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Das Glück reich zu sein

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– »Und das ist Alles? Wäre wohl der Mühe werth, reich sein zu wollen!«

– »Nun, mehr fällt mir grade in diesem Moment nicht ein. Mit einem Worte, ich würde davon leben und die Freunde leben lassen.«

– »Und würdest dabei noch Schornsteinfeger bleiben?«

– »Wie fragst du?«

– »Ob du noch ferner Schornsteinfeger bleiben würdest?«

– »Das heißt, ich würde . . . zu meinem Vergnügen . . . Schornsteine fegen.«

– »Oh, du unschuldiger Hungerleider,« kicherte die Frau.

– »Was sollte ich denn sonst mit meiner Zeit anfangen?« fragte Baes Smet. »Denkst du, ich würde den ganzen Tag zu Hause hocken wollen. Sage mir aber nun du selber, was du thun würdest, wenn uns vom Himmel ein Schatz in den Schoß fiele?«

– »Oh, so viel weiß ich, daß ich ihn vernünftiger anwenden würde; bin ja von guter Familie!« frohlockte die Frau. »Ein großes Haus auf dem Kipdorp der auf dem Meirplatz würde ich mir kaufen; eine Kutsche und vier Pferde alten und für den Winter einen Schlitten, Kleider von Seide und Sammt würde ich anschaffen, einen Muff und einen Boa . . . «

– »Was sagst du da? Einen Boa? Was ist das für ein Ding?«

– »Ein Pelz, den die vornehmen Damen um den Hals tragen.«

– »Ah, so einen Schwanz von einer wilden Bestie?«

– »Ei, das thut gar wohl und nimmt sich herrlich aus! Dann würde ich Diamanten auf der Brust, an den Ohren und Fingern tragen, und hinten an einem Kleid eine Schleppe, wie die Königinnen in der Komödie – und überall, wo ich ginge, müßte ein Bedienter hinterdrein troddeln du weißt, so ein Kerl mit einem gelben Frack und einer goldenen Tresse um den Hut . . . dann käme ich jeden Tag hier durch die Straße, um die Spezereihändlerin vor Ärger und Neid bersten zu machen . . . «

– »Höre auf, Frau, ich bitte dich!« rief der Kaminfeger, »sonst berste ich selber vor Lachen. Seh’ mal einer Madame Smet, die Frau Kaminfegerin, wie sie über die Straße einherstolzirt mit einem Schleppkleid, einem Ochsenschwanz um den Hals und einem langen Bengel von Kanarienvogel hinter sich. Wenn du nicht dran bist, den Rappel zu bekommen, dann gebe ich’s auf und du kannst mich selber ins Narrenhaus schicken, denn das ist gewiß, eins von uns hat einen Riß im Gehirn! . . . Aber höre doch, was das wieder für ein Treiben droben ist. Wahrhaftig, selbst die Ratzen lachen dich aus!

– »Geh doch hinauf, Smet; das wird am Ende gar zu bunt. Mache lieber die Löcher wieder auf; denn seit du den Ratzen deinen Possen gespielt hast, sollte man glauben, es hätten sich alle aus der Nachbarschaft ihr Stelldichein bei uns gegeben.«

Der Kaminfeger folgte der Aufforderung seiner Frau, steckte das Lämpchen an und griff nach einem alten verrosteten Säbel hinter dem Kasten.

– »Ich will sie gehörig aus ihren Nestern herausrisseln,« sagte er. »Leg mir einstweilen einige Centen zurecht, denn ich gehe gleich nachher aus, mein Schöppchen zu trinken.«

Mutter Smet blieb eine ziemliche Weile unten und horchte auf das Gepolter, das ihr Mann oben auf dem Boden anstellte, indem er mit dem Säbel auf den Brettern herumschlug.

Bald jedoch trat völlige Stille ein und die gute Frau gerieth auf’s Neue in wohlthuende Träumereien von seidenen Kleidern, diamantenen Ohrringen, von Bedienten mit reich betreßtem Hute. Ein süßes Lächeln erglänzte auf ihrem Antlitz, während sie so behaglich ihren Reichthumsgedanken nachhing, und wohl nickte sie zuweilen mit dem Kopfe, als bestätigte ihr Geist die Wahngebilde ihrer verzückten Phantasie.

Endlich hörte sie die Treppen knirren unter dem Tritt ihres Mannes; mit Verwunderung bemerkte sie, daß dieser im Dunkeln die Stiege heruntertappte.

