Loe raamatut: «Winterfunke»
Deutsche Erstausgabe (PDF) Januar 2016
Digitale Neuauflage (PDF) März 2021
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2014 by Heidi Cullinan
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Sleigh Ride«
Published by Arrangement with Dreamspinner Press,
5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2016 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN-13 (Print): 978-3-95823-566-3
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen
von Jilan Greyfould
Liebe Lesende,
vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.
Vielen Dank!
Euer Cursed-Team
Klappentext:
Arthur ist frustriert: verlassen vom besten Freund und bequemen Fick, vorübergehend ohne Job und eine Familie im Nacken, die nur sein Bestes im Sinn hat. Als seine Mutter ihn für eine Kinder-Benefizveranstaltung einspannen will, spricht zunächst nichts dagegen – bis Arthur erfährt, wer ihn dabei unterstützen soll. Ausgerechnet der verklemmte Bibliothekar Gabe soll als Elf neben Weihnachtsmann Arthur kleine Waisen glücklich machen. Doch unter Gabes kalter Fassade schlummert ein Funke, der schnell ein erotisches Feuer zwischen ihnen zum Lodern bringt.
Widmung
Für die Bibliothekare.
Ihr gebt Kleinstadtkindern wie mir die Welt. Ihr gebt uns Geschichten, Wissen und Möglichkeiten, nach unseren eigenen Sternen zu greifen, und ihr verurteilt uns nie, sondern lächelt nur und helft uns zu wachsen. Jeden Tag lehrt ihr uns, in großen Städten und mitten im Nirgendwo, Was wäre wenn zu sagen.
Aus tiefstem Herzen: Danke.
Kapitel 1
Jeder in Arthur Andersons Leben war auf ein glücklich bis ans Ende- hrer Tage fixiert und es kotzte ihn ernsthaft an.
Er freute sich für seinen Freund Marcus, schließlich war der mit Frankie, dem süßen kleinen Friseur, der letztes Jahr in einem Schneesturm bei ihnen gestrandet war, jetzt so gut wie verheiratet. Seit der Highschool hatte Arthur gewusst, dass Marcus' grummelige Fassade einen weichen und schnulzigen Kern verbarg – der kräftige, zum Anwalt gewordene Holzfäller sehnte sich nach nichts mehr als nach jemandem, den er lieben konnte. Frankie wollte an der Main Street Haare schneiden, während Marcus Konferenzen der Handelskammer beiwohnte und eine Kanzlei auf der anderen Seite von Frankies Laden unterhielt. Das war schön und gut, aber ihr häusliches Glück brachte alle auf gefährliche Gedanken. Jetzt fanden nämlich alle, dass auch Arthur zum Turteltäubchen werden sollte.
Die schlimmste Übeltäterin war Arthurs Mutter. Nachdem sie fünfzehn Jahre lang Arthurs Liebesleben seine eigene Angelegenheit hatte sein lassen, fragte sie ihn jetzt regelmäßig, wann er Paul, seinen anderen besten Freund, endlich zu einem ehrbaren Mann machen würde. Paul war nicht Arthurs Partner, war es nie gewesen. Paul und Arthur wohnten und schliefen zusammen, aber sie waren nicht zusammen und trafen sich mit anderen Männern. Manchmal auch zur gleichen Zeit mit denselben. Hin und wieder entschied Paul, einen festen Freund zu haben, und schlief auf dem Sofa statt neben Arthur auf dem Dachboden, doch das hielt nie länger als eine Woche. Diese Vereinbarung kam Arthur sehr gelegen und er hatte angenommen, dass es so weitergehen würde, bis er zu alt war, um noch einen hochzubekommen.
Jetzt allerdings waren Marcus und Frankie zusammen und irgendwie änderte das alles. Marcus hatte nur kurze Zeit bei Paul und Arthur gewohnt, bevor er mit Frankie zusammengezogen war, doch bereits zwei Monate nach Marcus' Auszug begann Paul, Andeutungen fallen zu lassen, dass auch er und Arthur offiziell ein Paar werden sollten. Während das Jahr verstrich, wurden diese Andeutungen zu klaren Äußerungen und nachdem er Marcus und Frankie sieben Monate dabei beobachtet hatte, wie sie glückliches Eheleben spielten, setzte Paul ihm ein Ultimatum. Entweder würde Arthur aufhören, andere Kerle zu treffen, und offiziell mit Paul zusammen sein oder Paul würde ausziehen.
