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Impressum

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Hermann Mezger

Copyright: © 2013 Hermann Mezger

Umschlagfoto: Andrea Grosser (www.grosser.name)

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-5952-0

Die Handlung dieses Buches ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, Personen, – lebend oder verstorben, – Firmen und Institutionen wäre rein zufällig. Das Buch ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzungen, Vervielfältigungen aller Art, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Kapitel

Axel Warnow verkörpert den typischen Norddeutschen: Groß, blond, und blauäugig. Mit einer athletischen Figur und einem schalkhaften Lächeln in den Augen ist er beim weiblichen Geschlecht nicht nur gern gesehen, sondern richtig heiß begehrt. Da er Besitzer eines Autohauses und dazu noch Junggeselle ist, steigern sich die Begehrlichkeiten der Damen manchmal bis zur Raserei. Zu allem Unglück hat er sich auch noch zwei Hobbys zugelegt, die ihn in seiner Freizeit ganz in Beschlag nehmen: Jagen und Segeln. Mit seinem Freund Bramme, einem Hauptkommissar, besitzt er eine schmucke Segeljacht, die sie in den letzen Monaten für die neue Saison herausgeputzt haben. In vierzehn Tagen findet die Saisoneröffnungs-Regatta statt und morgen, am 1. Mai, geht die Bockjagd auf. Auf beide Ereignisse freut er sich wie ein kleines Kind. Da macht ihm dann kein Schietwetter was aus und da kann es dann noch so unkommod sein.

Es ist stockdunkel, als Axel am Samstagmorgen kurz nach vier Uhr die Haustür hinter sich schließt. Er steckt den Schlüssel ein, dreht sich um und bleibt für einen kurzen Moment unter dem Vordach stehen. Mit Unbehagen stellt er fest, dass es nieselt. Auch Asta, seiner saufarbenen Teckelhündin scheint das Wetter nicht zu behagen. Mitleiderregend schaut sie ihn mit ihren Knopfaugen an, als wolle sie fragen, ob das wirklich sein Ernst sei. Axel nimmt die Hündin kurzerhand auf den Arm und geht zu seinem Geländewagen.

Zu dieser frühen Stunde und bei diesem Sauwetter herrscht so gut wie kein Verkehr. Er fährt durch das noch schlafende Kiel in nordwestlicher Richtung davon, nimmt kurz danach die Alte Landstraße und biegt von dort auf einen fast zugewachsenen Waldweg ab. Nach hundert Metern hält er an und steigt aus. Asta ist jetzt in ihrem Element. Sie springt putzmunter aus dem Wagen und zieht sich erst mal die frische Waldluft durch die Nase. Axel schultert seine Jagdwaffe und hängt sich ein Fernglas um den Hals. So leise wie möglich macht er die Autotüren zu und leint die Hündin an. Asta führt ihn mit schlafwandlerischer Sicherheit auf einem Pirschweg direkt zu einem Hochsitz. Dort nimmt er die Hündin auf den Arm und steigt die Sprossenleiter hinauf. Oben angekommen muss er den Kopf einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen. Er setzt Asta auf einer schlichten Holzbank ab und da lauscht sie nun mit gespitzten Ohren, wie Wichtel Wichtig höchstpersönlich, in den Wald hinein. Dann nimmt er selbst Platz, macht das Gewehr schussbereit, sichert es und stellt es griffbereit gegen die Wand. Mit sich und der Welt zufrieden lehnt er sich zurück und atmet tief ein. Er liebt den Geruch des Waldes, besonders jetzt im Mai, wo sich die Bäume mit frischem Laub schmücken. Der Regen wird stärker. Prasselnd trommeln die Regentropfen auf das Dach des Hochsitzes. Asta zeigt ihre Abneigung gegen das Nass, kringelt sich ein und kuschelt sich an ihr Herrchen, dem das Wetter nichts auszumachen scheint. Es ist fast so, als würden sie sich einige Meter über dem Erdboden, auf einem anderen Planeten befinden. Auf einem Planeten, dem die hektische, stressbehaftete Welt so fremd ist, wie man es sich nur denken kann.

