Liebe und Alltag in der DDR

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Liebe und Alltag in der DDR
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Helena Zauber

Liebe und Alltag in der DDR

Bewahrt in Briefen der NVA-Zeit von Mai 1985 bis Oktober 1986

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

0. Vorwort

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

66. Kapitel

67. Kapitel

68. Kapitel

69. Kapitel

70. Kapitel

71. Kapitel

Impressum neobooks

0. Vorwort

Geboren 1960 in der DDR habe ich, Helena Zauber, 2020 ein Patt. 30 Jahre leben in der DDR und 30 Jahre im vereinten Deutschland.

Anlass genug, um mal zurück zu schauen. Vieles gerät in Vergessenheit.

Aber es gibt ja Zeugnisse darüber, wie das Leben und Lieben in der DDR war.

Damit meine ich nicht die offiziellen Reportagen und Geschichten, die jetzt gehäuft im Fernsehen zu schauen sind. Sondern die privaten „Archive“, wie Fotoalben, alte Zeitungsausschnitte, Postkarten, Aufzeichnungen, Dokumente usw.

Besonders freue ich mich darüber, dass ich all die Jahre ganz besondere „Zeitzeugen“ aufgehoben habe.

Es sind Briefe, die mein damaliger Mann Hannes und ich während seines

18-monatigen Grundwehrdienstes bei der NVA geschrieben haben.

Ich habe diese Briefe nach Hannes` Armee-Zeit sorgsam verpackt und bei jedem Umzug mitgenommen.

Auch als wir uns nach 30-jähriger Ehe 2014 trennten, war das für mich kein Grund, diese Briefe zu vernichten.

Sind sie doch Zeugen einer wunderschönen jungen Liebe, die trotz äußerer Widrigkeiten und Geschehnisse lange existierte. Und sie sind Zeitzeugnisse des Lebens in der DDR, Schilderung des ganz normalen Alltags, den eine junge Ehe in der DDR zu dieser Zeit gelebt hat.

Es gibt für mich also genug Gründe, diese Briefe wieder zu lesen und auch für die nachkommenden Generationen fest zuhalten.

Aber vielleicht erkennt sich der ein oder andere Leser darin ja auch wieder und erinnert sich.

Oder es hilft Außenstehenden, das Leben in der DDR besser zu verstehen, bzw. nachzuvollziehen.

Dabei handelt es sich um einen kurzen Zeitraum, eben um diese 18 Monate von Mai 1985 bis Oktober 1986.

Rückblickend vergingen diese 18 Monate wie im Flug, was wir damals tatsächlich ganz anders empfunden haben. Wir haben die Tage gezählt, bis wir uns wieder sehen konnten oder bis ein Brief vom Anderen kam. Dabei hatte ich in meinem Alltag genug zu tun, woran ich mich nur teilweise erinnere und die Briefe mir bestätigen werden.

Nun bin ich selbst gespannt, was in diesen Briefen steht, abseits unserer großen, in diesen Monaten sehnsüchtigen Liebe.

Bei einigen Stichproben, die ich während des Sortierens aus Neugier machte, fiel mir schon auf, dass ich vieles vergessen habe oder falsch in Erinnerung hatte. So wird es mir sicher immer wieder gehen.

Deshalb habe ich mich entschlossen, diese 410 Briefe nicht einfach zu scannen und ohne Kommentar zu veröffentlichen, sondern meine Erinnerungen dazu aufzuschreiben, untermalt von Fotos der Briefe und aus den Fotoalben dieser Zeit.

Auch sind viele Begrifflichkeiten aus dem DDR-Alltag in Vergessenheit geraten oder gänzlich unbekannt. Dafür habe ich in diesem Buch einen Anhang erstellt und solche Begriffe in loser Reihenfolge aufgeführt.

Natürlich habe ich die Namen der Beteiligten geändert, bei den Zitaten aus den Originalbriefen die Rechtschreibung angepasst und manchmal den Wortlaut des besseren Verstehens angepasst. Auch habe ich meine Briefe teilweise sehr gekürzt, manchmal auch zusammengefasst, da sich doch vieles wiederholte und einige Briefe tatsächlich bis zu 14 Seiten lang sind. Ich habe versucht, die Chronologie der Briefe darzustellen und deshalb auf die Einteilung des Buches in Kapitel verzichtet, für die e.book - Variante habe ich aber Kapitelnummern eingefügt. Nun wünsche ich allen, die sich darauf einlassen, viel Spaß beim Eintauchen in eine vergangene Zeit.

