Loe raamatut: «Jesus nachfolgen»
Henri J. M. Nouwen
Jesus nachfolgen
Nach Hause finden
in einem Zeitalter der Angst
Herausgegeben
von Gabrielle Earnshaw
Aus dem Englischen übersetzt
von Bernardin Schellenberger
Henri J. M. Nouwen (1932–1996)
ZU DIESEM BUCH
In diesem bisher unveröffentlichten Buch liefert Bestsellerautor Henri Nouwen überzeugende Gedanken dazu, warum Christsein relevant und schön, klug und in unserer modernen Welt notwendiger denn je ist.
An einem der Tiefpunkte seines Lebens hielt Henri Nouwen Vorträge über die Bedeutung der Jesus-Nachfolge in einem Zeitalter der Angst.
Henri Nouwen sieht, wie wir uns zwischen Rastlosigkeit, die uns in Atem hält, und frustrierter Untätigkeit, die uns lähmt, durch unser Leben bewegen. Er macht uns auf die Stimme von Jesus aufmerksam, der zu mir und zu dir sagt: „Komm, folge mir nach.“
Nouwen lädt ein, diese leise Stimme der Liebe zu hören und sich darauf einzulassen – und auf diesem Weg mit Jesus von der Angst befreit zu werden.
Henri J. M. Nouwen gehört zu den bekanntesten geistlichen Schriftstellern der Gegenwart. Durch seine radikale Ehrlichkeit und Offenheit haben unzählige Menschen sich in seinen Büchern wiedererkannt: die Fragen, Zweifel und Abgründe ihres Lebens, die Bedürfnisse und Sorgen ihres Herzens.
LESERSTIMMEN ZU DIESEM BUCH
„Ohne die Sorgen, Ängste und Brüche kleinzureden, die zum Leben gehören, führt Nouwen sanft den Weg in ein Leben, das sich auf Jesus konzentriert.“
„Eine überzeugende Erinnerung daran, dass die primären Wahrheiten des Evangeliums Christi für unsere tiefsten Bedürfnisse genügen.“
„… eine Vision davon, was es bedeutet, Jesus zu folgen, die atemberaubend einfach und zugleich tiefgründig ist.“
ZUM AUTOR
Henri J. M. Nouwen, geboren am 24. Januar 1932 im niederländischen Nijkerk, wurde 1957 zum katholischen Priester geweiht. Nach seiner Promotion an der Universität Nijmegen wurde er Professor für Psychologie und Pastoraltheologie u. a. an den Universitäten Notre Dame, Yale und Harvard in den USA.
Er lebte mit Trappistenmönchen im Kloster, unter Armen in Peru und rang leidenschaftlich mit Fragen sozialer Gerechtigkeit. Nach einer lebenslangen Suche fand Henri Nouwen schließlich nach Hause, als er 1986 der Einladung von Jean Vanier folgte und sich der Arche-Bewegung anschloss; einer Lebensgemeinschaft von Menschen mit und ohne geistige Behinderung. Bis zu seinem Tod war er geistlicher Leiter der Arche-Gemeinschaft Daybreak in Toronto/Kanada.
Henri Nouwen verfasste mehr als 40 Bücher über Spiritualität, die sich weltweit über sieben Millionen mal verkauften und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.
Er starb am 21. September 1996.
IMPRESSUM
Dieses Buch als E-Book: ISBN 978-3-86256-785-0
Dieses Buch in gedruckter Form:
ISBN 978-3-86256-162-9, Bestell-Nummer 590 162
Aus dem Englischen übersetzt von Bernardin Schellenberger
Copyright © 2019 by The Henri Nouwen Legacy Trust, Toronto, Ontario/Canada
Eine englische Ausgabe dieses Buches erschien 2019 unter dem Titel Following Jesus: Finding Our Way Home in an Age of Anxiety bei Convergent Books, New York, einem Imprint von Random House
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.
Bibelzitate, soweit nicht anders angegeben, wurden der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1993 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart, entnommen.
