Lesen in Antike und frühem Christentum

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3.6 Lesen als Suchen bzw. Fragen

Es existieren auch zahlreiche weitere Verben im Griechischen, mit denen die Rezeption von Texten bezeichnet wird und die – verstanden in einem weiten Sinne – in heuristischer Hinsicht einer Kategorie zugeordnet werden können, die sich grob mit dem Konzept Suchen und Finden bzw. Fragen und Antworten beschreiben lässt. So impliziert das erste hier zu betrachtende Lexem ζητέωζητέω, das durchaus ein breites Bedeutungsspektrum aufweist ([unter]suchen, [er]forschen, fragen, aufspüren, sich bemühen, verlangen), dass man dem zu Untersuchenden, also z.B. dem Sachverhalt oder eben dem Text, mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse bzw. einer Frage entgegentritt. Aus Gründen der Komplexitätsreduktion wird im Folgenden nur die Verwendungsweise in Bezug auf SchriftmedienLese-medium/Texte untersucht.

Das Verb ζητέωζητέω, dessen EtymologieEtymologie nicht eindeutig ist,1 gilt als altgriechischer terminus technicus für das/die philosophischePhilosophie Untersuchen/Untersuchung, das/die auch schriftgebunden sein kann.2 Philosophisches Untersuchen ist nicht zwingend mit Lesen verbunden und es finden sich Belegstellen, an denen das Verb eindeutig und ausschließlich die „Suche“ im Kopf meint.3

Das Verb wird aber genauso eindeutig dazu verwendet, um die Suche oder das Forschen nach etwas zu bezeichnen, wofür etwas Schriftliches konsultiert werden muss.4 In Demosthenes’ RedeRede gegen Timotheos ist formuliert, in einer Art Schuldenregister bei einer Bank, die Einträge von Timotheos’ Schulden zu suchen und abzuschreiben (… ζητεῖν τὰ γράμματαγράμματα καὶ ἐκγράφεσθαι …; Demosth.Demosthenes or. 49,43). Bei Aristot.Aristoteles pol. 3,1287a beschreibt das Verb Phänomen, dass Patienten medizinischeMedizin Behandlungen in Büchern konsultieren, wenn sie dem ArztArzt misstrauen. In 1Esdr 5,38 geht es darum, dass bestimmte Personen, die Anspruch auf das Priestertum erhoben haben, deshalb von der Ausübung desselben ausgeschlossen wurden, weil „deren Abstammungsschrift im Verzeichnis gesucht (ζητηθείσης τῆς γενικῆς γραφῆςγραφή ἐν τῷ καταλοχισμῷ) und nicht gefunden wurde“.5 Im Prooemium des elften Buches von PolybiosPolybios’ Historien meint das Verb das suchende „Nachschlagen“ in der RolleRolle (scroll), also ein informationsentnehmendes LeseinteresseLese-interesse.6 Einer der Teilnehmer des Gelehrtengesprächs bei Athenaios formuliert, er habe nach Diskussionen über die menschliche NaturNatur in den Werken Brysons von HerakleiaBryson von Herakleia gesucht (ζητέωζητέω), aber nur Beschreibungen von SymposienSymposion und unangemessene erotische Dialoge gefunden (εὑρίσκωεὑρίσκω), welche eine Geringschätzung zukünftige LeserLeser zum Ausdruck brächten (vgl. Athen.Athenaios deipn. 11,118 [508d]). Aufschlussreich ist sodann eine Bemerkung im Vorwort von Kyrills Johanneskommentar, der im Vorwort direkt vor dem Kapitelverzeichnis des ersten Buches deren Funktion erklärt: Sie seien dafür da, den Lesern zu ermöglichen, das Gesuchte sehr einfach zu finden (πρὸς τὸ καὶ λίαν ἑτοίμως ἀνευρίσκεσθαι τοῖς ἐντευξομένοις τὸ ζητούμενον; Kyr. Alex.Kyrill von Alexandria com. in Ioh. prooem. [Ed. PUSEY, p. 7,19f]). Ein gutes Beispiel für Kapitellisten findet sich z.B. im CodexKodexAmiatinus Amiatinus.7 Dort sind die kurzen Kapitelzusammenfassungen (die sog. Capitula Amiatina) mit Zahlen versehen, die wiederum auf eine Sektionszahl verweist, die an derjenigen Stelle im Text angebracht ist, auf welche der jeweilige Eintrag verweist. Das Verb findet sich analog auch in leserlenkendenLeserlenkung Anmerkungen.8 Besonders hervorzuheben sind solche Querverweise innerhalb von Werken, die mehrere RollenRolle (scroll) umfassen, und eine nicht sequentielleKontinuitätsequentiell Lektüre erfordern. Beispielhaft zu verweisen ist auf eine leserlenkendeLeserlenkung Formulierung „wie im ersten Buch zu finden“ (ὡς … ἐν τῷ πρώτῳ βιβλίῳ ζητηθὲν; Gal.Galenos dig. puls. 3,74 [ed. KÜHN 8, p. 903,7f]) bei Galen.

