Wie wir sie zuerst erblickten, war es die wildeste und trostloseste Szene. Wir lagen in einem ungeheuren Amphitheater, auf einer weiten, kreisrunden Ebene, dem Boden des Riesenkraters. Seine klippenartigen Wände schlossen uns auf allen Seiten ein. Von der westlichen her fiel das Licht der unsichtbaren Sonne darauf und reichte bis hinab zum Fuße der Klippe; sie zeigte einen wirren Hang schmutzig grauen Felsens, der hier und dort mit Bänken und Rissen voll Schnee gespickt war. Das war vielleicht ein Dutzend Meilen entfernt, aber anfangs verminderte keine dazwischenliegende Atmosphäre den bis ins kleinste Detail gehenden Glanz, mit dem uns diese Dinge anstarrten. Sie standen klar und blendend vor einem Hintergrunde gestirnter Schwärze, die unsern irdischen Augen eher wie ein glorreich flitterbesäter Samtvorhang erschien, als wie die Weite des Himmels.
Die östliche Klippe war zunächst nur ein sternenloser Saum zur steinigen Kuppel. Kein rosiges Licht, keine kriechende Blässe verkündete den beginnenden Tag. Nur die Corona, das Zodiakallicht, ein riesiger, kegelförmiger, leuchtender Nebel, der zum Glanz des Morgensterns emporzeigte, sprach uns von der unmittelbaren Nähe der Sonne.
Was an Licht um uns war, wurde von den westlichen Klippen reflektiert. Es zeigte eine riesige gewellte Ebene, kalt und grau, ein Grau, das sich nach Osten hin in das absolute Rabenschwarz des Klippenschattens vertiefte. Unzählige gerundete, graue Gipfel, geisterhafte Kegel, Wogen schneeiger Masse, die Kamm hinter Kamm in die ferne Finsternis erstreckten, gaben uns den ersten Wink über die Entfernung der Kraterwand. Diese Kegel sahen aus wie Schnee. Zur Zeit dachte ich, es sei Schnee. Aber das waren sie nicht – es waren Hügel und Massen gefrorener Luft!
So war es erst, und dann kam, plötzlich, rasch und verblüffend, der Mondtag.
Das Sonnenlicht war die Klippe hinabgekrochen, es berührte die hingewehten Massen an ihrer Basis und kam alsbald mit Siebenmeilenstiefeln auf uns zugeschritten. Die ferne Klippe schien zu schwanken und zu beben, und bei der Berührung mit dem Sonnenaufgang strömte ein Qualm grauen Dunstes vom Kraterboden empor, Wirbel und Wolken und treibende Gespenster eines Grau, immer dichter und breiter und enger, bis zuletzt die ganze westliche Ebene wie ein nasses Tuch dampfte, das man vors Feuer hält, und bis die westlichen Klippen nur noch ein gebrochener Glanz dahinter waren.
»Das ist Luft«, sagte Cavor. »Es muss Luft sein – sonst würde es nicht so aufsteigen – bei der bloßen Berührung mit einem Sonnenstrahl. Und mit dieser Geschwindigkeit …«
Er blickte nach oben. »Sehen Sie!«, sagte er.
»Was?«, fragte ich.
»Am Himmel. Schon. Auf der Schwärze – ein leichter Hauch von Blau. Sehen Sie! Die Sterne scheinen größer. Und die kleinen und all die dunklen Nebelmassen, die wir im leeren Raum sahen – das ist verborgen!«
Schnell und stetig nahte uns der Tag. Ein grauer Hügel nach dem anderen wurde von der Glut erfasst und in eine rauchende, weiße Dichtigkeit verwandelt. Schließlich war westlich von uns nichts mehr vorhanden als eine Bank aufsteigenden Nebels, der nahende Aufruhr und Aufstieg wolkigen Dunstes. Die ferne Klippe wich weiter und weiter zurück, hatte durch den Wirbel geragt und sich verändert, und war zuletzt in seinem Wirrwarr untergegangen und verschwunden.