 

Helena Zauber

Stade, 2019/2020

1. Kapitel

Angefangen hat alles an einem Samstagabend im Oktober 1983 bei einem Diskobesuch in Greifswald. Eine Freundin wollte unbedingt dort hin und ich habe mich überreden lassen mitzugehen.

Marianne hatte an diesem Abend ihren „Schwarm“ nicht getroffen, aber ich habe meinen Hannes kennen gelernt.

Acht Monate später, am 8. Juni 1984, heirateten wir im Greifswalder Standesamt. Es war, wie wir fanden und ich heute noch finde, eine sehr romantische Hochzeit, aber für unsere Familien ungewöhnlich.

Hannes und ich sind alleine mit dem Stadtbus zum Standesamt gefahren. Damals brauchten wir keine Trauzeugen. Ich hatte ein bunt gestreiftes glänzendes Kleid an. Einen Biedermeierstrauß aus roten Rosen, den ich unbedingt wollte und im Haar ein „Klapsband“, quasi als Schleierersatz. Mein Hannes hatte Kordhosen und ein blau-weiß-gestreiftes Hemd an. Aber wir hatten einen Fotografen bestellt, um diesen besonderen Moment festzuhalten.


Nur die Standesbeamtin und der Fotograf wussten außer uns, dass wir an diesem Tag heiraten werden. Hannes hatte diesen Vorschlag gemacht und ich fand es spannend und aufregend, so heimlich, ohne unsere Familien zu heiraten.

Anschließend sind wir in das nahe gelegene Cafe zum Frühstücken gegangen. Dort bestaunten einige Gäste meinen wunderschönen Blumenstrauß. Wahrscheinlich vermuteten sie richtig.

Mit dem Zug fuhren wir dann frisch vermählt und glücklich auf Hochzeitsreise nach Erfurt.

Hannes hatte dort Maschinebauer gelernt und wollte mir diese wunderschöne Stadt in Thüringen bei dieser Gelegenheit zeigen.

Da wir ja gleich vom Standesamt aus gereist sind, hatten wir die Eheurkunde dabei. Das war auch gut so, da ich diese im Hotel „Vilnius“ in Erfurt vorzeigen konnte. So bekamen wir eine zukünftige Ein-Raum-Wohnung mit Kochnische für uns.

Damals war es in Städten, wie Erfurt und anderswo üblich, dass man zukünftige Wohnblöcke eine Zeit lang als Hotel nutzte und sie später als Wohnungen vermietete. So konnte es sein, dass man ein Zweibettzimmer in einer zukünftigen 3-Raum-Wohnung bekam. Das bedeutete, man teilte sich das Bad mit den Gästen aus den anderen Zimmern, was für uns auf keinen Fall in Frage kam. Wir wollten unser junges Glück mit viel Zweisamkeit und ungestört genießen.

Wenn ich jetzt daran zurück denke, muss ich schmunzeln. Wir waren ja so verliebt, gingen Hand in Hand glücklich in Erfurt spazieren, küssten uns immer wieder und genossen unsere Liebe.

Dann entdeckten wir, dass man in dem Hotel Westfernsehen empfangen konnte. Das war ja was, das mussten wir unbedingt ausprobieren und erwischten gleich den Hitchcock-Thriller „Die Vögel“. Oh je, solche Art Thriller hatten wir noch nicht gesehen. Wir waren ganz gebannt davon und es ließ uns eine ganze Weile nach Ende des Films nicht mehr los.

Aber dann fingen wir an, uns gegenseitig zu erschrecken und alberten rum bis wir irgendwann lachend ins Bett fielen, uns wild küssend umarmten und uns unsere Liebe immer wieder mit wunderschönem Sex bewiesen.

Nach diesen Tagen in Erfurt, von wo aus wir Karten an alle, die es wissen sollten, schrieben, dass wir geheiratet haben, fuhren wir zu meinen Schwiegereltern. Auch sie sollten wissen, dass ihr 23-jähriger Sohn geheiratet hatte. Hannes wollte es Ihnen direkt mitteilen.

