Loe raamatut: «Love and Crime»
Harley Barker
Love and Crime
The Bounty Hunter
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Impressum neobooks
1
Harley Barker
Love and Crime
The Bounty Hunter
Sarah Weber
Alter Postweg 31a
48477 Hörstel
Copyright by Sarah Weber
Covergestaltung: Emilia Cole (Coverstube)
Alle Rechte vorbehalten!
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!
Mein Name ist Harley Barker. Wieso ich wie eine Motorrad-Marke heiße?
Mein Vater hatte früher eine Phase, in der er unbedingt eine Harley haben wollte. Meine Mom hatte es ihm verboten. Als sie mit mir schwanger geworden ist und mein Dad noch immer nicht Ruhe gegeben hat, hat sie ihm vorschlagen, mich einfach Harley zu nennen.
Ja, es ist ein ungewöhnlicher Name. Doch mittlerweile habe ich mich an ihn gewöhnt. Mein ganzes Leben ist ungewöhnlich verlaufen in den letzten Jahren.
Deutschland. Die Vereinigten Staaten von Amerika.
In beiden Ländern bin ich groß geworden. Beide Länder sind meine Heimat und in beiden Ländern leben meine Familie und meine Freunde. Meine Mutter wohnt in Deutschland, während sich mein Vater in Florida befindet. Nach ihrer Scheidung bin ich mit meiner Mutter in ihr Heimatland gegangen und habe dort die Schule besucht und meine Ausbildung gemacht. Meine Ferien habe ich immer bei meinem Dad verbracht, und zwar vom ersten bis zum letzten Tag. Und, wenn ich ehrlich bin, hängt mein Herz auch mehr an diesem Land. Eigentlich kann ich nicht einmal genau erklären, wieso es so ist.
Dann kam der Punkt in meinem Leben, an dem ich mich entscheiden musste, in welchem Land ich die nächsten Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, verbringen will. Wo ich arbeiten und wohnen will. Und was soll ich sagen? Ich brauchte nicht zu lange darüber nachzudenken. Von Anfang an hatte für mich fest gestanden, dass es nur ein Land gibt, in dem ich meine berufliche Zukunft sehe. Und das sind nun einmal die USA.
Meine Mom war nicht sehr angetan davon, als ich ihr vor einem halben Jahr meinen Entschluss eröffnet habe. Lange habe ich das Gespräch mit ihr vor mir hergeschoben, da ich mir ihre Reaktion darauf bereits denken konnte. Sie hat sämtliche Bedenken vorgebracht, die ihr in den Kopf gekommen sind. Doch auch das hält mich nicht davon ab, zu meinem Dad nach Tarpon Springs zu ziehen. Schließlich habe ich die Schule beendet und bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen. Und das beinhaltet nun einmal auch einen Tapetenwechsel.
„Entschuldigen Sie, Miss. Aber wir sind im Landeanflug. Schnallen Sie sich bitte an.“
Ich bin so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich erschrocken zusammenzucke, als eine der Flugbegleiterinnen mich leicht am Arm berührt. Eindringlich, und dennoch freundlich, sieht sie mich an. Ich brauche einen Augenblick, um wieder zu mir zu kommen. Meine Augen wandern zu dem hell leuchtenden Signal über meinem Kopf.
„Sicher, ich habe gerade nur …“, setze ich an. Doch noch bevor ich meinen Satz beenden kann breche ich ab. Schließlich geht es sie überhaupt nichts an. Außerdem bin ich mir genauso sicher, dass es sie nicht wirklich interessiert. Auch, wenn sie das wahrscheinlich niemals zu einem Gast sagen würde.
Deswegen lächle ich nur kurz und greife nach den beiden Gurtenden.
Es dauert noch einige Minuten bis die Maschine sich merklich senkt. Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Doch es liegt nicht daran, dass ich Flugangst habe. Ich habe die letzten Stunden sogar genossen und bin immer aufgeregter geworden. Schließlich fahre ich jetzt nicht zu Besuch zu meinem Vater. Nein, ich habe vor dort zu bleiben. Es ist eher so, dass ich endlich alles in Angriff nehmen kann, was ich mir vorgenommen habe. Und das ist eine Menge.