Ein dumpfes Grollen in der Ferne unterbricht die Idylle und kündigt ein Gewitter an. Axel runzelt die Stirn. Sollte ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung machen? Beim ersten Blitz würde er sich gezwungen sehen, den Hochsitz zu verlassen. Als unverbesserlicher Optimist, beschließt er, es so zu nehmen wie es kommt. Nur der Jäger Unverdrossen hat schon manchen Bock geschossen. Er streicht sich die blonden Haare aus der Stirn, zieht sich den Hut noch tiefer ins Gesicht und will sich gerade entspannt zurücklehnen und die Beine ausstrecken, als ein Lastwagen angefahren kommt und ganz in seiner Nähe mit laufendem Motor anhält. Axel zieht die Augenbrauen hoch und seufzt genervt. Asta spitzt die Ohren. Sie blickt ihr Herrchen fragend an. Nicht genug damit, dass der Lastwagen einen unerträglichen Krach macht, nein, irgendwelche blecherne Gegenstände übertönen scheppernd und bollernd das Geräusch des Motors. Für Axel hört es sich so an, als würden Milchkannen verladen. Da der Lärm kein Ende nehmen will, und Asta ihn immer noch verständnislos anblickt, sieht er sich genötigt, einmal nach dem Rechten zu sehen. Er nimmt Asta auf den Arm und steigt die Leiter hinunter. Nach ein paar Sprossen hört er, dass der Lastwagen weiterfährt. Also steigt er die Leiter wieder hoch, setzt sich mit Asta erneut auf die Bank und versucht, seine alte Gelassenheit zurückzugewinnen. Das ist nicht einfach, weil auch der Donner immer näher kommt. Trotzdem zwingt er sich, aus der Situation das Beste zu machen.

Kaum hat er es sich bequem gemacht, als die nächste Störung an seinen Nerven zerrt. Ein Sportwagen kommt, aus allen Auspuffrohren röhrend, herangebraust. Der Motor des Wagens heult beim Herunterschalten vor einer Kurve laut auf. „So ein Idiot!“, sagt Axel und fährt Asta mit der Hand beruhigend über das noch feuchte Fell. In diesem Moment quietschen die Reifen des Fahrzeugs in einem grässlich unangenehmen Ton und gleich darauf hört er einen derart durchdringenden Knall, als hätte eine Bombe direkt neben ihm eingeschlagen. Im ersten Moment ist ihm, als wäre sein Trommelfell geplatzt. Asta zuckt zusammen und bellt. Axel zögert nicht eine Sekunde. In Windeseile entlädt er das Gewehr, schultert es, klemmt sich Asta unter den Arm und hangelt sich, so schnell er kann, die wackelige Leiter hinunter. Ein greller Blitz und ein kurz darauffolgender Donner machen ihm noch zusätzlich Beine. Wieder festen Boden unter den Füßen lässt er die Hündin einfach auf die Erde plumpsen. In der Zwischenzeit ist es etwas heller geworden, so dass er sich einigermaßen orientieren und den gröbsten Hindernissen ausweichen kann. Dicht gefolgt von Asta rennt er auf die Alte Landstraße zu. Der Regen mutiert zu einem Wolkenbruch. Völlig durchnässt verharrt Axel einen Moment auf der Böschung über der Straße. „Los, komm!“, ruft er Asta zu und springt auf die Straße hinunter. Als er den Fuß auf der Straße aufsetzen will, rutscht er weg und schlägt sofort der Länge nach hin. Zu allem Übel knallt ihm dabei auch noch der Lauf seiner Jagdwaffe mit voller Wucht an den Kopf. Asta geht es nicht viel besser. Auch sie verliert den Halt, liegt auf dem Rücken und rudert mit allen vier Läufen in der Luft herum. Nur mit viel Mühe gelingt es ihr, sich an den Straßenrand zu retten. Von dort aus schaut sie zu, wie ihr Herrchen mit dem letzten Rest an Galgenhumor gegen den glitschigen Straßenbelag ankämpft und es endlich schafft, den Seitenstreifen zu erreichen. Dort hockt sich Axel niedergeschlagen hin, betrachtet sich seine Blessuren sowie die ölverschmierten Hände. Ungläubig stiert er vor sich hin. Eine Beule am Kopf, ein schmerzendes Knie, verdreckte und völlig durchnässte Klamotten registriert er bei einer ersten Bestandsaufnahme. Von seinem Hut tropft ihm das Regenwasser direkt in den Nacken und holt ihn in die Wirklichkeit zurück. Er lässt seinen Blick über das eigene Umfeld hinaus in die nähere Umgebung schweifen und sieht etwa vierzig Meter entfernt eine Dunstwolke. Dahinter kann er ein zertrümmertes Fahrzeug erkennen, das sich um einen Baumstamm gewickelt hat. Nur mit viel Fantasie kann man in dem knallroten Wrack einen ehemals flotten Flitzer vermuten. Ein Blitz illuminiert die gespenstische Szenerie. Es gießt wie aus Kübeln.

