Von Vampiren, Kriegern und Dieben

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Von Vampiren, Kriegern und Dieben
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Heike Möller

Von Vampiren, Kriegern und Dieben

Teil 2

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1: Schlechte Nachrichten

Kapitel 2: Richtfest

Kapitel 3: Eine unvergessliche Nacht

Kapitel 4: Kleine Veränderungen

Kapitel 5: Neue Gefahren

Kapitel 6: „Wehre dich nicht!“

Kapitel 7: Ungewissheit

Kapitel 8: Die Festung

Kapitel 9: Rashids Bekenntnis

Kapitel 10: Teuflische Pläne

Kapitel 11: Unschuldige Früchte des Bösen?

Kapitel 12: Lebenszeichen

Kapitel 13: „Ich will leben, Darius“

Kapitel 15: Die Ereignisse überschlagen sich

Kapitel 16: Flucht aus der Festung

Kapitel 17: „Ich lasse dich nie wieder los!“

Kapitel 18: Aufbruch

Kapitel 19: „Angriff! Angriff!“

Kapitel 20: „Bis nur noch einer von uns beiden steht!“

Kapitel 21: Duell

Kapitel 22: Aussichten und Aussprachen

Kapitel 26: Begierden

Epilog

Impressum neobooks

Kapitel 1: Schlechte Nachrichten

„Was machst du da?“

Tristan legte seinen Arm um Leilanis Taille und sah ihr über die Schulter. Ihre Hände und das T-Shirt waren von Mehl und Teig bedeckt, sie roch appetitlich.

„Ich backe ein kleines Brot als Geschenk zum Richtfest. Ist Tradition. Brot und Salz.“

Sie nahm ein wenig von dem Teig ab und hielt Tristan den Finger hin. Der stülpte seine Lippen darüber und lutschte den Teig von dem Finger. Luisa, die das Ganze beobachtete, kicherte albern.

„Hhm! Wusste gar nicht, dass du backen kannst!“

„Du weißt Vieles nicht von mir“, sagte Leilani grinsend und sah ihn liebevoll an. Dann bekam sie beinahe vor Schreck keine Luft mehr, weil Tristan ihr Teig von der Wange und der Nasenspitze leckte.

„Wäre doch jammerschade, wenn das im Abfluss landen würde“, sagte er und sah sie übertrieben unschuldig an.

„Filou!“, fauchte sie, grinste aber.

„Nur bei dir, ma belle. Nur bei dir.“ Seine Lippen pressten sich auf ihren Nacken und seine Zähne knabberten zärtlich an der Haut. Leilani kicherte albern, weil es kitzelte.

„Ging alles glatt mit den Möbeln?“, fragte er zwischen zwei Küssen.

Leilani seufzte ein wenig. „Ja. Die Leute waren pünktlich um 8 Uhr da und hatten in Windeseile die Möbel aufgebaut. Ich habe sie noch ausgewaschen und zum Lüften alles offengelassen. Warum müssen neue Möbel immer so stinken?“

„Ich habe keine Ahnung, mein Herz.“

„Sie verlassen uns doch nicht etwa schon wieder?“, fragte Luisa plötzlich und sah Leilani schockiert an.

„Na ja. Nicht direkt. Ich …“

„Leilani braucht ihren Freiraum, Luisa.“ Tristan ließ Leilani los und ging zu seiner Haushälterin, legte fürsorglich ihren Arm um sie. „Das heißt ja nicht, dass sie für immer weg ist. Wir beide müssen uns noch ein bisschen besser kennen lernen, austes­ten, ob wir beide wirklich für … einen sehr langen Zeitraum zusammenbleiben wol­len.“

Tristan wollte eigentlich `für die Ewigkeit´ sagen, aber er wollte Leilani nicht ver­schrecken.

„Das ist alles so plötzlich gekommen, Luisa“, erklärte Leilani und legte den kleinen Brotlaib auf das mit Backpapier ausgelegte Blech. „Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass Tristan und ich … mehr als nur Freunde werden. Ich brauche Zeit, um es auch wirklich zu verstehen.“

>Das und anderes. <

Tristan hatte den an ihn gerichteten Gedanken empfangen und lächelte Leilani glück­lich an.

„Aber Sie werden doch oft hier sein, nicht wahr?“ Luisa sah Leilani hoffnungsvoll an.