Wahrscheinlich kommt es mir deswegen wie eine Ewigkeit vor, bis das Flugzeug stehen bleibt und ich es endlich verlassen kann. Ich komme aber nur langsam voran, da sich noch unzählige Fluggäste vor mir befinden. Kaum kann ich die schmale Treppe nach unten gehen, werde ich von der warmen Sonne begrüßt, die über Florida scheint. Sollte ich noch Zweifel gehabt haben, dass die Entscheidung falsch gewesen ist, so sind sie spätestens jetzt verschwunden. Aber die hatte ich nicht, sodass sich ein zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.
Mit großen Schritten folge ich den anderen und steige in den Bus, der bereits auf uns wartet. Ich lasse mich auf einen der vielen Plätze sinken und warte darauf, dass die Türen sich schließen und er zum Terminal fährt. Dort warte ich auf meine Koffer und mache mich auf den Weg durch den Zoll in die Eingangshalle. Mitten in der riesigen Tür bleibe ich stehen und schaue mich suchend um.
Mein Dad hat mir vor meinem Abflug noch eine Nachricht geschrieben, in der er mir fest versprochen hat, dass er mich abholen wird und in der Halle auf mich wartet. Auch nach wenigen Sekunden kann ich ihn nicht erkennen, was aber noch lange nichts bedeutet. Schließlich ist es hier voll, da die meisten anscheinend abgeholt werden. Zumindest macht es den Eindruck auf mich.
Um die Leute vorbeizulassen, die sich hinter mir befinden, gehe ich noch ein paar Schritte weiter. Doch auch hier sehe ich ihn nicht. Langsam runzle ich meine Stirn, da das so gar nicht zu ihm passt.
Mein Dad gehört so ziemlich zu den verlässlichsten Menschen, die ich kenne. Wenn er sagt, er holt einen ab, kann man davon ausgehen, dass es auch so ist. Doch das ändert nichts daran, dass er nicht auffindbar ist.
Die meisten würden sich jetzt wahrscheinlich Sorgen um ihn machen. Schließlich ist er ein Polizist und da kann ständig etwas passieren. Die mache ich mir aber nicht. Ich bin mir sicher, wenn es so gewesen wäre, hätte Monica, meine Stiefmutter, mir bereits geschrieben.
Ich will gerade zum dritten Mal über die Menge schauen, als ich spüre, wie mein Handy in der Hosentasche vibriert. Seufzend ziehe ich es heraus, da ich davon ausgehe, dass es meine Mutter ist. Sie meldet sich immer ziemlich pünktlich nach meiner Landung.
Dieses Mal hat sie wahrscheinlich noch mehr darauf gewartet, dass mein Flugzeug endlich landet, denke ich.
Als Kind fand ich das noch gut. In den letzten Jahren ist es eher nervig geworden, schließlich bin ich eine erwachsene Frau und in der Lage auf mich aufzupassen. Mir ist bewusst, wie viel es ihr bedeutet, sich an solchen Kleinigkeiten festzuhalten, deswegen werde ich es ihr nicht mitteilen. Zumindest jetzt noch nicht.
Doch ich erkenne, dass es nicht meine Mom ist, die mir da gerade geschrieben hat, sondern mein Vater. Ich kann aber nicht einschätzen, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht. Es bedeutet, dass er nicht hier ist und ich mich mit meinen Koffern alleine abmühen muss. Um das zu wissen, muss ich sie nicht öffnen.
Ich hoffe, dass du einen guten Flug hattest. Leider schaffe ich es nicht, dich abzuholen, obwohl ich mich schon so sehr darauf gefreut habe, dich in deiner neuen Heimat zu begrüßen. Aber ich komme nicht aus dem Revier heraus. Es tut mir leid, dass du den Bus nehmen musst. Ich habe Monica geschrieben, damit sie dich abholt, sobald du da bist.
„Na ganz klasse“, entfährt es mir viel zu laut und in einem viel zu scharfen Ton, sodass sich ein paar von denen, die sich um mich befinden, zu mir umdrehen. Sie werfen mir irritierte Blicke zu, um die ich mich aber nicht kümmere. Ruckartig bleibe ich stehen und lasse den Kopf ein wenig hängen.
Ich bin schon öfters mit dem Bus nach Tarpon Springs gefahren und ehrlich gesagt hat es mich auch nie gestört. Aber nie hatte ich soviel mit, wie jetzt. Und das, obwohl ich vieles so geschickt habe und es erst noch ankommt.