Axel legt das Gewehr ins Gras und steht mit einem Ruck auf. „Pass gut auf!“, sagt er zu der Hündin und humpelt mit schmerzverzerrtem Gesicht zu der Unfallstelle.

In ihm krampft sich alles zusammen, als er den Fahrer sieht, der gerade mal Mitte Dreißig sein dürfte, also ungefähr so alt wie er selbst. Der Mann ist hoffnungslos eingequetscht, sein Mund steht weit offen. Vielleicht hat er vor ein paar Minuten noch den letzten Schrei seines Lebens von sich gegeben. Seine Augen sind vor Entsetzen weit aufgerissen.

Für Axel ist sofort klar, dass hier jede Hilfe zu spät kommt. Angewidert wendet er sich ab und quält sich zu seinem Geländewagen. Auf dem Weg dorthin sammelt er Asta und sein Gewehr ein. Von seinem Auto aus ruft Axel die Polizei.

2. Kapitel

Eine unheimliche Ruhe hat sich über das Geschehen gelegt. Auch das Gewitter zieht weiter. Nur noch das monotone Plätschern des Regens und ein Eichelhäher, der die traurige Botschaft laut plärrend von Nest zu Nest trägt, unterbrechen die Stille. Axel hat in der Zwischenzeit die Unfallstelle abgesichert. Fröstelnd und zusammengekauert hockt er neben dem Autowrack und wartet auf die Polizei. Während er noch über den Sinn des Lebens im Allgemeinen, im Besonderen und im Speziellen grübelt, und wie in Nullkommanix alles vorbei sein kann, ist endlich das Tatütata der Rettungsfahrzeuge zu hören. Gleich darauf kommt auch die Polizei mit Blaulicht angebraust.

Die beiden Polizeibeamten scheinen überhaupt nicht erbaut zu sein, so früh am Morgen und noch dazu bei diesem Wetter, einen Unfall aufnehmen zu müssen. Sie nehmen von Axel zunächst überhaupt keine Notiz, sondern schauen sich die Unfallstelle gründlich an. Nachdem sie sich eine Meinung gebildet und die mehr oder weniger qualifizierten und spekulativen Kommentare ausgetauscht haben, kommen sie auf Axel zu. Einer von ihnen streckt ihm die Hand entgegen. „Moin, moin! Haben Sie uns angerufen?“

 

Gemeinsam gehen sie auf einen kleinen Bus zu und setzen sich dort an ein Tischchen.

„Ja, ich habe von meinem Hochsitz aus gehört, wie der Wagen an den Baum geknallt ist.“

Die Beamten beäugen ihn misstrauisch. Sein lädiertes Aussehen wirkt alles andere als vertrauensbildend. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätten ihn zu einem Alkoholtest aufgefordert. Zu allem Unglück handelt er sich noch die strafenden Blicke der Polizisten ein, weil von seiner Hutkrempe Wasser auf die Tischplatte tropft. Axel nimmt den Hut ab und schmeißt ihn neben sich auf den Boden. Erst als er dem älteren seinen Führerschein reicht, wird der Ton etwas verbindlicher.

