

„Sie zeigt eine ungewöhnlich gute Korrelation zwischen der Amplitude von aufmerksamkeitsabhängigen, hochsynchronen Gamma-Oszillationen über zentralen Hirnrindenarealen und dem subjektiven Urteil meditierender Probanden über die jeweilige Tiefe und Klarheit des meditativen Zustandes. Solche Korrelationen zwischen biophysikalischen Maßen und subjektiver Empfindung sind besonders wertvoll. Wenn sie, wie in diesem Fall, statistisch hochsignifikant sind, wird es wahrscheinlich, dass es sich um kausale Beziehungen handelt und nicht nur um zufällige Übereinstimmungen. Soweit ich das Feld überblicke, sind dies die robustesten und überzeugendsten Hinweise darauf, dass Meditation mit spezifischen Hirnzuständen einhergeht und dauerhafte Modifikationen von Hirnfunktionen bewirkt.“ (Singer & Ricard 2008, 67)

Davidson und seine Mitarbeiter deuten ihren Befund dahingehend, dass die Tiefe und Klarheit des meditativen Zustandes mit dem synchronen Schwingen verstreuter Neuronenpopulationen in den schnellen Frequenzen einhergeht. Stuart Hameroff vermutet in einem Kommentar zu dieser Studie, dass die hochsynchronen Gamma-Oszillationen, welche bei den Mönchen registriert wurden, die höchste Form des Bewusstseins repräsentieren (vgl. www.quantumconsciousness.org).

Eine weitere Studie über die Auswirkungen langjähriger Meditationspraxis auf die Funktionsweise und Struktur des Gehirns stammt von der Hirnforscherin Sara Lazar. Sie ging von der Hypothese aus, dass regelmäßiges Meditieren zu signifikanten Veränderungen der Struktur jener Hirnregionen führt, die bei Aufmerksamkeit, Sinnesverarbeitung und Körperwahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. Mithilfe der Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie) untersuchte Lazar die Dicke der Hirnrinde von zwanzig Praktizierenden einer buddhistischen Form der Achtsamkeitsmeditation (vgl. Lazar et al. 2005). Während dieser Meditationsform richtet der Praktikant seine Aufmerksamkeit nicht auf ein Mantra oder auf einen Gegenstand, sondern achtet vorwiegend auf seinen Atem, auf auftauchende Empfindungen, Gefühle, Gedanken und Fantasien, ohne diese jedoch zu bewerten oder näher auf sie einzugehen. Die Teilnehmer der Studie waren keine Mönche, sondern typisch westliche Meditationspraktiker. Zwei von ihnen waren von Beruf Meditationslehrer, drei arbeiteten nebenberuflich als Yoga- oder Meditationslehrer und die übrigen Teilnehmer meditierten zirka vierzig Minuten pro Tag. Die durchschnittliche Meditationspraxis der Teilnehmer betrug sieben bis neun Jahre. Fünfzehn Personen ohne Erfahrung mit Yoga oder Meditation bildeten die Kontrollgruppe.

Die Messungen ergaben signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich der Verteilung der regionalen Dicke der Hirnrinde, jedoch keine signifikanten Unterschiede in der durchschnittlichen Dicke der gesamten Hirnrinde. Bei den Meditierern waren ein großer Bereich der rechten vorderen Inselrinde (Insula) und Regionen des Stirnhirns, die in etwa den Brodmann-Arealen 9 und 10 entsprechen, signifikant dicker als bei den Mitgliedern der Vergleichsgruppe. Diese Stirnhirnregionen sind an der Integration von Emotion und Kognition beteiligt. Den größten Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab es in der Dicke der rechten vorderen Inselrinde. Die funktionellen Aufgaben der Inselrinde sind noch nicht umfassend geklärt. Der vordere Teil der Insel wird mit empathischen Fähigkeiten, mit Lustempfindungen, einem Gefühl der Liebe und Wonne und der Aufmerksamkeit für Körpervorgänge in Verbindung gebracht. Bei den ältesten Meditierern war die Dicke des Präfrontalkortex am stärksten. Dies deutet nach Lazar darauf hin, dass Meditation die altersbedingte Ausdünnung der Hirnrinde verhindern kann.

