Loe raamatut: «Ein Boot, ein Kuss und du»

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Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

Nachwort

Leseprobe aus „Heiße Küsse für das Christkind“

Ein Boot, ein Kuss und du

Mallorca-Erotic-Romance 7

von

Isabella Lovegood

Copyright © 2020 Isabella Lovegood

Alle Rechte vorbehalten.

Jede Weitergabe, Kopie oder sonstige Vervielfältigung verletzt das Urheberrecht und fügt der Autorin finanziellen Schaden zu.

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Covergestaltung: Ingrid Fuchs

Cover-Fotos:

©Prostock-studio - stock.adobe.com

©Andrea - stock.adobe.com

Korrektorat: Ingrid Fuchs

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman

sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten

sind rein zufällig und ungewollt.

Prolog

Lorenzo

»Also hat sich dein Vater doch durchgesetzt«, stellte ich trocken fest. »Ich hätte wissen müssen, dass du dich seiner Geldtasche beugst.«

Juliana biss sich auf die Lippe. »Es tut mir wirklich leid, aber ich habe keine andere Wahl.« Obwohl ich sauer war, glaubte ich ihr das sogar – von ihrer Warte aus betrachtet. Wenn man als Tochter stinkreicher Eltern aufgewachsen war, konnte man sich eben nicht vorstellen, dass man auch ohne das viele Geld ganz gut lebte.

»Ich bin froh, dass ich mir nicht diktieren lassen muss, wie ich mein Leben zu führen habe«, gab ich zurück.

»Ich dachte zuerst, er blufft nur, aber das war ein Irrtum. Wenn ich jetzt nicht nachgebe, kann ich mein Studium vergessen.«

»Wenn du nicht so getrödelt hättest, wärst du längst damit fertig.« Eigentlich ging es mich ja nichts an, aber jetzt war es ohnehin schon egal. Sie hatte gerade mit mir Schluss gemacht. Wozu sollte ich mich also weiter mit meiner Meinung zurückhalten?

»Du hast recht, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter«, antwortete Juliana zu meiner Überraschung. »Ein paar Partys weniger und einige bestandene Prüfungen mehr und wir hätten das Problem nicht, vor dem wir stehen.« Plötzlich wurde mir klar, dass sie es tatsächlich bedauerte und das stimmte mich milder. »Ich hab dich wirklich gern, Lorenzo, das musst du mir glauben!« Ihre sommerhimmelblauen Augen, die sonst so fröhlich blitzten, wurden verdächtig nass. Ich musste wegsehen und griff nach meinem halb vollen Bierglas, um mich abzulenken. Verdammt, ich wollte sie nicht gehen lassen. Wir hatten bisher einen tollen Sommer zusammen verbracht. Okay, ich hatte ziemlich wenig Schlaf bekommen, denn zu Mittag und bis spät abends arbeitete ich und in der Pause dazwischen und in der Nacht waren wir zusammen gewesen. Bis zum Beginn des Studienjahres, zu dem sie ohnehin wieder nach Deutschland musste, hätten wir noch einige Wochen gehabt, doch nun hatte ihr Vater dazwischengefunkt und ihr einen Flug für den nächsten Tag zurück nach Frankfurt gebucht. Und auch von ihren Besuchen, die sie mir in Aussicht gestellt hatte, war wohl keine Rede mehr. Ihr Vater, ein schwerreicher Industrieller, der sich hier auf Mallorca eine protzige Villa hatte bauen lassen, vertrat die feste Überzeugung, ein ganz normaler Kellner sei nicht gut genug für seine Tochter und ich wäre nur auf ihr Geld aus. Mit Zweiterem hatte er definitiv unrecht. Ihr Geld wollte ich nicht, aber von Juliana hätte ich gerne noch mehr gehabt. Leider steckte sie mit ihren siebenundzwanzig Jahren noch immer mitten im Studium und wohnte in einer schicken, kleinen Wohnung, für die ihre Eltern aufkamen, genauso wie für ihren Lebensunterhalt, der vermutlich auch nicht gerade sparsam war. Das war mir alles gleichgültig. Tatsache war jedoch, dass ich die Zeit mit ihr unglaublich genossen hatte und ich war sicher, so bald würde auch sie diesen Sommer auf Mallorca nicht vergessen.

»Hast du einen Euro?«, riss sie mich aus meinen Gedanken.

