Heilwissen

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Hildegard von Bingen

Heilwissen

Inhaltsverzeichnis

Zeugung und Geburt

Die Zeit der Zeugung

Die fleischliche Lust

Von der Empfängnis

Von der Empfängnis (II)

Von der Milch

Vom Monatsfluss

Von nächtlicher Befleckung

Die Temperamente des Menschen

Choleriker

Sanguiniker

Die sanguinischen Weiber

Von den phlegmatischen Weibern

Von den cholerischen Weibern

Von den melancholischen Weibern

Über den Körper

Die Schöpfung Adams

Der Mensch besteht aus den Elementen

Vom Schlaf

Vom Übermaß des Schlafes

Vom Atmen

Vom Pulsschlag

Von körperlicher Bewegung

Von den Haaren

Von der Verdauung

Vom Schlummern

Vom Durst nach dem Schlaf

Vom Essen

Vom Trinken

Vom Wasser

Von Jahreszeiten und Mahlzeiten

Die Bedeutung des Mondes

Vom Nebel

Von den Krankheiten

Vom Kopfschmerz

Vom Zahnschmerz

Vom Milzschmerz

Vom Magen und schlechter Verdauung

Vom Podagra (Gicht)

Von der Lähmung

Vom Fieber

Vom Speichelauswurf und Schnauben

Vom Nasenbluten

Vom Schnupfen

Von Blattern

Von Geschwulst, Geschwüren u.s.w

Vom Aussatz

Therapien

Von Reinigungstränken

Von der Diät

Von Heiltränken

Von Bädern

Vom Aderlass

Vom Schröpfen

Gegen Haarschwund

Gegen Kopfschmerz

Gegen Verrücktheit

Gegen Migräne

Gegen Kopfschmerz, der von Magendunst herrührt

Gegen Kopfschmerz, der vom Schleim entsteht

Gegen Lungenübel

Gegen Verrücktheit

Gegen Augenleiden

Gegen Gehörleiden

Gegen Zahnschmerz

Gegen Herzleiden

Gegen Lungenleiden

Gegen Leberverhärtung

Gegen Milzleiden

Gegen Magenleiden

Gegen Zerreissung des Segels

Gegen Nierenschmerzen

Gegen Seitenstechen

Gegen Geschwulst des Gliedes

Gegen Harnzwang

Gegen Impotenz

Gegen Unfruchtbarkeit

Gegen Podagra (Gicht)

Gegen Fisteln

Gegen Geschwüre

Gegen Eiterungen

Gegen Schlaflosigkeit

Gegen Ausbleiben der Menstruation

Gegen übermässige Menstruation

Gegen schwere Geburt

Zur Beförderung des Stuhlganges und Auswurfes

Gegen Nasenbluten

Gegen Schnupfen

Gegen Üppigkeit

Gegen Gedächtnischwäche

Gegen Schlucken

Gegen Vergiftung

Gegen Krampf

Gegen Zorn und Schwermut

Gegen Augenverdunkelung in Folge Weinens

Gegen unmäßiges Lachen

Gegen Trunkenheit

Gegen Erbrechen

Gegen Durchfall

Gegen Blutfluss

Gegen Blutfluss aus dem Mastdarm

Gegen Blutspeien

 

Von Hämorrhoiden

Gegen Rose

Gegen Krebs

Gegen Ausschlag [De scabie]

Gegen Gelbsucht

Gegen Kolik

Impressum

Zeugung und Geburt
Die Zeit der Zeugung

Denn zur rechten Zeit der Wärme und Kälte wirft der Mensch das Saatkorn aus, und dieses geht zur Frucht auf. Wer wäre denn so töricht, bei zu grosser Sommerhitze oder Winterkälte zu säen? Und die Saat würde verderben und nicht aufgehen. So geht es mit den Menschen, die nicht die Reife ihres Lebensalters und die Zeit des Mondes in Betracht ziehen, sondern zu einer beliebigen Zeit nach ihrer Willkür zeugen wollen. Deswegen gehen ihre Kinder unter vielen Schmerzen körperlich ein.

Aber wie sehr sie auch am Leibe schwach sind, Gott sammelt doch seine Edelsteine zu sich. Daher soll der Mann die Reife seines Körpers erwarten und nach den rechten Mondzeiten mit solchem Fleiss forschen, wie einer, der seine Gebete rein darbringt; auf dass er zur rechten Zeit einen Sohn zeuge und seine Kinder nicht elendiglich verkommen. Er soll nicht sein wie ein Mensch, der die Speise in sich schlingt, ein Vielfrass, der nach der rechten Essenszeit nicht fragt – sondern wie einer, der die rechte Zeit innehält, dass er nicht gierig sei. So muss es der Mensch halten und die richtige Zeit der Zeugung wahrnehmen.