Arthur handhabte das, indem er diesen Schwachsinn komplett ignorierte. Was bedeutete, dass Paul in der ersten Augustwoche begann, seine Taschen zu packen.
Arthur war genervt. »Du willst einen Partner? Gut. Wir können aufhören, miteinander zu schlafen. Du kannst mit Männern ausgehen und immer noch hier wohnen. Wir bauen dir ein Schlafzimmer. Ich bringe auch einen Gleitgelspender über dem Kopfende an.«
»Nein, ich kann hier nicht bleiben. Wenn ich jemanden zur Hütte mitbringe, verschreckst du ihn nur oder versuchst, einen Dreier zu haben.«
Das Problem daran erkannte Arthur zwar nicht wirklich, aber wie auch immer. »Dann werden wir eben keine Dreier haben. Problem gelöst.«
Paul ließ sich nicht umstimmen. »Ich kann mit niemandem zusammen sein, während ich mit dir zusammenwohne. Ich muss umziehen.«
Dieser Streit zog sich hin, bis Paul am Südende der Stadt eine Doppelhaushälfte zur Miete fand und plötzlich nicht mehr nur davon sprach, auszuziehen oder Kartons zu packen, sondern es tatsächlich tat. Arthur weigerte sich, ihm zu helfen, was bedeutete, dass er wie ein schmollendes Kind am Rand des Grundstücks auf und ab lief, während Frankie und Marcus Pauls Sachen einluden und ihn mitnahmen. Bevor sie abfuhren, warf Marcus ihm einen finsteren Blick zu. »Du benimmst dich wie ein Idiot und du tust ihm weh.«
Die Arme vor der Brust verschränkt, starrte Arthur über das grasbedeckte Heufeld hinter der Baumgrenze. »Ja, tja, das beruht auf Gegenseitigkeit.« Er hielt inne und runzelte die Stirn, als er abwog, ob das überhaupt Sinn ergab. »Ich meine, er benimmt sich auch wie ein Idiot.«
»Er will immer noch mit dir befreundet sein, aber du machst daraus ein Alles-oder-nichts. Nur dass es das nicht ist. Er würde dich heiraten, wenn du ihn fragen würdest…«
Empört schnaubte Arthur durch die Nase.
»… aber er weiß, dass er nicht mal eine exklusive Verpflichtung aus dir rausbekommen würde, geschweige denn ein Haus und Kinder. Also geht er den klugen Weg und steigt aus, bevor ihr einander hasst.«
»Ich würde Paul nie hassen.« Wütend starrte er Marcus an. »Und das ist ein Haufen Schwachsinn, dass er ein Haus und Kinder haben will. Ich kauf dir keine Sekunde lang ab, dass er sich Kinder wünscht.«
Marcus sah Arthur direkt in die Augen. »Nein. Aber es gab eine Zeit, als du welche wolltest.«
Mit einem Zischen wandte Arthur sich ab. »Gott. Da war ich zehn und hab immer noch so getan, als könnte ich mal ein Mädchen heiraten.«
»Ja – weil das der einzige Weg war, um Babys zu bekommen. Du hast die ganze Zeit große Töne gespuckt, wie du deinen Sohn mit auf die Jagd nehmen und ihm Hockey beibringen würdest. Wie du jeden verprügeln würdest, der dein Mädchen schlecht behandelt.«
»Ja, na ja, Menschen ändern sich. Jetzt hab ich Thomas, Brianna und die kleine Sue.«
»Du übersiehst mit Absicht, was ich dir damit sagen will. Ich denke nicht nur, dass du dasselbe willst, was er sich wünscht, ich weiß es. Du willst sogar noch mehr.«
»Tu ich nicht und jetzt hör verdammt noch mal auf, darüber zu reden.«
Marcus warf die Hände in die Höhe. »Frankie und ich werden jetzt deinem besten Freund beim Auszug helfen und versuchen, ihn etwas aufzumuntern, weil ein gewisses Arschloch ihm immer wieder das Herz bricht und ihn vollkommen verwirrt. Du tust, was immer du tun musst.«
Arthur zuckte zusammen, sagte jedoch nichts und blieb stehen, bis er Marcus' SUV und Pauls Wagen von der Auffahrt rollen hörte. Dann ging er zurück ins Haus, das jetzt, da Paul und all seine Sachen fehlten, einsam und still wirkte.