Nach Lazar zeigen die Daten, dass regelmäßiges Meditieren mit einer Zunahme der Dicke bestimmter Regionen der Hirnrinde einhergeht, die an der Verarbeitung somatosensorischer, akustischer, visueller und interozeptiver Informationen beteiligt sind. Zudem verlangsamt Meditation die altersbedingte Ausdünnung des Stirnhirns.

Die in dieser Studie registrierte größere Dicke bestimmter Hirnregionen könnte auf eine stärkere Verästelung der einzelnen Neuronen, auf ein größeres Volumen der Gliazellen oder auf größere Blutgefäße in diesen Bereichen zurückzuführen sein. Die verwendeten Messmethoden der Magnetresonanztomografie unterscheiden nicht zwischen diesen verschiedenen Möglichkeiten. Trotz der Auswirkungen des Alters auf das Stirnhirn war die durchschnittliche Kortexdicke im Bereich der Brodmann-Areale 9 und 10 der vierzig- bis fünfzigjährigen Meditierer ähnlich der Durchschnittsdicke bei den zwanzig- bis dreißigjährigen Meditierern und Nichtmeditierern. Das spricht für die Hypothese, dass regelmäßiges Meditieren das Ausmaß neuronaler Degeneration in diesen spezifischen Bereichen verlangsamt. Weitere Längsschnittstudien sind jedoch erforderlich, um diese Ergebnisse zu verifizieren. Bei den vorliegenden Daten, so Lazar, handelt es sich um eine Korrelation, aus der nicht auf eine kausale Beziehung zwischen Meditation und kortikaler Dicke geschlossen werden kann.

Lazar schlussfolgert, dass Meditation mit strukturellen Veränderungen in jenen Hirnregionen einhergeht, die für die sensorische, kognitive und emotionale Informationsverarbeitung zuständig sind. Darüber hinaus deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Meditation die altersbedingte Abnahme kortikaler Strukturen beeinflussen kann.

Die beiden Studien von Davidson und Lazar sprechen für die Hypothese, dass eine Meditationspraxis, die sich über viele Jahre erstreckt, zu bleibenden Veränderungen von Funktionen und Strukturen des Gehirns führen kann. Wegen der geringen Zahl der untersuchten Personen ist bei der Verallgemeinerung der Ergebnisse jedoch Vorsicht geboten. Lazar betont ausdrücklich, dass von der Korrelation zwischen Meditationserfahrung und erhöhter Dicke bestimmter Hirnbereiche auf keine kausale Beziehung geschlossen werden kann. Untersucht wurden in beiden Studien lediglich momentane meditative Zustände und die damit korrelierenden EEG-Muster oder Verdickungen bestimmter Hirnregionen.

Verändert Meditation auf lange Sicht tatsächlich das Gehirn und die Persönlichkeit der Praktizierenden? Lassen sich grundlegende menschliche Qualitäten wie Liebe und Güte, Selbstlosigkeit und Nächstenliebe, innere Freiheit und Stärke, Friede und Glück durch bestimmte Meditationsformen regelrecht trainieren? Um diese Fragen zu beantworten, wären Langzeitstudien erforderlich, die an einer größeren Anzahl von Praktizierenden untersuchen, inwiefern jahrelange Meditationspraxis zu nachweisbaren dauerhaften Veränderungen im Erleben und Verhalten der betreffenden Personen führt (vgl. auch: Schnabel 2008, 251).

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse zur Wachheit und Aufmerksamkeit während der Meditation zeigen, dass der klare und lebhafte Bewusstseinszustand während der Meditation mit einem synchronen Schwingen von Neuronenverbänden im Stirnhirn, in den Scheitellappen und den Schläfenlappen einhergeht. Die Ergebnisse sprechen für die Hypothese, dass langjährige Meditationspraxis bestimmte Hirnfunktionen verändert, eine Zunahme der Dicke der Hirnrinde in verschiedenen Bereichen bewirkt und die altersbedingte Ausdünnung der Hirnrinde verhindert.