– »Ist dir die Lampe ausgegangen?« rief sie. Der Kaminfeger indessen antwortete nicht, sondern schwankte schweigsam die Stufen herunter und nahte sich ihr. Der Angstschweiß lief ihm vom bleichen Gesicht und er zitterte am ganzen Leibe.

Die Frau stieß einen Schrei des Entsetzens aus, stand auf und rief ihm zu:

– »Gott, wie ist dir? Was hast du gesehen? Einen Dieb? Ein Gespenst?«

– »Schweig, Frau, und laß mich zu Athem kommen!« murmelte dumpf Meister Smet.

– »Um’s Himmels Willen, sprich doch?« jammerte die Frau; »du sagst mir eine Todesangst durch alle Glieder!«

– »Still, Trese; sprich leise, es darf uns Niemand hören.«

Hiermit trat er näher hinzu und flüsterte ihr in’s Ohr:

– »Trese, liebe Trese, dein Traum ist wahr geworden: einen Schatz, einen großen Schatz hab’ ich eben gefunden!«

– »O du Armer!« seufzte schmerzvoll die Frau. »Er ist wahrhaftig von Sinnen!«

– »Nein, nein; nur keinen Lärm oder wir sind verloren,« bat Smet fast außer sich vor der Gewalt seiner Empfindungen.

– »Nun, so sprich doch einmal; was ist vorgefallen?« wiederholte die Frau.

– »Einen Schatz, sage ich dir, habe ich gefunden, so wie dir in der vorigen Nacht geträumt hat.«

– »Einen Klumpen Gold!«

– »Nein, einen Sack voll Geld; Beides, Gold und Silber. Komm, nimm die Lampe; ich will ihn dir zeigen.«

Die Frau fing gleichfalls an zu zittern und blaß zu werden; denn es schien ihr nunmehr, daß ihr Mann wirklich mit voller Besinnung gesprochen. Doch bei all ihrer Verwirrung schwebte noch ein fieberhaftes Lächeln um ihre Lippen.

Ihrem Manne auf dem Fuße nachfolgend, sprach sie ängstlich.

– »Ich bitte dich, Smet, täusche mich nicht; denn wenn es nicht wahr ist, so könnte der Schreck darüber wohl tödtlich für mich werden.«

– »Schweig, sage ich,« flüsterte ihr Smet zu, indem er die Bodentreppe hinaufstieg; »du wirst uns am Ende noch gar verrathen!«

– »Aber wie und wo hast du den Fund gemacht?« fragte die Frau mit etwas gedämpfter Stimme.

Baes Smet blieb stehen, als wollte er die Neugierde seiner Frau befriedigen, noch ehe sie den Schatz selber gesehen.

– »Du hast doch wohl gehört, Trese,« sprach er, »wie ich droben mit meinem Säbel rumort habe. Als ich nämlich auf den Boden kam, sah ich zwar keine Ratzen mehr; aber bei dem Herumschlagen sprangen noch zwei aus einer Ecke hervor. Sie krochen mir an den Beinen vorüber und verschwanden am Mittelbalken, auf dem das Dach ruht. Da trat ich mit dem Lichte näher hin, fand aber weder Ritze noch Oeffnung. Ich musterte alle Winkel sorgfältig durch und kehrte dann wieder nach dem Balken zurück, denn ich konnte mir nicht erklären, wo die zwei Rasen sich hinversteckt haben könnten. Obgleich ich nicht den geringsten Riß im Balken wahrnahm, schlug ich dennoch, ich weiß selber nicht warum, mit dem Säbel dagegen. Das klang aber so sonderbar, als ob der Balken hohl wäre und ich schlug immer weiter darauf zu, in der Erwartung, es könnten sich wohl Ratzen darin aushalten. Da springt plötzlich ein viereckiges Brett vom Balken ab, und pluff! es fällt mir etwas auf den Fuß, daß ich gerade hätte aufschreien mögen .


– »Ein Klumpen Gold?«

– »Nein, wie gesagt, ein ganzer Sack voll gemünztes Geld! Beim Fallen riß er entzwei und es rollte daraus eine Unzahl Gold- und Silberstücke über den Boden . . . Ich war, wie du dir denken kannst, wie vom Blitze gerührt, die Lampe fiel mir aus der Hand und es überlief mich ein Schütteln, daß ich mich der Mauer festhalten mußte, um wieder herunter zu kommen. Es drehte sich Alles vor meinen Augen; kurz ich war wie betrunken . . . Nun komm; ab gehe aus den Zehen und sprich so leise, als es dir nur immer möglich ist.