Lektorat: Dr. Thomas Baumann Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson Umschlagabbildungen: Nathan McBride; Christopher Sardegna/unsplash.com Abbildung Frontispiz: Kevin F. Dwyer Satz: Neufeld Verlag
© 2021 Neufeld Verlag, Sauerbruchstraße 16, 27478 Cuxhaven
Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
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INHALT
Zu diesem Buch
Leserstimmen zu diesem Buch
Zum Autor
Impressum
VORWORT VON RICHARD ROHR
EINFÜHRUNG
1. DIE EINLADUNG
„Komm und sieh“
2. DIE BERUFUNG
„Komm und folge mir nach“
3. DIE HERAUSFORDERUNG
„Liebt eure Feinde“
4. DER PREIS
„Nimm dein Kreuz auf dich“
5. DIE BELOHNUNG
„Meine Freude wird die deine sein“
6. DIE VERHEISSUNG
„Ich werde allezeit bei euch sein“
Nachwort der Herausgeberin
Danksagung
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VORWORT
Henri Nouwen: Mein Freund und Lehrer
Von Henri Nouwen hörte ich das erste Mal, als ich in den späten 1960er Jahren noch in Ohio im Seminar war. Meine Mutter schrieb mir aus Kansas, dass in unserer Pfarrei ein neuer holländischer Priester den Gottesdienst halte und ihr seine Messen sehr gefielen. Sie erzählte mir: „Seinen Akzent verstehe ich nur mit Mühe, aber er feiert die Heilige Messe mit großer Ehrfurcht und Andacht.“ Zur damaligen Zeit hatte ich natürlich noch keine Ahnung, was sie damit meinte. Er war damals Psychologiestudent am Menninger Institute in der Nähe des Hauses unserer Familie in Topeka. Aber es sollte nicht lange dauern, bis er in mein Leben eintrat.
Ab Mitte der 1970er Jahre waren wir oft bei den gleichen Konferenzen Sprecher. Er besuchte mich dann bald mehrere Male in der Kommunität New Jerusalem in Cincinnati und sagte mir damals, dass er sich nach einer Kommunität und engeren Beziehungen sehne. Mir wurde klar, dass dies ein leidenschaftliches Bedürfnis für ihn war. Ab und zu machten wir miteinander Spaziergänge in der näheren Umgebung der Arbeitersiedlung, in der die Kommunität sich eingerichtet hatte. Er unterhielt mich ständig (anders kann ich das kaum richtig ausdrücken) mit seiner endlosen Neugier bezüglich des geistlichen Lebens, seiner extremen Verletzlichkeit und seiner demütigen Sorge um die Menschen.
Henri hungerte nach tiefgehender Beziehung und ich glaube, dass das Knüpfen von persönlichen Beziehungen tatsächlich seine besondere Gabe war. Er verstand das Authentische vom nicht Authentischen zu unterscheiden und war darauf aus, ein Heiler des nicht Authentischen zu sein. Das war genau das, womit er uns alle so beschenkte!
Als ich 1986 nach New Mexico zog, um dort das Center for Action and Contemplation zu gründen, schrieb Henri mir einen sehr hilfreichen Brief und ermutigte mich dazu, „nichts anderes als Kontemplation zu lehren“! Er empfahl mir sogar, mich gründlich in die Schriften von Eknath Easwaran zu vertiefen. Das zeigte mir die Tiefe seines christlichen Glaubens, den er nicht von einem Lehrer, der überzeugter indischer Hindu war, bedroht sah. Zugleich merkte ich, dass er als Katholik, der er war, die authentische kontemplative Lehre wertschätzte, woher immer sie auch kommen mochte.
Weil ich auf ihn als weisen und tiefgläubigen Älteren aufblickte, versuchte ich immer wieder einmal, mir von ihm irgendwelche freie spirituelle Anleitung geben zu lassen. Dabei merkte ich schon nach wenigen Minuten, dass er meine Fragen niemals wirklich beantwortete, sondern es immer irgendwie fertigbrachte, den Spieß umzudrehen und mich zu seinem geistlichen Begleiter zu machen! Ich war mir nie ganz sicher, ob das seinerseits auf Demut beruhte oder eher auf einer Art von unbewusstem Bedürfnis nach Gegenseitigkeit. Aber ich kam zum Schluss, dass es sich dabei um eine völlig aufrichtige geistliche Suche handelte und er meine Einsichten genauso sehr wertschätzte wie seine eigenen. Ich wusste zwar, dass er ein geistlicher Schriftsteller war, aber er war zugleich auch ein geistlich Suchender und Gläubiger – immer voller Sehnsucht nach mehr Weisheit und mehr Liebesfähigkeit.