Ich betrachte die Koffer, die sich vor mir auf dem Wagen befinden und verziehe ein wenig das Gesicht. Es sind zwar nur drei, aber sie sind so schwer, dass ich mir überhaupt keine Gedanken darüber machen musste, ob sie vielleicht zu schwer sind. Das konnte ich mir auch so schon denken. Doch ich habe keine Ahnung, wann meine Sachen ankommen werden und bis dahin brauche ich ein paar Klamotten.
So habe ich es mir nicht vorgestellt, doch nun sieht es anscheinend so aus, als würde ich zu meinem Einstand mit dem Kofferberg alleine klarkommen müssen.
Die Erkenntnis sorgt auch nicht dafür, dass es mir besser geht. Es ist viel eher das Gegenteil der Fall. Meine Laune sinkt weiter in den Keller. Mir ist aber klar, dass mein Dad es nicht böse meint. Mir ist klar, dass er viel zu tun hat und als Polizist sich auch nicht immer seine Arbeitszeiten aussuchen kann. Er macht mehr Überstunden, als man sich vorstellen kann. Außerdem bin ich durchaus in der Lage, mich in den Bus zu setzen und alleine zu fahren. Schließlich habe ich das schon ein paar Mal gemacht.
Deswegen straffe ich meine Schultern und suche mir einen Weg nach draußen. Direkt vor dem Eingang befindet sich ein riesiger Platz, auf dem überall Schilder aufgestellt wurden, für die verschiedenen Richtungen, in die die Busse fahren. Zielsicher gehe ich an den wartenden Bussen vorbei, die sich überall befinden. Mit großen Schritten halte ich auf den hinteren Teil zu, da der Bus dort steht, der nach Tarpon Springs fährt.
Ich weiß nicht genau, wann er fährt oder wie oft. Deswegen versuche ich so schnell wie möglich mit dem riesigen Wagen durch die Menschenmenge zu kommen, was nicht einfach ist. Doch kaum ist der Bus in meinem Sichtfeld aufgetaucht, gehe ich zu schnell um eine Kurve, sodass der Kofferwagen kippt. Ich versuche noch dagegenzuhalten, doch es bringt alles nichts. Er ist einfach zu schwer, sodass ich ihn nicht halten kann, sodass es nicht lange dauert, bis alle Koffer im Weg verteilt liegen.
Ich schaue sie an und denke darüber nach, ob ich sie nicht einfach liegen lassen soll. Schließlich steht da mein Bus. Doch ich bezweifle, dass ich meine Sachen wieder bekommen werde. Und alles neu kaufen möchte ich auch nicht.
„Scheiße“, murmle ich vor mir her. Am liebsten würde ich es laut herausschreien, doch das kann ich mir gerade noch verkneifen. Es würde ja doch nichts ändern.
Deswegen suche ich notgedrungen meine Taschen wieder zusammen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass der Bus anfährt. Erschrocken richte ich mich auf und schaue ihm nach. Mein Herz schlägt so schnell, dass es ein wenig dauert, bis ich registriere, dass auf dem Schild des Busses gar nicht mein Ziel steht.
Ocala?, fährt es mir durch den Kopf, während ich den Bus anstarre, der sich immer weiter von mir entfernt. Und das nur, weil es mir so vorkommt, als würde sich der Name des Ortes gleich wechseln.
Doch genau das passiert nicht. Der Name bleibt dort stehen.
„Ähhhmmm“, sage ich nur völlig perplex. Ich komme mir selber wie eine Idiotin vor. Ich überlege, ob ich auch wirklich in die richtige Richtung gegangen bin. Doch ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an genau der Stelle stehe, an der in den letzten Jahren der Bus abgefahren ist.
Ich beeile mich, um auch die restlichen Koffer wieder auf den Wagen zu heben. Ich setze mich wieder in Bewegung und gehe in die Richtung, aus der ich gerade gekommen bin.
„Scheiße, scheiße, scheiße“, fluche ich immer wieder, während ich an den Leuten erneut vorbeigehe, die mir vorhin schon im Weg standen.
Ich bin angepisst und das werde ich auch nicht für mich behalten. Mir ist es egal, für wie dämlich mich die anderen Leute halten. Von meiner guten Laune ist eh nichts mehr übrig.
