Ich packte sofort seine Ketten, um sie zu lösen.
»Wo sind sie?«, keuchte er.
»Weggelaufen. Sie werden zurückkommen. Sie werfen mit Spießen! Wohin sollen wir gehn?«
»Am Licht entlang. In den Tunnel da. Eh!«
»Ja«, sagte ich, und seine Hände waren frei.
Ich ließ mich auf die Knie fallen und begann an seinen Fußfesseln zu arbeiten. Schwapp, kam etwas – ich weiß nicht was – und zerspritzte das fahle Rinnsal zu Tropfen um uns. Weit rechts von uns begann ein Pfeifen und Zischen.
Ich riss ihm die Kette von den Füßen und gab sie ihm in die Hand. »Schlagen Sie damit!«, sagte ich, und ohne auf eine Antwort zu warten, lief ich in großen Sätzen den Pfad entlang, den wir gekommen waren. Ich hatte das scheußliche Gefühl, dass mir diese Wesen aus dem Dunkel heraus in den Rücken springen konnten. Den Stoß einiger Sprünge hörte ich mir folgen.
Wir liefen in weiten Sätzen. Aber dies Laufen, muss man verstehen, war etwas von irgendwelchem Laufen auf der Erde völlig verschiedenes. Auf die Erde springt man und trifft fast sofort wieder den Boden, aber auf dem Mond schoss man wegen seiner geringen Schwerkraft mehrere Sekunden lang durch die Luft, ehe man wieder zu Boden kam. Trotz unserer heftigen Eile gab das den Schein langer Pausen, Pausen, in denen man bis sieben oder acht hätte zählen können. »Los!«, und man flog hoch! Allerlei Fragen liefen mir durch den Sinn: »Wo sind die Seleniten? Was werden sie tun? Werden wir diesen Tunnel jemals erreichen? Ist Cavor weit zurück? Werden sie ihn abschneiden können?« Dann klapps, der Satz zu Ende und weiter zum nächsten Schritt.
Ich sah einen Seleniten vor mir herlaufen, und seine Beine gingen genau wie die eines Menschen auf der Erde; ich sah ihn über die Schulter blicken und hörte ihn kreischen, als er mir seitlich ins Dunkel aus dem Wege lief. Ich glaube, es war unser Führer, doch bin ich nicht sicher. Dann waren nach einem weiteren weiten Satz die Felsenmauern auf beiden Seiten in Sicht, und in noch zwei Sätzen war ich im Tunnel, wo ich meinen Schritt seinem niederen Dach anpassen musste. Ich lief bis zu einer Biegung weiter, blieb dann stehen und drehte mich um; klipp klapp kam Cavor in Sicht; er schlug bei jedem Schritt in den Strom blauen Lichtes, wurde größer und rannte gegen mich. Wir standen da und hielten uns gepackt. Einen Moment wenigstens hatten wir unsere Feinde abgeschüttelt und waren allein.
Wir waren beide stark außer Atem. Wir sprachen in keuchenden, gebrochenen Sätzen.
»Sie haben alles verdorben!«, keuchte Cavor.
»Unsinn!«, rief ich. »Das oder den Tod hieß es!«
»Was wollen wir tun?«
»Uns verstecken.«
»Wie können wir das?«
»Es ist dunkel genug.«
»Aber wo?«
»Eine von diesen Seitenhöhlen hinauf.«
»Und dann?«
»Überlegen.«
»Recht – los.«
Wir schritten fort und kamen alsbald zu einer dunklen strahlenförmigen Höhle. Cavor war voraus. Er zögerte und wählte eine schwarze Mündung, die gutes Versteck zu versprechen schien. Er ging auf sie zu und drehte sich um-
»Sie ist dunkel«, sagte er.