„Herr Warnow? Vom Autohaus Warnow?“ Axel nickt.

„Entschuldigen Sie, ich konnte ja nicht ahnen...“

„Schon gut!“, unterbricht Axel das anbiedernde Getue und erklärt ihnen nun seine Wahrnehmungen bis ins letzte Detail. Das Gesicht der Beamten wird immer länger.

„Also wir haben auf der Straße weder Spuren von Öl noch Bremsspuren gefunden“, sagt einer der Beamten.

„Ist doch klar: Zum Bremsen hatte der Fahrer gar keine Zeit mehr und das Öl hat der starke Regen fortgespült“, entgegnet Axel.

Die Beamten scheinen ihn nicht ernst zu nehmen.

„Dürfen wir uns denn noch einmal an Sie wenden, falls es noch Fragen geben sollte?“

„Selbstverständlich!“, sagt Axel, nimmt seinen Hut und steigt aus dem Kleinbus.

Inzwischen hat ein Arzt den Tod des Fahrers festgestellt, die Feuerwehr ist gekommen, um ihn aus dem Autowrack herauszuholen, ein Pressefotograf tut seine Arbeit und soeben fährt ein Abschleppwagen vor, um die Blechlawine aufzuladen. Einige Schaulustige, von den Martinshörner der Rettungsarmada angelockt, diskutieren erregt den Unfallhergang.

Axel geht zu seinem Wagen. Asta begrüßt ihn mit freudigem Gebell. Sie hofft, dass es jetzt wieder auf die Jagd geht. Aber ihm reicht es für heute. Er will nur noch nach Hause, den scheußlichen Anblick des Toten vergessen und sich um seine Blessuren und um sein Seelenheil kümmern.

Unterwegs überlegt er es sich doch anders. Dieser Unfall geht ihm einfach nicht aus dem Kopf. Er kann an überhaupt nichts anderes mehr denken. In der Zwischenzeit ist es schon halb neun Uhr. Da müsste eigentlich sein Freund Bramme, der bei der Kripo ist, schon im Polizeipräsidium sein. Kurz entschlossen fährt Axel dorthin.

3. Kapitel

Kurz vor neun Uhr hält Axel vor dem Polizeipräsidium und steigt aus. Zielstrebig betritt er das Gebäude und durchquert mehrere Gänge. Vor einer Tür mit der Aufschrift „Hauptkommissar H. Bramme“ bleibt er stehen und klopft an. Ohne das „Herein!“ abzuwarten macht er die Tür auf und betritt das Büro. Es gelingt dem Hauptkommissar nicht mehr, ein Kreuzworträtsel in der Schreibtischschublade verschwinden zu lassen. Bramme will den Eindringling sofort zurechtweisen, als er aber seinen Freund Axel erkennt, hellt sich sein Gesicht auf.

Bramme ist ein sportlicher Typ Mitte Dreißig, von Statur und Haarfarbe her könnte er Axels Zwillingsbruder sein. Während Axel sich gerne salopp kleidet, legt Bramme Wert auf ein sehr gepflegtes Outfit. Von Berufs wegen müsste es gerade umgekehrt sein.

„Moin Axel, altes Haus! Was verschafft mir denn die Ehre?“

„Grüßʼ dich, Holger! Ein Glück, dass du da bist!“

Bramme betrachtet seinen Freund von oben bis unten.

„Wo kommst du denn her? Hat dich ein ICE gestreift?“

„Lass das. Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt.“

„Was ist denn passiert?“

„Ich möchte einen Unfall, - nein, - ein Verbrechen anzeigen.“

„Ja was denn nun?“, fragt Bramme neugierig.

„Ein Verbrechen!“

Axel schildert seine Erlebnisse zum wiederholten Male in allen Einzelheiten. Bramme hört ihm geduldig zu und schaut ihn zum Schluss zweifelnd an.

„Du glaubst mir nicht?“, fragt Axel.