Näher kam diese dampfende Wand, näher und näher, und sie kam so schnell wie der Schatten einer Wolke vor dem südwestlichen Winde. Um uns erhob sich ein dünner, vorgreifender Nebel.
Cavor packte meinen Arm.
»Was?«, sagte ich.
»Sehen Sie! Der Sonnenaufgang! Die Sonne!«
Er drehte mich um und zeigte auf die Braue der östlichen Klippe, die über dem Nebel um uns aufragte, kaum heller als das Dunkel des Himmels. Aber jetzt war ihre Linie durch seltsame rötliche Gestalten markiert, Zungen scharlachner Flammen, die sich wanden und tanzten. Ich meinte, es müssten Dunstspiralen sein, die vom Licht gefasst waren und diesen Kamm feuriger Zungen gegen den Himmel bildeten, aber in Wirklichkeit waren es die Sonnenauswüchse, die ich sah, eine Feuerkrone um die Sonne, die irdischen Augen durch unsern atmosphärischen Schleier auf ewig verborgen ist.
Und dann – die Sonne!
Stetig, unvermeidlich kam eine glänzende Linie, kam ein dünner Rand unerträglicher Glut, der runde Gestalt annahm, ein Bogen wurde, ein blendendes Szepter wurde, und einen Hitzstrahl auf uns entsandte, als wäre es ein Speer.
Und mit diesem Glühen kam ein Schall, der erste Schall, der uns von draußen erreichte, seit wir die Erde verlassen hatten, ein Zischen und Rascheln, das stürmische Schleifen des Luftgewandes im vorwärtseilenden Tage. Und mit dem Schall und dem Licht zugleich legte sich die Sphäre um, und blind und geblendet taumelten wir hilflos gegeneinander. Sie legte sich wieder um, und das Zischen wurde lauter. Ich hatte die Augen gewaltsam geschlossen und machte plumpe Anstrengungen, mir den Kopf mit meiner Decke zu verhüllen, und dieser zweite Stoß warf mich hilflos von den Beinen. Ich fiel gegen den Ballen, und als ich die Augen öffnete, sah ich einen Moment die Luft gerade außerhalb unseres Glases. Sie schmolz – es war ein Kochen – wie Schnee, in den man eine rotglühende Stange wirft. Was feste Luft gewesen war, wurde plötzlich bei der Berührung mit der Sonne ein Brei, ein Schlamm, eine schmutzige Flüssigkeit, die zu Gas verzischte und kochte.
Es folgte ein noch gewaltsamerer Wirbel der Atmosphäre, und wir hatten einander gepackt. Im nächsten Moment wurden wir wieder herumgeschleudert. Wir gingen kopfüber und kopfüber, und dann lag ich auf allen Vieren. Der Tagesanbruch auf dem Monde hatte uns ergriffen. Er wollte uns kleinen Menschen zeigen, was der Mond mit uns machen konnte.
Ich konnte einen zweiten Blick auf die Dinge draußen werfen, auf die Dampfstrahlen, halbflüssigen Schlamm, der untergraben wurde, glitt und fiel und glitt. Wir sanken ins Dunkel. Ich stürzte mit Cavors Knien auf meiner Brust. Dann schien er von mir fortzufliegen und einen Moment lag ich ohne Atem in meinem Körper da und starrte nach oben. Ein taumelnder Fels von dem schmelzenden Zeug war über uns gespritzt, hatte uns begraben und wurde jetzt dünner und kochte von uns ab. Ich sah die Blasen oben auf dem Glase tanzen. Ich hörte Cavor schwach rufen.
Dann hatte uns ein riesiger Rutsch in der tauenden Luft gefasst, und indem wir Proteste hervorsprudelten, begannen wir einen Hang hinabzurollen, rollten schneller und schneller, sprangen über Spalten und prallten von Bänken ab, schneller und schneller, nach Westen hin, in den weiß-heißen kochenden Aufruhr des Mondtags hinein.