Für den Bruchteil einer Sekunde ziehe ich es in Betracht, meinem Dad eine Nachricht zu schreiben, damit mich jemand anderes abholt. Doch den Gedanken verschiebe ich direkt wieder zur Seite. Ich bin erwachsen. Ich habe auch keine Lust darauf, dass er meinen Cousin schickt. Er ist auch Polizist und eine totale Nervensäge. Je länger ich ihm aus dem Weg gehen kann, umso besser ist es. Auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass ich das nicht ewig machen kann, schließlich wohne ich jetzt hier.
Außerdem braucht er nicht zu wissen, was hier gerade los ist. Er würde sich nur Sorgen machen und das muss er nicht.
Ich bin so sehr in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merke, wie sich mir jemand in den Weg stellt. Beziehungsweise, ich bin mir sicher, dass die Person sich mir nicht mit Absicht in den Weg stellt, sondern ich ihn mehr oder weniger über den Haufen renne.
Überrascht hebe ich meinen Kopf und schaue in seine Richtung. Dennoch dauert es, bis ich wirklich realisiere, was gerade geschehen ist. Selbst dann bin ich noch immer nicht in der Lage, einen Ton von mir zu geben. Und das liegt nur an dem großen und breit gebauten Typen, der vor mir steht.
Ich kann mich nicht von ihm abwenden, egal wie oft ich mich ermahne, genau das zu machen. Obwohl ich eigentlich einen großen Willen habe, kommt es mir gerade so vor, als hätte ich überhaupt keinen. Aus einem Grund, den ich mir selber nicht genau erklären kann, bin ich nicht mehr der Herr über meinen eigenen Körper.
Ein sexy Grinsen hat sich auf seine Lippen geschlichen, während er mich von oben bis unten betrachtet. Er versucht nicht einmal, ein Geheimnis daraus zu machen.
„Wer hat es da denn so eilig?“, fragt er mich neugierig. Es scheint mir so, als würden sich seine Muskeln noch mehr anspannen, als sie es eh schon sind. Seine dunklen Tattoos kommen noch mehr zum Vorschein und ziehen mich regelrecht in ihren Bann, gleichzeitig lassen sie ihn aber auch gefährlich wirken.
„Ich habe es nicht eilig“, gebe ich genervt zurück. Außerdem kann ich den wütenden Unterton nicht aus meiner Stimme halten.
Und das scheint er auch zu merken, wenn ich seine hochgezogenen Augenbrauen richtig deute.
„Und wieso so sauer?“
Ich bin mir nicht sicher, ob er sich einen Scherz daraus macht, oder er es wirklich wissen will. Doch gerade ist mir das ehrlich gesagt auch egal. Ich habe nur im Kopf, dass ich jetzt wahrscheinlich ein oder zwei Stunden hier warten darf, bis der nächste Bus fährt.
Ich schließe die Augen und versuche mich so weit wieder zu beruhigen, dass ich mich nicht mit ihm streite. Denn er kann nichts dafür, dass mir die Koffer vom Wagen gerutscht sind und ich keine Ahnung habe, wo ich hin muss.
Erst, als ich sie wieder öffne, stelle ich fest, dass er abwartend und ruhig vor mir steht. Er macht keine Anstalten, sich von mir abzuwenden.
„Wieso so neugierig?“, fahre ich ihn dennoch schärfer an, als ich es beabsichtigt habe. Sofort beiße ich mir auch auf die Zunge, damit nicht noch mehr aus meinem Mund kommen kann.
Mir ist klar, dass es nicht gerade fair ist, wenn ich meine schlechte Laune an ihm auslasse. Und eigentlich will ich das auch gar nicht. Ich kann es aber auch nicht verhindern.
„Ich habe ein Gespür dafür, wenn jemand meine Hilfe braucht.“ Während er spricht, grinst er mich frech an. Ich kann gerade noch verhindern, dass ich genervt die Augen verdrehe. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist von einem Macho angegraben zu werden. Allerdings hat er Recht. Ich brauche Hilfe, um mich zurechtzufinden.
„Ja, ich könnte wirklich Hilfe gebrauchen“, erwidere ich deswegen. Dabei behalte ich im Kopf, dass er wohl genauso wenig wie ich weiß, wo der Bus abfährt.
„Heraus mit der Sprache“, fordert er mich auf.