Auf dem Boden angekommen, führte der Schornsteinfeger seine Frau nach dem mittleren Balken und wandte das Licht nach einem großen ledernen Sack, der mitten unter herumgestreuten Gelde auf dem Boden lag.

Baesin Smet fiel mit einem erstickten Freudenschrei auf die Kniee nieder, riß den Sack noch weiter aus, steckte ihre Hände mitten in die Goldstücke hinein, blieb eine Weile in stiller Verwunderung versunken, sprang dann wieder auf, tanzte wie von Sinnen durch den Speicher und rief endlich mit lauter Stimme:

»Ach! ich ersticke; ich halt’s nicht länger aus; sprechen muß ich. Lieber Himmel, so sind wir am Ende doch reich geworden.«

Erschrocken faßte sie der Schornsteinfeger nicht gar sanft beim Arm und legte ihr die Hand auf den Mund, indem er ihr mit drohender Geberde zuflüsterte:

– »Unvorsichtige Närrin, schweig, oder ich kneipe dir den Arm, daß du hinstürzest! Du willst also, daß die ganze Nachbarschaft von unserm Fund Kunde erhalte?«

– »Ach, Gott!« seufzte die Frau unter dem schmerzlichen Druck ihres Mannes, »was fährt dir schon wieder durch den Kopf. Du schneidest ja ein Gesicht, als wolltest du mich auffressen! Wie doch das Geld gleich einen Menschen verändert. Die fünf und zwanzig Jahre, die wir zusammen aushalten, habe ich bei dir noch nie so blitzende Augen gesehen!«

Als wäre er über sein eigenes Aufbrausen verwundert, der Schornsteinfeger besänftigte sich.

– »Nein, liebe Trese, es war nicht böse gemeint,« sprach er, ihren Arm loslassend, »aber ich beschwöre dich, sprich nicht zu laut und mach’ keinen Lärm . . . Es fragt sich nun, was wir mit dem Geld da anfangen?«

– »Was wir damit anfangen? nun, ich denke, wir tragen es hinunter und verschließen es sorgfältig im großen Kasten.«

– »Und wenn die Diebe bei uns einbrechen?«

– »Wie sollten sich gerade jetzt Diebe bei uns einstellen? Der Kasten sieht vielleicht schon hundert Jahre lang in der Ecke und ist noch Niemand eingefallen, ihn aufzubrechen.«

– »Ei, man kann nicht wissen, was geschehen kann.«

– »Irgendwo müssen wir es doch jedenfalls unterbringen.«

– »Wenn ich es in den Strohsack unseres Bettes versteckte?«

– »Man sieht wohl, Smet, daß du an kein Geld gewöhnt bist. Meinst du, die reichen Leute stecken ihr Geld in ihre Matratzen? Leg’ es nur kühn in den Kasten; finden wir morgen eine passendere Stelle, nun, so können wir’s immer noch ändern.«

Indem er die andere Lampe vom Boden aufhob, sagte der Schornsteinfeger:

 

– »Trese, lade du das Geld in deinen Schurz, ich will unterdessen an der Thüre drunten den Riegel vorschieben, damit uns Niemand bei der Arbeit überrasche . . . trag aber recht Sorge, daß die Geldstücke nicht klirren.«

Während die Frau das Geld aufsammelte und mit der schweren Last die Stiege hinabging, verriegelte Smet die Hausthüre, musterte sodann noch Fenster, Hinterthüre, Kellertreppe und prüfte überall die Schlösser und Klappen.

Mittlerweile hatte seine Frau den ganzen Schatz im Kasten aufgeschichtet und saß nun vor dem Tisch, mit bewegter Brust vor sich hinstarrend und in seliges Nachsinnen über den ihr so unverhofft zugefallenen Reichtum vertieft.

Da trat Meister Smet herein, streckte die Hand aus und sagte trocken:

– »Den Schlüssel her!«

– »Den Schlüssel!« erwiderte seine Frau mit stolz abschlägiger Miene. »Das wäre schön, wenn in unsern alten Tagen du den Schlüssel in der Tasche tragen solltest, nachdem ich ihn fünf und zwanzig Jahre lang mit Ehren geführt habe? Ha, ich verstehe; es stünde dir wohl an, das Geld in Gesellschaft deiner Kaminfegergenossen zu verprassen? Aber holla, Freundchen, über den Kasten bin ich Herrin!«

Smet schüttelte ungeduldig den Kopf und murrte:

– »Du irrst dich gewaltig; es ist mir vielmehr darum zu thun, dich vor dem Vergeuden des Geldes zu bewahren. Als wir wenig besaßen, da schien mir das Sparen zu nichts zu führen und ich hielt nicht viel darauf, aber setzt ist mir daran gelegen, daß etwas für unsere schlimmen Tage übrig bleibe und wir nicht bei all unserem Gelde noch in Noth und Elend gerathen, ehe wir zur ewigen Ruhe uns niederlegen.