Als er erfuhr, dass ich angefangen hatte, Männern Unterricht in Spiritualität zu geben, schrieb er mir und ermutigte mich diesbezüglich sehr. Er empfahl auch einer ganzen Anzahl von Künstlern, sie sollten unbedingt Bilder malen, die sich heilend auf ihre so häufig zerbrochenen Vater-Sohn-Beziehungen auswirken könnten. Er wusste, dass es für den Beginn eines Heilungsprozesses oft hilfreich war, sich anschauliche Bilder vorzustellen. Zumindest ein Ikonenmaler, der Franziskaner Robert Lentz, hielt sich an seinen Rat und malte Johannes (den „Jünger, den Jesus liebte“), der seinen Kopf an die Brust Jesu legt. Henri gefiel das und er schilderte mir und anderen recht ehrlich seine komplizierte Beziehung mit seinem eigenen Vater.
Alles in allem und soweit ich das aus meiner einfachen Sicht sagen kann, waren Henri Nouwens besondere Gaben die folgenden: Er war ein sehr verletzlicher Mensch; er verfügte über eine unbekümmerte Ehrlichkeit; und diese verschaffte ihm eine heilende Kraft. Als die Bezeichnung für die meisten von uns prägte er den Begriff vom „verwundeten Heiler“ und lebte das als solcher selbst auf beispielhafte Weise. Er genoss es, ziemlich bekannt zu sein, und war sich dieses Paradoxes durchaus bewusst. Ich entsinne mich daran, dass er mir einmal im Ton aufrichtiger Verletztheit sagte: „Meine eigene Familie in den Niederlanden liest meine Bücher nicht, ja will sie nicht einmal kennen!“ Aber dann pflegte er auch gleich darüber zu lachen, dass er so etwas gesagt hatte.
Vielleicht könnte man sagen, dass Henri den Schatten des Menschen in das gesamte Thema der Spiritualität mit einbezogen hat, so ähnlich, wie das auch Franz von Assisi und Thérèse von Lisieux getan haben, aber mit mehr psychologischem Scharfsinn. Das eröffnete ihm viel praktische Einsicht in die Natur der Liebe und jeglicher Beziehung und insbesondere der Gottesliebe. Wir Christen hatten es uns angewöhnt, das Schatten-Ich „Sünde“ zu nennen und es vielleicht allzu schnell als solches zu beichten, wurden dann aber unfähig, etwas von ihm zu lernen. Henri „beichtete“ sicher den ihm nahen Menschen seine Sünden und Fehler – aber erst, nachdem er deren Stachel, deren Struktur, deren Wahrheit und deren immer verfügbare Weisheit verspürt hatte. Diese aufrichtigen Geständnisse scheinen ihn zum Mitgefühl mit anderen geführt zu haben.
Mit all dem und wegen all dem erwies Henri sich als großartiger christlicher Lehrmeister, der ganz sicher den Test der Zeit bestehen wird. Sie, die Leserinnen und Leser, werden jetzt mit diesem Buch in den Genuss seiner mühsam erworbenen Weisheit kommen.
Er wird Ihnen bald zum Freund werden, falls er das noch nicht sein sollte.
Fr. Richard Rohr, O.F.M.
Center for Action and Contemplation Albuquerque, New Mexico, USA
EINFÜHRUNG
Folgen Sie Jesus nach? Ich möchte Sie dazu auffordern, sich selbst genauer anzusehen und diese Frage selbst zu stellen.
Sind Sie ein Nachfolger, eine Nachfolgerin? Bin ich es?