Die junge Frau lachte leise, ging zu der älteren und umarmte diese, obwohl sie voller Mehl war. „Das werde ich, Luisa. Ich würde Sie zu sehr vermissen.“

Tristan zog eine Augenbraue hoch und räusperte sich. Leilani grinste ihn schelmisch an, sagte aber nichts. Sie nahm das Backblech und schob es in den vorgeheizten Backofen.

„So. Das braucht jetzt etwa vierzig Minuten. Und ich brauche eine Dusche.“ Ohne Tristan auch noch eines weiteren Blickes zu würdigen verließ sie die Küche.

>Na warte! So kommst du mir nicht davon! <

Er wollte ihr schon hinterher, als er das typische Knattern einer Harley-Davidson hörte.

>Ben? Was will er denn hier? <

Stirn runzelnd ging er zur Haustür, sah Leilani gerade noch am oberen Ende der Treppe verschwinden und seufzte. >Später. <

Bens Gesicht war angespannt, die Brauen zusammengezogen, die ohnehin schmalen Lippen ein dünner Strich.

„Was ist passiert?“ Tristan war sofort alarmiert.

„In deinem Arbeitszimmer. Hinter verschlossener Tür“, brummte Ben und ging einfach an Tristan vorbei.

>Übel! < Tristans Alarmglocken schrillten in Einem fort.

Als Ben seinen Motorradhelm auf den Schreibtisch legte uns sich in den Stuhl gegenüber Tristans Stuhl setzte, seufzte er und schloss die Augen. Tristan hatte ein ungutes Gefühl, ein verflucht ungutes Gefühl.

„Bitte, Ben. Spann mich nicht auf die Folter. Was ist los?“

„Monstralé ist tot.“

Eiswasser hätte nicht wirkungsvoller sein können. Tristan keuchte auf und sah Ben erschrocken an. „Wie? Durch den Unfall?“

Ben schüttelte den Kopf. „Es war kein Unfall. Wie ich inzwischen weiß hat Mon­stralé den anderen Fiesta-Fahrer geschnitten, zum Halten gezwungen und ihn verprü­gelt. Erst als die Polizei in der Nacht zu Montag eintraf und die Sache klärte, erkannte Monstralé, dass der junge Mann nicht sein Einbrecher war. Jedenfalls ist er unver­sehrt in dieser Nacht wieder nach Hause gefahren. Mit einer Anzeige wegen grob fahrlässigen Eingriffs im Straßenverkehr und Körperverletzung. Aber das ist eigent­lich unwichtig.

Heute Morgen rief mich Rupert an. Er hat über interne Verbindungen mitbekommen, dass auf einem Gestüt am Rande Potsdams ein Blutbad unter den Bewohnern ange­richtet worden war. Da sind bei mir sofort sämtliche Antennen hochgefahren und ich bin dahin. Es ist tatsächlich Monstralé. Und einige seiner Angestellten, Männer wie Frauen.“

Tristan hatte eine Ahnung, aber er hoffte, dass er sich irrte. „Wie?“

„Der Pathologe vor Ort wählte den Terminus `zerfleischt´, Tristan. Ich habe mir Monstralés Leiche angesehen. Ihn hatte es am schlimmsten erwischt. Er war ausge­saugt.“

Tristans Befürchtung bewahrheitete sich. Er schloss die Augen für einen Moment und atmete tief durch. „Hat ein Sterblicher am Tatort irgendwelche Fragen gestellt? Wa­rum du da bist?“

Ben zuckte die Schulter. „Ich habe bei jedem einzelnen die Erinnerung an mich gelöscht und die entsprechenden Digitalfotos auch. Es ist zu 99% unwahrscheinlich, dass sich irgendjemand an mich erinnert oder etwas auf mich hinweist.“

Tristan nickte. Er wusste, dass Ben gründlich vorging. Zu lange arbeitete er schon als Polizist, hatte genug Erfahrung im Manipulieren von Beweisstücken. Auch wenn es gelegentlich vielleicht unmoralisch war, aber es schützte schließlich sein Volk, seine Art.

„Hast du dem Konzil schon Bescheid gegeben?“

„Nein. Ich wollte erst mit dir darüber reden. Und du solltest Leilani nichts sagen!“

`Lüge mich niemals an. Egal, wie sehr die Wahrheit mir auch weh tun wird. Oder ob du mich mit einer Lüge schützen willst. Tu es nicht! ´

Tristan schüttelte den Kopf. „Nein, Ben. Ich habe ihr geschworen, sie nie anzulügen. Ich fange gar nicht erst damit an.“

 

„Aber du lügst sie doch nicht an. Du verheimlichst ihr etwas!“

Tristan sah Ben vorwurfsvoll an. „Das ist das Gleiche, Ben!“ Er machte seinen Com­puter an und starrte aus dem Fenster.