Neurobiologie religiöser Erfahrung: Die Untersuchung von Mario Beauregard
Wie lassen sich mystische Erfahrungen neurobiologisch untersuchen?

So manchen Neurowissenschaftler fasziniert die Frage, welche Gehirnzustände mit einer mystischen Erfahrung einhergehen. Mario Beauregard wollte den Zustand der mystischen Vereinigung (unio mystica), in dem der Mensch sich ganz eins fühlt mit Gott, aus neurowissenschaftlicher Sicht untersuchen (vgl. Beauregard & O’Leary 2007). Eine intensive mystische Erfahrung ereignet sich höchstens einmal oder zweimal im Leben eines kontemplativen Menschen. Ein solches Erlebnis kann mehrere Elemente enthalten, wie das Empfinden, den letzten Grund der Wirklichkeit berührt zu haben, das Gefühl, eins zu sein mit der Menschheit und dem Universum, ein Gefühl der Raum- und Zeitlosigkeit, das Erleben tiefer Freude, bedingungsloser Liebe und des Friedens sowie die Erfahrung der Unaussprechlichkeit dieses Erlebnisses. Mystische Erfahrungen bewirken eine drastische Änderung des Lebens und führen zu dauerhaften Einstellungs- und Verhaltensänderungen. Ereignen sie sich im Alter zwischen zwanzig und vierzig Jahren, dann führen sie nicht selten zur Gründung eines Ordens oder einer Religion. Materialistisch orientierte Neurowissenschaftler betrachten derartige Erfahrungen jedoch als Folge eines Unfalls in der Hirnchemie junger Erwachsener.

Beauregard wollte mehr über die Hirnzustände während eines mystischen Erlebnisses herausfinden. Als Untersuchungsmethode wählte er die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI) und die quantitative Elektroenzephalografie (QEEG). Am SPECT-Verfahren, das Newberg in seinen Untersuchungen verwendete, bemängelt Beauregard die niedrige räumliche und zeitliche Auflösung. Zudem würden die verschwommenen Bilder dieses Verfahrens zu erheblichen Fehlern bei der Messung der regionalen Hirndurchblutung führen. Das bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomografie sei heute das Verfahren der Wahl. Es erfasst nicht die Aktivität der Gehirnzellen an sich, sondern misst, wie stark das Gehirn lokal mit Sauerstoff versorgt wird. Erhöhter Sauerstoff- bzw. Energieverbrauch, so die Annahme, geht mit erhöhter Neuronenaktivität einher. Das quantitative EEG erfasst die von der Schädeloberfläche abgeleiteten elektrischen Aktivitätsmuster. Diese werden statistisch ausgewertet und später in bunte Karten transformiert (vgl. Beauregard & O’Leary 2007, 262).

Beauregard konnte für seine Studie die Schwestern eines Karmelitinnenklosters in Quebec gewinnen. Diese religiösen Frauen führen ein Leben der Stille und des Gebetes und verbringen den Großteil ihrer Zeit mit Betrachtung und Beten. Sie sprechen täglich miteinander lediglich zwanzig Minuten lang während der Erholungszeit nach dem Mittagessen und nach dem Abendbrot. Beauregard betont, dass die fünfzehn Nonnen, die an der Untersuchung teilnahmen, insgesamt zirka 210.000 Stunden im Gebet verbracht hatten. Wenn Gebet und Betrachtung zu einem mystischen Bewusstsein führen, dann sollten diese Frauen das am ehesten bestätigen können.

Es sei keine Selbstverständlichkeit, meint Beauregard, dass Menschen, die ein kontemplatives Leben führen, an einem nicht unumstrittenen Forschungsprojekt teilnehmen. Auch sei es nicht einfach gewesen, die Nonnen für das Projekt zu gewinnen. Er musste ihnen versichern, dass er mit der Untersuchung nicht „beweisen“ wollte, dass es mystisches Bewusstsein gar nicht gibt.

