Loe raamatut: «BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil», lehekülg 22

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5. Ausnahmen von der fehlenden Teilleistungsberechtigung

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Der Schuldner kann – entgegen der Regel des § 266 – auch zu Teilleistungen berechtigt sein. § 266 ist dispositives Recht; Parteivereinbarungen sind vorrangig. Eine Teilleistungsberechtigung besteht also ohne Weiteres, wenn sie von den Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart ist.[44] Eine Teilleistungsvereinbarung besteht etwa, wenn Ratenzahlung vereinbart ist. Dann ist die Schuld ja nicht etwa am Stück, sondern eben in einzelnen Raten zu zahlen. Jede einzelne der vereinbarten Raten ist dann zum jeweiligen Leistungstermin die ganze zu diesem Termin geschuldete Leistung. Der Gläubiger kann sie nicht zurückweisen, ohne insoweit in Annahmeverzug zu kommen. Ebenso liegt es beim Sukzessivlieferungsvertrag. Auch bei ihm gilt § 266 nicht für die gesamte Leistung, sondern nur jeweils für die einzelnen Teillieferungen. Auch bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen – wie etwa der Zahlung des Mietzinses – liegt in der Zahlung der jeweils fälligen Miete eine vollständige Leistung.

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Besondere Regeln bestehen für das Rücktrittsrecht und die Schadensersatzansprüche des Gläubigers bei Teilunmöglichkeit, also für den Fall, dass die geschuldete Leistung nur zum Teil unmöglich ist (vgl Fall 29 Variante 2). Gem. § 323 Abs. 5 S. 1 und §§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 2 setzen die Gläubigerrechte voraus, dass der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat. Dagegen bestehen sie bei qualitativer Teilunmöglichkeit (also vor allem bei mangelhafter Lieferung) nur dann nicht, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, 323 Abs. 5 S. 2).[45]

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Eine Teilleistungsberechtigung des Schuldners kann sich auch aus besonderen Bestimmungen ergeben. Dazu gehören § 39 Abs. 2 Wechselgesetz und § 43 Abs. 2 Scheckgesetz. Auch § 497 Abs. 3 S. 2 gewährt eine Teilleistungsberechtigung. § 266 gilt, wie sich aus § 389 ergibt („soweit“), nicht für die Aufrechnung: Der Schuldner kann also auch mit einer geringfügigeren Forderung teilweise aufrechnen.

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Die Zurückweisung einer Teilleistung nach § 266 kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) verstoßen. So liegt es beispielsweise, wenn eine ganz geringfügige Mankolieferung vorliegt, deren Zurückweisung auch unter Berücksichtigung des Gläubigerinteresses am Erhalt der gesamten Leistung treuwidrig wäre. Ein Beispiel bietet die Lieferung des Weinlieferanten, der die hundertste der 100 geschuldeten Kisten Wein vergessen und nur 99 Kisten angeliefert hat. Eine Annahmepflicht kann den Gläubiger auch dann treffen, wenn der Schuldner annehmen darf, er schulde gar nicht mehr als das Geleistete oder auch dann, wenn er gar nicht vollständig leisten kann.[46]

6. Lösung Fall 29

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A könnte gegen B einen Anspruch auf Ersatz der Fütterungskosten aus § 304 haben.

I. B muss sich dazu im Annahmeverzug (§§ 293, 294) befinden, der durch ein tatsächliches Angebot gemäß § 294 ausgelöst werden kann.

1. A hat B drei Kaninchen angeboten, obwohl im Kaufvertrag die Lieferung von fünf Kaninchen aus dem zuvor bestimmten Wurf vereinbart worden waren. Gemäß § 266 ist der Schuldner nicht zu einer Teilleistung berechtigt. Teilleistungen kann der Gläubiger zurückweisen, ohne in Annahmeverzug zu geraten, weil die Leistung dann gerade nicht in der geschuldeten Form angeboten wird.

2. Ausnahmsweise kann jedoch ein Recht zur Teilleistung bestehen:

Zu Fallvariante a): Hier kann sich eine Teilleistungsberechtigung aus einer Parteivereinbarung ergeben: A und B haben vereinbart, dass A eine geringere Anzahl an Kaninchen liefern darf, wenn bestimmte Kaninchen von der Tochter des A als besonders süß empfunden werden und sie die Kaninchen behalten möchte. Die Tochter fand zwei Kaninchen süß, so dass A dazu berechtigt war, nur drei Kaninchen zu liefern.