»Wofür?«, fragte ich verwirrt. »Die Rechnung übernehme ich.«

Sie wischte meinen Einwand beiseite. »Das brauchst du nicht, aber darum geht es nicht. Hast du einen?«

Ich verstand zwar noch immer nicht, worauf sie hinaus wollte, zog aber meine Geldbörse aus der Gesäßtasche meiner Shorts. »Bestimmt.« Immerhin bekam ich jeden Tag Trinkgeld, also mangelte es mir nie an Münzen. Ich fischte eine Eineuromünze heraus und legte sie vor Juliana auf den Tisch.

»Ich habe etwas für dich. Ein Abschiedsgeschenk. Aber damit es ein rechtsgültiger Vertrag ist, musst du dafür bezahlen.« In ihren Augen blitzte der Schalk auf, den ich so an ihr mochte. Dann schob sie mir ein Blatt Papier hin und stellte über eine Ecke den schweren, gläsernen Aschenbecher, damit die Meeresbrise es nicht wegblasen konnte.

»Kaufvertrag«, las ich vor und sah sie erstaunt an, doch sie tippte nur mit ihrem hellrosa lackierten Fingernagel auf das Papier.

»Lies es«, befahl sie.

Je mehr ich davon erfasste, umso schneller klopfte mein Herz. Dann sah ich sie fassungslos an. »Bist du verrückt geworden?«

Juliana verzog ihren rosa Kussmund zu einem breiten, frechen Grinsen. »Ganz im Gegenteil. Du liebst das Boot doch, oder?«

Ich nickte. »Ja schon, aber ...«

Langsam verblasste ihr Lächeln. »Willst du es denn nicht? Ist dir die Erhaltung zu teuer? Die Liegegebühren und alles? Daran habe ich gar nicht gedacht.«

Rasch griff ich nach ihrer Hand. »Das bekomme ich hin. Aber du kannst mir doch nicht dieses tolle Schiff einfach schenken!«

»Du bezahlst ja dafür. Einen Euro und eine Unterschrift und es gehört dir. Ich finde es so mies von Papa, dass er mir das Messer ansetzt. Es wird ihn maßlos ärgern und du hast ein Andenken an mich, das dir hoffentlich viel Freude machen wird.« Wieder stiegen ihr die Tränen hoch und diesmal sah ich nicht weg. Mit dem Daumen strich ich vorsichtig unter ihren Augen entlang.

»Ich hätte lieber dich als das Boot, Juliana, aber es wäre dumm, es nicht anzunehmen. Im Traum hätte ich nicht damit gerechnet.« Ich ließ meine Fingerspitzen über ihre Schulter und den nackten Arm nach unten gleiten und griff nach ihrer Hand. »Wir hatten viel Spaß auf dem Boot und immer, wenn ich damit unterwegs bin, werde ich an dich denken.«

»Das ist der Sinn des Ganzen.« Sie lächelte unter Tränen, dann suchte sie in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Ich sah ihr dabei zu, wie sie sich leise und dezent die Nase putzte. Meine Prinzessin. Erst langsam realisierte ich, dass dies unser letzter Abend sein würde, meine letzten Stunden mit Juliana.

Obwohl ich es hatte kommen sehen, befürchtet hatte, oder was auch immer, überraschte mich das heftige Bedauern, das mich überfiel. Etwas ballte sich schmerzhaft in meiner Brust zusammen. Tat mir tatsächlich das Herz weh? Gab es das wirklich?

1. Kapitel

Angelina

„Vielen Dank für die schöne Feier, Mama.“ Ich lächelte meine Mutter an, bevor ich sie umarmte.

»Gerne, meine Kleine!«, erwiderte sie und küsste mich auf die Wange.

Meine beiden jüngeren Brüder hatten sich schon vor einer Weile unter fadenscheinigen Vorwänden aus dem Staub gemacht und ich hatte ihr alleine geholfen aufzuräumen. Manche Dinge änderten sich eben nie. Papa war auf dem Sofa eingeschlafen, während der Fernseher lief. Ein vertrautes Bild, bei dem ich mich unwillkürlich fragte, ob es das war, was ich wollte. Die Antwort war definitiv: Nein!