Ganz eindeutig wird das Verb ζητέωζητέω auch im Sinne von „einen Text/ein BuchBuch etc. intensiv studieren/lesen“ verwendet. So findet man schon beim Athener Dichter der neuen KomödieKomödie, AnaxipposAnaxippos, den folgenden Satz: „Am frühen Morgen wirst du sehenSehen, wie ich Bücher in den Händen halte, und das untersuche, was mein Handwerk betrifft“ (τὸν ὄρθρον ἐν ταῖς χερσὶν ὄψει βιβλία ἔχοντα καὶ ζητοῦντα <τὰ> κατὰ τὴν τέχνην; Athen.Athenaios deipn. 9,68 (404b): CAF 3, Anaxippos Fr. 1). Wenn OrigenesOrigenes mit Verweis auf den griechischen TitelTitel des Sprüchebuches (ἐπιγέγραπται γὰρ τὸ βιβλίονβιβλίον Παροιμίαι; Orig. Cels. 4,87), den er gleichsam als Leseanweisung versteht, sagt, er untersuche diese wie Rätsel (ζητῶ ταῦτα ὡς αἰνίγματα; Orig. Cels. 4,87) und damit Worte aus dem Sprüchebuch meint, dann liegt es nahe, ein intensivesAufmerksamkeitvertieft StudiumStudium des Textes vorauszusetzen.9 Im Sinne eines exegetischenExegese Untersuchens verwenden z.B. auch Clemens von Alexandria10, Euseb11 und Chrysostomos das Verb. So schreibt letzterer bezüglich 2Tim 4,9–132Tim 4,9–13: „Es lohnt sich, zu untersuchen, warum der Apostel den Timotheus zu sich ruft …“ (Ἄξιον ζητῆσαι πῶς καλεῖ τὸν Τιμόθεον πρὸς ἑαυτὸν …; Ioh. Chrys.Chrysostomos, Johannes in 2 Tim. hom. 10,1 [PG 62, p. 655]). Auch wenn er in Act. princ. hom. 3 sagt, er habe am zweiten Tag untersucht, wer das Buch (scil. Act) geschriebenSchriftGeschriebenes habe, und er Lukas als AutorAutor/Verfasser identifizieren konnte,12 wird er dafür wohl mindestens die beiden PrologeProlog des lukanischen Doppelwerkes gelesen haben.