Oft sind wir mehr Wanderer als Nachfolger. Ich sage das von mir selbst, aber es gilt auch für Sie. Wir sind Menschen, die ziemlich viel herumrennen, vieles tun, viele andere Menschen treffen, bei vielen Ereignissen dabei sein wollen, viele Bücher lesen. Wir sind in eine Menge verwickelt. Wir erfahren das Leben als unzählige Sachen. Wir gehen hierhin und dorthin, tun dieses und jenes, reden mit diesem, reden mit jener, haben dieses zu tun und jenes zu erledigen. Zuweilen fragen wir uns, wie wir das alles überhaupt fertigbringen. Wenn wir uns hinsetzen und darüber nachdenken, so merken wir, dass wir oft von einer Notwendigkeit zur anderen rennen. Wir sind ja so beschäftigt und in so vieles verwickelt. Fragt uns aber jemand, womit wir derart beschäftigt sind, können wir das gar nicht genau erklären.
Menschen, die ständig vom einen zum andern hasten, haben das Gefühl, dass sie mehr gelebt werden, als wirklich selbst zu leben, und das macht sie sehr müde. Das ist für viele Menschen ein Problem.
Das liegt nicht nur daran, dass wir vieles tun, sondern dass wir uns dabei fragen, ob da eigentlich überhaupt etwas geschieht. Es wirkt ja zuweilen so, als hätten wir wie ein Jongleur alle diese Bälle in die Luft geworfen und fragen uns nun, wie wir sie oben halten können. Das ist sehr ermüdend, ja erschöpfend.
Manche Menschen machen schließlich Halt und lassen alles bleiben. Sie sagen: „Das hat jetzt fünf Jahre lang gedauert und trotzdem hat es nichts gebracht.“ Sie sitzen da und tun nichts mehr. Nichts regt sie mehr auf. Sie haben am Leben kein wirkliches Interesse mehr. Sie sitzen bloß noch vor dem Fernseher, lesen Comics und schlafen die meiste Zeit. Sie haben keinen Rhythmus mehr, keine Bewegung, keine Spannung. Zuweilen bietet sich die Flucht mittels Alkohol, Drogen oder Sex an, aber nichts fasziniert sie mehr. Nichts verschafft ihnen Energie.
„Was möchtest du tun?“ – „Ist mir egal.“
„Möchtest du ins Kino gehen?“ – „Ist mir egal.“
Früher sind sie umhergeschweift – jetzt sitzen sie nur noch da. Diese Menschen sind zugleich recht müde. Sie sind richtig erschöpft. Diese beiden Menschentypen, die Herumrenner und die bloß noch Herumsitzer, bewegen sich nirgendwo mehr hin.
In jedem von uns steckt ein Stück Wanderer und ein Stück von der Art Mensch, der bloß noch herumsitzt. Wenn Sie auf diese Welt blicken, denken Sie vielleicht: „Ich bin so müde. In dieser Welt gibt es so viel Müdigkeit, so viel Erfahrung des Schweren, dass ich mich zuweilen als Wanderer empfinde und zuweilen als Herumsitzer.“ In diese unsere zutiefst müde gewordene Welt schickt Gott Jesus, der uns mit der Stimme der Liebe ansprechen soll. Jesus sagt: „Folge mir nach. Lauf nicht bloß dauernd herum. Folge mir nach. Sitz nicht bloß hier herum. Folge mir nach.“
Die Stimme der Liebe ist die Stimme, die unserem Leben eine völlig neue Form geben kann, so dass aus einem Leben des bloßen Herumwanderns oder bloßen Herumsitzens ein Leben werden kann, das konzentriert ist und einen Punkt findet, den es ansteuern kann.
„Folge mir nach.“ Manche von uns haben diese Stimme vielleicht schon gehört.
Andere nicht. Sobald wir die Stimme hören, die uns zur Nachfolge aufruft, ergibt oft alles wieder Sinn. Statt uns in viele verschiedene Richtungen hinaus zu bewegen, haben wir plötzlich ein Ziel. Wir wissen, wohin wir gehen. Wir haben nur noch eine Sorge. Plötzlich vergeht diese abgründige Langeweile, die wir erlebt haben, weil wir die Stimme der Liebe vernommen haben.