Der prüfende Blick meiner Mutter glitt über mein Gesicht und ich ahnte, was kommen würde. »Ich kann es kaum glauben, dass meine Älteste schon fünfunddreißig geworden ist. Kaum bist du aus den Windeln heraus, wird es auch schon höchste Zeit, dass du den Mann fürs Leben findest und für die nächste Generation sorgst.«

Ich musste lachen. »Na toll! Musst du mich ausgerechnet an meinem Geburtstag an meine tickende biologische Uhr erinnern?« Mein Blick wanderte demonstrativ durch die geöffnete Tür zu meinem Vater, der gerade einen besonders lauten Schnarchlaut ausstieß. »Vielleicht will ich ja gar keinen?«, fragte ich mit einem schiefen Grinsen.

Mama lachte, dann schüttelte sie den Kopf. »Erzähl das jemand anderem, ich glaube dir das nämlich nicht. Allerdings ist es besser alleine, als mit dem Falschen zusammen zu sein.«

Einen Moment fragte ich mich, ob das eine allgemeine Bemerkung war, oder ob sie darauf anspielte, wie oft ich schon danebengegriffen hatte. Spontan stellte ich ihr eine Frage, über die ich schon öfter nachgedacht hatte. »Bist du glücklich, Mama?«

Sie hob erstaunt die Augenbrauen, dann nickte sie. »Ja, das bin ich, meistens jedenfalls. Dein Papa ist ein guter Mann, auch wenn er in den letzten Jahren für meinen Geschmack zu viel auf dem Sofa rumhängt.« Erneut wanderten unsere Blicke zu ihm. »Ich denke, wenn er dann im Ruhestand ist, wird es wieder besser. Darauf freue ich mich schon.«

Ich hatte daran meine Zweifel, aber ich behielt sie für mich. Mein Vater war Schlosser und liebte seine Arbeit, den Kontakt mit den Kunden und das befriedigende Gefühl, wenn er einen Auftrag zu deren Zufriedenheit abgeschlossen hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das alles freiwillig gegen ausgedehnte Spaziergänge mit meiner Mutter und ihrem Dackelmischling Santos eintauschen würde.

Bald darauf verabschiedete ich mich und schlenderte am Hafen entlang nach Hause. Es dämmerte bereits. Leise plätschernd schlugen die Wellen an die Mauer, zwei Möwen stießen ihre charakteristischen Schreie aus und es klang, als unterhielten sie sich miteinander, während sie über meinem Kopf dahinsegelten. Ich liebte diese vertrauten Geräusche, die mich schon mein Leben lang begleiteten.

Einem Impuls folgend stieg ich eine kleine Treppe hinunter, die ins Wasser führte und setzte mich. Obwohl es bereits Ende Oktober war, strich die Luft lau und angenehm über mein Gesicht. Der Beton der Mauer und Stufen hatte den ganzen Tag Sonne gespeichert und gab die Wärme nun ab, sodass sie angenehm durch meine Jeans drang. Ich blickte über das Wasser, beobachtete das leichte Schaukeln der Boote und atmete tief durch. Meine Mutter hatte da etwas in mir berührt, das mir tatsächlich auf der Seele lastete. Meine letzte Beziehung war vor mehr als einem halben Jahr in die Brüche gegangen, nachdem ich nicht mehr ignorieren konnte, dass mein Freund es mit der Treue alles andere als ernst nahm.

Langsam lief mir wirklich die Zeit davon. Oder sollte ich mich mit dem Gedanken anfreunden, die kinderlose Tante zu bleiben, und das Kinderkriegen meinen jüngeren Brüdern überlassen? Unbewusst seufzte ich tief auf. Eine männliche Stimme hinter mir holte mich aus meinen Gedanken.

»Angelina? Alles in Ordnung mit dir?«

Ich wandte mich um und sah hoch. Lorenzo stand hinter mir und beäugte mich besorgt. Wir kannten uns schon ewig, hatten aber nie besonders viel Kontakt gehabt. Erst seit Kurzem war ich ein Teil seines engeren Freundeskreises. Er trug eine schwarze Hose und ein ebensolches Hemd. Die Ärmel waren hochgekrempelt und betonten seine kräftigen, sehnigen Unterarme mit dem dunklen Flaum.