Aneinandergeklammert, wirbelten wir herum, flogen hierhin und dorthin, und unser Gepäckballen sprang auf uns los und drosch auf uns umher. Wir kollidierten, wir griffen uns, wir wurden auseinandergerissen – unsere Köpfe schlugen zusammen, und das ganze Weltall barst in feurige Pfeile und Sterne! Auf der Erde hätten wir uns ein dutzendmal zerschmettert, aber auf dem Mond war zu unserem Glück unser Gewicht nur ein Sechstel dessen, was es auf der Erde ist, und wir fielen sehr gnädig. Ich erinnere mich einer Empfindung äußerster Übelkeit, eines Gefühls, als wäre mein Gehirn im Schädel umgekehrt und dann – –
Etwas war auf meinem Gesicht an der Arbeit, ein paar dünne Fühler quälten meine Ohren. Dann entdeckte ich, dass der Glanz der Landschaft um uns durch eine blaue Brille gemildert war. Cavor stand über mich geneigt, und ich sah sein Gesicht umgekehrt, auch seine Augen durch gefärbte Gläser geschützt. Sein Atem ging unregelmäßig, und seine Lippe blutete von einer Quetschung. »Besser?«, sagte er und wischte sich das Blut mit dem Rücken der Hand ab.
Alles schien eine Zeit lang zu schwanken, aber das war nur meine Schwindligkeit. Ich merkte, dass er ein paar von den Jalousien der äußeren Sphäre geschlossen hatte, um mich vor dem direkten Sonnenstrahl zu schützen. Mir fiel auf, dass alles um uns sehr glänzend war.
»Himmel!«, keuchte ich. »Aber dies –!«
Ich reckte meinen Hals, mich umzublicken. Ich merkte, dass draußen eine blendende Helle herrschte, ein absoluter Wechsel aus dem finsteren Dunkel unserer ersten Eindrücke. »Bin ich lange besinnungslos gewesen?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht – der Chronometer ist zerbrochen. Einige Zeit … Mein lieber Kerl! Ich habe Angst gehabt …«
Ich lag eine Zeit lang da und nahm das in mich auf. Ich sah, sein Gesicht trug noch Spuren der Aufregung. Eine Weile sagte ich nichts. Ich strich mit fragender Hand über meine Kontusionen und sah ihm nach ähnlichen Schäden ins Gesicht. Der Rücken meiner rechten Hand hatte am meisten gelitten und war hautlos und wund. Meine Stirn war zerstoßen und hatte geblutet. Er reichte mir ein kleines Maß mit etwas von dem Stärkungsmittel – den Namen habe ich vergessen – das er mitgenommen hatte. Nach einiger Zeit fühlte ich mich ein wenig besser. Ich begann meine Glieder vorsichtig zu strecken. Bald konnte ich sprechen.
»Das wäre nichts gewesen«, sagte ich, als sei gar keine Zeit verstrichen.
»Nein, wahrhaftig.«
Er sann, und die Hände hingen ihm über die Knie. Er spähte durch das Glas und starrte dann mich an. »Großer Gott!«, sagte er. »Nein!«
»Was ist geschehen?«, fragte ich nach einer Pause. »Sind wir in die Tropen gesprungen?«
»Es war, wie ich erwartet hatte. Diese Luft ist verdunstet, und die Oberfläche des Mondes ist zutage gekommen. Wir liegen auf einer erdigen Felsbank. Hier und da zeigt sich der nackte Boden. Ein wunderlicher Boden!«
Ihm fiel ein, dass es unnötig war, zu erklären. Er half mir in eine sitzende Stellung, und ich konnte mit eigenen Augen sehen.
Die scharfe Emphase, das erbarmungslose Schwarz und Weiß der Szenerie war völlig verschwunden. Der Glanz der Sonne hatte eine leichte Bernsteintönung angenommen; die Schatten auf der Klippe der Kraterwand waren tief purpurn. Nach Osten hin kauerte noch eine dunkle Nebelbank, die vor dem Sonnenaufgang geschützt war, aber nach Westen hin war der Himmel blau und klar. Die Dauer meiner Besinnungslosigkeit begann mir klar zu werden.