– »Ich sehe schon, Smet, liebes Männchen, das Geld bekommt dir nicht gut,« spottete die Frau etwas verdrießlich; »du sprichst ja wie ein Filz und schneidest Gesichter wie ein Leichensager.«

– »Noch einmal, Trese, gieb mir den Schlüssel.«

– »Den Schlüssel? Und müßt’ ich Haar und Federn dabei lassen, den Schlüssel geb’ ich nicht aus der Hand.«

– »Willst du mir aber auch versprechen, nichts aus dem Kasten ohne meine Zustimmung herauszunehmen?«

– »Das heißt, ich will mich wohl anheischig machen, das Geld nicht in den Tag hinein zu verschleudern; aber daß ich mir eine Erlaubniß ausbitten soll, wenn ich mir ein neues Kleid anschaffen und meine abgetragenen Ohrringe für bessere austauschen will – da laß ich mich nicht draus ein? So lautet es nicht in unserm Ehekontrakt. Denn wollte ich mich nach deinem Willen richten, wären wir am Ende noch ärmer als zuvor. Wenn du vom Gelde nicht mehr Genuß ziehen magst, dann kannst du ebenso gut einen Haufen Zehnguldenstücke an die Wand malen: der Schein bleibt derselbe und du hast weniger schwer daran zu tragen.«

– »Du willst mich auch gar nicht verstehen, Trese; ich meine nämlich, daß, wenn du auf einmal durch prächtige Kleider, die gar nicht zu unserem Stande passen, merken lässest, daß wir viel Geld besitzen, die Nachbarn natürlich darüber klatschen und sich gegenseitig fragen werden, wo wir es hergeholt haben.«

– »Nun, was liegt auch daran? das Geld gehört ja uns rechtmäßig zu; meine Ahnen wohnen wohl schon über hundert Jahre in diesem Hause, und jetzt erklärt es sich endlich, warum sich beim plötzlichen Absterben meines Vaters kein Geld vorgefunden hat. Er hatte nicht mehr die Zeit, den Ort anzugeben, oder es vergraben hatte. Was hätte es also auf sich, wenn die Leute erführen, aß ich endlich zu meinem Erbtheil gelangt bin?«

– »Was es auf sich hätte, Unvorsichtige? Wüßten die Diebe von dem Gelde, das wir verwahren, so würden sie sich bald in den Besitz desselben zu setzen wissen und dabei unser eigenes Leben nicht verschonen.«

– »Was, das Geld hat dich schon zu einem Hasenfuß umgewandelt! Smet, ich erkenne dich nicht mehr . . . «

– »Ja, bedenke noch dazu, daß die Leute es nicht so schlechtweg auf Treu und Glauben annehmen werden, wir hätten das Geld gefunden und Gott weiß, bis wir nicht gar den Polizeikommissär auf den Hals kriegen und eines Diebstahls verdächtigt werden. Dann bringen sie den Schatz zur Untersuchung nach dem Gericht, und wenn er einmal in diese Hände gerathen, da kann einer lange warten, bis er es wieder herauskriegt! So kämen wir nicht nur um das Gold, sondern geriethen noch obendrein in Schande und Noth.«

– »Wahrhaftig!« sagte nachdenklich die Frau, »ich glaube, Mann, du hast Recht.«

– »Ja, ja, liebe Trese, sei nur recht behutsam; laß ja Niemand von unserem glücklichen Funde was merken.«

– »Am Wollen soll’s nicht fehlen,« bemerkte die Frau die Achseln zuckend; »aber das Plaudern ist ein Fehler, den mir meine gute Mutter vererbt hat, die auch nicht immer ihre Zunge in der Gewalt hatte . . . «

– »Himmel, das wird noch schlecht ausfallen, sehe ich.«

– »Wenn einer nach deiner Weise reich sein müßte, da – wäre es freilich ein Unglück, reich zu werden, und so magst du mit Recht jammern und seufzen . . . Aber können wir denn den Nachbarn nicht weißmachen, daß wir geerbt haben? Ich habe ja lange genug mit ihnen vom Erben gesprochen.«