Zu Fallvariante b): Eine Teilleistung kann ferner nicht zurückgewiesen werden, wenn nur noch die Lieferung eines Teils der Leistung möglich ist. Das setzt Unmöglichkeit des anderen Teils gem. § 275 Abs. 1 voraus. Die Leistungspflicht beschränkt sich dann auf den nunmehr möglichen Teil. Der Gläubiger ist dadurch nicht schutzlos: Wenn er kein Interesse an der Teilleistung hat, kann er gem. § 323 Abs. 5 S. 1 vom gesamten Vertrag zurücktreten. Die Lieferpflicht des A war auf die fünf Kaninchen des vorher bestimmten Wurfs beschränkt. Nur drei Kaninchen kamen lebend zur Welt. Die Lieferung der weiteren zwei Kaninchen ist daher objektiv unmöglich (§ 275 Abs. 1). Daher bestand kein Zurückweisungsrecht des B. B hat auch weder ausdrücklich noch konkludent den Rücktritt erklärt; er bestand vielmehr auf Lieferung. A war also zur Lieferung der drei Kaninchen berechtigt.

3. B hatte daher in beiden Fallvarianten kein Zurückweisungsrecht und ist in Gläubigerverzug geraten.

II. Bei den Fütterungskosten handelt es sich auch um freiwillige Vermögensopfer, also Aufwendungen. Die Aufwendungen sind zudem infolge des erfolglosen Angebots angefallen und sie dienten auch dazu, die geschuldeten Kaninchen zu pflegen, sie also zu erhalten.

Ergebnis: A hat gegen B in beiden Fallvarianten einen Anspruch auf Ersatz der Fütterungskosten aus § 304.

Anmerkungen

[1]

MünchKomm/Krüger, BGB8, § 271 Rn 2.

[2]

Einzelheiten zum Annahmeverzug unten Rn 797 ff.

[3]

BGH NJW 1971, 979.

[4]

BGH DNotZ 2005, 375, 376.

[5]

BGH NJW 2017, 104.

[6]

Jauernig/Stadler, BGB17, § 271 Rn 6.

[7]

BGH NJW 2017, 104.

[8]

BGH NJW 2007, 1198, 1199.

[9]

OLG München NJW-RR 1992, 818.

[10]

Vgl Jauernig/Stadler, BGB17, § 271 Rn 12.

[11]

BGH NJW 2017, 104.

[12]

BGH NJW 2007, 1198, 1199; dazu schon Rn 285.

[13]

Näher zur Abgrenzung der Begriffe „sofort“ und „unverzüglich“ Arnold/Hornung JuS 2019, 1041, 1044.

[14]

Kritisch zur Fälligkeitsregelung beim Verbrauchsgüterkauf Kohler NJW 2014, 2817.

[15]

Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr.

[16]

BT-Drs. 18/1309, S. 8.

[17]

Vgl BT-Drs. 18/1309, S. 14.

[18]

Zum Schuldnerverzug unten Rn 753 ff.

[19]

Zur Konkretisierung gem. § 243 Abs. 2 oben Rn 187 ff.

[20]

BGH NJW 2017, 2758; 2013, 1074; 2011, 2278; aus der Literatur zustimmend etwa BeckOK/Lorenz, BGB51, § 269 Rn 34.

[21]

Palandt/Grüneberg, BGB78, § 269 Rn 1.

[22]

BGH NJW 2003, 3341 mwN; aA für Verbrauchsgüterkäufe MünchKomm/Krüger, BGB8, § 269 Rn 20.

[23]

Geldschulden sind qualifizierte Schickschulden, näher dazu oben Rn 207 f.

[24]

Vgl BGH NJW-RR 2003, 192.

[25]

Einzelheiten zum Rücktrittsrecht aus § 323 unten Rn 497 ff.

[26]

OLG Hamm NJW-RR 2016, 177 mwN; aA etwa Stöber NJW 2006, 2661.

[27]

BGH NJW 1986, 251; 1998, 377, 379.

[28]

Nach hM ist die Tilgungsbestimmung keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung Soergel/Forster, BGB13, § 267 Rn 9; BeckOGK/Krafka, BGB (1.11.2019), § 267 Rn 16 (beide mwN).

[29]

BGH NJW-RR 2014, 873, 874; NJW 2018, 1079 Rn 26; Staudinger/Bittner, BGB (2014), § 267 Rn 8; Soergel/Forster, BGB13, § 267 Rn 9; anders etwa MünchKomm/Krüger, BGB8, § 267 Rn 11.