Wenn wir kein Ziel haben; wenn wir niemanden haben, dem wir folgen können, sind wir hohle Menschen. Ja, das sind wir dann! Aber wenn wir entdecken, dass es eine Stimme der Liebe gibt, die uns ruft und zu uns sagt: „Folge mir nach!“, wird alles anders. Das Leben, das so öde erschien, so langweilig, so ermüdend, wird jäh zu einem Leben mit einer Richtung.
Dann sagen wir vielleicht zu uns selbst: „Jetzt weiß ich, warum ich lebe!“
Dieses Buch hier wurde geschrieben, um Ihnen und mir zu helfen, diese Stimme der Liebe zu vernehmen, diese Stimme, die Ihnen ins Ohr flüstert: „Folge mir nach!“
Was ich vorhabe, ist, uns vom rastlosen Herumwandern weg und zum frohen Nachfolgen hin zu führen; weg davon, gelangweilte Menschen zu sein, die bloß herumsitzen und nichts dafür tun, aufgeweckt zu werden, weil wir eine Stimme gehört haben.
Diese Stimme ist nicht von der Art, dass sie sich uns aufdrängen möchte. Es ist eine Stimme der Liebe, und die Liebe drängt nicht und zieht nicht mit Gewalt. Die Liebe ist sehr einfühlsam.
Im Alten Testament gibt es die wunderbare Geschichte, dass ein Prophet am Eingang einer Höhle steht und der Herr davor vorbeizieht. Es donnert, und der Herr ist nicht im Donner. Die Erde bebt, und der Herr ist nicht im Erdbeben. Ein Feuer zieht vorüber, und der Herr ist nicht im Feuer. Dann ist eine leise, zarte Stimme zu hören, und in dieser Stimme ist der Herr (siehe 1. Könige 19,11–13).
Diese Stimme ist sehr zart. Sie kann sehr still sein. Zuweilen kann man sie kaum hören. Aber diese Stimme der Liebe ist bereits in dir. Vielleicht hast du sie sogar schon einmal gehört.
Fange damit an, auf diese Stimme zu hören. Werde still und verbringe einige Zeit mit dem Versuch, sie zu hören.
Horche. Sie sagt: „Ich liebe dich“ und ruft dich bei deinem Namen.
Sie sagt: „Komm, komm. Folge mir nach.“
Lieber Gott,
sei heute bei mir. Horche auf mein Verwirrtsein und hilf mir zu erkennen, wie ich mit ihm leben kann. Ich kenne die Worte nicht. Ich kenne den Weg nicht. Zeig mir den Weg. Du bist ein stiller Gott. Hilf mir, in einer lauten Welt auf deine Stimme zu hören. Ich weiß, dass du der Friede bist. Ich weiß, dass du die Freude bist. Hilf mir, ein friedlicher und froher Mensch zu sein. Das sind die Früchte des Lebens ganz in deiner Nähe. Bring mich dir ganz nahe, lieber Herr.
Amen.
KAPITEL EINS
DIE EINLADUNG
„Komm und sieh“
Als Johannes der Täufer mit zwei seiner Jünger am Jordan stand, kam Jesus vorbei. Johannes blickte ihn scharf an und sagte: „Seht, da ist das Lamm Gottes.“ Die zwei Jünger, die das hörten, folgten Jesus. Jesus wandte sich um, sah sie ihm nachfolgen und sagte: „Was wollt ihr hier?“ Sie erwiderten: „Rabbi [was „Lehrer“ heißt], wo wohnst du? Er gab ihnen zur Antwort: „Kommt und seht!“ So gingen sie mit ihm, sahen, wo er wohnte, und blieben den Rest des Tages bei ihm. Das war ungefähr zur zehnten Stunde.
