Mondnachtphantasien

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Mondnachtphantasien
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Mondnachtphantasien

1  Mondnachtphantasien

Mondnachtphantasien

Die Geschichte, welche ich jetzt erzählen will, klingt leider sehr unwahrscheinlich, ja beinahe romantisch. Während ich mir die Feder spitze – ich will diesen althergebrachten Ausdruck beibehalten; nur muß man sich statt des Olimschen Gänsekiels ein Faber-Crayon No. 2 denken –, also: während ich mir die Feder spitze und mich auf den »Ritt ins alte romantische Land« vorbereite, höre ich wie in weiter Ferne die Wasser der Schelde rauschen, eines Stromes, den man, abgesehen von geographischen Jugenderinnerungen, aus dem ›Lohengrin‹ kennt, kaum wohl aus der Arnimschen ›Isabella von Ägypten‹, einer der schönsten Blüten der Romantik.

Im Beginn der Erzählung wird der alte Zigeunerhauptmann, der Herzog von Ägypten, nachdem man ihn vermittelst eines Strickes der langen Kette seiner ruhmvoll verblichenen Ahnen angereiht, in die Schelde geworfen; aber seine Tochter, die Prinzessin Isabella, erkennt die im vollen Fürstenschmucke dahertreibende Leiche und zieht sie heraus aus den Fluten und bettet den toten Vater in ihre weichen Mädchenarme.

Zigeuner spielen auch in meiner Geschichte eine Hauptrolle, nur muß man sie sich ins Moderne übertragen denken, ebenso wie man statt des Rauschens der Schelde vorerst mit dem Plätschern einer Fontäne vorliebnehmen muß.

Die Fontäne stand im Parke des Barons von Borkenkamp, hinter der Fontäne stand eine Marmorstatue, eine weibliche Gestalt darstellend, vor der Fontäne stand der Baron selbst, und am Himmel stand der Mond. Zwischen dem Baron und dem Monde bestand der Zusammenhang, daß ersterer hinausgegangen war, um letzteren zu betrachten. Wir benutzen indes die Gelegenheit, um bei dem Lichte des letzteren den ersteren zu betrachten.

Das Mondlicht ist, wie man weiß, etwas unbestimmt, aber die hübschen Züge des Barons litten auch bei Tage an einer gewissen Unbestimmtheit, und unbestimmt, aber leicht bestimmbar war sein Charakter; er war Schwärmer und Idealist. Das hatte ihn nicht gehindert, an diesem Abende sich und seinen Freunden und Bekannten das ziemlich realistische Vergnügen eines vortrefflichen Soupers zu gewähren. Nach Beendigung eines solchen pflegen die Herren sich fast sämtlich für einige Augenblicke hinauszubegeben, »um den Mond zu beschauen«. Da jedoch am heutigen Abend gerade ein höchst interessantes politisches Gesprächsthema auf dem Tapet war, so war der für Politik gänzlich umempfängliche Hausherr der einzige in der Gesellschaft, welcher astronomische Bedürfnisse verspürte.

Hat man die eigentliche Betrachtung vollendet, so ist es äußerst interessant, die Reflexe, welche das Mondlicht wirft, zu beobachten. Man wird dabei oft sonderbare Dinge zu sehen bekommen, wie zum Beispiel Bäume, deren Stämme trotz der denkbar größten Windstille sich wie im heftigsten Sturme biegen und ihre Laubkronen schütteln, Gebäude, die sich ein besonderes Vergnügen daraus machen, gespenstisch auf und nieder zu hüpfen, Blumen und Sträucher, deren Blätter sich zu eigentümlichen Gesichtern formen, die sämtlich sehr bekannt tun und uns vertraulich zunicken, Marmorbilder, welche wie nach langem Schlafe die Glieder recken und Gesichter schneiden ...

Aber ich müßte edlere Ausdrücke gebrauchen, um die Bewegungen zu bezeichnen, welche der staunende Baron plötzlich an der Statue bemerkte, deren weiße Glieder ihm durch den Strahl der Fontäne wie durch einen Schleier entgegenschimmerten. Dieser Schleier und der Mond vermochten gewiß vieles – das wußte der Baron, der sich nicht zum ersten Mal den sonderbaren Schauern einer solchen Nacht überließ –, aber konnten sie wirklich diesen bis zur höchsten Natürlichkeit gesteigerten Ausdruck von Überraschung und Freude, dann wieder von Erwartung, Furcht, Verzweiflung hervorbringen ... konnten sie diese Gesten der steinernen Hände und Arme verursachen, und endlich – vermochten sie eine völlige Verwandlung der unteren Körperhälfte zu rechtfertigen, die allmählich die Bildung eines Hirschleibes annahm?