„Ich versuche herauszufinden, von wo der Bus nach Tarpon Springs fährt.“
Kaum habe ich ausgesprochen kann ich erkennen, wie er mich ein wenig verwundert ansieht.
„Was gibt es denn in Tarpon Springs?“
„Ich wüsste zwar nicht einen Grund, was es dich angeht, aber dort wohnt meine Familie.“ Mehr sage ich nicht.
Einige Sekunden stehe ich so vor ihm. Ich kann das belustigte Funkeln erkennen, mit dem er mich bedenkt. Mein Verstand sagt mir, dass ich endlich nach dem Bus Ausschau halten soll. Deswegen schiebe ich mit großen Schritten den Wagen an ihm vorbei. Doch als ich mich mit ihm auf einer Höhe befinde, greift er plötzlich nach meinem Handgelenk.
Diese harmlose Berührung sorgt dafür, dass mir heiß wird. Ich nehme nur noch ihn wahr. Mir ist klar, dass meine Reaktion auf ihn gefährlich ist, doch ich kann es auch nicht verhindern. Beinahe kommt es mir so vor, als würde er mich gefangen halten. Auf eine gute Art und Weise.
„Der Bus fährt von dort.“ Er zeigt an mir vorbei nach rechts.
Kurz betrachte ich ihn, bevor ich es schaffe, mich von ihm loszureißen und seinem ausgestreckten Arm zu folgen. Und tatsächlich erkenne ich dort einen Bus, an dem Tarpon Springs auf der Anzeige steht.
Beinahe erleichtert darüber atme ich tief durch.
„Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“
„Ja, vielleicht“, gebe ich nur zurück, obwohl ich selber nicht daran glaube. Das müsste schon ein sehr großer Zufall sein, wenn er mir noch einmal über den Weg läuft.
„Bye“, sage ich und gehe endgültig in die Richtung des Busses.
Während ich mich weiter von ihm entferne, spüre ich seine Blicke in meinem Rücken. Ich möchte einen letzten Blick auf ihn erhaschen. Doch auch, als ich mich in die lange Schlange einreihe, zwinge ich mich dazu, ihm weiterhin nicht zu beachten.
„Danke“, sage ich zu dem Busfahrer, nachdem er meine Koffer in den entsprechenden Stauraum geladen hat. Während ich einsteige, versuche ich ihn wieder auszublenden. Ich will diesen geheimnisvollen Typen aus meinem Kopf bekommen. Doch kaum gehe ich den Mittelgang entlang, schaue ich doch noch einmal zu der Stelle, an der wir uns unterhalten haben.
Doch nun ist er nicht mehr alleine. Drei Männer, die alle große Ähnlichkeit zueinander haben, stehen neben ihm. Angeregt unterhalten sie sich, bevor er noch einmal in die Richtung des Busses sieht.
Auch wenn mir klar ist, dass es total lächerlich ist, schließlich wird er mich kaum noch erkennen können, drehe ich mich schnell weg und suche mir einen freien Platz auf der anderen Seite.
Müde stecke ich mir die Kopfhörer in die Ohren und schließe meine Augen.
2
Die Fahrt von Orlando nach Tarpon Springs dauert zwei Stunden. Währenddessen versuche ich ein wenig zu schlafen. Doch ich bekomme keine Ruhe. Zum einen liegt es daran, dass ich mir wünsche in meinem Bett zu liegen, was eindeutig bequemer wäre, als mich aufrecht auf einem unbequemen Sitz zu befinden. Ich will mich unter eine dicke Decke kuscheln, anstatt meinen Kopf an eine harte Scheibe lehnen zu müssen und jedes Mal durchgerüttelt zu werden, wenn der Bus durch ein Schlagloch fährt.
Zum anderen trägt der Typ aber auch seinen Teil dazu bei, dass ich keine Ahnung habe, wie ich ruhiger werden soll. Er will mir nicht aus dem Kopf gehen, was ich aber vor allem auf seine geheimnisvolle Art schiebe. Wir haben uns nur oberflächlich unterhalten, und dennoch hat er es geschafft, sich in meine Gedanken zu schleichen.
Leise grummelnd drehe ich die Musik auf meinem Handy noch ein wenig lauter, wobei ich darauf achte es nicht zu übertreiben, um die anderen Fahrgäste nicht zu stören. Ich mache sie laut genug, dass ich die Unterhaltungen, die um mich herumgeführt werden, nicht mehr hören kann. Bringen tut es aber nichts. Deswegen starre ich hinaus und schaue mir die Landschaft an, an der wir vorbeifahren.