„Logisch klingt deine Geschichte nicht. Wer dieses angebliche Verbrechen geplant hat, konnte doch nicht wissen, dass genau zu diesem Zeitpunkt ein starker Regen niedergehen wird und alle Spuren verwischt.“

„Deine Kollegen von der Verkehrspolizei gehen von überhöhter Geschwindigkeit aus. Dass ich nicht lache! Mag ja sein, dass der Kerl viel zu schnell gefahren ist. Ich bleibe aber dabei, dass er auf einer Ölschicht die Bodenhaftung verloren hat. Und mich selbst hat es ja auch umgehauen. Schau mich doch an, wie ich aussehe.“

Bramme steht abrupt auf. „Na, dann wollen wir mal!“

Axel ist irritiert. „Was hast du vor?“

„Komm, wir fahren zu der Unfallstelle. Vielleicht finden wir noch Spuren von dem Zeug.“

„Ölspuren befinden sich auch auf meiner Hose“, sagt Axel.

„Das Öl an deiner Hose kann genauso gut von deiner Werkstatt stammen. Um es als Beweismittel verwenden zu können, brauche ich Öl direkt vom Unfallort. Deine Hose können wir dann immer noch zu Vergleichsuntersuchungen heranziehen.“

Auf einer kleinen Anhöhe, gute hundertfünfzig Meter vom Unfallort entfernt, lassen sie den Wagen stehen. Von hier aus ist der Straßenverlauf gut zu erkennen: Eine leichte Senke vor einer scharfen Rechtskurve, die sich aus ihrem Blickfeld herauswindet. Axel zeigt seinem Freund die Stelle, an der er ausgerutscht ist und auch den Baum, der dem Sportwagen zum Verhängnis geworden ist. Während Axel beim Auto stehen bleibt, wandert Bramme zu der Unfallstelle und dann weiter bis zu der Rechtskurve. Er registriert an dem Unglücksbaum die abgefräste Borke und rote Lackspuren. Sonst aber nichts. Enttäuscht dreht er um und geht auf dem Seitenstreifen zurück. Plötzlich bleibt er stehen.

„Axel kommʼ mal her!“

„Was gibtʼ s denn?“

Bramme reißt ein Grasbüschel mit etwas Moos heraus und hält es Axel unter die Nase.

„Da riechʼ mal! Das Grasbüschel riecht nicht nur nach Öl, das stinkt sogar danach. Und schmierig ist es auch.“

„Du glaubst mir also?“

„Na ja, an der Sache könnte was dran sein.“

Bramme verstaut das Grasbüschel in einer Plastiktüte.

„Das bringen wir jetzt sofort ins Labor.“

Axel protestiert: „Sei mir nicht böse, aber ich muss jetzt wirklich nach Hause. Ich bin fix und fertig. Wenn ich heute nur im Bett geblieben wäre!“, sagt er und gähnt.

„Wenn du im Bett geblieben wärst, gäbe es jetzt keine Untersuchung. Du hast heute Schicksal gespielt.“

„Ja, weil der Rehbock noch am Leben ist“, sagt Axel.

Bramme lacht.

Axel findet das gar nicht komisch. „Jetzt ist es an dir, Schicksal zu spielen. Finde heraus, wer hinter dieser Schweinerei steckt und loch´ den Kerl ein.“

„Genau das habe ich vor.“

„Wenn du mich nach Hause begleitest, kannst du gleich meine Hose mitnehmen.“

„Die kannst du auch gleich hier ausziehen“, frotzelt Bramme.

„Das könnte dir so passen!“

4. Kapitel

Hauptkommissar Petersen sitzt hinter seinem Schreibtisch, liest die Zeitung und beißt gerade in ein Wurstbrötchen, als Bramme schwungvoll zur Tür hereinkommt. Im Vorbeigehen schmeißt er einen Aktenordner auf Petersens Schreibtisch.