»Ja, klar. Kommst du von der Arbeit?«, fragte ich ihn angesichts seiner Kleidung. »Es ist doch noch gar nicht so spät?«

»Für heute ist Schluss. Es war wenig los, also hat mich mein Chef heimgeschickt.«

Die Treppe war zu schmal, um nebeneinanderzusitzen. Stattdessen machte er Anstalten, sich auf die Stufe oberhalb von mir zu setzen. Er streckte die langen Beine rechts und links von mir aus. Dabei ließ er einen tiefen Seufzer hören. »Puh, die Saison steckt mir in den Knochen. Ich bin froh, dass sie beinahe zu Ende ist. Ein paar Tage noch.« Für ein, zwei Minuten waren wir beide still und sahen einer Llaüt zu, die an uns vorbei fuhr und dann der Hafenausfahrt zustrebte. Ich mochte diese alten, traditionellen Fischerboote. Sie waren ein Teil unserer Kultur.

»Ich freue mich schon darauf, endlich mal wieder mit meinen Boot rauszufahren«, stellte Lorenzo sehnsüchtig fest. »Den ganzen Sommer waren nur meine Freunde damit unterwegs.«

Ich wandte mich lächelnd zu ihm um, dabei berührte mein Rücken sein Knie. »Es ist wirklich nett von dir, es herzuleihen.«

Er zuckte lässig mit den Schultern. »Es tut dem Boot nicht gut, immer nur im Hafen zu liegen.«

»Wie lange hast du es jetzt schon?«

»Drei Jahre.«

»Hast du mal wieder etwas von ihr gehört?« Mir fiel im Moment der Name nicht ein, doch auch ohne ihn zu nennen, wusste er sofort, wen ich meinte. Die Geschichte mit dem Abschiedsgeschenk kannte schließlich unser gesamter Freundeskreis.

»Sporadisch. Geburtstagsgrüße, Glückwünsche zum Jahreswechsel, so in der Art.«

Nun war auch ihr Name wieder da: Juliana. Ich erinnerte mich nur dunkel an sie, obwohl wir uns in jenem Sommer einige Male über den Weg gelaufen waren. Vor allem im einzigen Supermarkt von Portocolom, in dem ich arbeitete. Lorenzo wechselte seine Freundinnen oft, aber sie war ein auffallend hübsches Mädchen gewesen, ein bisschen aufgedreht vielleicht, aber nie arrogant, trotz des vielen Geldes im Hintergrund.

»Hast du Lust, mal mit mir rauszufahren?«

Überrascht sah ich zu ihm hoch. »Das wäre verlockend. Bist du denn gerade solo?« Schließlich wollte ich niemandem in die Quere kommen.

»Ja, schon eine ganze Weile. Kurz nach Saisonbeginn hat sie Schluss gemacht, weil ich nie Zeit für sie hatte. Außerdem war ich zu müde für alles.« Er zwinkerte mir zu und zuckte gleichzeitig lässig mit den Schultern. »Nach ein paar Monaten Nichtstun ist es besonders hart, von einem Tag auf den anderen voll einzusteigen. Es spielt sich dann rasch wieder ein, aber die erste Zeit falle ich einfach nur ins Bett und bin tot. Man wird ja auch nicht jünger.« Er grinste verschmitzt und ich fragte mich, ob er nach einem Kompliment fischte, doch den Gefallen tat ich ihm nicht. Allerdings stellte ich neidvoll fest, dass er, obwohl er etwas müde wirkte, zu den Männern gehörte, die mit zunehmender Reife besser aussahen als in ihrer Jugend. Wie unfair! Schlagartig fiel mir wieder ein, was mir vorhin durch den Kopf gegangen war, und offenbar spiegelte sich das in der Folge auch auf meinem Gesicht wider.

»Was ist los?«, fragte er mich sofort.

»Ich bin seit heute fünfunddreißig«, verkündete ich mit Grabesstimme.

»Herzlichen Glückwunsch!« Er beugte sich vor und küsste mich auf die Schläfe. Sein Bartwuchs war ein wenig kratzig, doch seine weichen, warmen Lippen hinterließen ein wohliges Kribbeln, das mich irritierte. Wir kannten uns von Kindheit an, also was sollte das? Er lächelte mich sichtlich erstaunt an. »Dann bist du also nur zwei Jahre jünger als ich? Ich dachte, es wären mehr.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich war damals dreizehn, du fünfzehn.« Als er fragend die Augenbrauen hochzog, hätte ich mich ohrfeigen können. Natürlich hatte er es vergessen. Was hatte mich geritten, es ausgerechnet jetzt aufs Tapet zu bringen? »Längst verjährt«, versuchte ich mit einer lässigen Handbewegung, meine Bemerkung abzuschwächen.