Ich weiß gar nicht mehr, ob sie überhaupt schon was von meiner Existenz wussten. Das Verhältnis zwischen Hannes und seinen Eltern war sehr angespannt. Besonders zu seinem Vater.

Dieser lies sich dann auch erst mal die Eheurkunde zeigen, ob das auch wahr ist, was sein Sohn da erzählte.

Ich erinnere mich noch genau an sein, sagen wir mal, erstauntes Gesicht. Er schaute auf die Eheurkunde dann auf mich, dann wieder auf die Eheurkunde usw. bis er schließlich ein „herzlichen Glückwunsch“ knurrte.

Später habe ich erfahren, dass er sich für seinen schlanken, 1,89 m großen, rotblond gelockten Sohn eine große, schlanke Blondine wünschte und nicht eine 1,66 m Frau mit südländischem Schlag, die auch noch ein Jahr älter war. Aber er fand wenigsten, dass unsere Namen zusammen passten: Hannes und Helena.

Ich glaube wir blieben ein, zwei Tage in Cottbus und fuhren dann zurück nach Greifswald in unsere Wohnunterkunft.

Da wir ja nun verheiratet waren und beide im Kernkraftwerk Lubmin arbeiteten, bekamen wir ein Zweibettzimmer in einer Drei-Raum-Wohnung, die bis zur Fertigstellung des AKWs als Wohnunterkunft für die Monteure und Arbeiter des AKWs diente.

Dieses richteten wir uns gemütlich ein, kauften von unserem Ehekredit schon mal einen Kühlschrank und zwei tolle Bettliegen.

Meine Schwester lebte damals mit Ihrer Familie, Mann und eine Tochter, auch in Greifswald. Sie hatten eine 3-Raum-Neubauwohnung in einem der neuen Stadteile, die damals entstanden, Schönwalde 1. Mit ihnen und meiner Mutter, die aus Wolgast zu Besuch kam, feierten wir unsere Hochzeit nach. Auch mit unseren jeweiligen Kollegen und Freunden feierten wir die Hochzeit tüchtig nach. Ich glaube es waren vier oder fünf Nachfeiern, die sehr viel Spaß gemacht haben und viele Geschenke brachten, alles was man so als Jungvermählte noch so brauchte, wie Töpfe, Bettwäsche, Geschirr und viele andere Dinge.

Aber ich erinnere mich auch daran, dass ich bei jeder Gelegenheit gefragt wurde, wann es denn soweit wäre?

Beim ersten Mal, wusste ich gar nicht, was die Neugierigen meinten. Aber durch nachhaken wurde klar, was. Sie meinten, wann unser Kind käme.

Zu DDR-Zeiten war es oft üblich, dass junge Leute geheiratet haben, wenn die Frau schwanger war oder das erste Kind schon geboren war. Ehepaare mit Kindern bekamen tatsächlich schneller eine Wohnung und wurden durch staatliche Zuwendungen auch finanziell unterstützt.

Das wollte ich auf keinen Fall!

Ich wollte erst den Mann, dann ein Kind, na ja zwei oder drei.

Ich erinnere mich, dass ich bei dem zweiten Treffen mit Hannes tatsächlich dachte: „Das ist der Vater meiner Kinder!“

Ich betrachtete ihn damals das erste Mal ganz genau. Hannes war schlank, hatte wunderschöne blaue Augen und ein bisschen wildes rotblond gelocktes halblanges Haar. Und was ihn auf mich besonders männlich wirken ließ, einen rotblonden gepflegten Vollbart.

Offensichtlich ahnte ich damals, dass unser beider Gene super zusammen passen.

Mein südländischer Hauch drückte sich in braunen Augen, braunen Haaren und einer fraulichen Figur aus.

Na jedenfalls waren die Frager immer sehr verwundert, dass ich nicht schwanger war und wir trotzdem geheiratet hatten.

Das ging so eine ganze Weile, aber langsam kamen wir wieder im Alltagstrott an.