Wir waren nicht mehr in einer Leere. Eine Atmosphäre hatte sich um uns erhoben. Der Umriss der Dinge hatte an Charakter gewonnen, war scharf und mannigfach geworden; abgesehen von einer hier und dort beschatteten Fläche weißer Substanz, die nicht mehr aus Luft, sondern aus Schnee bestand, war die arktische Erscheinung ganz verschwunden. Überall breiteten sich weite, rostbraune Flächen nackter, krauser Erde unter dem Schimmer der Sonne aus. Hier und dort standen am Rande der Schneetriften flüchtige kleine Wasserpfuhle und Wirbel – die einzigen Dinge, die sich auf jenem Gebiete der Unfruchtbarkeit regten. Das Sonnenlicht flutete durch die zwei oberen Jalousien unserer Sphäre herein und verwandelte unser Klima in hohen Sommer, aber unsere Füße standen noch im Schatten, und die Sphäre lag auf einer Schneetrift.
Und hier und dort auf dem Hang verstreut, und unterstrichen von kleinen, weißen Fäden ungetauten Schnees auf ihrer Schattenseite, sah ich Gestalten wie Stöcke, trockene, gewundene Stöcke von der gleichen rostigen Färbung wie der Fels, auf dem sie lagen. Das packte einem die Gedanken scharf. Stöcke! Auf einer leblosen Welt? Dann, als meine Auge sich mehr an die Textur ihrer Substanz gewöhnte, bemerkte ich, dass fast diese ganze Oberfläche wie der Teppich brauner Nadeln, den man unterm Schatten von Tannen findet, Faserstruktur zeigte.
»Cavor!«, sagte ich.
»Ja.«
»Es mag jetzt eine tote Welt sein – aber früher – –«
Etwas unterbrach meine Aufmerksamkeit. Ich hatte unter diesen Nadeln eine Anzahl kleiner, runder Gegenstände entdeckt. Und mir schien, dass einer von ihnen sich bewegt hatte.
»Cavor«, flüsterte ich.
»Was?«
Aber ich antwortete nicht sofort. Ich starrte ungläubig hin. Einen Moment konnte ich meinen Augen nicht glauben. Ich stieß einen unartikulierten Schrei aus. Ich packte seinen Arm. Ich zeigte. »Sehn Sie!«, rief ich und fand meine Sprache. »Da! Ja! Und da!«
Seine Augen folgten meinem zeigenden Finger. »Eh?«, sagte er.
Wie kann ich beschreiben, was ich sah? Es ist eine solche Kleinigkeit, und doch schien es so wundervoll, so schwanger mit Erregung. Ich sagte schon, mitten unter der stockartigen Streu standen diese gerundeten Körper, die als sehr kleine Kiesel hätten gelten können. Und jetzt hatte sich erst einer und dann ein zweiter gerührt, war übergerollt und geplatzt, und am Riss der beiden hin zeigte sich eine winzige Linie gelblichen Grüns, das herausbarst, der warmen Ermutigung der neuerstandenen Sonne entgegen. Einen Moment war das alles, und dann rührte sich und barst ein dritter.
»Es ist ein Same«, sagte Cavor. Und dann hörte ich ihn sehr weich flüstern, »Leben!«
»Leben!« Und sofort ergoss sich das Gefühl über uns, dass unsere ungeheure Reise nicht vergeblich gemacht war, dass wir in keine dürre Mineralienwüste gekommen waren, sondern in eine Welt, die lebte und sich bewegte! Wir beobachteten intensiv. Ich erinnere mich, dass ich das Glas vor mir fortwährend mit dem Ärmel rieb, argwöhnisch gegen die leiseste Spur von Tau.
Klar und lebendig war das Bild nur in der Mitte des Feldes. Um dieses Zentrum herum waren all die toten Fibern und die Samen von der Wölbung des Glases vergrößert und verzerrt. Aber wir konnten genug sehen! Einer nach dem anderen, den ganzen, sonnenbeleuchteten Hang hinunter barsten und spalteten sich diese kleinen braunen Körper wie Samenschoten, wie Fruchthülsen; öffneten gierige Münder, die das Licht und die Wärme eintranken, die von der neu erstandenen Sonne in einer Kaskade niederströmten.