»Ihre Beine und Füße werden uns leuchten. Sie sind nass von dem leuchtenden Zeug.«
»Aber – –«
Ein Aufruhr von Tönen und insbesondere ein Ton wie ein dröhnender Gong, der den Haupttunnel heraufkam, wurde hörbar. Er deutete in furchtbarer Weise auf eine wilde Verfolgung. Wir stürmten alsbald auf die unbeleuchtete Seitenhöhle los. Als wir dahinliefen, wurde uns der Weg durch die Strahlung von Cavors Beinen erleuchtet. »Es ist ein Glück«, keuchte ich, »dass wir uns die Schuhe ausgezogen haben, sonst würden wir alles mit dem Geklapper erfüllen.« Vorwärts stürzten wir und machten so kleine Schritte, wie wir konnten, um nicht gegen das Dach der Höhle zu schlagen. Nach einer Weile schienen wir dem Aufruhr zu entgehen. Er wurde gedämpfter, er sank zusammen, er erstarb.
Ich hielt an und blickte zurück; ich hörte das Klippklapp von Cavors Füßen fliehen. Dann hielt auch er an. »Bedford«, flüsterte er, »vor uns ist etwas wie Licht.«
Ich blickte hin und konnte zuerst nichts sehen. Dann sah ich, dass sein Kopf und seine Schultern dunkel gegen ein schwächeres Dunkel umrissen waren. Ich sah auch, dass diese Milderung der Dunkelheit nicht blau war, wie alles andere Licht im Monde gewesen war, sondern ein bleiches Grau, ein sehr unbestimmtes, blasses Weiß, die Farbe des Tageslichtes. Cavor bemerkte diesen Unterschied noch schneller als ich, und ich glaube, er gab ihm so ziemlich dieselbe wilde Hoffnung ein.
»Bedford«, flüsterte er, und ihm zitterte die Stimme. »Dieses Licht – ist es möglich – –«
Er wagte nicht zu sagen, was er hoffte. Dann kam eine Pause. Plötzlich erkannte ich am Schall seiner Schritte, dass er auf diese Blässe zuging. Ich folgte ihm mit klopfenden Herzen.
Das Licht wurde stärker, als wir näher kamen. In kurzer Zeit war es fast ebenso hell wie die Phosphoreszenz an Cavors Beinen. Unser Tunnel erweiterte sich zu einer Höhle, und dieses neue Licht war am entfernteren Ende. Ich bemerkte etwas, was meine Hoffnung springen und tanzen ließ.
»Cavor«, sagte ich, »es kommt von oben! Ich bin sicher, es kommt von oben.«
Er gab keine Antwort, sondern eilte weiter.
Unbestreitbar war es ein graues Licht, ein silbriges Licht.
Im nächsten Moment standen wir darunter. Es kam durch einen Spalt in den Höhlenwänden herabgesickert, und als ich hinaufstarrte, fiel mir ein Wassertropfen aufs Gesicht. Ich fuhr zusammen und trat beiseite – kling, fiel ein weiterer Tropfen ganz hörbar auf den Felsenboden.
»Cavor«, sagte ich, »wenn einer den anderen hebt, kann er den Spalt erreichen!«
»Ich will Sie heben!«, sagte er und sofort hielt er mich hoch, als wäre ich ein Baby.
Ich hob einen Arm in den Riss und fand gerade an meinen Fingerspitzen einen kleinen Vorsprung, an dem ich mich halten konnte. Ich konnte sehen, dass das weiße Licht jetzt sehr viel heller war. Ich zog mich fast ohne Anstrengung an zwei Fingern in die Höhe, obgleich ich auf der Erde zwölf Steine wiege, griff nach einer noch höheren Felsecke und bekam so die Füße auf den schmalen Vorsprung. Ich richtete mich auf und suchte den Fels nach oben hin mit den Fingern ab; der Spalt wurde oben weiter. »Man kann hinaufklettern«, sagte ich zu Cavor. »Können Sie bis zu meiner Hand heraufspringen, wenn ich sie Ihnen hinunterhalte?«
Ich keilte mich zwischen den Spaltwänden ein, stemmte Knie und Fuß gegen den Vorsprung und streckte eine Hand aus. Ich konnte Cavor nicht sehen, aber ich konnte das Rascheln seiner Bewegungen hören, als er sich zum Sprung niederkauerte. Dann schwipp! und er hing mir am Arm – und nicht schwerer als ein Kätzchen! Ich hob ihn hoch, bis er eine Hand auf meinem Vorsprung hatte und mich loslassen konnte.