»Was denn? Klärst du mich bitte auf?«

»Nicht der Rede wert«, stellte ich fest und stand auf. »Ich muss dann mal nach Hause. Lässt du mich bitte vorbei?«

Er erhob sich ebenfalls, machte aber keine Anstalten, nach oben auf den Gehweg zu steigen, und um an ihm vorbeizukommen, war die Treppe zu schmal. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen, weil er eine Stufe über mir stand.

»Erst sagst du mir, was du gemeint hast.« Sein Tonfall ließ mich leicht erschauern. Das Timbre seiner Stimme hatte mir immer schon gefallen, doch meistens sprach er leichthin und mit einem fröhlichen Unterton. Nun klang er zwar sanft, aber dennoch bestimmend. Unwillkürlich zuckte mir der Gedanke an mit Plüsch bezogene Handschellen durch den Kopf. Wo kam denn das auf einmal her? Ich runzelte irritiert die Stirn, was er anscheinend als Verärgerung interpretierte.

»Nun sag schon«, schlug er nun einen weicheren Tonfall an.

»Ich war dreizehn, als ich von dir meinen ersten Kuss bekam.« Ich sah zu ihm auf. Erneut zuckten seine Augenbrauen hoch.

»Echt?«

Ich nickte. »Aber es wundert mich nicht, dass du es nicht mehr weißt. Am nächsten Tag war meine beste Freundin an der Reihe.« Es ärgerte mich noch heute, mehr als zwei Jahrzehnte danach, dass ich damals für knapp vierundzwanzig Stunden auf Wolke sieben geschwebt war, während es für ihn überhaupt nichts bedeutet hatte. Damals hatte ich mir geschworen, mich niemals mit Lorenzo einzulassen und wenn er der letzte Mann auf Erden wäre.

»Autsch.« Er hob bedauernd beide Hände. »Tut mir leid. Das war wohl nicht besonders raffiniert. Damals war ich voll in der Experimentierphase.«

Ich lachte. »So viel ich höre, bist du noch immer mittendrin.«

Sein Lächeln war entwaffnend und ich konnte nicht verhindern, seine Grübchen und die ebenmäßigen Zähne zu bewundern. Für einen winzigen Moment fragte ich mich, wie sich seine sinnlichen Lippen wohl nun anfühlen würden. Im nächsten Augenblick hätte ich mir am liebsten selbst auf den Kopf geschlagen, um diesen Unsinn zu stoppen. Ein wissendes Funkeln trat in Lorenzos dunkelbraune Augen. Er wandte sich um und stieg vor mir die paar Stufen hoch. Die schmalen Hüften und der vom vielen Herumlaufen unleugbar knackige Po schaukelten verlockend vor mir.

Wir hatten den gleichen Heimweg, deshalb war es nur natürlich, dass wir nebeneinander hergingen. Er wohnte nur eine Querstraße von mir entfernt. Als wir das Haus erreichten, in dem seine Wohnung lag, wandte er sich mir zu. »Hast du Lust, noch mit raufzukommen? Wir müssen doch auf deinen Geburtstag anstoßen!«

Ich lachte zu ihm hoch. »Netter Versuch! Am Samstag feiern wir bei Alejandro«, erinnerte ich ihn. »Alle freuen sich, dass du diesmal beim Barbecue dabei sein kannst, also vergiss es nicht.«

»Das weiß ich doch, aber wir könnten noch ein wenig in den alten Zeiten schwelgen.« Sein Blick senkte sich auf meine Lippen, die plötzlich zu prickeln anfingen. Unwillkürlich presste ich sie zusammen, um das Gefühl loszuwerden. Er hob die Hand und strich mit dem Daumen sanft wie eine Feder darüber, was mir auch noch eine Gänsehaut bescherte. Rasch machte ich einen Schritt zurück und wäre beinahe die Gehsteigkante hinuntergekippt. Mit beiden Händen erwischte er mich an den Oberarmen und zog mich an sich, doch noch bevor er mich umarmen konnte, wich ich neuerlich aus, diesmal zur Seite.

»Bei mir verschießt du dein Pulver umsonst«, antwortete ich ihm mit einem kleinen Lachen. »Das mit uns hat sich vor zweiundzwanzig Jahren erledigt.«

Lorenzo lachte nun ebenfalls. »Du bist wirklich nachtragend. Aber mit dem Boot kommst du schon mit raus, oder?« Er sah mich erwartungsvoll an und die Aussicht war so verlockend, dass ich lächelnd nickte.