Mit jedem Moment sprangen mehr von diesen Samenmänteln, und während sie das noch taten, überfluteten die schwellenden Pioniere ihre durch den Riss erweiterten Samenhülsen und traten in das zweite Wachstumstadium über. Mit stetiger Sicherheit, rascher Überlegung entsandten diese erstaunlichen Samen eine kleine Wurzel in die Erde hinab, und eine wunderliche, bündelartige kleine Knospe brach in die Luft empor. In kurzer Zeit war der ganze Hang mit winzigen Pflänzchen bedeckt, die in der Sonnenglut auf Wache standen.
Sie blieben nicht lange stehen. Die bündelartigen Knospen schwellten und spannten sich und öffneten sich mit einem Ruck und warfen eine Krone kleiner, scharfer Spitzen aus, entfalteten einen Quirl winziger, spitziger, bräunlicher Blätter, die rapid länger wurden, sichtlich länger wurden, wie wir sie beobachteten. Die Bewegung war langsamer als die irgendeines Tiers, schneller als die irgendeiner Pflanze, die ich je zuvor gesehen habe. Wie kann ich es klar machen – wie dieses Wachstum vor sich ging? Die Blattspitzen wuchsen so, dass sie sich vorwärts bewegten, während wir sie noch anblickten. Die braune Samenhülse welkte und wurde mit gleicher Geschwindigkeit absorbiert. Haben Sie je an einem kalten Tage ein Thermometer in die Hand genommen und den dünnen Quecksilberfaden im Rohr hochkriechen sehen? So wuchsen diese Mondpflanzen.
In ein paar Minuten, wie es schien, waren die Knospen der entwickeltsten dieser Pflanzen zu einem Stiel geworden und entfalteten sogar schon einen zweiten Blätterquirl, und der ganze Hang, der noch eben als eine leblose Strecke der Streu erschienen war, war jetzt dunkel von dem olivgrünen Laub behaarter Spitzen, die unter der Wucht ihres Wachstums schwankten.
Ich drehte mich um, und siehe! am oberen Rand eines östlichen Felsens entlang schwankte und beugte sich, dunkel gegen den blendenden Schimmer der Sonne ein ähnlicher Saum in kaum weniger entwickeltem Zustand. Und hinter diesem Saum stand die Silhouette einer Pflanzenmasse, die sich plump wie ein Kaktus verästelte und sichtlich schwoll, schwoll wie eine Blase, die sich mit Luft füllt.
Dann entdeckte ich auch westlich, dass sich eine zweite solche erweiterte Gestalt über dem Buschwerk erhob. Aber hier fiel das Licht auf die glatten Flächen, und ich konnte sehen, dass ihre Farbe ein lebhaftes Orange war. Sie stieg, während man sie beobachtete; wenn man eine Minute fort und dann wieder hinblickte, hatte ihr Umriss sich verändert; sie entsandte stumpfe, stämmige Äste, bis sie in kurzer Zeit wie ein Korallenwuchs von vielen Fuß Höhe dastand. Mit solchem Wachstum verglichen, wäre der irdische Staubpilz, der bisweilen in einer einzigen Nacht einen Fuß an Durchmesser gewinnt, ein hoffnungsloser Faulpelz. Aber der Staubpilz wächst auch gegen einen Gravitationszug, der sechsmal so stark ist wie der des Mondes. Dahinter strebte aus Rinnen und Flächen, die uns verborgen gewesen waren, aber nicht der lebenden Sonne, ein stachliger Bart spitziger und fleischiger Vegetation über Riffe und Bänke glänzenden Felsens in unser Gesichtsfeld empor und eilte im Aufruhr, den kurzen Tag auszunutzen, in dem sie blühen und Frucht tragen und säen und wieder sterben muss. Es war wie ein Wunder, dies Wachstum. So, muss man sich vorstellen, erstanden die Bäume und Pflanzen bei der Schöpfung und bedeckten die Öde der neugeschaffenen Erde.