Hatte der Baron – was ich nicht glaube – dies noch für möglich gehalten, so wurde er aller Zweifel, ob hier nicht doch etwas von dem, »wovon sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt«, im Spiel sei, dadurch überhoben, daß die Statue den Mund zum Sprechen öffnete.

»Sie sind gekommen, mit mir zu reden, Baron, wie das ja auch natürlich ist ...«

Merkwürdig! auch dem Baron schien plötzlich eine Unterhaltung mit diesem Marmorbilde ganz natürlich, aus dessen Augen ihm ein gewisser phosphoreszierender Glanz entgegenstrahlte, der eine seltsam einschläfernde Wirkung auf ihn ausübte. Dennoch blieben seine Gedanken ganz klar, und ganz deutlich hörte und verstand er die Worte der Figur, welche fortfuhr:

»... wie das ja auch natürlich ist, da Sie in mir, wie Sie wissen, die Ahnfrau Ihres Geschlechtes zu verehren haben.«

Was dem Baron zu anderer Zeit als interessante genealogische Neuigkeit erschienen wäre, kam ihm in diesem Augenblicke völlig selbstverständlich vor.

»In der Tat«, sagte er, »ich habe stets die tiefe Achtung vor Ihnen gehabt, welche ich Ihnen schulde. «

»Ich möchte behaupten, daß der Nachkomme eines so erlauchten Geschlechtes wie das unsere seiner Stammutter mehr schulde als bloße Achtung, daß er verpflichtet sei ... sehen Sie denn nichts Besonderes an mir«, unterbrach sie sich.

»Ich möchte mir allerdings die bescheidene Bemerkung erlauben, daß bei Ihren Lebzeiten ... ich meine, als Sie, selbst Mensch, unter Menschen wandelten, Ihre Gestalt ...«

»... meine Gestalt mehr als jetzt der anderer Menschen geglichen haben muß? Oh, sie war schöner und herrlicher noch ... denn sie war die Gestalt einer Göttin. Ich will Ihnen, mein Freund, meine Geschichte erzählen, und am Ende derselben werden Sie wissen, was Ihre Pflicht erfordert. Ich bin das Kind der Liebe eines mächtigen Stromgottes zu einer schönen Waldnymphe. Im Walde lebte ich und war glücklich in seiner Einsamkeit. Noch glücklicher aber ward ich, als ich eines Tages tief im Dickicht, an einem Orte, den ich mit Vorliebe zum Ruheplatz wählte, zum ersten Mal einen Menschen erblickte. Es war ein schöner Mann – Ihr Stammvater, Baron. Er schlief, und er lächelte im Schlafe; er lächelte auch noch, als er erwachend mich, die ich mich bewundernd über ihn geneigt, zu sich herabzog.

Es war eine wunderschöne Mondnacht – gerade wie die heutige ... und der Mond war unsere Hochzeitsfackel.

Ich folgte Ihrem Ahnen in sein Schloß und blieb bei ihm, denn ich liebte ihn. Nur zuweilen ergriff mich ein unwiderstehliches Sehnen nach meinem alten Gefährten, dem Walde. Aber wenn ich dann ein paar Stunden seinen Duft geatmet und in seinem Schatten geruht, dann kehrte ich zurück zu meinem Gemahl – denn ich liebte ihn. Darum wies ich auch mit Entrüstung die schmählichen Anträge eines Ritters zurück, der unter dem Namen eines Freundes bei meinem Gatten weilte und ihn betrog. Da ich aber noch nicht die volle Gemeinheit solcher >Freunde< kannte, so verschwieg ich meinem Gatten die Beleidigung, welche mir von jenem widerfahren. Der Schurke suchte zunächst meine einsamen Spaziergänge im Walde meinem Gemahl verdächtig erscheinen zu lassen und, wie ich – leider – annehmen muß, mit Erfolg. Denn wie hätte sonst mein Gatte in der nun folgenden ebenso elenden wie lächerlichen Komödie die lautere Wahrheit erblicken können?

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