Da wir beide in Schichten arbeiteten, Hannes in der Elektromotorenabteilung, ich in der „Arbeiterversorgung“, war es manchmal schwierig, gemeinsame Freizeit zu haben. Aber irgendwie bekamen wir das hin und freuten uns doppelt, wenn wir mal ein gemeinsames Wochenende frei hatten.

Wir liebten es, mit Freunden auszugehen. Wir tanzten so gut zusammen, dass viele glaubten, wir haben uns auf einer Tanzschule kennen gelernt. Wir genossen so oft wir es konnten unser Zusammensein, denn wir wussten, jeden Tag kann ein besonderer Brief kommen, der „Einberufungsbefehl“.

Damals wurden die jungen Männer, wenn sie sich nicht 10 Jahre und länger freiwillig verpflichteten, für 18 Monate zur NVA (Nationale Volksarmee) einberufen.

Meist nach der Lehre oder dem Abitur. Aber mein Hannes war noch nicht bei der NVA. Er hat immer gesagt, sie würden ihn erst holen, wenn er verheiratet ist, weil er immer mal wieder „aufmüpfig“ in der Vergangenheit aufgefallen wäre. Und so lauerte dieses Geschehen über unserem Glück.

Aber noch war es ja nicht so weit.

Durch unsere Schichtarbeit verdienten wir gutes Geld und konnten uns im ersten Jahr unserer Ehe auch noch einen zweiten Urlaub im Harz gönnen.

Ich erinnere mich auch an diesen Urlaub sehr genau.


Bei der Erinnerung helfen mir viele Fotos aus diesen Tagen. Es war ein goldener Herbst und wir machten viele Ausflüge rund um Wernigerode. Natürlich immer mit der Bahn. So waren wir viel wandern, auf dem Ottofelsen, zur Hermannshöhle, nach Thale, zur Rappbodetalsperre und zur „Steinernen Renne“.

Aber die Fotos zeigen nicht, dass wir auf dem geplanten Weg nach Ilsenburg nach einer Kontrolle der Personalausweise aussteigen mussten. Wir vermuteten damals, dass Hannes tatsächlich irgendwie registriert war und nicht in das Grenzgebiet rund um den Brocken durfte.

Und die Fotos zeigen auch nicht, dass wir einmal mit dem Bett zusammengebrochen sind.

Heute weiß ich, das lag wohl doch nicht an unserem wilden Sex, sondern an der Stabilität der damaligen „FDGB-Betten“.

Doch die Krönung war, dass Hannes nicht den Mut hatte, das unseren Vermietern zu beichten und mich vorschob mit den Worten:

„Meine Frau möchte Ihnen was sagen!“

Der Vermieter hat nur gelacht und gesagt, er würde sich darum kümmern.

So verbrachten wir unsere zweite Hochzeitsreise mit einigen Überraschungen und Hindernissen, die wir aber nicht als störend empfanden, da wir ja uns und unsere Liebe hatten.

So verflog unser erstes Ehejahr rasant und plötzlich war er da, der Einberufungsbefehl für Hannes.

Am 2. Mai 1985 sollte er sich in Rostock, Kröpeliner Straße melden. Genau weiß ich das nicht mehr. Auf alle Fälle war die Kaserne in Rostock.

Wir waren sehr erleichtert, dass Hannes nicht zu den Grenzern musste.

Unsere größte Furcht war, dass er in die Situation kommen könnte, auf einen Menschen schießen zu müssen.

Um dem aus den Weg zu gehen, gab es in der DDR die Bausoldaten, aber um dort hin zu kommen, war das Prozedere sehr kompliziert. Außerdem galten Bausoldaten als Staatsfeinde und wurden vor der Öffentlichkeit weggesperrt, z.B. in Prora auf Rügen. Wir hatten den Spruch gehört: Drei Worte genügen, nie wieder Rügen.

Auch wussten wir, dass diese Zeit eine harte Probe für unsere Liebe wird. Waren uns aber sicher, auf keinen Fall würden uns diese 18 Monate auseinander bringen.

B


Wir versprachen uns, diese Zeit gemeinsam zu überstehen. Ein sehr wichtiger Teil um dies zu schaffen war, uns so oft wie möglich zu sehen und zu schreiben.

Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir ja nicht, was alles in diesen 18 Monaten geschehen würde!