»Zum Henker!«, sagte ich, »auf dem Mond könnte jeder Bergsteiger sein;« und damit begann ich ernsthaft zu klettern. Ein paar Minuten lang kletterte ich stetig fort, und dann blickte ich wieder nach oben. Die Spalte erweiterte sich ständig, und das Licht wurde heller. Nur – –
Es war doch kein Tageslicht.
Im nächsten Moment konnte ich sehen, was es war, und bei dem Anblick hätte ich vor Enttäuschung mit dem Kopf gegen die Felsen schlagen können. Denn ich erblickte einfach einen unregelmäßig abschüssigen, offenen Raum, auf dessen schiefem Boden ein Wald kleiner keulenförmiger Pilze wuchs, deren jeder glorreich mit diesem Silberlicht leuchtete. Einen Moment starrte ich ihre milden Strahlen an, dann sprang ich vor und hinauf unter sie. Ich riss ein halbes Dutzend los und warf sie gegen die Felsen und setzte mich dann bitter lachend hin, als Cavors rotes Gesicht auftauchte.
»Es ist wieder die Phosphoreszenz!«, sagte ich. »Keine Eile not. Setzen Sie sich und tun Sie, als ob Sie zu Hause wären.« Und während er über unsere Enttäuschung sprudelte, begann ich, mehr von diesen Gewächsen in den Spalt hineinzuschleudern.
»Ich dachte, es sei Tageslicht«, sagte er.
»Tageslicht!«, rief ich. »Tagesanbruch, Sonnenuntergang, Wolken und windige Himmel! Werden wir solche Dinge je wieder zu sehen bekommen?«
Während ich sprach, schien ein kleines Bild unserer Welt vor mir aufzusteigen, hell und klein und klar wie der Hintergrund eines alten italienischen Gemäldes. »Der wechselnde Himmel, das wechselnde Meer, und die Hügel und die grünen Bäume, und die Städte und Dörfer, die in der Sonne leuchten. Denken Sie an ein nasses Dach bei Sonnenuntergang, Cavor! Denken Sie an die Fenster eines Hauses nach Westen!«
Er gab keine Antwort.
»Hier graben wir in dieser scheußlichen Welt herum, die keine Welt ist, mit ihrem tintigen Ozean, der irgendwo unten in abscheulicher Schwärze verborgen ist, und draußen der dürre Tag und die Totenstille der Nacht. Und all diese Wesen, die uns jetzt jagen, scheußliche Menschen aus Leder – Insektenmenschen, die aus einem Alb stammen! Schließlich haben sie recht! Was haben wir für ein Recht, sie zu zerschmettern und ihre Welt zu stören? Nach allem, was wir wissen, ist schon der ganze Planet auf den Beinen und hinter uns drein. Jede Minute können wir sie winseln und ihre Gongs dröhnen hören. Was wollen wir anfangen? Wohin sollen wir gehen? Hier sind wir so behaglich wie Schlangen von Jamrash, die in einer Surbiton-Villa losgelassen sind!«
»Es war Ihre Schuld!«, sagte Cavor.
»Meine Schuld!«, rief ich. »Großer Gott!«
»Ich hatte eine Idee!«
»Zum Henker mit Ihren Ideen!«
»Wenn wir uns geweigert hätten, uns zu rühren –«
»Unter diesen Stacheln?«
»Ja. Dann hätten sie uns tragen müssen!«
»Über die Brücke da unten?«
»Ja. Sie müssen uns von draußen hereingetragen haben.«
»Lieber wollte ich mich von einer Fliege über eine Decke tragen lassen.«
»Gütiger Himmel!«
Ich nahm meine Vernichtung der Pilze wieder auf. Dann sah ich plötzlich etwas, was mir selbst jetzt gefiel.