„Glaubst du, es war Darius?“, fragte der Flame in die belastende Stille.

„Ja.“

„Warum?“

„Als Leilani und ich uns in der Kammer unter der Treppe versteckten, hat Monstralé telefoniert. Bisher habe ich dem Telefonat keine Bedeutung beigemessen, aber jetzt!“

„Was hast du gehört?“

Tristan schloss die Augen und kramte sich die Wortfetzen hervor, die er gehört hatte. Gut, er war abgelenkt gewesen. Zum einen durch seine Panikattacke, zum anderen durch Leilanis Ablenkungsmanöver in Form eines Kusses.

„Ähm …. Er sagte, dass `er´ da gewesen sei. Damit meint er wohl mich. `Sie´ habe er nicht gesehen. Damit wäre wohl Leilani gemeint. Durch die Maskerade und die Kon­taktlinsen hat er sie vermutlich nicht erkannt. Und `Güldensteen´ habe ihm seinen `Fick versaut´. Ach ja. `Die beiden waren auch da´. Damit meinte er offensichtlich Jan und Helena.“

Ben schnalzte mit der Zunge. Seine eisblauen Augen waren dunkler geworden. „Klingt wirklich, als ob er über uns geredet hatte. Das ist aber kein Beweis dafür, dass es sich um Darius handelt.“

„Ich weiß“, seufzte Tristan und rieb sich mit beiden Händen sein Gesicht. „Aber alles passt irgendwie zusammen. Die Manipulation Leilanis, der Auftrag, die Einladungen zu diesem Ball, wir waren alle zusammen. Tobias hat mir berichtet, er habe auch eine Einladung zu dem Ball gehabt, aber da er Monstralé nicht kennt und er solche Bälle nicht mag, wollte er auch nicht dorthin.“

„Das ist allerdings merkwürdig, das gebe ich zu.“ Ben holte sich ein Zigarillo aus einem Silberetui und zündete es sich an. Er bot Tristan einen an, der lehnte dankend ab. „Trotzdem sollten wir Darius nur als eine Möglichkeit sehen, nicht gleich als Täter abstempeln.“

Tristan sah Ben entgeistert an. „Du tust ja gerade so, als ob Darius ein Unschulds­lamm wäre. Was ist denn in dich gefahren?“

„Tristan, ich weiß ebenso wie du, dass Darius mehr Dreck am Stecken hat als alle anderen bösen Vampire zusammen. Trotzdem können wir ihm nicht ein Verbrechen andichten, wenn er es vielleicht nicht begangen hat!“

Tristans Nasenflügel bebten. „Frage: Sah der Tatort aus, als ob ein einzelner Vampir oder vielleicht mehrere gewütet haben?“

Ben runzelte die Stirn. „Mindestens drei, wahrscheinlich vier.“

Tristan beugte sich über seinen Schreibtisch und fixierte den Flamen. „Darius hat immer drei Untergebene bei sich. Die sind ihm hörig, bis in den Tod. Es sind von ihm gewandelte, unterrichtete Vampire. Wenn Darius zu denen sagt, sie sollen springen, dann fragen sie nur aus welcher Höhe.“

Es klopfte an der Tür.

„Herein!“ Tristan setzte sich wieder ins einen Stuhl lockerer hin, trotzdem war er innerlich angespannt.

„Ich habe die Harley gehört!“ Leilani betrat lächelnd das Arbeitszimmer. „Und da wollte ich Ben `Hallo´ sagen.“

Der Flame erhob sich lächelnd und umarmte die junge Frau. >Sag es ihr nicht! <

„Ihr habt doch was!“ Leilani fiel die Anspannung Tristans und Bens zurückhaltende Art sofort auf. Fragend sah sie Tristan an. Einen Moment zögerte er, dann holte er tief Luft und berichtete ihr, was er durch Ben gerade erfahren hatte. Leilani wurde blass, presste die Lippen zusammen.

„Darius“, sagte sie leise.

„Wahrscheinlich, Lani.“ Tristan beobachtete sie, wie sie mit der Information umging.