Man stelle sich das vor! Man stelle sich diesen Sonnenaufgang vor! Die Auferstehung der gefrorenen Luft, das Sich-Regen und Beleben des Bodens, und dann dieses stille Aufstehen der Vegetation, dieses unirdische Emporschießen der Fleischigkeit und der Stacheln. Man denke sich das alles von einem Glanz erhellt, der das intensivste Sonnenlicht der Erde würde wässerig und schwach erscheinen lassen. Und doch zögerten noch um diesen bewegten Dschungel, wo nur Schatten lag, Bänke bläulichen Schnees. Und um das Bild unseres Eindrucks vollständig zu haben, muss man berücksichtigen, dass wir das alles durch ein dickes, gebogenes Glas erblickten, verzerrt, wie die Dinge durch Linsen verzerrt werden, scharf nur in der Mitte des Bildes, und da sehr hell, und nach den Rändern zu vergrößert und unwirklich.
Wir hörten auf zu spähen. Wir wandten uns einander zu, denselben Gedanken, dieselbe Frage in den Augen. Damit diese Pflanzen wachsen konnten, musste Luft da sein, wenn auch noch so verdünnte Luft, die auch wir würden atmen können.
»Das Einsteigeloch?«, sagte ich.
»Ja!«, sagte Cavor, »wenn es Luft ist, was wir sehen!«
»In kurzem«, sagte ich, »werden diese Pflanzen so hoch sein wie wir. Wenn nun – wenn nun schließlich aber – – Ist es sicher? Woher wissen Sie, dass das Zeug Luft ist? Es kann Stickstoff sein – es kann sogar Kohlensäure sein!«
»Das ist leicht«, sagte er und machte Anstalt, es zu beweisen. Er zog ein großes Stück zerknüllten Papiers aus dem Ballen, entzündete es und warf es rasch durch die Ventilklappe hinaus. Ich neigte mich vor und spähte durch das dicke Glas, dass sie draußen erschiene, diese kleine Flamme, von deren Zeugnis soviel abhing.
Ich sah das Papier fallen und leicht auf dem Schnee liegen. Die rosige Flamme des Brennens verschwand. Einen Moment schien sie erloschen zu sein. Und dann sah ich eine kleine blaue Zunge am Rand des Papiers, die zitterte und kroch und sich verbreitete!
Ruhig verkohlte und verschrumpfte der ganze Bogen, außer, wo er in unmittelbarer Berührung mit dem Schnee lag, und er sandte einen zitternden Rauchfaden empor. Mir blieb kein Zweifel; die Atmosphäre des Mondes war entweder reiner Sauerstoff oder Luft und also imstande – wenn nicht die Dichtigkeit zu gering war – unser fremdes Leben zu erhalten. Wir konnten auftauchen – und leben!
Ich setzte mich hin, die Beine auf beiden Seiten des Einsteigeloches, und machte Anstalt, es aufzuschrauben, aber Cavor unterbrach mich. Er machte darauf aufmerksam, wenn draußen auch sicherlich eine sauerstoffhaltige Atmosphäre vorhanden sei, so könne sie doch noch so dünn sein, dass sie uns schwer schädigen müsste. Er erinnerte mich an die Bergkrankheit und an die Blutung, die die Luftschiffer oft befällt, wenn sie zu schnell gestiegen sind, und er brachte einige Zeit damit zu, dass er ein ekelhaft schmeckendes Getränk bereitete, und er bestand darauf, dass ich davon nahm. Ich fühlte mich nachher ein wenig taub, sonst aber hatte es keine Wirkung auf mich. Dann erlaubte er mir, mit dem Aufschrauben zu beginnen.
Bald war der Glasverschluss des Einsteigelochs so weit gelöst, dass die dichtere Luft in unserer Sphäre die Schraubenwindungen entlang auszuströmen begann und sang, wie ein Kessel singt, ehe er kocht. Darauf hieß er mich innehalten. Es wurde bald deutlich, dass der Druck draußen sehr viel geringer war als der drinnen. Wie viel geringer er war, konnten wir nicht sagen.