Dieser Gedanke erheiterte plötzlich des Schornsteinfegers Gesicht-, nach kurzem Nachdenken aber sagte er bedenklich:

– »Daß wir geerbt haben? Aber dann erfahren auch die Leute, daß hier viel Geld liegt.«

– »Was thut’s?«

– »Und die Diebe?«

– »Smet, du verlierst den Verstand.«

– »Nein, weißt du, was wir sagen? Daß wir nächstens erben werden, daß die günstigsten Berichte von deinem Onkel in Holland eingelaufen seien . . . «

– »Sage lieber, von meiner Tante; und wenn ich jetzt schon mir ein neues Kleid oder sonst was anderes kaufe, so können doch die fürwitzigen Nachbarn sich die Sache leicht erklären . . . nämlich als einen vorläufigen Anschnitt des erwarteten Erbes.«

– »So laß ich mir’s gefallen; es erfährt wenigstens Niemand, daß viel Geld bei uns liegt und Jedermann muß endlich anerkennen, daß du von guter Familie stammst. Aber immerhin, Trese, wirst du vernünftig thun, und mit unserem Gelde etwas haushälterisch umgehen?«

– »Mit unserem Gelde? du meinst wohl, mit meinem Gelde. Nun, ich werde damit schalten, wie es unserem Stande geziemt.«

– »Aber auch dem Pauw müssen wir dasselbe wie der Nachbarschaft weißmachen; damit zuletzt der Junge nicht auch sich einfallen lasse, die Nase höher zu tragen und ein Verschwender zu werden . . . «

– »Da höre ich ihn eben kommen!« rief die Frau, »geh schnell und mach den Riegel los; sonst frägt er uns aus, was hier vorgefallen sei.«

»Der Kaminfeger that, wie seine Frau gesagt, und setzte sich sodann wieder ruhig an den Tisch, als ob gar nichts geschehen wäre.

Trillernd und hüpfend trat Pauw in die Stube. Sogleich begann er im fröhlichsten Tone und hastig mit seinen Eltern zu plaudern.

– »Seit langer Zeit hab’ ich nicht so gelacht, wie diesen Abend; auch kratzt mich’s noch in der Kehle. Denkt euch, sie haben mich in unserer Meisenfang-Gesellschaft5 zum Hauptmann gemacht.«

– »Nun, mache doch nicht so viel Wesens daraus,« murrte der Vater.

– »Um den neuen Titel ist mir’s nicht zu thun,« fuhr Pauw mit derselben Heiterkeit fort. »Du weißt aber, Vater, daß wir eine Summe Geldes zusammengelegt haben, um eine neue Gesellschaftsfahne machen zu lassen, und der Kunstmaler in der Winkelstraße – dem sie, wie du weißt, wegen seines breiten Hutes und seines Schnauzbartes, den Spitznamen Rubens eben haben – sollte eine Eule auf die neue Fahne malen. Das war mir nun ein Spaß . . . Während wir nämlich ganz gemüthlich zusammen plauderten, bringt man auf einmal die neue Fahne herein. Wir springen alle voller Neugierde drauf zu; Peter Kruls rollt die Fahne auf und während wir sie näher betrachten – brechen wir Alle zusammen in ein so fürchterliches Lachen aus, daß drei bis vier von uns auf den Boden fielen und die Andern sich die Rippen festhalten mußten. Einer nur, machte bei der Geschichte ein saures Gesicht; das war er Schmid. – Was meint ihr nun, was auf der Fahne abgebildet war.«

– »Ach, mit euren Kinderpossen,« sagte die Mutter, »was wird’s gewesen sein? eine Eule!«

– »Ganz richtig, eine Eule und zwar mit einem Kopfe, so groß als der eines achtjährigen Kindes; – aber das Possierlichste daran war, die Eule und der Schmid glichen sich wie zwei Tropfen Wasser. Das gab nun ein furchtbares Gelächter und Durcheinanderrufen. Der Schmid wollte dem Maler schier die Haare ausraufen; wir legten uns natürlich ins Mittel – und es setzte eben nur drei gebrochene Krüge und zwei zerdrückte Hüte. Glücklicherweise nahm die Sache keinen ernstlicheren Ausgang, indem Rubens versprach, die Eule zu verändern . . . Aber sagt mir, was hat sich denn hier zugetragen? ihr gebt ja Bei kaum Acht auf das, was ich sage. Vater sitzt so trübsinnig da, und ihr auch, Mutter! Ihr seid doch nicht krank, will ich hoffen?«

– »Es ist jetzt an der Zeit, Kurzweile zu treiben,« erwiderte Frau Smet mit ernstem Tone. »Pauw, Junge, weißt du was Neues? – Wir werden erben.«

– »Schon wieder?« rief der Junge mit scherzendem Unglauben.