„Danke, dass du mir das nicht verschwiegen hast, Tris. Das bedeutet mir sehr viel.“

Tristan sah Ben kurz an und zog eine Braue hoch. >Siehst du? <

Ben seufzte, schüttelte den Kopf. Leilani sah zwischen den Männern hin und her. „Was noch?“

„Ich wollte nicht, dass er dir das erzählt“, gestand Ben und sah Leilani entschuldi­gend an.

„Ben. Darius ist Realität. Mein Stiefvater Hagen Sörensen war Fiktion. Das heißt, der Mann, den ich als Hagen Sörensen kannte, existiert nicht mehr, hat nie existiert. Darius ist für den Tod meiner Eltern verantwortlich, er hat mich zwanzig Jahre mani­puliert. Ich glaube, ich habe jedes Recht zu erfahren, was es für Neuigkeiten seinet­wegen gibt. Und was Monstralé betrifft: es tut mir leid, dass er tot ist. Er war zwar ein … Schuft, aber so einen Tod hat niemand verdient.“

Bens Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. „Mädchen, du bist einfach großartig. Wenn du jemals Hilfe brauchst, egal, worum es sich handelt, ich bin für dich da.“

Tristan ließ ein kleines, besitzergreifendes Knurren hören und seine Augen blitzten dunkelgrün. Leilani ignorierte es absichtlich. „Auch beim Shoppen?“

Ben grinste noch breiter und seine Narben verschwanden beinahe. „Ich denke, da machen wir ´ne Ausnahme. Obwohl .... Es kommt darauf an, was du einkaufen willst.“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen.

Tristans Knurren wurde lauter.

„Bist du nächste Woche noch in der Stadt?“, wollte Leilani wissen.

„Ja. Wir können uns auf ein Kaffee treffen und dann …“

„Es reicht!“, donnerte Tristan und sein Gesicht war hochrot vor Wut. Seine Augen verschossen schwarze Blitze.

Leilani lachte leise, ging zu ihm und setzte sich auf seinen Schoß. Sie strahlte ihn an, legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn zärtlich. „Oh, Tristan. Ich vertraue dir, du solltest mir auch vertrauen. Ben und ich sind nur Freunde.“

„Yep. Bestätige.“ Ben nahm seinen Helm und grinste Tristan an. „Konnte eben einfach nicht widerstehen, dich zu ärgern. Leilani ist Tabu, und das respektiere ich. Wir sehen uns morgen beim Richtfest.“

„Oh Mann!“, stöhnte Tristan, immer noch nicht völlig besänftigt, nachdem sich die Tür hinter Ben geschlossen hatte.

Leilani streichelt seinen Nacken, massierte ihn sanft. „Es tut mir leid, Tris. Ich verspreche dir in Zukunft nicht mehr mit anderen Männern zu flirten.“

Tristan zog einen Flunsch. „Ich bitte darum“, knurrte er missgelaunt. „Ich muss noch rasch einen Bericht an das Konzil mailen, dann gehört meine ganze Aufmerksamkeit dir, Geliebte.“

„Und ich muss mal nach dem Brot sehen.“ Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze und ging hinaus.

>Ich war tatsächlich eifersüchtig! <

Tristan schüttelte den Kopf, musste dann etwas kichern.

Kapitel 2: Richtfest

Es war erheblich kühler geworden, viel zu kühl für Anfang August. Aber im Moment war es wenigstens trocken, obwohl sich im Umland das eine oder andere Unwetter bereits ankündigte. Tristan und Leilani fuhren in dem Jaguar zu der zukünftigen Adresse von Tobias und Hanna Kerner.

„Also: Hanna ist Tobis Ehefrau und hat eine inzwischen achtjährige Tochter aus einer früheren Beziehung. Die Kleine ist absolut goldig und heißt Alyssandra. Aber alle nennen sie Lyssa. Monika ist Hannas Mutter, sie weiß nichts von unserer Art. Für Monika ist Tobi ein ganz normaler Mensch und geliebter Schwiegersohn.“

„Okay. Das heißt also, Klappe halten und erst nachdenken, bevor ich rede. Ist in Ordnung.“ Leilani saß auf dem Beifahrersitz und hielt die Präsente beinahe krampf­haft fest.