2. Kapitel



Meinen ersten Brief an Hannes

schrieb ich gleich am nächsten Tag, nachdem sich Hannes am 2.Mai 1985 auf den Weg zur Kaserne in Rostock gemacht hatte. Wir hatten, glaube ich, am 1.Mai noch Abschied gefeiert.

Wann würden wir uns wieder sehen können? Wir wussten spätestens zur Vereidigung. Aber das konnte Wochen dauern und war kein Trost. Und so standen uns beim Abschied die Tränen in den Augen, aber wir wussten, wir schaffen das!

Anlass diesen Brief zu schreiben, war einmal die Nachricht, dass wir eine schöne Zwei-Raum-Neubauwohnung bekommen werden und ich zur Verlosung gehen konnte.

Ich kann am 21.5. 85 zur Wohnungsverlosung gehen!“,

schrieb ich und schilderte den entscheidenden Anruf:

 

Ich kann ihnen das genau sagen, Frau Zauber. Das ist der Block 026, WBR83 und die Verlosung ist am 21.5. um 17:00 Uhr in der Mensa!“,

und weiter:

Ich war wie geplättet! Das kannst Du Dir ja vorstellen. Zur Schlüsselübergabe ruft sie mich dann an.“

Natürlich wollte ich auch wissen, ob Hannes gut angekommen und wie sein erster Tag war.

Ich erinnere mich auch daran, dass ich sehr einsam ohne meinen Ehemann war und ihn vom ersten Tag an sehr vermisste. Beim Schreiben der Briefe kam ich mir dann auch weniger alleine vor. Und so schrieb ich oft seitenlange Briefe, auch weil ich dann das Gefühl hatte, näher bei meinem Fratz zu sein.

Irgendwann nannten wir uns gegenseitig „Fratz“. Wir hatten da mal einen Film gesehen, wo sich das Liebespaar darin so nannte. Das fanden wir toll und übernahmen das.

Ein wenig gegen die Sehnsucht half auch, dass es eine Freundin gab, deren Mann ebenfalls bei der NVA war. Wir saßen oft abends zusammen, schauten fern und machten Handarbeiten. Auch Freunde und meine Schwester mit ihrer Familie standen mir zur Seite.

Also die gute Nachricht war, dass wir eine Wohnung bekamen. Aber es gab auch das Problem, dass wir die Einbauküche selbst bezahlen sollten und wir mussten die Wohnung selbst renovieren.

Die Wohnung kam tatsächlich schneller als wir dachten, aber irgendwie musste es gehen. Ich schrieb meinem Hannes, dass ich vielleicht ein zweites Arbeitsverhältnis aufnehmen oder Fellmäuse nähen und verkaufen könnte.

Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern! Nachdem ich gestern mit meiner Schwester telefoniert habe, weiß ich, dass damals 1985 solche Fellmäuse unglaublich beliebt waren z.B. als Schlüsselanhänger. Sie konnte mir auch noch genau berichten, wie wir diese Mäuse damals hergestellt haben und aus welchem Material. Meine große Schwester hat mir wieder mal geholfen, wie damals als sie und ihr Mann bereit waren, uns zu helfen, sei es finanziell oder beim Renovierender Wohnung.

Aber ich schrieb natürlich auch, wie sehr ich ihn, meinen Hannes vermisste und liebte.

Leider fehlt das nächste Blatt und so kann ich nur ahnen, was ich da noch geschrieben habe.

Vielleicht gibt der nächste, der zweite Brief Auskunft darüber oder Hannes´ Antwort.

U

nd das steht tatsächlich

Ich hatte wohl doch ganz schön viel zu erledigen bis zur Schlüsselübergabe und wollte noch Etliches fertig bekommen, z.B. Gardinen für die neue Wohnung nähen.

Eine Freundin hatte mir angeboten, den „Kleinkram“ nach der Schlüsselübergabe schon mal mit ihrem Trabbi zur Wohnung zu fahren.

Jetzt weiß ich auch wieder, was das mit der Verlosung auf sich hatte. Die Wohnungen wurden Aufgangsweise bei Neubau vergeben. Wer dort einziehen würde war klar, nur nicht genau in welche Wohnung des Aufgangs. Da das ein kompletter Erstbezug war, 5 Stockwerke ohne Aufzug mit je drei Wohnungen, wurden diese verlost. Da wir ohne Kinder aber verheiratet waren, nahmen wir natürlich nur an den Verlosungen der Zwei-Raum-Wohnungen teil.