Es war wirklich ätzend. Und auch als die Tage allmählich zu Wochen wurden, wurde es nicht weniger ätzend.
Da er am Ende eines Arbeitstages nichts anderes zu tun hatte, gewöhnte Arthur sich an, im Werkschuppen zu sitzen, Schrott zu sortieren und seinen Reparaturhaufen und die Projekte in Angriff zu nehmen, mit denen seine Mutter ihm in den Ohren lag. Er reparierte einen Toaster und die alte Kommode, die sie als kleines Mädchen besessen hatte. Auch die Esszimmerstühle brachte er in Ordnung, sogar den, der in sechs Einzelteile zerbrochen war, und am ersten Sonntag im September gab er alles bei seinen Eltern ab.
»Oh, Arthur, danke dir.« Corrina Anderson küsste ihren Sohn auf die Wange und bedeutete ihm, mit der ersten Möbelfuhre hereinzukommen. »Das Abendessen ist fast fertig.«
Mit einem Nicken blickte Big Tom über den Rand seiner Brille von seinem Platz neben dem Fenster auf, wo er Zeitung las und einen Schluck aus einer Tasse nahm, auf der Bilder von seinen Enkelkindern prangten. »Schön, dich zu sehen, mein Sohn.«
Arthur setzte die Stühle ab. Aus dem Wohnzimmer, wo Arthurs Nichte und Neffe spielten, drang Gelächter. Thomas ließ Spielzeugtrucks auf dem Teppich hin und her fahren, während seine kleine Schwester kichernd in unsteten Kreisen um ihn herum rannte.
Becky saß mit dem Baby auf dem Schoß im Schaukelstuhl. »Hey«, sagte sie müde, als Arthur den Raum betrat.
Er lehnte sich gegen den Türrahmen. »Wie geht es dir?«
»Wie immer. Kein Job, mein nichtsnutziger Ex zahlt die Alimente nicht, ich bekomme keine Arbeitslosenunterstützung mehr und wohne bei meinen Eltern.«
Arthur runzelte die Stirn. »Bei dem Restaurant in Eveleth hat es nicht geklappt?«
»Die haben mir ständig Spätschichten verpasst. Ich hab Thomas nie gesehen, außer um ihn morgens zum Bus zu bringen, und ich konnte ihn und Brianna nie ins Bett bringen.«
Mit einem breiten Lächeln sah der sechsjährige Thomas zu Arthur auf. »Hi, Onkel Arthur.«
Arthur grinste und hockte sich neben ihn auf den Teppich. »Hey, Kumpel. Hilfst du mir dabei, Omas Durchlauferhitzer zu reparieren?«
Thomas strahlte ihn an und sprang eilig auf die Füße. »Ich hol mein Werkzeug.«
Während Thomas die Treppe hinaufstapfte und sich durch seinen Schrank wühlte, wirbelte Arthur Brianna so lange im Kreis, bis Becky ihn wütend anfuhr. Dann ging er in die Küche, um sich eine Tasse Kaffee zu besorgen und auf Thomas zu warten.
Seine Mutter warf ihm vom Herd aus einen Blick zu, während sie die Bratensoße umrührte. »Hast du gerade gesagt, du willst den Durchlauferhitzer in Ordnung bringen?«
Arthur nickte ihr über den Rand seiner Tasse hinweg zu. »Ich glaube, ihr braucht eine neue Anode. Als ich gestern in der Stadt war, hab ich eine besorgt.«
»Danke, Schätzchen. Du bist eine große Hilfe.« Ihr Rühren gewann an Bedacht und Fokus, was Arthur warnte, dass ihn etwas Unangenehmes erwartete. »Gestern habe ich Paul auf dem Markt getroffen. Du hast mir gar nicht erzählt, dass er ausgezogen ist. Habt ihr euch gestritten?«
Arthur presste die Lippen aufeinander und griff nach seiner Tasse. »Wenn Thomas runterkommt, sag ihm, dass ich im Keller bin.«
Noch immer mit dem Schneebesen in der Hand folgte Corrina ihm die Treppe hinunter. »Ihr habt euch gestritten. Oh, Schätzchen.«
Arthur marschierte zum Durchlauferhitzer und zog den Schraubenzieher aus seiner hinteren Hosentasche, um die Abdeckung abzuschrauben. »Mom, hör auf.«
»Kannst du nicht mit ihm reden? Du sprichst viel zu wenig mit ihm, weißt du. Du bist immer so abweisend.«
»Mom.« Arthur atmete hörbar aus und ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten. »Ich will nicht über Paul reden.« Gott, wenn sie jetzt auch noch davon anfing, dass er Kinder haben sollte, würde er seinen Kopf in eine Schneewehe stecken.