„Hanna ist immer noch sterblich, wird sich vermutlich auch nicht so schnell oder nie ändern.“

„Wie kommt Tobi denn damit klar?“

Tristan schnalzte mit der Zunge. „Er ist jetzt glücklich. Das hat über 150 Jahre ge­dauert, bis er endlich mit sich selbst Frieden gefunden hat und für eine Beziehung bereit war. Was in einigen Jahren oder Jahrzehnten sein wird, wissen wir nicht. Auch für unsere Art gibt es keine Garantien, Lani. Aber Tobi weiß, dass er Freunde hat. Und er genießt die Zeit mit seiner Frau und seinem Kind.“

Leilani lächelte. „Er hat das Mädchen als sein eigenes angenommen?“

„Oh ja! Er wollte schon immer eine Familie. Das war sein sehnlichster Wunsch. Und mit Hanna wurde ihm dieser Wunsch sogar in vielfacher Hinsicht erfüllt. Hanna ist eine reizende Frau, gute Mutter und liebende Ehefrau. Du wirst sie mögen. Ach und Lyssa kann uns erkennen.“

Entsetzt sah Leilani zu Tristan herüber. „Erkennen? Wie meinst du das?“

„Manche Kinder sehen, was wir sind. Ihre Unschuld legt noch keinen Schleier über die Wahrnehmung. Sie können es oft nicht benennen. Und wenn sie es ihren Eltern oder eben Erwachsenen erzählen, glauben die ihnen natürlich nicht. Lyssa hat sich mir auf der Hochzeit von Jan und Helena offenbart, Und sie hat mir ihr Versprechen gegeben, es für sich zu behalten. Sie hält ihr Wort.“

Tristan grinste plötzlich und sah etwas verlegen zu Leilani hinüber. „Ich fürchte, die Kleine ist in mich verliebt. Entschuldige.“

Leilani runzelte die Stirn und ihr Gesichtsausdruck wurde schlicht unglücklich. „Großartig. Mindestens ein Mensch auf dem Richtfest wird mich hassen!“

Tristan lachte leise, tätschelte dann ihr Knie. „Nein. Sie wird dich nicht hassen. Wenn sie dich näher kennen gelernt hat, wird sie dich genau so mögen wie die anderen. Mindestens.“

„Das beruhigt mich im Moment nicht gerade“, gestand Leilani und benetzte ihre plötzlich trockenen Lippen.

„Stavros wird auch dort sein“, fuhr Tristan fort und bog in die Straße ein, in dem das neue Haus gebaut wurde. „Das ist Helenas Bruder. Er ist eingeweiht. Ein lieber Kerl und Frauenschwarm.“

Leilani lachte verzweifelt auf. „So kann man getrost bisher alle männlichen Vertreter deiner Art betiteln, Tristan.“

Tristan schmunzelte und parkte den Wagen. „Nur das Táwo keiner von uns ist.“

Leilani rauchte ein wenig der Kopf bei so viel Input. Mit zitternden Händen öffnete sie die Wagentür und stieg aus. Innerlich schalt sie sich selbst ob ihrer Nervosität.

„Was ist denn los?“, fragte Tristan amüsiert und zog sie leicht an sich.

„Ich weiß auch nicht. Ich habe jeden Tag auf Arbeit mit Menschen zu tun. Manche sehe ich vielleicht nur ein oder zweimal, einige öfter. Da bin ich nicht halb so nervös. Ich denke, dass es daran liegt, dass diese Menschen deine Freunde sind. Ich möchte nichts falsch machen.“ Leilani lehnte ihre Stirn gegen seinen Hals und wünschte sich weit fort.

„Meine süße Lani.“ Tristan vergaß manchmal, wie schüchtern sie sein konnte. Ihm gegenüber hatte sie die Schüchternheit größtenteils abgelegt. Die letzten zwei Nächte waren erfüllt gewesen mit Zärtlichkeit und vorsichtigem Erforschen des Anderen.