Das alles beschäftigte mich sehr. Aber ich schrieb ihm auch, wie sehr er mir fehlte und wie merkwürdig es war, abends ohne ihn ins Bett gehen zu müssen.

Ich hatte wohl auch Befürchtungen, dass ich ausgerechnet jetzt schwanger sein könnte. So schrieb ich:

Hoffentlich bin ich nun nicht schwanger! Das wäre die totale Katastrophe für mich. Aber warum soll es gerade diesmal geklappt haben, wo es so lange nichts geworden ist?“

Seit unserer Hochzeit verhüteten wir nicht mehr und wünschten uns Kinder.

Geplant waren drei und sie sollten am besten bis ich 30 wurde kommen.

Aber jetzt damit anzufangen, wo Hannes doch bei der Armee war und wir die Wohnung bekamen, machte mir offensichtlich doch Angst.

Und immer wieder schrieb ich ihm Pläne, wie wir das Problem der Küchenfinanzierung beheben könnten. Ein Vorschlag war, dies mit Hilfe des Ehekredites zu beheben, um nicht andere Schulden machen zu müssen, z.B. bei meiner Schwester.

Vielleicht kann ich die Küche doch vom Ehekredit zahlen? Aber was sind dann noch 2300,00 Mark? Ich darf gar nicht daran denken!“,

schrieb ich damals und weiter:

Warum haben sie Dich nicht erst im Herbst geholt? Aber dafür bist Du ja auch früher zurück! Ich schaffe das schon! Schließlich haben das andere Frauen auch geschafft. Mach Dir also bitte keine Sorgen! Du weißt doch, dass ich Dich liebe!“

Zur Erklärung muss ich hinzufügen, dass Wohnungseinrichtungen in der DDR recht teuer waren im Gegensatz zu Lebensmitteln und den Wohnungsmieten.

So genau erinnere ich mich nicht mehr, wie wir es dann gemacht haben, aber ich bin mir sicher, ich werde es durch die Briefe erfahren, die ich nun einen nach dem andern lese.

Dann teilte ich ihm mit, dass ich meiner Mutter, seinen Großeltern und seine Eltern geschrieben hatte, dass wir eine Wohnung bekommen haben.

Auch, sei bitte nicht böse, an Deine Eltern. Aber ich denke doch, dass sie das mit der Wohnung interessiert.“

Das Verhältnis zu seinen Eltern war nach wie vor besonders.

Es gab offensichtlich ebenso ein Problem in der Wohnunterkunft. Schließlich hatte ich ja nun ein Ehepaarzimmer alleine und sollte es räumen. Ich war mir sicher, dass das nun nicht mehr passieren würde. Es wäre tatsächlich unsinnig gewesen, mich für drei oder vier Wochen vor dem Wohnungseinzug dort rauszusetzen und in ein kleineres Zimmer ein zu quartieren.

Dann gab es ein kleines finanzielles Trostpflaster. Hannes bekam von seinem Betrieb das sogenannte Gardinengeld in Höhe von 200,00 Mark.

Ich habe mir damals viele Gedanken gemacht, wie ich das alles schaffen könnte und konnte wohl auch oft nicht schlafen deswegen. Auch bestand die Möglichkeit, sich auf der Wohnungsliste zurücksetzen zu lassen.

Und zurücksetzen, lass ich uns nicht auf der Liste oder was sagst Du dazu?

Schreib mir nur recht bald, mein lieber Fratz!“

Es gab damals tatsächlich die Möglichkeit, uns auf dieser Wohnungsliste zurück zu setzen. Dann hätten wir aber eventuell noch ein Jahr und länger auf eine Wohnung warten müssen. Und so schrieb ich weiter:

„Ich könnte vor Angst heulen! Aber, das schaffen wir schon! Das mit der Wohnung und Deiner Armeezeit!“

Ab dem 4. Mai hoffte ich natürlich auch auf Post von Hannes, obwohl mir klar war, dass er bestimmt nicht sofort schreiben könnte. Schließlich war für ihn alles komplett neu und ungewohnt.