Johannes 1,35–39
Stell dir vor, du bist für einen Augenblick in dieser Geschichte dabei. Stell dir vor, du stehst da vor Johannes dem Täufer. Er ist ein energischer Mensch. Stell ihn dir in seinem Kamelhaarmantel vor. Er ist anders als alle andern. Er sagt mit strenger Stimme: „Tut Buße! Tut Buße! Ihr seid ein sündiges Volk. Tut Buße! Tut Buße! Tut Buße!“
Die Leute stehen da und hören das. Sie haben irgendwie das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas fehlt. Sie spüren irgendwie, dass sie mit allem möglichen beschäftigt und deshalb erschöpft sind – oder dass sie bloß untätig herumsitzen und nie etwas Entscheidendes passiert.
Sie gehen zu diesem eigenartigen Menschen – diesem wilden Mann – und hören ihm zu. Johannes und Andreas, zwei der Jünger von Johannes, stehen bei ihm. Eines Tages kommt Jesus vorbei. Johannes blickt ihn scharf an und sagt: „Das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“
Johannes wusste, dass seine Leute Sünder waren und der Buße bedurften, aber er wusste auch, dass er die Sünden dieser Menschen nicht wegnehmen konnte; dass das Wegnehmen von Sünden keine Möglichkeit des Menschen war. Er sagte nur: „Tut Buße! Tut Buße! Tut Buße!“ Aber als Jesus vorbeikam, sah Johannes ihn scharf an und sagte zu Johannes und Andreas: „Seht, das ist das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt. Das ist der Gottesknecht. Er ist gekommen, um zu leiden. Das ist der, welcher gesandt wurde, das Opfer zu werden, das Lamm Gottes, sodass er eure Sünden wegnehmen kann.“
Bleibe einfach in diesem Bild.
Bleibe da, wo Johannes und Andreas sind, begierig, ein neues Leben anzufangen, mit einem neuen Konzentrationspunkt, einem Neuanfang, einem neuen Herzen, einer neuen Seele. Diese zwei jungen Männer fangen an, Jesus nachzufolgen, und Jesus dreht sich um, sieht sie ihm nachfolgen und sagt: „Was wollt ihr?“ Und was sagen sie? Sagen sie: „Herr, wir möchten deine Anhänger sein“, „Herr, wir möchten deinen Willen tun“, „Herr, wir möchten, dass du unsere Sünden hinwegnimmst“? Sie sagen nichts von alledem! Stattdessen fragen sie ihn: „Wo wohnst du?“
Wir hören hier irgendwie gleich zu Anfang dieser Geschichte die sehr wichtige Frage: „Wo wohnst du? Was ist dein Platz? Wie fühlt es sich an, bei dir zu sein?“
Jesus sagt: „Kommt und seht.“
Er sagt nicht: „Kommt in meine Welt.“ Er sagt nicht: „Kommt, ich will euch ändern.“ Er sagt nicht: „Werdet meine Jünger“, „Hört auf mich“, „Tut, was ich euch sage“, „Nehmt euer Kreuz auf euch.“ Nein. Er sagt: „Kommt und seht. Seht euch um. Lernt mich kennen.“ Das ist die Einladung. Sie blieben bei ihm. Sie gingen und sahen, wo er lebte, und blieben den Rest des Tages bei ihm. Johannes sagt, das sei ungefähr zur zehnten Stunde gewesen, also etwa um vier Uhr nachmittags.
Jesus lud sie ein und sie kamen zu ihm und sie wohnten bei ihm. Sie begaben sich freiwillig an seinen Platz. Sie sahen einen ganz anderen Menschen als Johannes den Täufer, der laut ausrief: „Tut Buße, tut Buße, tut Buße! Die Zeit ist angebrochen!“ Stattdessen sagte Jesus bloß: „Kommt und seht, wo ich lebe.“
Sie sahen Jesus, das Lamm Gottes. Den demütigen Knecht. Arm, sanftmütig, warm, Frieden stiftend, reinen Herzens. Sie sahen ihn. Schon damals. Sie sahen das Lamm Gottes.
Das ist alles sehr behutsam. Man spürt eine Zärtlichkeit, eine Demut.
„Kommt und seht.“
„Sie blieben den Rest des Tages bei ihm.“
Jesus lädt sie ein, sich einfach bloß umzusehen.
Sei da. Sieh dir mit den Augen deines Herzens diese Geschichte an, die du gehört hast.