„Du kennst Jan, Helena, Ben und Tobi. Ben hat dich ganz fest in sein Herz geschlos­sen. Helena ist schlichtweg begeistert von dir und Jan und Tobi mögen dich wirklich sehr. Sei einfach du selbst, so wie bisher. Verstell dich nicht. Ich bin an deiner Seite, Geliebte.“

Leilani sah in seine hellgrünen Augen und wurde ruhig. „Du nennst mich immer `Geliebte´. Warum?“

Tristan lächelte, beugte sich über sie und küsste sie zärtlich, lange. Als er sich lang­sam von ihr löste und in ihr Gesicht sah, schimmerten seine Augen golden. „Weil du es bist, Lani“, sagte er leise. „Ich … kann nicht so ausdrücken, was ich empfinde. Aber du sollst wissen, dass ich nicht mit dir spiele. Das, was zwischen uns stattfindet, hat sich bis hierher entwickelt. Und es wird sich weiterentwickeln. Wenn wir beide es wollen, Lani. Du und ich. Zusammen.“

Leilani sah dem großen Mann in die Augen, und sie spürte, dass sich in ihr etwas tat. Das hatte nichts mehr mit den körperlichen Empfindungen zu tun, die er im Verlauf der letzten drei Wochen ausgelöst hatte. Das ging tiefer, war ehrlicher, reiner.

„Und du sagst, du kannst es nicht ausdrücken? Tris, was du eben gesagt hast und wie, bedeutet mir viel. Du und ich. Zusammen. Das ist gut.“

Tristan küsste sie auf die Stirn, nahm ihre Hand und gemeinsam gingen sie zu der Baustelle, wo Tobias und Hanna Kerner das Richtfest für ihr Haus abhielten.

 

Das Haus war schon als solches sehr gut zu erkennen. Der Dachstuhl war fertig, die meisten Außenwände schon verputzt. Unten würde ein großes Wohnzimmer, ein kleines Bad mit WC und Dusche und eine große geräumige Küche mit angrenzendem Essbereich hinkommen. Oben ein großes Bad, ein Schlaf- und zwei Kinderzimmer.

Im Keller des Hauses war ein kleines Gästezimmer, ein kleines WC und die Wasch und Haushaltsküche geplant.

Ein Wintergarten, der direkt an der nach hinten auf das Grundstück führenden Terras­se gebaut würde, würde als kleines Büro für zu Hause dienen. Tobis eigentliches Büro lag nach wie vor in seiner Tanzschule. Er wollte die dortige Wohnung auch nicht aufgeben, für Freunde und Gäste bereithalten.

„Endlich lerne ich dich kennen!“ Hanna ging breit lächelnd auf Leilani zu und nahm die Frau einfach in ihre Arme. Das war gar nicht so leicht, denn Hanna war nur knapp über 1,60 Meter groß, und Leilani etwas unter 1,80 Meter.

Leilani wurde dunkelrot vor Verlegenheit. Doch als die kleine Frau sie mit ihren sanften braunen Augen ansah, lockerte sie sich sofort. Leilani seufzte erleichtert.

„Tobi und die anderen haben mir ja schon von dir erzählt. Aus dem langen Lulatsch ist ja nichts rauszuholen!“ Hanna funkelte Tristan mit gespielter Entrüstung an.

Leilani musste grinsen. Sie war erstaunt, dass Tristans Freunde salopp mit ihm umgingen, obwohl er doch manchmal ziemlich einschüchternd sein konnte.

„Tristan!“

Die helle Kinderstimme erscholl in einer ziemlich hohen Frequenz und Jan, Ben und Helena ließen kurz ihre Unterkiefer knacken, um den entstandenen Pfeifton in den Ohren los zu werden.

Ein kleines, hellblondes Mädchen mit strahlenden, kornblumenblauen Augen, sprang auf den Lothringer zu und war ansatzlos in dessen Arm. Tristan wirbelte das Mäd­chen lachend umher, vergrub seine Nase in ihrer Halsbeuge und tat so, als ob er an ihr knabbern würde.

Entsetzt sah Leilani zu Hanna, die das Ganze lachend beobachtete. Ebenso die ande­ren Vampire. >Er würde der Kleinen niemals etwas tun! Und die anderen wissen das auch. <

„Lyssa, ma petite, ich möchte dir jemanden vorstellen.“

Tristan behielt das Kind auf seinem Arm und drehte sich zu Leilani um.

„Leilani, das ist Lyssa. Mein kleiner Stern. Lyssa, das ist Leilani oder auch Lani. Sie ist meine Freundin.“

Bumm. Es war offiziell.

Lyssa zögerte einen Moment. Ihrem kleinen, hübschen Gesicht war deutlich zu ent­nehmen, dass sie das nicht so toll fand. Doch dann seufzte sie.