„Wir konnten ihnen glaubhaft versichern, dass wir keine Materialisten sind und auch nicht versuchten, die mystischen Erfahrungen, die sie veranlassten, Nonnen zu werden, als Humbug zu entlarven. Wir zweifelten prinzipiell nicht daran, dass kontemplative Menschen hin und wieder Kontakt mit einer Realität außerhalb ihrer selbst aufnehmen können oder dass ein solcher Kontakt ihr Leben auf eine positive Art verändern kann. Wir wollten vor allem herausfinden, ob wir mithilfe eines bildgebenden Verfahrens die neuronalen Korrelate mystischer Erfahrungen identifizieren könnten, und die Nonnen waren die wenigen Personen, die uns dabei helfen konnten.“ (Beauregard & O’Leary 2007, 263)

Glücklicherweise schrieb der Kardinal von Montreal, Jean-Claude Turcotte, den Nonnen einen Brief, in dem er ihnen versicherte, dass es keine religiösen Einwände gebe, an der Studie teilzunehmen, wenn sie sich dazu entschließen sollten. Die Nonnen forderten ausdrücklich so wenig Publicity wie nur möglich und den Verzicht auf Fotos, anhand derer man sie in der Öffentlichkeit identifizieren könnte. Ein Foto von Schwester Diane, der Priorin der Karmelitinnen, das in der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail erschien, hätte das ganze Unternehmen beinahe zum Scheitern gebracht. Fünfzehn Nonnen im Alter zwischen 23 und 64 Jahren erklärten sich bereit, an der Untersuchung teilzunehmen. Ihr Durchschnittsalter betrug zirka fünfzig Jahre. Alle beteuerten, dass sie zumindest einmal eine intensive mystische Erfahrung erlebt hatten.

Vonseiten materialistisch orientierter Neurowissenschaftler gab es eine Reihe von Einwänden gegen die Studie, und zwar von der Art, wie sie bereits gegen die Vorlesung des Dalai Lama bei einer neurowissenschaftlichen Tagung 2005 vorgebracht worden waren. Manche von Beauregards Kollegen waren der Meinung, Spiritualität solle man überhaupt nicht wissenschaftlich untersuchen. Von religiöser Seite gab es den Einwand, dieses Forschungsprojekt habe nichts mit der Wahrheit der Religion zu tun. Am Ende stünde nur eine Erfahrung, und diese würde die Existenz Gottes nicht beweisen. Eine mystische Erfahrung zu replizieren sei für die Religion eine Katastrophe und würde deren Sinn und Bedeutung entstellen. Beauregard hatte nicht vor, mit der Untersuchung die Existenz Gottes zu beweisen. Sein Ziel war viel bescheidener. Genau genommen wollte er zwei Dinge herausfinden: Erstens, ob während des mystischen Bewusstseins im Schläfenlappen erhöhte Gehirnaktivität stattfindet, wie manche behaupteten, und zweitens, ob mystische Kontemplation zu Gehirnzuständen führt, die nicht mit dem gewöhnlichen Bewusstsein assoziiert sind (vgl. Beauregard & O’Leary 2007, 265).

In der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail stand Folgendes zu lesen: „Nur etwas Außergewöhnliches kann die Karmelitinnen von Montreal dazu verleitet haben, ihr Gelübde der Stille zu brechen und sich aus der Klausur hinauszuwagen. Sie haben sich mit der Wissenschaft verbündet, um nach einem konkreten Zeichen von Gott innerhalb des menschlichen Gehirns zu suchen.“ (Beauregard & O’Leary 2007, 267)