„Moin! Moin!“

Petersen, ein blonder, schlaksig wirkender Hüne, trägt drei Ringe am Ohrläppchen und hat die langen Haare im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden. Statt den Gruß seines Kollegen zu erwidern, fährt er sich mit der Hand über den Mund.

„Na?! War wohl nichts los am Wochenende?“, will er wissen.

„Von wegen nichts los!“, blafft Bramme zurück, „ein schwerer Autounfall hat sich im Handumdrehen als heimtückischer Mord entpuppt.“

Petersen schluckt den Rest seines Brötchens hinunter und zeigt auf die vor ihm liegende Zeitung. „Meinst du etwa den Unfall mit dem Sportwagen auf der Alten Landstraße?“

Bramme wirft einen Blick auf die Zeitung. „Genau der. Die Kollegen von der Verkehrspolizei gehen zwar davon aus, dass der Fahrer mit Karacho an einen Baum geknallt ist, aber mein Freund Warnow behauptet steif und fest, dass die Straße mit einer Ölschicht überzogen war, die dem Fahrer dann zum Verhängnis geworden ist. Obwohl der Regen fast alles weggespült hat, habe ich am Straßenrand tatsächlich eine handvoll Moos und ein paar Grashalme gefunden, die nach Öl stinken. Ich habe die Probe zusammen mit der ölverschmierten Hose meines Freundes ins Labor gebracht. Sei doch so gut, ruf bei denen mal an und frag nach, ob sie schon etwas sagen können.“

Petersen streut sich derweil etwas Schnupftabak auf den Handrücken und zieht diesen mit einem kräftigen Atemzug die Nase hoch. Bramme verdreht genervt die Augen. Solange er Petersen kennt, hat dieser den Tick mit dem Schnupftabak. Noch stressiger wird es, wenn er mal keine Prise zur Hand hat.

Nachdem Petersen zweimal laut geniest hat, tippt er die Nummer des Labors ins Telefon. „Moin!“, hört ihn Bramme in den Hörer sagen, „Petersen, Kripo Kiel. Habt ihr schon mal an dem Moos und an der Hose gerochen, was euch Hauptkommissar Bramme am Samstag höchstpersönlich gebracht hat?“

Eine Weile hört Petersen in den Hörer hinein. Dann verabschiedet er sich und legt auf.

„Die haben tatsächlich Öl gefunden. Stinknormales Motoröl!“

„Also doch!“, entfährt es Bramme.

Ein Bote kommt herein und bringt das Unfall-Protokoll. Petersen scheint in der Zwischenzeit Blut geleckt zu haben. Er reißt dem Boten das Protokoll förmlich aus der Hand und vertieft sich sogleich darin.

„Aha!“, verkündet er, „bei dem Toten handelt es sich um Doktor David Dorn, 36 Jahre alt, wohnhaft in Kiel, Pharmakologe von Beruf.“

„Pharmakologe! Womöglich von der Firma Pharma-Welt?“, fragt Bramme.

„Warum, kennst du die?“

„Kennen ist zuviel gesagt. Ich habe gehört, dass das ein ganz toller Betrieb sein soll. Die haben ein Serum gegen Malaria auf den Markt gebracht und machen doch dauernd mit ihrem Herzmittel in allen Medien Reklame.“

„Ich brauche zum Glück keine Medikamente. Ich trinke lieber einen Doppelkorn. Der bringt meinen Kreislauf im Handumdrehen wieder auf Touren.“

Bramme hört seinem Kollegen gar nicht zu.

„Wir müssen herausfinden, wohin Dr. Dorn wollte. Vielleicht bringt uns das weiter. Fahr du doch mal zu seinen Angehörigen, die wissen das vielleicht. Und vergiss nicht, die fünf „F“ abzuklopfen: Familie, Firma, Frauen, Freunde und Feinde.“

Petersen kommt in Rage.

„Mensch Bramme! Man könnte meinen, ich mache das zum ersten Mal.“

„Ich gehe in der Zwischenzeit zum Chef und informiere ihn über den neuesten Stand. Oder willst du das machen?“

„Ne, lassʼ mal. Gehe nicht zu deinem Fürst...“