„Na ja. Wahrscheinlich bist du wirklich zu alt für mich, Tris. Zum Heiraten, meine ich. Aber Freunde bleiben wir, in Ordnung?“

Tristan lachte herzhaft. „Naturelement, ma petite. Für immer und ewig.“

Lyssa streckte jetzt Leilani lächelnd die Hand entgegen. „Du musst nett sein, wenn er dich mag. Also mag ich dich auch.“

So einfach war das. Leilani fiel ein riesiger Stein vom Herz und sie bekam sofort wieder Farbe im Gesicht, die ihr vor wenigen Augenblicken komplett entwichen war.

Leilani half Hanna am Buffet-Stand mit der Verteilung der Speisen. Tobias hatte zwei Spanferkel kommen lassen und die Bauarbeiter, die traditionell an diesem Tag zu Gast waren, langten kräftig zu. Ebenso der Architekt, der Statiker und einige Nach­barn, die die beiden Bauherren zum Kennenlernen eingeladen hatten. Es gab Buletten, Kassler, diverse Salate und Kuchen. Kaffee war in drei kniehohe Thermos­kannen mit Pumpsystem gefüllt, Kisten mit Bier und nicht alkoholischen Getränken waren ebenfalls reichlich vorhanden.

Stilecht wurde alles in Pappbechern, auf Papptellern und mit Plastikbesteck serviert. Tobias hatte wegen der unsicheren Wetterlage zwei Zelte aufgestellt, die zu drei Sei­ten offen waren. Das Buffet war in einem Zelt untergebracht, der DJ, der geschmack­volle Lieder auflegte und sie auch nicht zu laut drehte, in dem anderen Zelt, zusam­men mit einigen Tischen und Bänken. Die meisten Tische und Bänke waren jedoch außerhalb des Zeltes. Solange es nicht regnete wollten alle die letzten, wenn auch kraftlosen Sonnenstrahlen genießen.

Immer wieder kam Tobias kurz am Buffet vorbei, um seiner Frau einen Kuss auf die Wange oder den Lippen zu hauchen oder aber um über ihren Rücken zu streicheln. Einmal streichelte er über ihren Bauch und beide sahen sich glücklich an.

Leilani war verdutzt. Konnte es möglich sein?

„Du hast dich schnell mit den Tatsachen abgefunden“, meinte Hanna, als sie allein waren.

Fragend sah Leilani sie an.

„Na. Die Vampir-Sache!“, flüsterte Hanna, weil ihre Mutter sich gerade näherte und etwas Paprika stibitzte.

Leilani lachte trocken auf. Sie wartete, bis sie und Hanna wieder allein waren. „Ich war an dem Abend zu beschäftigt, um hysterisch zu werden. Hat Ben alles erzählt?“

„Ja. Hat er. Und … wirklich alles. Auch dass du dabei … eigentlich in Gefahr ge­schwebt hast.“ Hanna sah sie mit einer hochgezogenen Braue an. Leilani wurde tatsächlich rot und Hanna lachte ein kurzes und trockenes Lachen.

„Oh. Das auch. Auch wenn es sich etwas komisch anhört. Ich arbeite daran, dass sich etwas an dem Status Quo ändert.“

Hanna glotzte Leilani einen Moment an, dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Entschuldige!“, wieherte sie. „Das ist unglaublich süß ausgedrückt!“

Leilani grinste. Sie hatte ein neues Selbstbewusstsein und fand überhaupt nichts dabei, mit Hanna darüber zu reden. Komischerweise fiel es ihr sogar leichter, Hanna gegenüber offen zu sein als gegenüber Helena. Inzwischen hatte Leilani alles über die Verbindungen und wie die Verbindungen der einzelnen Anwesenden zu Stande ge­kommen waren erfahren.

Stavros Kapodistrias war wirklich ein Frauenschwarm – wenn man auf den südländi­schen Typen mit dichtem, schwarz gelocktem Haar und hellblauen Augen steht.

Monika Martens, Hannas Mutter, war eine warmherzige Frau, die Leilani zur Begrüßung in ihre Arme schloss. Sofort fühlte sich Leilani glücklich, als ob ihre eigene Mutter sie umarmt hätte.

„Leilani, Sie glauben ja gar nicht, wie froh ich bin, dass Sie Tristans Herz erobert haben. Der Junge hat uns ganz schön Sorgen gemacht!“

Tristan rollte nur mit den Augen und seufzte genervt, war Monika aber nicht wirklich böse. Leilani hingegen lächelte glücklich, beugte sich zu Monika und flüsterte etwas in ihr Ohr. Monika grinste dann über das ganze Gesicht und drückte Leilani noch einmal mütterlich an ihre Brust.