Sie sprach nicht über Kinder, doch sie seufzte schwer und er konnte beinahe hören, wie die Zahnräder in ihrem Kopf zu arbeiten begannen, als sie überlegte, wie sie über Paul reden konnte, ohne über Paul zu reden. »Ich denke, ich sollte nach meiner Soße sehen. Da fällt mir ein – kannst du dir noch meine Kochplatte ansehen, bevor du gehst? Sie funktioniert wieder nicht richtig.«
Den Rest des Tages ließ sie das Thema Paul ruhen. Im Handumdrehen ersetzten Arthur und Thomas die Anode und sie genossen ein leckeres Abendessen. Er ließ sich alles über die Pläne seiner Mutter für einen neuen Job für Becky in einer Zahnarztpraxis in Eveleth und den bevorstehenden Festumzug von Thomas' Schule erzählen.
Während Becky und Corrina den Abwasch übernahmen, kümmerte sich Arthur mit Thomas' Hilfe um die Kochplatte.
Es fühlte sich gut an, bei seinen Eltern zu sein, und Arthur begann, regelmäßiger vorbeizuschauen. Es war schön, dass ihm etwas zu essen gemacht wurde, aber es gab auch viel zu tun und mit seinem kaputten Bein und seiner Arthritis war Big Tom doch sehr eingeschränkt. Becky brauchte jemanden zum Reden, der nicht Corrina war, und Thomas brauchte ein gutes männliches Vorbild.
Ganz davon abgesehen, dass es wegen Paul politisch kompliziert geworden war, sich mit Frankie und Marcus zu treffen.
Eines Abends, nachdem er und Thomas die Abwasserleitung gereinigt hatten, bekam Arthur Abendessen und Nachtisch, den mit Pudding und Eis, von dem seine Mutter wusste, dass er ihn liebte.
Er hatte angenommen, dass das seine Belohnung für einen Nachmittag voller harter Arbeit war, aber nein. Das Dessert war ein Köder und als Arthur seinen leeren Teller in die Küche brachte, ließ seine Mutter die Falle zuschnappen.
»Weißt du«, sagte sie in einem Tonfall, der ihm sofort eine Warnung hätte sein müssen, »ich glaube, der Nachtpfleger im Altenheim ist Single.«
Mit dem Teller auf halbem Weg in die Spüle erstarrte Arthur. »Mom, ich werde nicht mit Kyle ausgehen. Ich werde mit niemandem ausgehen, weil ich keine Dates habe.«
»Was stimmt nicht mit Kyle? Er ist ein netter Junge.«
»Junge, Mom. Er ist wie alt? Neunzehn?«
»Ich nehme an, das ist ein wenig jung für einen Vierzigjährigen.«
Arthur starrte sie finster an. »Ich bin erst neununddreißig.«
Corrina winkte ab. »Im April wirst du vierzig.« Sie tippte sich mit dem Finger an die Wange, während sie offensichtlich alle ihr bekannten schwulen Männer in einem 80-Kilometer-Radius durchging.
Arthur entschied, der Schlange sofort den Kopf abzuschlagen. »Mom, du musst mich nicht verkuppeln. Mir geht's gut.«
»Es geht dir mit Sicherheit nicht gut. Ich habe Paul in dieser Woche mit zwei verschiedenen Männern gesehen. Er wird nicht zurückkommen – und du wirst nicht jünger.«
»Mom.«
»Was ist mit diesem netten Mann, der das Bed and Breakfast in Cloquet Valley betreibt? Der ist doch schwul, oder?«
So ging es den ganzen September unentwegt weiter, bis Arthur sich innerlich für einen weiteren Ansturm potenzieller Dates wappnete, wenn er seine Mutter seine Auffahrt entlangkommen sah. Es gab einen schrecklichen Moment, als er Corrina dabei erwischte, wie sie sich bei Grindr einzuloggen versuchte – wenn sie sein Profil tatsächlich gefunden hätte, na dann Gute Nacht. Obwohl er bezweifelte, dass irgendetwas sie noch überraschen konnte, nachdem sie seine Pubertät überstanden hatte.