»Nächste Woche habe ich Dienstag und Mittwoch frei. Aber benimm dich!«

»Sicher. Du kennst mich doch, Angelina. Ich dränge mich nicht auf. Niemals.« Seine Augen ruhten in plötzlichem Ernst auf meinem Gesicht.

»Das stimmt. War nur ein Scherz.« Ich streckte mich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht. Wir sehen uns am Samstag bei Alejandro und Eva«, erinnerte ich ihn, dann wandte ich mich schnell ab und ging. Ich drehte mich nicht um, trotzdem hatte ich das Gefühl, Lorenzos Blick auf mir zu fühlen, bis ich um die Hausecke bog.

2. Kapitel

Lorenzo

Als Angelina verschwunden war, drückte ich die Haustür auf und ging die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Die Stille meiner Wohnung empfing mich wohltuend. Nach einem langen Tag, an dem ich zwischen Küche, Bar-Tresen und Gästen pendelte, genoss ich es ganz besonders, meine Tür hinter mir schließen zu können und meine Ruhe zu haben. Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank, öffnete es routiniert und setzte es an die Lippen. Das war ein kleines Ritual für mich. Im Dienst trank ich nur Wasser und hin und wieder einen Kaffee, aber diesen ersten Schluck Bier nach dem Heimkommen genoss ich ganz bewusst. Ich stellte die halb volle Flasche auf den kleinen Küchentisch, dann schlüpfte ich aus meiner Hose und hängte sie ordentlich über die Stuhllehne, wo sie bis zum nächsten Tag auf mich warten würde. Das Hemd zog ich über den Kopf und warf es auf den Flur, die Socken flogen hinterher. Nur noch mit Boxershorts bekleidet ließ ich mich der Länge nach auf mein Sofa fallen und trank in Ruhe den Rest.

Die unverhoffte Begegnung mit Angelina ging mir durch den Kopf. Es war mir immer wieder unheimlich, woran sich Frauen erinnerten. Ich schmunzelte. Es gefiel mir, der Erste gewesen zu sein, der sie geküsst hatte, auch wenn mir damals ganz sicher noch die Raffinesse gefehlt hatte. Ich mochte Frauen und alles, was man so mit ihnen anstellen konnte. Ihnen wohliges Seufzen, lustvolles Stöhnen und schlussendlich ein befriedigtes Lächeln zu entlocken, war meine erklärte Lieblingsbeschäftigung. Alleine der Gedanke daran, geheime weibliche Stellen zu kosten und zu erforschen, ließ mich hart werden. Genüsslich strich ich über meinen besten Freund. Ich hatte nichts dagegen, mich selbst zu verwöhnen, aber an lustvollen Sex mit einer Partnerin kam das beim besten Willen nicht heran. Gut, dass ich in den nächsten Monaten wieder jede Menge Zeit und Energie hatte, mich um mein Liebesleben zu kümmern.

***

Die letzten Tage, die das ›Can Matís‹ noch geöffnet hatte, gingen rasch vorüber. Nun machten wir für fünf Monate dicht, bis Anfang April die Tische wieder ins Freie gestellt wurden.

Während der Saison hatte ich wenig Gelegenheit, meine Freunde zu treffen. Umso mehr freute ich mich auf die Party, als ich am Samstag bei Alejandro ankam. Ich hatte mich bereit erklärt, eine Sangria mitzubringen, und war stolz darauf, dass ich sie beinahe genausogut hinbekommen hatte wie Matís, mein Chef, dessen Name auch das Restaurant trug.

Das Gartentor war nicht versperrt und um die Hausecke drangen Musik und Gelächter. Ich begrüßte den Gastgeber, dann Enrique und Florian, Alvaro und seine Freundin Valentina, Antonia, Marco und die anderen.

»Wo ist Eva? Ist das Geburtstagskind schon da?«, erkundigte ich mich.