„Was hast du vorhin eigentlich zu meiner Mutter gesagt?“, wollte Hanna wissen und steckte sich eine kleine Bulette in den Mund.

„Das ich nicht nur Tristans Herz erobert habe, sondern er auch meines. Und dass ich seine Nähe nicht mehr missen möchte.“

Hanna seufzte entrückt. „Das ist gut, Lani. Aber du willst wieder in deine Wohnung zurück, habe ich Recht?“

Leilani nickte. „Ich brauche meinen Freiraum. Ein bisschen wenigstens. Ich habe keinerlei Erfahrung, was Beziehungen und so betrifft. Klingt vielleicht bescheuert, aber ich glaube, ein Rückzugsgebiet ist strategisch wertvoll.“

Wieder wieherte Hanna los. „Deine Ausdrucksweise ist großartig. Tris muss noch viel einstecken, fürchte ich.“

„Er kann auch austeilen. Aber darf ich dich jetzt was fragen?“

„Nur zu.“

Leilani knabberte kurz an ihrer Unterlippe, dann fasste sie Mut. „Ich habe vorhin gesehen, wie Tobi deinen Bauch gestreichelt hat. Bist du schwanger?“

Hanna stutzte einen Moment, dann grinste sie. „Ja. Ist aber im Moment noch ein Geheimnis. Ich bin erst Anfang des zweiten Monats und wir wollen die 12. Woche abwarten, bevor wir es bekannt geben.“

Leilani kratzte sich verlegen am Hals. „Es ist nur so …. Ben hat erzählt, dass Vam­pire keine Kinder zeugen oder empfangen können.“

Hanna schmunzelte wieder. „Und du willst wissen, ob Tobi der Vater ist.“

Leilani wurde rot. „Es geht mich nichts an, Hanna. Wirklich, wenn …“

Hanna hakte sich lachend bei Leilani ein. „Ist schon gut, Lani. Ich erkläre es dir. Tobi und ich wollten einfach ein gemeinsames Kind. Da das auf normalem biologischen Weg nicht möglich ist, haben wir uns einen … Samenspender gesucht. Trotzdem ist Tobi der Vater des Kindes.“

Leilani atmete erleichtert auf. „Hat die Samenbank nicht vorher Tests bei Tobi vorge­nommen? Dabei muss doch aufgefallen sein, dass er genetisch anders ist.“

Wieder schmunzelte Hanna und sah Leilani tiefgründig an. „Wer sagt denn, dass wir in einer Samenbank waren?“

Leilani ließ einen Moment die Information in ihr Hirn sacken. „Oh!“, machte sie dann, bekam riesige Augen. „Okay.“

„Wir haben gemeinsam potenzielle Samenspender gesucht und sie um eine Samenspende gebeten. Natürlich haben wir ihnen versichert, dass sie niemals wieder von uns hören würden und deshalb keine Angst wegen Alimente oder so haben müssten. Einige fanden das nicht toll, drei waren einverstanden und haben uns was … abgefüllt. Tobi und ich haben dann meinen Eisprung abgewartet und es dann in mir injiziert, während wir miteinander geschlafen haben. Somit geht alles seinen rechtmä­ßigen Gang.“

Leilani hatte fasziniert zugehört. „Wow. Ihr beide liebt euch wirklich sehr. Das du das durchgezogen hast, Hut ab!“

Hanna lächelte glücklich. „Ich verrate dir noch etwas. Und behalte das bitte für dich. Sobald das Kind entwöhnt ist, werde ich mich wandeln lassen.“

Leilani empfand großen Respekt und tiefe Bewunderung für die kleine Frau. Das war schließlich keine einfache Entscheidung, zumal sie nicht altern würde, während ihre Kinder erwachsen, selbst Eltern werden und irgendwann sterben würden.

„Ich habe lange überlegt, Lani“, sagte Hanna, die merkte, wie die junge Frau zu grü­beln begann. „Wenn man die Wahl hat, sollte man sorgfältig darüber nachdenken. Hat man diesen Weg beschritten, gibt es kein Zurück mehr. Einbahnstraße.“

Leilani verstand, nickte. Dann umarmte sie die kleine Frau. „Danke, Hanna.“

„Wofür?“ Die kleine Frau war etwas verblüfft.

„Für dein Vertrauen. Für deine Offenheit. Das weiß ich zu schätzen.“