Als der Bus endlich ankommt, tut mir jeder einzelne Knochen weh. Da ich einen Platz am Fenster erwischt habe, konnte ich mich kaum bewegen, geschweige denn die Beine einmal ausstrecken. Erst dachte ich, dass das eine gute Idee wäre, nun bin ich mir sicher, dass es genau das nicht war.
Ja, die Ankunft in meinem neuen Leben war nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Doch ich habe nicht vor, mich davon runterziehen zu lassen. Ich habe mich schließlich nicht dazu entschieden, ins sonnige Florida zu ziehen, um mit schlechter Laune zu starten, auch wenn ich die vorhin hatte. Nein, ich werde nun in die hinterste Ecke verschieben.
Schnell verlasse ich den Bus und nehme meine Koffer entgegen, die der Busfahrer herausstellt. Ich entferne mich ein paar Schritte und schaue mich nach einem freien Taxi um. Doch bevor ich eines entdecken kann, taucht eine Person vor mir auf, die es schafft, dass sich ein glückliches Lächeln auf meinem Gesicht bildet.
Winkend steht meine Stiefmutter Monica neben ihrem Wagen und grinst von einem Ohr bis zum anderen. In ihrer kurzen Hose und ihrem engen Oberteil sieht sie ein paar Jahre jünger aus, als sie es eigentlich ist. Ihre roten Haare hat sie zu einem Zopf gebunden, sodass sie ihr nicht im Gesicht hängen. Leichtes Make-up erhellt ihre sonnengebräunte Haut.
„Hi“, rufe ich zur Begrüßung und gehe so schnell wie möglich zu ihr.
„Es tut mir so Leid. Heute herrscht ein totales Chaos. Obwohl, nein. Das geht schon seit ein paar Tagen so. Hätte ich gewusst, dass dein Dad keine Zeit hat, dich zu holen, hätte ich schon viel eher Feierabend gemacht und wäre zum Flughafen gefahren. Aber er hat mir erst vor einer Stunde Bescheid gegeben. Und da warst du schon unterwegs. Da brauchte ich mich auch nicht mehr auf den Weg zu machen.“
„Geht es ihm gut?“, erkundige ich mich. Ich muss zugeben, dass er zwischendurch schon schusselig ist und auch mal Dinge vergisst, wenn er viel um die Ohren hat. Aber so ein Verhalten kenne ich nicht von ihm. Deswegen mache ich mir nun doch ein wenig Sorgen.
„Ja, alles bestens“, antwortet Monica und winkt ab. „Er hat nur soviel um die Ohren, dass er kaum zum Essen kommt. Sie sind auf dem Revier zurzeit unterbesetzt. Und für diejenigen, die da sind, ist es einfach zu viel.“
„Oh“, sage ich nur. Als Polizist schiebt er öfters Überstunden, als es ihm lieb ist. Man sollte eigentlich meinen, dass er damit angefangen hat weniger zu arbeiten, als er älter geworden ist. Doch es kommt mir so vor, als wäre es eher das Gegenteil. Und ich bin mir sicher, dass auch Monica es bereits gemerkt hat.
„Es sind viele wichtige Fälle auf seinem Schreibtisch gelandet. Du kennst es ja. Er macht so lange, bis er sie abgearbeitet hat. Aber er ist erwachsen und lässt sich ja doch nichts vorschreiben. Deswegen versuche ich es erst gar nicht. Außerdem gehe ich mal davon aus, dass es kein Zustand ist, der ewig anhalten wird. Es wird auch wieder ruhiger werden.“ Während sie spricht umarmt sie mich und drückt mir noch einen Kuss auf die Wange.
Ich liebe die herzliche Art meiner Stiefmutter. Sie ist mit der Grund dafür, dass wir uns von Anfang an so gut verstanden haben. Ich gebe zu, als mein Dad vor vier Jahren meinte, dass er eine neue Freundin hat und sie heiraten will, war meine größte Befürchtung, dass es nur Ärger geben wird. Von solchen Geschichten habe ich mehr als genug gehört. Von der bösen Stiefmutter und den armen Kindern. Monica hat es sofort geschafft, mir die Angst zu nehmen. Und mittlerweile sind wir gute Freundinnen, worüber ich froh bin.