Dass seine Mutter Amor spielen wollte, war problematisch. Nicht nur, weil Arthur niemanden daten wollte, sondern auch, weil er sich niemals mit den netten Jungen befassen würde, wie Corrina ihre zukünftigen Schwiegersöhne immer vorstellte, selbst wenn er daten würde. Es war ihm unmöglich, zu erklären, dass er einen Mann wollte; einen großen, groben, rauen Mann. Ein bisschen Kuscheln war ganz nett, aber erst nach hartem Sex und einer Menge Dirtytalk. Nette Jungs würden einen Chat mit RedBear69 niemals mit einem anzüglichen Bild beginnen. Und bis sie es taten, hatte Arthur keine Zeit für sie.
Corrina ließ sich von Arthurs Abweisungen nicht abschrecken. Sie begann, häufiger bei seiner Hütte aufzutauchen. Für gewöhnlich hatte sie dann Tupperdosen mit eingefrorenen Essensresten dabei und konnte immer mit Neuigkeiten über einen weiteren zukünftigen Partner aufwarten.
Am Montag vor Halloween erwartete sie Arthur zu Hause, als er von der Arbeit kam. Sie bereitete gerade einen Braten auf der Anrichte in der Küche vor und strahlte ihn an, als er den Raum betrat. »Arthur, Schatz, du bist aber früh zu Hause.«
Mit einem Grummeln sank Arthur in seinen Lehnsessel. Heute war ein Tag, an dem er seine Mutter tatsächlich sehen wollte. »Sie haben das Sägewerk bis einschließlich Neujahr geschlossen. Wir haben es gerade erfahren.«
»Was?« Corrina ließ die Karotte sinken, die sie gerade schälte. »Das Werk wird stillgelegt?«
»Vorübergehend.« Obwohl es Gerüchte gab, dass sie die Anzahl der Arbeiter um die Hälfte reduzieren würden, wenn der Betrieb wieder aufgenommen wurde.
»Aber als was arbeitest du denn dann? Als was arbeiten dann alle anderen?« Missbilligend schnalzte Corrina mit der Zunge. »So etwas so kurz vor Weihnachten zu machen, grenzt an ein Verbrechen.«
»Wir sammeln für die Arbeitslosenunterstützung, das ist immerhin etwas, denke ich. Außerdem kann ich dann mal wieder richtig jagen gehen.« Was er – wie ihm gerade bewusst wurde – das erste Mal seit Ewigkeiten ohne Paul würde durchziehen müssen.
Für einen Moment beschäftigte sich seine Mutter mit dem Braten. Dann sagte sie viel zu beiläufig: »Da gibt es noch etwas, worüber ich mit dir reden wollte.«
Arthur schloss die Augen und ließ den Kopf zurückfallen. »Mom, ich werde mit niemandem ausgehen, also spar dir den Atem.«
Sie fuhr fort, als hätte er nichts gesagt: »Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, dass du gezwungenermaßen Urlaub hast, andernfalls hätte ich mir Sorgen gemacht, dass du keine Zeit haben könntest. Es gibt da ein Projekt, das ich für die Bibliothek plane.«
Die Bibliothek? Stirnrunzelnd richtete Arthur sich auf. Er wusste, dass seine Mutter im Bibliotheksvorstand war, aber wie um alles in der Welt er der Bibliothek helfen sollte, musste er sich anhören. »Was denn?«
»Der Vorstand will um Weihnachten herum eine Benefizveranstaltung organisieren. Wir haben fast keine Fördergelder mehr, weißt du, und obwohl Gabriel im kommenden Frühling neue beantragen will, dachten wir, dass wir ihm etwas unter die Arme greifen könnten. Wir werden ein paar Spenden einsammeln und dabei helfen, die Finanzlücken zu schließen, um uns ein paar mehr Monate zu erkaufen, sollte das Schlimmste passieren.« Sie strahlte. »Wir werden Schlittenfahrten anbieten.«
Arthur lachte. »Was, wollt ihr etwa Opa Andersons altes Biest aus dem Schuppen holen?«
»Daran habe ich gedacht, genau.« Sie lehnte sich gegen die Anrichte. »Ich will eine große Sache daraus machen. Frankies Freunde aus der Stadt einladen, vielleicht auch Leute aus Duluth. Es könnte sowohl der Stadt als auch der Bibliothek Geld einbringen. Alle würden gewinnen. Allerdings… braucht der Schlitten ein wenig Zuwendung. Glaubst du, du könntest ihn dir mal ansehen?«