Aus der allgemeinen Öffentlichkeit war auch der Vorwurf zu hören, mystische Erfahrungen stammten aus dem Reich der Sagenwelt. Die Nonnen wären neurotisch, bildeten sich bloß Dinge ein oder täuschten diese vor. Dieser spezielle Einwand wäre zudem schwieriger zu widerlegen als alle anderen Einwände gegen diese Studie. Beauregard meint dazu, dieser Einwand sei überhaupt nicht schwer zu entkräften. Eine Person, die in einer neurowissenschaftlichen Studie „etwas vortäuscht“, produziere eine Menge Beta-Wellen, die für angestrengte bewusste Aktivität kennzeichnend sind, und nicht viele Theta-Wellen, die auf einen tiefen meditativen Zustand hinweisen. Im EEG zeige sich, dass man bestimmte Dinge einfach nicht vortäuschen könne. Andere Vorbehalte gegen diese Studie äußerten sich in der Sorge, man könnte versuchen, mystische Erfahrungen zu vermarkten und entsprechende Pillen zu entwickeln. Diese Bedenken sind nicht ganz neu. Im Laufe der Geschichte entwickelten viele Kulturen „Methoden und Techniken“, wie z. B. Trommeln, den Konsum heiliger Pflanzen und Pilze, Fasten und Meditation, um außergewöhnliche Bewusstseinszustände hervorzurufen und dadurch mit der spirituellen Welt interagieren zu können. Natürlich können sich Menschen durch bestimmte Tätigkeiten empfänglicher machen für religiöse und mystische Erfahrungen. Es sei aber nie eine einfache Angelegenheit. Eine wesentliche Veränderung der elektrochemischen Gehirnfunktionen sei notwendig, damit sich eine mystische Erfahrung einstellen und bewusst wahrgenommen werden kann.

Beauregard sah das Problem der vorliegenden Untersuchung nicht so sehr in den gegen sie erhobenen Einwänden als vielmehr in der Frage: Wie lässt sich ein mystisches Erlebnis erfassen und untersuchen? Ursprünglich hatte er gedacht, die Nonnen könnten ein solches Erlebnis im Labor produzieren, doch Schwester Diane lachte nur über diese Idee und meinte: Gott könne man nicht nach Belieben herbeizitieren; man könne auch nicht nach einer mystischen Erfahrung suchen, denn je intensiver man danach suche, desto länger müsse man darauf warten (vgl. Beauregard & O’Leary 2007, 266).

Wie lassen sich mystische Erfahrungen neurobiologisch erforschen? Eine Möglichkeit besteht darin, sich an eine vergangene Erfahrung dieser Art zu erinnern und dabei zu untersuchen, welche Gehirnaktivitäten mit dieser Erinnerung einhergehen. Wenn Menschen sich an eine Erfahrung erinnern und diese wieder erleben, dann tendiert ihr Gehirn dazu, dieselben Regionen und Nervenbahnen zu benutzen wie zur Zeit, als sie diese Erfahrung zum ersten Mal machten. Bittet man Menschen, sich an eine wichtige Erfahrung zu erinnern, dann lässt sich herausfinden, welche Hirnregionen und Nervenbahnen dabei am aktivsten sind. Wenn ein Schauspieler furchterregende oder schmerzhafte Erfahrungen eines Charakters darstellen soll, dann hält er am besten Ausschau nach ähnlichen Erfahrungen in seinem eigenen Leben und versucht, diese auf der Bühne in Erinnerung zu rufen und wieder zu erleben. Schauspieler erinnern sich an markante persönliche emotionale Erlebnisse, wenn sie Rollen spielen, die von ihnen die Darstellung ähnlicher Emotionen verlangen. Dabei sind sie nicht unaufrichtig oder unehrlich, wie man oft glaubt, sie drücken tatsächliche Emotionen in einem vorgestellten Rahmen aus.

Beauregard verglich in einer Untersuchung die Hirnregionen, die bei Schauspielern aktiv waren, als man sie bat, traurige oder glückliche Erlebnisse aus ihrem Leben zu erinnern und wieder zu erleben, mit den Hirnregionen, die aktiv waren, während sie Filmausschnitte emotionaler Situationen beobachten. Auf ähnliche Weise bat er die Nonnen, sie sollten im Tomografen bei geschlossenen Augen versuchen, die intensivste mystische Erfahrung in Erinnerung zu rufen, die sie jemals in ihrem Leben erlebt hatten. Unmittelbar nach dem Experiment forderte er sie auf, ihre Erfahrung im Tomografen zu beschreiben und zu bewerten.

Tasuta katkend on lõppenud.

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