»Cavor«, sagte ich, »diese Ketten sind aus Gold!«
Er dachte scharf und seine Hände hielten seine Backen gefasst. Er wandte langsam den Kopf und starrte mich an, und als ich meine Worte wiederholt hatte, starrte er auf die um seine rechte Hand gewundene Kette. »Das ist wahr«, sagte er, »das ist wahr.« Sein Gesicht verlor das flüchtige Interesse, während er noch blickte. Er zögerte einen Moment, dann fuhr er in seinen unterbrochenen Gedanken fort. Ich grübelte eine Zeit lang über die Tatsache nach, dass ich dies erst jetzt bemerkt hatte, bis ich an das blaue Licht dachte, in dem wir gewesen waren, und das dem Metall jede Farbe genommen hatte. Und von dieser Entdeckung aus kam ich auf einen Gedankengang, der mich weit fortführte. Ich vergaß, dass ich noch eben gefragt hatte, was wir auf dem Mond zu suchen hätten. Gold – –
Cavor war der erste, der wieder sprach. »Mir scheint, uns stehen zwei Wege offen.«
»Ja?«
»Entweder wir können versuchen, uns wieder einen Weg nach außen zu suchen – zu erkämpfen, wenn nötig – und dann auf unsere Sphäre zu jagen, bis wir sie finden oder die Kälte der Nacht kommt und uns tötet, oder aber – –«
Er hielt inne. »Ja?«, sagte ich, obgleich ich wusste, was kam.
»Wir könnten noch einmal versuchen, mit den Geistern der Leute im Mond irgendwelche Verständigung zu erreichen.«
»Soweit es auf mich ankommt – das erstere.«
»Ich bin zweifelhaft.«
»Ich nicht.«
»Sehen Sie«, sagte Cavor, »ich glaube nicht, dass wir die Seleniten nach dem beurteilen können, was wir von ihnen gesehen haben. Ihre Zentralwelt, ihre zivilisierte Welt wird weit unten in den tieferen Höhlen um ihr Meer liegen. Diese Region der Kruste, in der wir sind, ist nur ein vorgeschobener Distrikt, eine Hirtengegend. Jedenfalls ist das meine Interpretation. Diese Seleniten, die wir gesehen haben, sind vielleicht nur die Äquivalente von Kuhhirten und Maschinenheizern. Dass sie Stacheln anwenden – höchst wahrscheinlich Mondkalbstacheln – der Mangel an Fantasie, den sie zeigen, wenn sie erwarten, wir müssten tun können, was sie tun können, ihre unbestreitbare Brutalität, alles scheint auf etwas der Art hinzudeuten. Aber wenn wir aushielten – –«
»Wir können alle beide eine Planke von sechs Zoll über dem bodenlosen Abgrunde nicht sehr lange aushalten.«
»Nein«, sagte Cavor, »aber dann – –«
»Ich will nicht«, sagte ich.
Er entdeckte eine neue Linie von Möglichkeiten. »Gut, nehmen wir an, wir gehen in irgendeinen Winkel, wo wir uns gegen diese Knechte und Arbeiter verteidigen könnten. Wenn wir zum Beispiel eine Woche oder so aushalten könnten, so ist es wahrscheinlich, dass die Nachricht von unserem Erscheinen in die intelligenteren und volkreicheren Teile hinunterfilterte.«
»Wenn sie existieren.«
»Sie müssen existieren, woher kämen sonst diese riesigen Maschinen?«
»Das ist möglich, aber es ist die schlimmere von den zwei Möglichkeiten.«
»Wir können Inschriften aus die Wände schreiben.«
»Woher wissen wir, ob ihre Augen die Zeichen sehen würden, die wir machen?«
»Wenn wir sie einschnitten – –«
»Das ist natürlich möglich.«
Ich nahm einen neuen Faden von Gedanken auf. »Schließlich«, sagte ich, »glaube ich, Sie halten diese Seleniten nicht für so unendlich viel klüger als die Menschen?«
»Sie müssen eine Menge mehr wissen – oder wenigstens eine Menge anderer Dinge.«
»Ja, aber – –« Ich zögerte.