»Sind beide oben. Sollen wir die Sangria kühlen? Wir haben neuerdings auch hier unten einen Kühlschrank«, teilte mir der Hausherr mit einem breiten Grinsen mit. »Nachdem wir so oft feiern, lohnte sich die Anschaffung.«

»Kann ich mir vorstellen.« Ich folgte ihm ins Haus, wo in einem Lagerraum gleich neben der Treppe ein großer, zweitüriger Kühlschrank im amerikanischen Stil stand. Ich pfiff anerkennend durch die Zähne, als ich den Vorrat an unterschiedlichsten Getränken begutachtete. In einem separaten Teil war der Wein untergebracht, aber es gab auch Bier in verschiedenen Sorten, Softdrinks und Wasser. Trotzdem fanden wir auch für die große Schüssel mit der Sangria noch ein freies Plätzchen. Im rechten Teil des Kühlschranks warteten die Lebensmittel auf ihren Auftritt. Es gab mehrere Salate und Schüsseln mit Gemüse und Fleisch, die nachher auf den Grill wandern würden. Es war bei Alejandros Feten üblich, dass jeder etwas mitbrachte. Die würzigen Gerüche stiegen mir verführerisch in die Nase und ließen meinen Magen knurren.

»Es geht gleich los«, beruhigte mich mein Freund lachend. »Wir sind beinahe vollzählig und die Holzkohle glüht bereits. Nimm dir mal ein Bier, oder was immer du willst.«

Ich griff nach einem Estrella und benutzte den Flaschenöffner, der in der Tür des Kühlschranks eingelassen war. »Praktisch«, stellte ich anerkennend fest. »Es imponiert mir, wie du dich eingerichtet hast.«

Alejandro strahlte. »Danke. Ich wollte, du könntest es öfters mit uns genießen!« Er schlug mir leicht auf die Schulter und gemeinsam gingen wir in den Garten zurück. Ich lehnte mich an die sonnenwarme Hauswand und ließ meinen Blick über die fröhliche Gesellschaft schweifen, während ich das kalte, würzige Prickeln in meinem Mund genoss. Florian beugte sich gerade zu Enrique und sagte etwas zu ihm, was diesen laut auflachen ließ. Er legte den Arm um die Schulter seines Freundes und zog ihn kurz an sich, bevor er ihm einen schnellen Kuss gab. Die beiden so zusammen zu sehen, war für mich noch immer ungewohnt, doch beim Anblick von Enriques strahlendem Gesicht musste ich unwillkürlich lächeln.

»Unglaublich, oder?«, riss mich Antonias rauchige Stimme aus meiner Betrachtung. »Ich kann mich nicht erinnern, unseren einsamen Wolf jemals so glücklich und gelöst gesehen zu haben.«

»Du hast recht«, stimmte ich zu, ohne den Blick abzuwenden. »Die Verwandlung ist unübersehbar, jetzt wo Enriques Geheimnis gelüftet ist. Ich hätte das nicht für möglich gehalten, aber ich freue mich für die beiden, besonders für ihn. Er war verdammt lange alleine.«

»Sie sind gut füreinander und nur darauf kommt es an.« Sie klang rundum zufrieden. Ich wandte mich ihr zu und betrachtete sie belustigt. Antonia, die wochentags für ihren Job als Pfarrsekretärin seriös auftreten musste, liebte es, in ihrer Freizeit einen ausgefallenen Look zu zelebrieren. Sie war stark geschminkt und ihre Frisur erinnerte mich an ein Vogelnest nach einem heftigen Sturm. Ihr schwarzes Top mit den dünnen Trägern betonte nicht nur ihre appetitliche Oberweite, sondern setzte auch ihre zahlreichen Tattoos in Szene. Ich mochte Antonia sehr, sie war loyal, selbstbewusst und fröhlich, aber als Typ Frau sprach sie mich definitiv nicht an.

»Sag nichts!« Sie lachte mich vergnügt an. Irgendwie fand ich es sehr angenehm, dass unser Freundeskreis so gefestigt war. Wir kannten uns seit Ewigkeiten und wussten genau, wo wir standen, was das Zusammensein sehr entspannt gestaltete. Frauenstimmen näherten sich und gemeinsam wandten wir uns dem Hauseingang zu, aus dem nun Eva und Angelina traten. Eva stellte zwei Körbchen mit Brot auf dem langen Tisch ab, der bereits für das Essen aufgedeckt war, während Angelina es sichtlich genoss, den kleinen David auf dem Arm zu halten. Ich trat heran und begrüßte zuerst Eva, dann wandte ich mich an Angelina.