Der Mann suche das Weib nicht auf, wenn es noch ein Kind ist, sondern eine Jungfrau, weil sie dann reif ist; und er soll ein Weib erst berühren, wenn er einen Bart hat, weil er dann erst reif ist, einen Sprössling zu zeugen. Denn wer in Fressen und Saufen aufgeht, der wird oft in seinen Gliedern aussätzig und gebrestenhaft; wer aber mässig isst und trinkt, hat gutes Blut und gesunden Leib. So verstreut Jener, der immer wollüstig ist und in der Geilheit seines Körpers seinen Lüsten nachgeht, in dem Sturm seiner Zeugungslust unnütz seinen Samen und geht oft selbst mit seinem Samen zu Grunde. Wer aber seinen Samen richtig ergiesst, bringt es zur richtigen Zeugung.

Die fleischliche Lust

Die Adern, die in der Leber und im Bauch des Mannes sind, treffen sich in seinen Genitalien. Und wenn die Erregung der Lust vom Marke des Mannes ausgeht, gelangt sie in die Geschlechtsteile und erregt im Blute den Vorgeschmack der Lust. Und weil diese Teile eng und fest eingeschlossen sind, kann jene Erregung sich nicht genügend verbreiten und erglüht dort stark in Lust, so dass sie in dieser Glut selbstvergessen sich nicht enthalten kann, den Samenschleim zu entsenden; denn wegen der Eingeschlossenheit der Schamteile entbrennt das Feuer der Lust heftiger, wenn auch seltener, in ihm als in der Frau.

Denn wie auf grossen Wellen, die sich von starken Stürmen auf Flüssen her heben, ein Schiff heftig kämpft und kaum sich halten und widerstehen kann: so kann auch im Sturm der Wollust die Natur des Mannes sich schwer zähmen. Aber auf Wellen, die von sanftem Winde sich erheben, und in Stürmen, die von sanfter Windbewegung herrühren, kann sich der Nachen, wenn auch mit Mühe, halten: so ist des Weibes Natur in der Wollust, da sie sich leichter bezwingen kann, als die Art der Wollust des Mannes.

Diese gleicht dem Feuer, das erlischt und wieder angefacht wird; denn wenn es fortwährend glühte, würde es Vieles verzehren: so erhebt sich die Lust ab und zu im Manne und sinkt dann wieder; denn wenn sie immer in ihm wütete, könnte er sie nicht ertragen.

Von der Empfängnis

Wenn das Blut eines Mannes in der Glut der Wollust aufschäumt, gibt es Schaum von sich, den wir Samen nennen; so gibt ein Topf am Herdfeuer in Folge der Feuerhitze Schaum von sich. Wenn nun einer vom Samen eines Kranken empfangen wird oder von schwächlichem, ungekochtem Samen, der mit eitrigem Saft gemischt ist, der ist in seinem Leben meistens krank und voll Fäulnis, wie Holz, das, von Würmern durchbohrt, vermodert. So einer wird denn oft voll von Geschwüren und Eiterbeulen und zieht den eitrigen Krankheitsstoff aus den Speisen leichter an sich zu dem Eiter, den er schon hat. Wer davon frei ist, ist gesunder. Wenn der Same aber geil ist, wird der aus ihm empfangene Mensch unmässig und geil.

Wenn ein Mann unter Erguss kräftigen Samens und in treuer Liebe zur Frau zu ihr kommt und sie dann auch die rechte Liebe zum Manne hat, dann wird ein männliches Kind empfangen; denn so hat es Gott eingerichtet.

Wenn der Mann seine Frau treu liebt, die Frau aber den Mann nicht, oder auch die Frau den Mann liebt, aber der Mann nicht die Frau, und der Mann dermalen nur dürftigen Samen hat, so entsteht ein weibliches Kind.

Die Wärme der Frauen von dicker Konstitution ist stärker als der Samen des Mannes, so dass das Kind häufig ihnen ähnlich wird; die Frauen von magerer Konstitution bekommen oft ein Kind, das dem Vater ähnelt.