– »Diesmal wird’s wahr.«

– »Das Liedchen kenne ich gar zu lange her. Ohne Zweifel von unserer Tante in Holland?«

– »Wie du sagst; von meiner Tante in Holland.«

– »Geht, Mutter, ihr habt euch wieder eins aufbinden lassen. Es ist nichts daran, nicht wahr, Vater?«

– »Es scheint doch, daß es diesmal eine Wahrheit werden soll,« antwortete Baes Smet, indem er seine Aussage mit Zunicken bekräftigte.

– »Nun gut,« rief Pauw lachend, »dann bestell’ ich mir einstweilen gleich, bis das Geld einläuft, ein Paar neue Hosen und ein Dutzend Halskrägen.«

Die Alten schwiegen und Pauw, darüber verwundert, sagte weiter:

– »Aber, Mutter, Vater, diese gute Nachricht hat euch ja ganz und gar griesgrämig gestimmt. Laßt doch hören, was habt ihr für Nachricht bekommen?«

– »Ich habe jetzt Kopfweh,« antwortete der Vater, »das Sprechen fällt mir schwer; ich will dir lieber morgen Näheres mitteilen.«

– »Und ist es wirklich die Erbschaft jener Tante, nach der man schon so lange her sucht und forscht, als ich auf der Welt bin?«

– »Von derselben; aber laß uns darüber jetzt in Ruhe.«

Pauw sagte kopfschüttelnd zu sich selber: »Es muß hier etwas vorgefallen sein, von dem sie mir nichts sagen wollen. Beim Erben macht man doch sonst keine so grämliche Miene. Vielleicht hat’s einen kleinen Wortwechsel gegeben; doch ich will mir darüber nicht länger den Kopf zerbrechen.«

Hiermit steckte er das zweite Lämpchen an und sprach zu den Eltern:

– »Morgen früh muß ich um vier Uhr aufstehen; im Ranster Hof giebt’s drei Kamine zu kehren und es ist wohl zwei Stunden Wegs dahin. Nun, gute Nacht . . . «

– »Pauw,« fiel ihm die Mutter mit einer gewissen Feierlichkeit in die Rede; »wir sind keine Kaminfeger mehr; und wenn du morgen ausgehst, so ziehe gleich deine Sonntagskleider an, hörst du?«

– »Liebe Mutter, nehmt es mir nicht für ungut,« lachte der Junge, »aber ihr treibt es eben doch ein bisschen zu weit!«

– »Übrigens brauchst du auch nicht nach Ranst zu gehen; man hat diesen Abend abbestellen lassen.«

– »Das ist was anderes; so kann ich doch einmal recht ausschlafen. Unterdessen wird, wie schon mehr als einmal, das holländische Erbe wieder zum Kamin herausgeflogen sein. Schlaft wohl, Mutter; gute Nacht, Vater.«

Er stieg leichten Trittes auf seine Kammer und trällerte noch vernehmlich:

 
Auf, auf, Genossen vom A. B. Gewerk,
Lustige Jungen
Fröhlich gesungen . . .
 

Baes Smet und seine Frau jedoch blieben noch einige Stunden unten sitzen. Letztere wandte vergeblich alle Überredungskünste an, ihren Mann zum Schlafengehen zu bewegen. Es schien, als wäre es diesem rein unmöglich, den Ort zu verlassen, wo der Schatz niedergelegt war. Zu wiederholten Malen hatte er an Thüren und Schlössern Musterung gehalten als es endlich Mitternacht schlug.

Nach einer letzten Runde folgte er zuletzt seiner Frau nach der Schlafkammer, aber nicht ohne wohl zehnmal den Blick nach dem Kasten zurück zu werfen, der seinen Reichtum und man möchte sagen, seine Seele verbarg.

5Es bestehen in Antwerpen unter der geringeren Bürgerklasse besondere Vereine, die das ganze Jahr über einiges Geld zusammenbringen, um im Spätjahr mit einer Eule auf die Meisenjagd zu gehen.