Ich saß da und hielt den Verschluss mit beiden Händen gepackt, bereit, ihn wieder zu schließen, wenn die Mondatmosphäre sich schließlich, entgegen unserer intensivsten Hoffnung, als zu dünn herausstellen sollte, und Cavor hatte einen Cylinder mit komprimiertem Sauerstoff zur Hand, um unseren Druck zu erneuern. Wir blickten einander schweigend an, und dann auf die fantastische Vegetation, die rings schwankte und sichtlich und geräuschlos wuchs. Und immer noch dauerte das schrille Pfeifen fort.
Mir begannen die Blutgefäße in den Ohren zu pochen, und das Geräusch von Cavors Bewegungen wurde schwächer. Ich bemerkte, wie still durch die Verdünnung der Luft alles geworden war.
Wie unsere Luft aus den Schraubengängen auszischte, kondensierte sich ihre Feuchtigkeit in kleinen Wolken.
Alsbald empfand ich eine eigentümliche Kurzatmigkeit, die auch die ganze Zeit andauerte, während der wir der äußeren Atmosphäre des Mondes ausgesetzt waren; und eine ziemlich unangenehme Empfindung an den Ohren und Fingernägeln und dem Halsrücken drängte sich meiner Aufmerksamkeit auf und verging wieder.
Aber dann kamen Schwindel und Übelkeit, die meinen Mut sofort änderten. Ich drehte den Verschluss des Einsteigelochs eine halbe Wendung hinein und gab Cavor eine hastige Erklärung; aber jetzt war er der sanguinischere. Er antwortete mir mit einer Stimme, die außerordentlich leise und fern klang, weil die Luft, die den Schall trug, so dünn war. Er empfahl einen Schluck Branntwein und gab mir das Beispiel, und alsbald fühlte ich mich besser. Ich drehte den Verschluss des Loches wieder auf. Das Pochen in meinen Ohren wurde lauter, und dann merkte ich, dass der pfeifende Ton des Ausströmens aufgehört hatte. Eine Zeit lang konnte ich mich nicht vergewissern, dass er aufgehört hatte.
»Nun?«, sagte Cavor mit dem Geist einer Stimme.
»Nun?«, sagte ich.
»Sollen wir fortfahren?«
Ich dachte. »Ist das alles?«
»Wenn Sie es aushalten können.«
Statt der Antwort fuhr ich mit dem Aufschrauben fort. Ich hob den runden Verschluss von seiner Stelle und legte ihn vorsichtig auf den Ballen. Eine Flocke Schnees wirbelte und verschwand, als diese dünne und ungewohnte Luft unsere Sphäre in Besitz nahm. Ich kniete nieder und setzte mich dann auf den Rand des Einsteigelochs und spähte hinaus. Unten, einen Meter nur von meinem Gesicht entfernt, lag der unbetretene Schnee des Mondes.
Es folgte eine kleine Pause. Unsere Augen trafen sich.
»Es bedrückt Ihre Lungen nicht zu sehr?«, sagte Cavor.
»Nein«, sagte ich. »Dies kann ich aushalten.«
Er streckte die Hand nach seiner Decke aus, steckte den Kopf durch das zentrale Loch und wickelte sie um sich. Er setzte sich auf den Rand des Einsteigelochs und ließ die Füße hinab, bis sie dem Mondboden auf sechs Zoll nahe waren. Er zögerte einen Moment, sprang diese paar Zoll hinab und stand auf dem unbetretenen Boden des Mondes.
Als er hinaustrat, wurde er von dem Glasrande grotesk verzerrt. Einen Moment stand er still und blickte hierhin und dorthin. Dann zog er sich zusammen und sprang.
Das Glas verzerrte alles, aber es schien mir sogar ein ganz ungewöhnlich großer Sprung zu sein. Er war mit einem Satz in die Ferne gerückt. Er schien zwanzig oder dreißig Fuß weit fort zu sein. Er stand hoch auf einer Felsenmasse und gestikulierte nach mir zurück. Vielleicht rief er – aber der Klang erreichte mich nicht. Aber wie zum Teufel hatte es das gemacht? Ich kam mir vor wie ein Mann, der gerade einen neuen Beschwörertrick gesehen hat.