[30]

Dazu auch unten Rn 325.

[31]

Dazu unten Rn 328.

[32]

MünchKomm/Krüger, BGB8, § 267 Rn 23.

[33]

Vgl BGH NJW 1983, 814; 1986, 2700; zust. Palandt/Grüneberg, BGB78, § 267 Rn 3; Erman/Artz, BGB15, § 267 Rn 11; Soergel/Forster, BGB13, § 267 Rn 9.

[34]

BGH NJW 1964, 1898, 1899; 1986, 2700.

[35]

Staudinger/Bittner, BGB (2014) § 267 Rn 45; MünchKomm/Krüger, BGB8, § 267 Rn 12; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht27 Rn 951.

[36]

MünchKomm/Krüger, BGB8, § 268 Rn 4.

[37]

Vgl BGH BeckRS 1990, 01869 (für die Grundschuld); RGZ 131, 323, 325 f (für die Hypothek); OLG Celle NJW 1968, 1139, 1140 (für das Pfandrecht an beweglichen Sachen).

[38]

Dazu näher unten Rn 817.

[39]

RGZ 79, 359, 361.

[40]

Staudinger/Bittner, BGB (2014), § 266 Rn 36 ff.

[41]

BGHZ 73, 243, 247; Palandt/Grüneberg, BGB78, § 266 Rn 3; RGRK/Weber, § 420 Rn 11.

[42]

BeckOK/Lorenz, BGB51, § 266 Rn 4; MünchKomm/Krüger, BGB8, § 266 Rn 4.

[43]

Näher zu § 323 Abs. 5 unten Rn 527 ff und zu § 281 Abs. 1 S. 2 und 3 unten Rn 623 ff.

[44]

BeckOK/Lorenz, BGB51, § 266 Rn 11.

[45]

Dazu unten Rn 625 und Rn 531.

[46]

Jauernig/Stadler, BGB17, § 266 Rn 10.

Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 7 Die Verbindung von Leistungspflichten durch Zurückbehaltungsrechte

§ 7 Die Verbindung von Leistungspflichten durch Zurückbehaltungsrechte

Inhaltsverzeichnis

I. Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274)

II. Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§§ 320, 322)

Teil II Der Inhalt von Schuldverhältnissen › § 7 Die Verbindung von Leistungspflichten durch Zurückbehaltungsrechte › I. Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274)

I. Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht (§§ 273, 274)

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Fall 30:

A spielt mit seinen Freunden auf der Straße Fußball. Als B in seinem Auto vorbeifährt, übersieht ihn A und schießt den Ball gegen das Auto, wobei die hintere Heckscheibe zerbricht. B steigt aus seinem Auto aus und konfisziert den Ball. Auf Nachfrage des A weigert B sich, den Ball herauszugeben. Kann A von B Herausgabe des Balls verlangen? Lösung Rn 362

Fall 31:

V hat einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen K; der Anspruch verjährte am 1.2.2019. Am 1.1.2019 erlangte K seinerseits einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen V. Als K am 1.3.2019 den Kaufpreis von V fordert, hält dieser K die Einrede des § 273 Abs. 1 entgegen. Zu Recht?

1. Grundgedanke

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Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht ist Ausdruck des aus § 242 fließenden Verbots unzulässiger Rechtsausübung[1] und beruht auf einem grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken: Wenn zwei Personen wechselseitige und zusammenhängende Ansprüche gegeneinander haben, soll jeder zur Leistungsverweigerung berechtigt sein, so lange nicht auch der andere Teil leistet. Dieser Grundgedanke kommt vor allem in der zentralen Rechtsfolge des § 274 Abs. 1 zum Ausdruck: Wenn der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 geltend macht, wird er lediglich zur Leistung „Zug um Zug“ verurteilt. Dadurch kann der Schuldner mittelbar auch Erfüllungsdruck auf den Gläubiger ausüben.[2] Denn dieser erhält die ihm gebührende Leistung eben erst, wenn er selber leistet. Das Zurückbehaltungsrecht dient auch der Effizienz: Zusammengehöriges wird rechtlich zusammengeführt und im Prozess auch gemeinsam verhandelt. Das spart zusätzliche Kosten, minimiert den Zeitaufwand für die Klärung zusammengehöriger Ansprüche und wirkt natürlich auch außerhalb von Prozessen darauf hin, dass wechselseitige Ansprüche gemeinsam erledigt werden.