Gott, Arthur hatte seit Jahren nicht mehr an den Schlitten gedacht. »Ich bin mir nicht sicher, wie viel ich da retten kann, aber ich werde mein Bestes geben.«
»Wunderbar. Wenn du das nächste Mal bei uns bist, holen wir ihn aus dem Schuppen und schauen ihn uns an.« Sie stieß sich von der Anrichte ab und nickte in Richtung Ofen, in den sie den Bräter geschoben hatte. »Gib ihm Zeit bis sechs Uhr, Schatz, dann hast du ein leckeres Abendessen. Ich werde auch herumfragen und sehen, ob jemand Arbeit für dich hat. Es würde dir nicht guttun, tatenlos herumzusitzen, jetzt, da das Werk geschlossen hat und Paul weiterzieht.«
Der Kommentar über Paul bereitete Arthur Sorgen, dass es doch eine Falle war. Dass er ihr dadurch, dass er der Reparatur des Schlittens zugestimmt hatte, eine Verkupplungsmöglichkeit bot. Aber egal, wie er es in seinem Kopf auch drehte und wendete, er konnte sich nicht vorstellen, wie selbst eine Corrina Anderson Schreinern in ein Happy End verwandeln wollte. Also machte er sich daran, mit Thomas über Schlittenrestauration zu recherchieren, während er die kleine Sue hielt und Brianna gebadet wurde. Generell kümmerte er sich um das, was sein Exschwager so vernachlässigte.
Na also. Er war irgendwie doch Vater, zeitweise zumindest, und wenn er sich irgendwann wieder auf Grindr einloggte, würde er seinen Kink befriedigen können. Es war das Beste aus beiden Welten, sagte er sich selbst.
Allerdings hatte er jedes Mal, wenn er nach Hause in seine leere Hütte zurückkehrte, Schwierigkeiten zu glauben, dass er alles hatte.
***
Gabriel Higgins hatte sich an viele Dinge in Kleinstadtbibliotheken gewöhnt – Mikrobudgets, monatliche Diskussionen über den Regalinhalt und einen Bibliotheksvorstand voller Rentner, die Fehden und Grolle wie Highschoolschüler handhabten. Aber Corrina Anderson? Er war sich ziemlich sicher, dass ihn nichts im bekannten Universum auf die Präsidentin des Bibliotheksvorstands hätte vorbereiten können.
Als er die Stelle des Direktors von Minnesotas winziger, erfolgloser Bibliothek in Logan angenommen hatte, hatte er es in dem Wissen getan, dass irgendwann herauskommen würde, dass er schwul war, und dass seine sexuelle Orientierung voraussichtlich einige Spannungen hervorrufen würde.
Während diese Spannungen eigentlich genau so eingetreten waren, wie er es vorhergesagt hatte – einige seiner Stammkunden bedachten ihn mit Seitenblicken, die offenlegten, dass sie um seine Seele fürchteten –, fand er andererseits auch PFLAG-Flyer unter den Werbeprospekten im Eingangsbereich und natürlich war da noch Corrina. Als sie nach seiner Freundin fragte und er ihr erklärte, dass er schwul war, war sie begeistert – und begann, ihm potenzielle Partner vorzuschlagen. Nie verpasste sie eine Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass der-und-der schwul und ungebunden war, und immer hatte sie zufällig die Telefonnummer von dem betreffenden Mann parat. Die Tatsache, dass Gabriel nichts Besseres zu tun hatte, als die Telefonnummern zu zerreißen, hielt ihren Strom nicht auf.
Er konnte sie noch nicht einmal einfach wegwerfen – sie fischte die Zettelchen aus dem Papierkorb, strich sie glatt und ließ sie auf seinem Tisch liegen.
Achtzehn Monate lang hatte er ihre Bemühungen ertragen und bereitwillig so getan, als würde er auf ihre Vorschläge für potenzielle Verehrer reagieren, um den Frieden zu wahren. Im Oktober hatte sie allerdings angefangen, Andeutungen in Richtung ihres Sohnes fallen zu lassen, und Gabriel befand, dass die Zeit reif war, um nicht mehr nur unerschütterlich zu sein, sondern vielmehr eindeutig zu werden.