In einem verwirrten Geisteszustand sprang auch ich zum Einsteigeloch hinaus. Ich richtete mich auf. Gerade vor mir war die Schneetrift zusammengesunken und hatte eine Art Graben gebildet. Ich machte einen Schritt und sprang.
Ich merkte, dass ich durch die Luft flog, sah den Felsen, auf dem er stand, mir entgegeneilen, packte ihn und klammerte mich in einem Zustand unendlichen Entsetzens an.
Ich keuchte ein mühsames Lachen. Ich war furchtbar verwirrt. Cavor bückte sich und schrie mir in piepsenden Tönen zu, vorsichtig zu sein.
Ich hatte vergessen, dass auf dem Mond, der nur ein Achtel der Masse der Erde hat und ein Viertel ihres Durchmessers, mein Gewicht kaum ein Sechstel dessen war, was es auf der Erde gewesen war. Aber jetzt bestand diese Tatsache darauf, dass man an sie dachte.
»Wir sind nicht mehr am Gängelband der Mutter Erde«, sagte er.
Mit einer vorsichtigen Anstrengung hob ich mich auf die Spitze und mit so sorgfältiger Bewegung, wie ein rheumatischer Patient, richtete ich mich unter dem Sonnenglanz neben ihm auf. Die Sphäre lag hinter uns auf ihrer schwindenden Schneetrift, dreißig Fuß entfernt.
So weit das Auge über den ungeheuren Felsenwirrwarr, der den Kraterboden ausmachte, blicken konnte, sprang dasselbe stachlige Buschwerk, das uns umgab, ins Leben, hier und dort variiert durch bauchige Massen einer Kaktusform und scharlachne und purpurne Flechten, die so rasch wuchsen, dass sie über die Felsen zu kriechen schienen. Die ganze Fläche des Kraters schien mir bis hin zum Fuß der umgebenden Klippe eine einzige gleiche Wildnis zu sein.
Diese Klippe entbehrte offenbar außer an ihrer Basis der Vegetation, und sie zeigte Pfeiler und Terrassen und Tribünen, die unsere Aufmerksamkeit vorläufig nicht sehr in Anspruch nahmen. Sie stand in jeder Richtung viele Meilen weit von uns entfernt, wir schienen fast im Zentrum des Kraters zu stehen, und wir sahen sie durch einen gewissen Dunst, der vor dem Winde trieb. Denn jetzt war in der dünnen Luft sogar ein Wind vorhanden, ein schneller aber schwacher Wind, der außerordentlich kältete, aber nur geringen Druck ausübte. Er blies um den Krater herum, wie es schien, von dem nebligen Dunkel unter der Wand sonnenwärts, nach der heißen, erleuchteten Seite. In jenen östlichen Nebel zu blicken, war schwer; wir mussten mit halb geschlossenen Augen unter dem Schatten unserer Hände hervorspähen, weil die regungslose Sonne eine wilde Intensität entfaltete.
»Es scheint verlassen zu sein«, sagte Cavor, »absolut öde.«
Ich blickte von neuem um mich. Ich bewahrte noch jetzt eine hastende Hoffnung auf irgendein quasi menschliches Zeugnis, auf eine Gebäudezinne, ein Haus oder ein Werkzeug, aber wohin man auch blickte, dehnten sich die krausen Felsen in Spitzen und Kämmen, und das strahlenartige Gestrüpp und jene bauchigen Kakti, die schwollen und schwollen – eine glatte Verneinung, wie es schien, jeder solchen Hoffnung.
»Es sieht aus, als hätten diese Pflanzen alles für sich«, sagte ich. »Ich sehe keine Spur von irgendwelchem anderen Geschöpf.«
»Keine Insekten – keine Vögel – nein! Keine Spur, kein Brocken, kein Partikelchen tierischen Lebens. Gäbe es sie – was wollten sie in der Nacht beginnen? … Nein, es sind nur gerade diese Pflanzen vorhanden.«