343

§ 273 begründet ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht, das grundsätzlich allen Ansprüchen gegenüber geltend gemacht werden kann – auch dinglichen[3], erbrechtlichen[4] und vermögensbezogenen familienrechtlichen Ansprüchen[5]. Teilweise sieht das Gesetz besondere Zurückbehaltungsrechte vor, die § 273 verdrängen. Beispiele sind § 358, § 1000 sowie §§ 369 ff HGB. Vor allem aber begründet § 320 eine Sonderregel für Ansprüche im Gegenseitigkeitsverhältnis und geht § 273 als lex specialis vor.[6]

2. Das Zurückbehaltungsrecht als Einrede

344

Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des § 273 begründet eine Einrede, so wie beispielsweise auch § 214 für die Verjährung oder § 275 Abs. 2 und Abs. 3 für die Unzumutbarkeit der Leistungserbringung. Der Einredecharakter des § 273 ergibt sich schon aus der Rechtsfolgenanordnung des § 273 Abs. 1: Der Schuldner „kann die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird.“ Anders als Einwendungen werden Einreden vor Gericht nicht etwa schon dann berücksichtigt, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Das bedeutet: Selbst, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 273 erfüllt sind, wird der Schuldner ohne Einschränkung zur Leistung verurteilt, wenn er das allgemeine Leistungsverweigerungsrecht nicht geltend macht. Sein eigener Anspruch – auf den er das Zurückbehaltungsrecht hätte stützen können – wird ihm dadurch freilich nicht genommen; er kann ihn gegebenenfalls in einem eigenen Prozess durchsetzen. Die Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts treten aber nur ein, wenn die Einrede auch geltend gemacht wird; der Schuldner muss sich auf das Zurückbehaltungsrecht also berufen. Die Geltendmachung der Einrede kann im Prozess erfolgen, sie muss es aber nicht: Die Einrede kann auch außerhalb des Prozesses oder in seinem Vorfeld wirksam erhoben werden.

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Auch im Rahmen anderer Regelungen kommt es für § 273 auf die Erhebung der Einrede an: So kann der Schuldner den Schuldnerverzug dadurch vermeiden, dass er ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht.[7] Solange der Schuldner das Zurückbehaltungsrecht allerdings nicht geltend macht, bleibt er in Verzug bzw. gerät er in Verzug:[8] Leistet also der Schuldner trotz Fälligkeit und Mahnung nicht, so tritt Verzug selbst dann ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 273 zwar vorliegen, der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht aber nicht geltend macht. Der Schuldner muss also sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 273 geltend machen, um zu verhindern, dass er in Schuldnerverzug gerät. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Zurückbehaltungsrecht nach § 320: Wegen der besonders engen Verbindung synallagmatischer Ansprüche werden die Verzugsfolgen dort – im Gegensatz zu § 273 – auch schon dann vermieden, wenn lediglich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 320 vorliegen, also ohne, dass der Schuldner die Einrede auch geltend gemacht hat.

Zur Beendigung des Schuldnerverzugs genügt die Erhebung der Einrede aus § 273 nicht mehr: Vielmehr muss der Schuldner dann die seinerseits geschuldete Leistung erbringen oder in Annahmeverzug begründender Weise anbieten.[9]

3. Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts aus § 273

a) Wechselseitige Forderungen

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§ 273 setzt wechselseitige Forderungen voraus: Der Gläubiger muss einen Anspruch gegen den Schuldner, der Schuldner aber zugleich auch einen Anspruch gegen den Gläubiger haben. Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 273 Abs. 1. Ansprüche gegen Dritte begründen dagegen kein Zurückbehaltungsrecht. Auch das ist eine Folge der Relativität der Schuldverhältnisse.[10] Wenn also beispielsweise der Eigentümer eines Oldtimers von einer Reparaturwerkstatt Herausgabe des Oldtimers (§ 985) verlangt, hat die Werkstatt kein (ein Recht zum Besitz iSd § 986 begründendes) Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer werkvertraglichen Ansprüche, wenn nicht der Eigentümer, sondern ein Dritter (beispielsweise der Ehemann des Eigentümers) den Werkvertrag abgeschlossen hat.[11]

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Schwierigkeiten kann der Fall bereiten, dass wechselseitige Ansprüche bestehen, die ein Zurückbehaltungsrecht begründen, nun aber eine Partei ihren Anspruch an einen Dritten abtritt (§ 398). Dadurch kann sich die Position des Schuldners verschlechtern, wenn er zwar einen Anspruch gegen den alten, nicht aber gegen den neuen Gläubiger hat. Das verhindert § 404: Der Schuldner kann ein Zurückbehaltungsrecht auch dem neuen Gläubiger entgegenhalten.[12]