Er stellte sich vor sie hin und war zum ersten Mal froh über seine 1,90 Meter, weil er weiß Gott jeden Vorteil gegenüber seiner ganz persönlichen Nemesis gebrauchen konnte. »Corrina, ich bin mir sicher, dass Ihr Sohn ein wundervoller Mann ist, aber ich bin nicht interessiert.«
Resolut wie eh und je verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Sie sind nie interessiert, junger Mann, noch nicht einmal an Freunden. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Frankie Blackburn Sie mehrmals eingeladen hat, ins Kino oder in ein Restaurant zu gehen oder ihn und Marcus in ihrem Haus zum Essen zu besuchen, doch Sie haben jedes Mal abgelehnt. Ebenso wenig kann ich Sie für ein Sonntagsessen bei uns begeistern. Ich weiß, dass Sie nicht ablehnen, weil Sie sich für etwas Besseres halten.«
Diese Bemerkung traf ihn. »Nein, tu ich nicht.« Er seufzte. »Ich bin nicht sehr gesellig. Es ist nichts Persönliches gegen Sie oder jemand anderen.«
»Niemand kann so ungesellig sein.« Sie lächelte und tätschelte seinen Arm. »Kommen Sie zum Abendessen bei uns vorbei. Schließlich müssen Sie etwas essen.«
Gabriel wusste, dass ein Abendessen bei ihr zu Hause in jedem Fall niemand Geringeres als Arthur Anderson beinhalten würde. »Vielleicht ein andermal.«
Er war überrascht, wie schnell sie seine Absage akzeptierte, und war deswegen die restliche Woche über besonders auf der Hut, da er einen weiteren Angriff erwartete. Der kam letztendlich auch, jedoch aus einer völlig anderen Richtung, sodass er sich nicht sicher war, was er damit anfangen sollte. »Sie wollen… eine Schlittenfahrt-Benefizveranstaltung ausrichten?«
Corrina strahlte. »Ja, das will ich. Alle sind so aufgeregt. Oh, das wird ganz großartig. Altmodische Schlittenfahrten die Main Street hoch und runter. Es war der Schlitten meines Vaters. Als er aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause gekommen ist, hat er ihn bei einer Haushaltsauflösung gekauft und repariert. Und dann hat er ihn jedes Weihnachten hervorgeholt und uns Fahrten wie in den guten alten Zeiten beschert. Der Schlitten muss ein wenig aufpoliert werden, bevor wir ihn benutzen können, aber ich dachte, dass ein wenig Nostalgie genau das ist, was wir jetzt brauchen können, da das Sägewerk geschlossen wurde und der Winter so früh kommt. Wir könnten auch mehr als nur Fahrten anbieten. Vielleicht können wir danach eine Feier ausrichten.«
»Das klingt… toll.« Gabriel versuchte immer noch, den Haken an der Sache zu finden. Bei Corrina würde es auf jeden Fall einen geben. »Bitten Sie mich gerade, das Fest zu organisieren?«
»Himmel, nein. Darum werde ich mich kümmern. Ich wollte Sie nur über unsere Pläne in Kenntnis setzen. Hoffentlich bekommen wir genug Geld zusammen, damit wir Ihr Gehalt bezahlen können, falls wir die Fördergelder nicht bekommen sollten.«
Das war ein wiederkehrendes Thema beim gesamten Bibliotheksvorstand und jetzt ergab die seltsame Benefizveranstaltung auch Sinn. »Corrina, wie ich Ihnen bereits gesagt habe, mache ich mir keine Sorgen um die Fördergelder. Wenn sie uns ausgehen, werden Sie sicherlich einen Weg finden, um mich zu bezahlen.«
Sie runzelte die Stirn und deutete auf seinen Tisch. »Ich habe die Jobangebote gesehen, die Sie bekommen. Ich will nicht, dass irgendjemand Sie uns wegnimmt, nur weil wir zu schlecht bezahlen.«
»Es ist nett von Ihnen, an mich zu denken, aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht für Geld aus Logan weggehen werde.«
Misstrauisch beäugte sie ihn. »Aber warum um alles in der Welt würden Sie bleiben, wenn Sie an niemanden hier gebunden sind?«
Oh, deshalb war sie so darauf fixiert, ihn mit jemandem zusammenzubringen. Gabriel entspannte sich. »Bedenken Sie, dass auch ich aus einer Kleinstadt komme. Die Großstadt ist nichts mehr für mich und kleine Bibliotheken liegen mir sehr am Herzen. Ich mag Logan und ich mag Ihre Bibliothek. Ich brauche keinen Partner, um hier glücklich zu sein. Ich brauche generell keinen Partner, Punkt. Ich bin mit meinem Job verheiratet.«
Er hatte diese Lüge schon so oft gesagt, dass er sie beinahe glaubte.