„Ich bin mir sicher, dass die Busreise nicht ruhig war und nach einem 13 Stunden Flug auch sicherlich nicht einfach“, murmelt sie und schaut zu ein paar älteren Frauen, die nur wenige Schritte von uns entfernt stehen und wie wild auf einen Taxifahrer einreden. Genervt verdreht er die Augen.
Die Gruppe war mir seit unserer Abfahrt am Flughafen bereits auch mehrere Male aufgefallen und das nicht unbedingt wegen ihrer leisen Gespräche. Zwischendurch haben sie es sogar geschafft die laute Musik zu übertönen, die aus meinen Kopfhörern kam.
„Ja, aber ich konnte mich beschäftigen“, erwidere ich und halte mein Handy ein Stück nach oben. „Ich habe Musik gehört und die Landschaft betrachtet. So konnte ich es ausblenden.“ Gleichzeitig nicke ich kurz in die Richtung der Frauen, was dafür sorgt, dass Monica leise lacht.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die stechend grünen Augen des Mannes, mit dem ich vorhin zusammengestoßen bin, haben mich auch ein wenig abgelenkt. Allerdings bin ich schlau genug, um den Punkt für mich zu behalten. Schließlich bin ich nicht in die USA gekommen, um mir hier sofort einen Freund zu suchen und mich in eine Romanze zu stürzen. In erster Linie will ich beruflich erfolgreich als Friseurin sein und vielleicht sogar mein eigenes Geschäft eröffnen. Da hat die Liebe noch ein paar Jahre Zeit. So ist mein Plan und bei dem werde ich bleiben.
„Gestern Abend habe ich dein Zimmer soweit fertig gemacht, dass du nichts mehr machen musst“, eröffnet sie mir und verfrachtet einen der Koffer im Auto. „Ich kann mir vorstellen, dass du bestimmt jetzt keine Lust mehr dazu hast. Mir würde es nicht anders gehen.“
„Das hättest du nicht machen müssen“, wende ich ein, obwohl ich weiß, dass es nun auch nichts mehr bringt. Monica ist keine Frau, die sich von ihrem Vorhaben abbringen lässt, wenn sie es machen will. Noch ein Grund wieso wir uns so gut verstehen. Sie hat mich dazu ermutigt, dass ich meinen Weg gehen soll, auch wenn andere ihn vielleicht nicht gut finden.
In den letzten Jahren war ich immer gerne hier. Auch, wenn es immer nur während der Ferien war. Und genauso ist es auch jetzt. Es kommt mir vor, als hätte man mir eine riesige Last von den Schultern genommen, als ich das Flugzeug verlassen habe. Hier kann ich, ich selber sein. Und das war auch einer der Gründe dafür, dass ich mich dafür entschieden habe.
Klar, es fiel mir nicht leicht, meine Mutter und meine Freunde in Deutschland zurückzulassen. Aber ich lebe nur in einem anderen Land, nicht auf einem anderen Planeten. Auch wenn man sich nicht mal eben ins Auto setzen kann, um mich zu besuchen. Dennoch bin ich mir darüber bewusst, dass es nicht leicht werden wird. Doch ich bin gewillt es in Kauf zu nehmen.
„Danke, dass du mich abholst“, murmle ich vor mir hin.
„Das ist doch überhaupt kein Problem“, winkt sie ab und fädelt sich in den Verkehr ein, nachdem sie den Motor gestartet hat.
Die nächste halbe Stunde fährt sie schweigend durch die Straßen, bis wir das Wohngebiet erreicht haben, in dem sie mit meinem Dad wohnt. Unterschiedlich große Einfamilienhäuser stehen hier und Kinder spielen auf der Straße oder in den Vorgärten. Die Väter stehen daneben und waschen ihre Autos oder die Mütter sitzen auf der Veranda, unterhalten sich und lassen ihren Nachwuchs nicht aus den Augen. Vor manchen Häusern stehen kleine Vans, während andere Einfahrten leer sind.