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Im Gegensatz zur Aufrechnung[13] müssen die Ansprüche nicht gleichartig sein. Äpfel lassen sich zwar nicht gegen Birnen aufrechnen, denn § 387 verlangt die Gleichartigkeit der Forderungen. Aber man kann die Leistung von Birnen verweigern, wenn man – unter den weiteren Voraussetzungen des § 273 – einen Anspruch auf Äpfel hat. Bei gleichartigen Ansprüchen ist die Aufrechnung vorrangig. Im Prozess bringt die Rechtsprechung den Schuldner auf den richtigen Weg, wenn er – statt aufzurechnen – nur ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, obwohl er eine gleichartige Forderung hat. Regelmäßig wird ein Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung (vgl § 274) in eine Aufrechnung umgedeutet.[14]

b) Konnexität der Ansprüche („aus demselben rechtlichen Verhältnis“)

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Der Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger muss § 273 Abs. 1 zufolge „aus demselben rechtlichen Verhältnis“ stammen, „auf dem seine Verpflichtung beruht“. Dieses Erfordernis – das die Aufrechnung nicht hat – bezeichnet man auch als Konnexität. Der Wortlaut dieser Voraussetzung scheint ein eher enges Verständnis nahezulegen. Dies trifft aber nicht zu. Mit Blick auf den Zweck des § 273 ist das Erfordernis vielmehr weit auszulegen. Das erklärt sich aus dem grundlegenden Gerechtigkeitsgedanken, der § 273 zugrunde liegt.[15] Zudem ist die Verbindung zweier Ansprüche bei der Geltendmachung auch effizient: Sie spart Rechtsdurchsetzungskosten, weil der Schuldner seinen eigenen Anspruch ja notfalls in einem eigenen Prozess durchsetzen müsste, wenn ihm § 273 nicht als Abwehrmöglichkeit zur Verfügung stünde. Die stRspr legt den Begriff daher zu Recht weit aus. Es ist nicht nötig, dass die Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis stammen. Es genügt vielmehr, dass ihnen ein innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt.[16] Vertragliche Ansprüche müssen dafür in einem solchen natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen durchgesetzt werden könnte.[17] So genügt etwa eine ständige Geschäftsbeziehung zwischen zwei Unternehmen, wenn zwar verschiedene Vertragsverhältnisse vorliegen, diese aber wegen ihres zeitlichen oder sachlichen Zusammenhangs als natürliche Einheit erscheinen.[18] Wenn beispielsweise die Deutsche Bahn AG gegen die Siemens AG Gewährleistungsansprüche wegen Fehlern in einer ICE-Lieferung aus 2018 hat, kann sich die Siemens AG wegen ihrer Zahlungsansprüche gegen die Deutsche Bahn AG aus einer Schienenlieferung aus 2019 gegebenenfalls auf § 273 berufen. Auch ein nichtiger Vertrag, der Grundlage wechselseitiger Bereicherungsansprüche ist, begründet ein einheitliches Rechtsverhältnis iSd § 273 Abs. 1.[19]

350

Einen gesetzlichen Fall der Konnexität regelt § 273 Abs. 2: Wer zur Herausgabe eines Gegenstandes verpflichtet ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht auf seine fälligen Ansprüche wegen Verwendungen auf den Gegenstand geltend machen oder auch wegen eines ihm durch den Gegenstand verursachten Schadens. Das gilt nur dann nicht, wenn der Schuldner den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat. Wenn beispielsweise Ihr Nachbar während Ihres Urlaubs Ihre Wellensittiche hütet, hat er wegen seiner Fütterungskosten (§ 693) ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 2 gegen Ihren Anspruch auf Herausgabe der Vögel (§ 695). Ein anderes Beispiel bietet der Fall, dass jemand rechtswidrig auf Ihrem Grundstück parkt. Der Eigentümer kann zwar Herausgabe des Autos verlangen. Sie haben jedoch Ihrerseits einen Anspruch auf Zahlung der Abschleppkosten, der Ihnen ein Zurückbehaltungsrecht iSd § 273 Abs. 2 vermittelt.

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Ein praktisch wichtiger weiterer Fall der gesetzlichen Konnexität ist § 1000.

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