»Aber Sie würden mit einem Partner hier glücklicher sein. Oder zumindest mit ein paar Freunden.«
Gabriel zog seine emotionalen Mauern wieder hoch, bevor Corrina sie noch weiter einreißen konnte. »Die Benefizveranstaltung klingt wundervoll. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss noch ein paar Bücher einsortieren.«
Den Rest des Tages behelligte sie ihn nicht weiter damit und zum Glück gingen ihre Verkupplungsversuche ebenfalls zurück. Sie hielt ihn wegen der Benefizveranstaltung auf dem Laufenden – während der nächsten Vorstandsversammlung musste er sich eine ganze Menge darüber anhören und jeden zweiten Tag kam sie mit neuen Ideen in der Bibliothek vorbei. Sie zeigte ihm das Schnittmuster des Weihnachtsmannkostüms, das eine ihrer Freundinnen nähte, was ihn für kurze Zeit nervös machte, doch glücklicherweise war das Kostüm nicht annähernd groß genug für Gabriels lange, schlaksige Beine.
Kurz vor Halloween begann sie, ihm von dem Schlitten zu erzählen, den anscheinend ihr Sohn restaurierte, und ihre Einladungen zum Essen beinhalteten nun auch Ermunterungen, sich anzusehen, wie großartig die Fortschritte waren. Sie zeigte ihm Bilder auf ihrem Handy – augenscheinlich war er größtenteils immer noch ein Haufen Schrott, aber Gabriel konnte sich bereits jetzt vorstellen, wie er durch den Schnee glitt.
Corrina lächelte, als er ihr das sagte. »Ich kann es kaum erwarten, bis er fertig ist.«
»Wer wird ihn fahren?«, fragte Gabriel, der trotz allem begann, Gefallen an dem Projekt zu finden.
»Arthur wird sich von Mr. Peterson unterrichten lassen, sobald er die Arbeit beendet hat. Gary hat Zugpferde, die man auch vor einen Schlitten spannen kann. Jetzt muss Arthur es noch lernen und wir sind startklar.« Sie tätschelte Gabriels Arm. »Ich wollte ja Sie bitten, es zu lernen, aber das hätte nicht richtig ausgesehen, nicht wahr? Wenn der Elf den Weihnachtsmann fährt?«
Einen furchtbaren Moment lang setzte Gabriels Herzschlag aus. »Elf?«
»Habe ich das nicht erwähnt? Sie werden den Helfer vom Weihnachtsmann spielen. Ihr Kostüm ist fast fertig – es ist so bezaubernd. Die Kinder werden es lieben. Sie lieben Sie und werden von der Vorstellung, dass Sie mit dem Weihnachtsmann befreundet sind, ganz entzückt sein.«
Da erkannte Gabriel, wie gut er ausgetrickst worden war. Wie das alles am Ende doch eine Verkupplungsfalle war. »Ich nehme an, Arthur wird den Weihnachtsmann spielen?«
»Natürlich. Es wird eine Herausforderung sein, seine roten Haare zu verstecken, aber das werden wir schon irgendwie hinbekommen. Frankie wird uns helfen.«
Gabriel wusste gar nicht, wo er mit dem Protestieren anfangen sollte. Er wusste nur, dass er sich aus der Affäre ziehen musste, und zwar jetzt. »Mrs. Anderson, ich fühle mich geschmeichelt, aber –«
»Es wird wahrhaftig eine der bezauberndsten Veranstaltungen, die wir seit Jahren in Logan hatten. Mein Enkel ist schon so aufgeregt, dass ich ihn abends kaum ins Bett bekomme. Sie werden wie immer perfekt sein. Alle hier lieben Sie, das wissen Sie, und wir werden alle so stolz darauf sein. Ein großes Ereignis, wie man es sonst nur in der Stadt veranstalten würde. Machen Sie sich bloß keine Sorgen. Arthur ist ein guter Junge – er wird sich um alles kümmern. Alles, was Sie tun müssen, ist, am Tag der Benefizveranstaltung aufzutauchen und wie immer bezaubernd zu sein. Ich möchte, dass das Kinderheim in Pine Valley auch daran teilnimmt. Vielleicht können wir eine besondere Geschenkelieferung vom Weihnachtsmann organisieren.«