Von der Empfängnis (II)

Folgendermaßen aber entsteht jeder Mensch durch Zusammengerinnen. Der Mensch hat Willen, Überlegung, Macht und Einverständnis. Zuerst kommt der Wille, denn jeder Mensch hat einen Willen Dies oder Jenes zu tun. Dann folgt die Überlegung, ob etwas passend oder unpassend, lauter oder unlauter sei. Die Macht ist das Dritte, sie setzt eine Handlung durch; das Einverständnis schliesst sich an, da ohne dieses ein Werk nicht vollendet werden kann. Diese vier Kräfte sind bei der Entstehung des Menschen tätig. Die vier Elemente rufen viererlei Säfte im Menschen hervor, wenn sie in stürmischer Fülle nahen: das Feuer, das Trockne, entflammt den Willen, die Luft, das Feuchte, erregt die Überlegung, das Wasser, das Schäumige, lässt die Macht aufwogen, die Erde, das Milde, lässt das Einverständnis hervorsprudeln.

All dies fliesst über und ruft Sturm hervor und leitet aus dem Blut giftigen Schleim, den Samen, hervor, welcher an seinem richtigen Ort geleitet sich mit dem Blut des Weibes vermischt und davon blutig wird. Aus der Lust, welche die Schlange beim Apfelgenuss dem ersten Menschen eingeblasen hat, entsteht die Empfängnis, weil dann das Blut des Mannes durch die Lust erregt wird. Dies Blut gibt dem Weibe kalten Schleim, und dieser erstarrt von der Wärme des mütterlichen Fleisches und dehnt sich zu einer blutigen Form aus und verharrt in dieser Wärme so, bis er von der Ausschwitzung des Trocknen in den Speisen der Mutter zu einer kleinen menschlichen Gestalt anwachsend sich verdichtet und das Zeichen des Schöpfers, das den Menschen geschaffen hat, diese dichte Gestalt durchdringt, wie ein Goldschmied ein Gefäss mit erhabener Arbeit anfertigt.

Und dann formt sich aus ihm wie ein Bild die Menschengestalt, Mark und Adern fügen sich wie Fäden in sie ein, verteilen sich und bilden überall feste Bänder, und gleichsam eine Eihaut umgibt das Mark, die später zu Knochen wird (…) Doch noch ist diese Gestalt von solcher Stumpfheit, dass sie sich nicht bewegen kann, und sie liegt da, als ob sie schlafe und wenig atme. Und der Lebenshauch durchdringt und füllt und stärkt sie in Mark und Adern, so dass sie mehr wächst als bisher, bis sich Knochen über dem Mark ausdehnen und die Adern stark genug werden, um das Blut festzuhalten.

Dann bewegt sich das Kind so, dass die Mutter es fühlt, als ob es plötzlich erwache, und von da an bleibt es immer lebhaft. Denn der lebendige Odem, die Seele, zieht nach dem Willen der Allmacht in die Gestalt ein und macht sie lebendig und hält in ihr überallhin seinen Umzug, wie der Wurm, der Seide spinnt, in der er sich wie in seinem Haus einschließt.

Nachdem der Same des Mannes an seine richtige Stelle gelangt ist, so dass er Menschengestalt annehmen muss, dann wächst um diese Gestalt vom Monatsblut der Mutter gefässartig eine Haut, die sie völlig umgibt, damit sie sich nicht bewegt und falle; denn das geronnene Blut sammelt sich dort so, dass die Gestalt in seiner Mitte ruht, wie der Mensch in seinem Hause. Und in ihm hat sie Wärme, und eine Hilfe wird ihm von dem schwarzen mütterlichen Leberblute bis zu seiner Geburt aufgezogen. Und das Kind bleibt solange in dem Gefäß eingeschlossen, bis seine Vernunft verlangt, dass seine Menschenfülle hervortrete. Da kann und darf es nicht mehr eingeschlossen bleiben und schweigen, denn im Mutterleibe kann das Kind nicht schreien.

Wenn aber die Geburt beginnt, zerreisst das Gefäss, in dem das Kind eingeschlossen ist, und die macht des ewigen Gottes, die Eva aus der Seite Adams bereitet hat, naht und kehrt alle Winkel der Behausung des mütterlichen Körpers von ihren Plätzen. Und die Fugen der Mutter bieten sich dieser Kraft dar und nehmen sie auf und öffnen sich. Und so halten sie fest, bis das Kind herauskommt, und dann schliessen sie sich zusammen, wie sie vorher gewesen sind. Auch die Seele des Kindes merkt, während es hinaustritt, die Macht der Ewigkeit, die sie geschickt hat, und ist fröhlich; wenn es aber heraus ist, bricht es in Weinen aus, weil es die Finsternis der Welt spürt.