»Er steht dir gut«, stellte ich fest. Das wehmütige Lächeln, das sie nun zeigte, überraschte mich. David fing an zu strampeln und wollte hinunter. Sie drückte ihm ein Küsschen auf die Wange und stellte ihn auf seine Füße.

»Es ist ein gutes Gefühl, ein Kind auf dem Arm zu haben, auch wenn es nur geborgt ist.« Sie rieb sich mit den Händen über die Oberarme, als ob ihr kalt wäre, dann schüttelte sie gedankenverloren den Kopf, um gleich darauf das Thema zu wechseln. »Wir haben Glück mit dem Wetter! Das wird ein wunderbarer Abend.« Ihr Lächeln wirkte beinahe echt, doch ich bemerkte den verborgenen Kummer dahinter trotzdem. Gefühle von Frauen zu erspüren, hatte ich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten perfektioniert. Viele hatten nie gelernt, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und wenn man als Mann erahnte, was sie brauchten, war man klar im Vorteil. Sie trat an den Tisch und füllte ihr Glas zur Hälfte mit Rotwein, bevor sie einen kleinen Schluck davon nahm.

Mit Evas Freundin Jessica, die kurz danach zu unserer Runde stieß, waren wir vollzählig. Sie hatte eine Torte mitgebracht, die zwischenzeitlich in den Kühlschrank wanderte, bevor sie als Dessert enden würde.

»Das wird ein kalorienreicher Abend«, stellte Eva fest und strich sich über ihr Babybäuchlein, das dem ihrer Freundin glich. »Schade, dass wir von der Sangria nichts trinken dürfen.«

»Sangria?«, fragte Angelina hellhörig geworden und sah sich suchend um.

»Ich hol dir ein Glas voll«, bot ich ihr an. »Wer will noch?«

Es wurde ein fröhlicher, ausgelassener Abend, an dem wir viel aßen, tranken und lachten.

***

Am Dienstag holte ich Angelina um halb zehn bei ihr zuhause ab. Gemeinsam gingen wir zum Hafen. Sie war mit einem T-Shirt, knielangen Jeans und Sneakers bekleidet und ich bewunderte ihre langen, schlanken Beine. Ihre gebräunte Haut verriet, dass sie sich gerne im Freien aufhielt. Die seidig glänzenden, beinahe schwarzen Haare hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz hochgebunden, der bei jedem Schritt wippte. Oberhalb ihrer Stirn steckte eine Sonnenbrille.

»Ich freue mich auf diesen Tag auf dem Meer! Danke, dass du mich eingeladen hast.« Pure Unternehmungslust funkelte in ihren Augen.

»Danke für deine Begleitung«, erwiderte ich lächelnd. »Ich bin zwar nach Saisonende immer etwas ruhebedürftig, trotzdem ist mir deine Gesellschaft sehr willkommen.«

»Dann trifft es sich gut, dass ich ganz gerne auch mal schweige.« Sie zwinkerte mir zu, bevor sie den Kopf wandte, um einen Blick über das Meer zu werfen.

»Was hast du in deinem Rucksack?«

»Badesachen und eine kleine Kühltasche mit etwas zu trinken und zu essen. Ich werde ungenießbar, wenn ich hungrig bin, deshalb sorge ich lieber vor.« Sie grinste entschuldigend.

»Also verhungern werden wir nicht«, stellte ich fest. »Auf dem Boot gibt es einen kleinen Kühlschrank. Den habe ich befüllt, damit uns der Hunger nicht so schnell wieder an Land treibt. Oder hast du heute noch andere Pläne?«

Sie schüttelte den Kopf, dass ihr der Pferdeschwanz um die Ohren schwang. »Nein, der Tag gehört uns.«

»Klingt gut.« Sie sah richtig süß aus und einen Moment durchzuckten mich Verlangen und gleichzeitig Bedauern. Mit einer kräftigen Prise Erotik wären die nächsten Stunden noch einmal so schön gewesen, aber ich gab mich keiner Illusionen hin, bei Angelina landen zu können.

»Es macht sich schon bemerkbar, dass die meisten Sommergäste bereits abgereist sind«, stellte sie zufrieden fest. »Jetzt wird es wieder ruhiger.«

Vanusepiirang:
18+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
26 mai 2021
Objętość:
350 lk 1 illustratsioon
ISBN:
9783903066465
Õiguste omanik:
Автор
Allalaadimise formaat:

Selle raamatuga loetakse