»Ich glaube, Sie werden doch zugeben, Cavor, dass Sie ein ziemlich ausnahmsweiser Mensch sind?«
»Wieso?«
»Nun, Sie – Sie sind ein etwas einsamer Mensch – sind es gewesen, heißt das, Sie haben nie geheiratet.«
»Wollte nie. Aber warum – –«
»Und Sie sind auch nie reicher geworden, als Sie eben waren?«
»Wollte auch das nie.«
»Sie haben eben nach Wissen gegraben?«
»Nun, eine gewisse Wißbegierde ist natürlich – –«
»Das meinen Sie. Das ist es gerade. Sie meinen, jeder andere Geist will wissen. Ich entsinne mich, einmal, da fragte ich Sie, warum Sie all diese Untersuchungen anstellten, und da sagten Sie, Sie wollten in die Akademie, und Sie wollten, das Zeug solle Cavorit heißen, und dergleichen mehr. Sie wissen recht gut, dass Sie es nicht darum taten; aber damals überraschte meine Frage Sie, und Sie fühlten, Sie sollten etwas haben, was wie ein Motiv aussah. In Wirklichkeit unternahmen Sie Untersuchungen, weil Sie es mussten. Das ist so Ihre Anlage.«
»Vielleicht ja – –«
»Nicht einer aus einer Million hat diese Anlage. Die meisten Menschen wollen – nun, die verschiedensten Dinge, aber nur sehr wenige wollen das Wissen um seiner selbst willen. Ich will es nicht, das weiß ich genau. Nun scheinen diese Seleniten eine geschwinde, geschäftige Art Wesen zu sein, aber woher wissen Sie, dass sich selbst die intelligentesten für uns oder unsere Welt interessieren werden? Ich glaube nicht einmal, dass sie wissen, dass wir eine Welt haben. Sie kommen nie des Nachts heraus – sie würden erfrieren. Sie haben wahrscheinlich außer der brennenden Sonne niemals einen Himmelskörper gesehen. Woher wollen Sie wissen, dass es noch eine Welt gibt? Was macht es ihnen aus, wenn sie es wissen? Ja, selbst wenn sie ein paar Sterne gesehen haben, oder sogar die Erdsichel, was dann? Warum sollten sich Leute, die in einem Planeten leben, die Mühe machen, solche Dinge zu beobachten? Die Menschen würden es auch nicht getan haben, wären nicht die Jahreszeiten und die Schiffahrt; warum sollten die Mondleute? … Ja, und nehmen Sie an, es gäbe ein paar Philosophen wie Sie. Gerade das sind die Seleniten, die nie von unserm Dasein hören werden. Nehmen Sie an, es wäre ein Selenit auf die Erde gefallen, als Sie in Lympe waren – Sie wären von aller Welt der letzte gewesen, der es gehört hätte. Sie haben nie eine Zeitung gelesen! Sie sehen die Chancen gegen sich. Ja, und um dieser Chancen willen sitzen wir hier und tun nichts, während kostbare Zeit entflieht. Ich sage Ihnen, wir sind in einer Klemme. Wir sind unbewaffnet gekommen, wir haben unsere Sphäre verloren, wir haben nichts zu essen, wir haben uns den Seleniten gezeigt und ihnen den Glauben beigebracht, dass wir fremdartige, starke, gefährliche Tiere sind; und wenn diese Seleniten nicht vollendete Narren sind, werden sie sich jetzt aufmachen und uns jagen, bis sie uns finden, und wenn sie uns finden, werden sie versuchen, uns zu fangen, und werden uns töten, wenn sie es nicht können, und das ist der Schluss der Sache. Wenn sie uns fangen, werden sie uns wahrscheinlich aus irgendeinem Missverständnis töten. Wenn wir abgetan sind, werden sie uns vielleicht erörtern, aber wir werden nicht viel Ulk davon haben.«
»Nur weiter.«
»Andererseits liegt hier Gold umher wie zu Hause Gußeisen. Wenn wir nur etwas davon mit zurückbringen könnten, wenn wir nur unsere Sphäre finden könnten, ehe sie es tun, und zurückkehren, dann – –«
»Ja?«
»Dann könnten wir die Sache auf gesündere Grundlage stellen. In einer größeren Sphäre mit Waffen wiederkommen.«
»Großer Gott!«, rief Cavor, als sei das furchtbar.