„Es freuen sich alle aus der Nachbarschaft, dass du hier bleibst. Deswegen dachten wir uns, dass wir morgen ein kleines Grillfest veranstalten. Natürlich nur, wenn du auch Lust dazu hast.“
„Das wäre super“, antworte ich, auch wenn ich mir sicher bin, dass es nicht klein werden wird. Ich liebe die Grillfeste, die in der Nachbarschaft beinahe wöchentlich veranstaltet werden. Es gibt soviel zu essen, dass man am Ende des Abends noch einen ganzen Stützpunkt versorgen kann und es ist so laut, dass an Schlaf nicht zu denken ist, wenn man sich dazu entschließt, nicht anwesend zu sein. In den letzten Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass das auch keiner will.
Wenn gefeiert wird, wird es auch richtig.
„Ich werde mir in den nächsten Tagen auch einen Nachmittag freischaufeln, sodass wir ein paar neue Dinge für dein Zimmer besorgen können.“
„Das brauchst du nicht“, erwidere ich und schüttle den Kopf. „Ich werde euch sicherlich nicht lange hier auf die Nerven gehen. So schnell wie möglich will ich mir eine Wohnung suchen, sobald ich eine feste Stelle habe“, erläutere ich ihr mein Vorhaben.
„Ach, jetzt hör aber mal auf. Wir sind beide froh, dass du hier bist. Das Haus ist für deinen Vater und mich alleine eigentlich viel zu groß. Deswegen nehme dir die Zeit, die du brauchst und komm erstmal an. Du wirst noch Zeit genug haben, dich um einen eigenen Haushalt zu kümmern“, erwidert sie und schließt den Kofferraum. Schnell zieht sie einen der Koffer hinter sich her und stellt alles in dem riesigen Eingangsbereich ab, nachdem sie die Haustür geöffnet hat.
„Willkommen zu Hause.“ Sie zwinkert mir einmal kurz zu, ehe sie in die Richtung der Küche geht und durch die Tür verschwindet.
Ich bleibe noch stehen und schaue mich um. Sofort erkenne ich, dass alles noch so aussieht, wie es vor einem Jahr der Fall war. Die hellen Wände und der ebenfalls helle Boden sorgen dafür, dass der Raum noch größer aussieht, als er es eh schon ist. Die großen Fenster, die sich rechts und links neben der Tür befinden, lassen das Sonnenlicht hinein. Im Kontrast dazu stehen die dunkelbraunen Möbel, für die sie sich entschieden haben. Alles in einem ergibt ein harmonisches Bild, sodass man sich hier direkt wohlfühlt.
So müde ich vorhin noch war, so fit bin ich jetzt. Ich stecke voller Tatendrang und will alles in Angriff nehmen, was ich mir vorgenommen habe. Deswegen greife ich mir ein paar meiner Taschen und gehe die offene Treppe nach oben.
„Fuck“, entfährt es mir, als ich in der geöffneten Tür zu meinem Schlafzimmer stehe und den Raum begutachte. Obwohl ich ja finde, dass der Ausdruck noch untertrieben ist. Man kann es nicht einmal als Schlafzimmer bezeichnen.
Jugendzimmer trifft es eher, denke ich und schaue mich prüfend um. Es sieht noch genauso aus, wie ich es vor einem Jahr verlassen habe. An den Wänden hängen Bilder von meinen Freundinnen und mir, die auf Ausflügen entstanden sind, die schon einige Jahre her sind. In einem der vielen Regale kann ich sogar noch Schulbücher erkennen, die ich nun aber sicherlich nicht mehr brauchen werde. Ich nehme mir vor, dass ich in den nächsten Tagen auf jeden Fall ausmisten werde.
Im Vorbeigehen werfe ich meine Taschen auf das Bett und lasse den Koffer davor stehen. Ich stelle mich ans Fenster und betrachte die Straße. Da es mittags ist, leert sie sich ein wenig. Ein paar Nachbarskinder verschwinden im Inneren ihrer Häuser, sodass es nur noch die älteren Kids sind, die draußen bleiben. Da ich in der Vergangenheit öfter auf die jüngeren Kinder aufgepasst habe, weiß ich aber, dass es nicht lange so sein wird. Direkt nach dem Essen werden alle wieder hinausstürmen und die Nachbarschaft unsicher machen. Das ist aber noch so ein Grund dafür, dass ich es hier so liebe. Mit meiner Mom habe ich in einem Mehrfamilienhaus gewohnt, was sich direkt an einer Hauptstraße befunden hat. Da haben die Kids nicht so viele Freiheiten wie es hier der Fall ist.