Ich schleuderte wieder einen Pilz in den Spalt hinab.
»Sehen Sie, Cavor«, sagte ich. »Auf jeden Fall habe ich in dieser Sache die halbe Stimmkraft, und dies ist ein Fall für einen praktischen Mann. Ich bin ein praktischer Mann, und Sie nicht. Ich werde keinen Seleniten und geometrischen Figuren wieder trauen, solange ich es ändern kann … Das ist alles. Kehren Sie zurück. Lassen Sie all diese Heimlichkeit fallen, oder das meiste davon, und kommen Sie wieder.«
Er überlegte. »Als ich auf den Mond kam«, sagte er, »hätte ich allein kommen sollen.«
Eine Zeit lang streichelten wir uns schweigend die Knie. Dann schien er sich für meine Gründe zu entscheiden.
»Ich glaube«, sagte er, »man kann Data erhalten. Es ist klar, solange die Sonne auf dieser Seite des Mondes ist, wird die Luft von der dunklen Seite durch diesen Planetenschwamm heraufblasen. Auf jeden Fall wird sich die Luft auf dieser Seite ausdehnen und aus den Mondhöhlen in die Krater fließen … Schön, und hier ist ein Luftzug.«
»Der ist da.«
»Und das heißt, dass dies kein totes Ende ist; irgendwo hinter uns geht dieser Spalt weiter hinauf. Der Zug weht aufwärts, und das ist der Weg, den wir gehen müssen. Wenn wir versuchen, irgendwelchen Schornstein oder Riss hinaufzuklettern, der vorhanden sein mag, so werden wir nicht nur aus diesen Gängen herauskommen, in denen sie nach uns jagen – –«
»Wenn aber der Riss zu eng ist?«
»So steigen wir wieder zurück.«
»Sch!«, sagte ich plötzlich, »was ist das?«
Wir lauschten. Erst war es ein undeutliches Murmeln, und dann unterschied man das Dröhnen eines Gongs. »Sie müssen glauben, wir sind Mondkälber«, sagte ich, »dass uns das erschrecken könnte.«
»Sie kommen den Gang entlang«, sagte Cavor.
»Das müssen sie.«
»Sie werden nicht an den Spalt denken. Sie werden vorübergehen.«
Ich lauschte wieder eine Zeit lang. »Diesmal«, flüsterte ich, »werden sie wahrscheinlich irgendwelche Waffen haben.«
Dann sprang ich plötzlich auf die Füße. »Gütiger Himmel, Cavor!«, rief ich. »Aber doch! Sie werden die Pilze sehen, die ich hinuntergeworfen habe. Sie werden – –«
Ich sprach meinen Satz nicht zu Ende. Ich wandte mich um und tat einen Sprung über die Pilzmassen nach dem oberen Ende der Höhlung zu. Ich sah, dass sie sich nach oben wandte und wieder zu einem zugigen Spalt wurde, der in undurchdringliche Dunkelheit hinaufstieg. Ich wollte gerade hier hinaufklettern und wandte mich dann in einer glücklichen Inspiration zurück.
»Was machen Sie?«, fragte Cavor.
»Gehen Sie nur weiter!«, sagte ich und ging zurück und nahm zwei der leuchtenden Pilze, steckte einen davon in die Brusttasche meiner Flanelljacke, sodass er hervorsah und bei unserm Klettern leuchtete, und kehrte mit dem anderen für Cavor zurück. Der Lärm der Seleniten war jetzt so laut, dass es schien, sie mussten schon unter dem Spalt sein. Aber es konnte sein, dass sie auf Schwierigkeiten stießen, als sie hinaufklettern wollten, oder sie mochten zögern, gegen unseren möglichen Widerstand hinaufzusteigen. Auf jeden Fall hatten wir jetzt das beruhigende Wissen von der ungeheuren Überlegenheit unserer Muskeln, die uns unsere Geburt auf einem anderen Planeten gab. In der nächsten Minute klomm ich Cavors blauerleuchteten Fersen mit Riesenkräften nach.