Das Verb ἐρευνάωἐρευνάω ist etymologischEtymologie verwandt mit ἔιρομαι (fragen; *indoeuropäisch: h1reu-)13 und ist daher dem semantischen Feld „Frage-Antwort-Dialog“ mit dem Text zugeordnet worden. Für ἐρευνάω hat G. Delling im ThWNT vier Bedeutungsdimensionen herausgearbeitet: a) nachspüren, erschnüffeln; b) durchsuchen, durchstöbern; c) einem Sachverhalt nachspüren, durch Verhör untersuchen (besonders im gerichtlichen Kontext), ausforschen; d) genau prüfen, einer Frage bis ins Detail nachgehen (besonders in wissenschaftlichen Kontexten).14

Im Rahmen der Bedeutungsdimension d) kann das Lexem auch ein durch ein bestimmtes Erkenntnisinteresse gesteuertes Lesen bezeichnen. Besonders eindrücklich ist eine Stelle bei PhilonPhilon von Alexandria,15 an der er mit dem Lexem ἐρευνάωἐρευνάω die kognitivekognitiv Verarbeitung des Lesens der Schrift mit dem Denkvermögen/Verstand (διάνοια) präzise benennt.16 Philon verwendet das Verb ferner auch zur LeserlenkungLeserlenkung.17 In Joh 5,39Joh 5,39 sagt JesusJesus über die Ioudaioi, sie erforschten die Schrift (ἐραυνᾶτε τὰς γραφάς), weil sie meinten, in ihnen das ewige Leben zu haben (s. auch Joh 7,52Joh 7,52). In der patristischenKirche-ngeschichte Literatur wird ἐρευνάω schon im 2. Jh. als LeseterminusLese-terminus verwendet (s. u. S. 524 f).

Das Verb ἐξετάζωἐξετάζω ist als Derivat von ἐτάζω, das wiederum eine denominale Ableitung von ἐτός darstellt, etymologischEtymologie verwandt mit ἀληθής und ἀγαθός und hat als Grundbedeutung „die Wahrheit herausfinden“.18 In zwischenmenschlichen Relationen bezieht sich ἐξετάζω auf ein verbales Geschehen oder ein visuellesvisuell Mustern/Inspizieren/Untersuchen.19 Aber auch als LeseterminusLese-terminus (einen Text untersuchen, erforschen, ausforschen) ist das Verb breit bezeugt. Einige Stellen können dies exemplarisch verdeutlichen.

Schon in Platons Phaidros wird das Verb an einer Stelle als LeseterminusLese-terminus gebraucht, an der Sokrates vorschlägt: „Wie verhält es sich also mit dem Schön- und Unschön-SchreibenSchreiben? Phaidros, wir sollten einmal den Lysias in dieser Sache überprüfen, und wer immer sonst etwas geschriebenSchriftGeschriebenes hat (… Λυσίαν τε περὶ τούτων ἐξετάσαι καὶ ἄλλον ὅστις πώποτέ τι γέγραφεν) …“ (Plat.Platon Phaidr. 258d; Üb. BUCHWALD), worauf hin Phaidros antwortet: „Du fragst, ob wir sollten? Weswegen lebt man denn, sozusagen, wenn nicht um solcher Genüsse willen?“ (Plat. Phaidr. 258e; Üb. BUCHWALD). Der Kontext belegt eindeutig, dass der Name Lysias metonymischMetonymie für die durch Lektüre zu überprüfenden RedenRede steht, die schriftlich vorliegen. Als Leseterminus ist es auch in antiken christlichen Schriften gut bezeugt:20 AthenagorasAthenagoras von Athen überlässt es seinem postulierten AdressatenAdressat, „diese Schriften [ProphetenProphet des ATAT/HB/LXX] zu konsultieren und die Aussprüche jener Propheten genau zu überprüfen (… τῶν βιβλίων γενομένοις ἀκριβέστερον τὰς ἐκείνων ἐξετάσαι προφητείας)“ (Athenag. suppl. 9,3). Wie schon bei anderen Stellen21 deutet die Verwendung des Adjektivs ἀκριβήςἀκριβής auf eine vertiefteAufmerksamkeitvertieft, intensive LektüreAufmerksamkeitvertieft zu Studienzwecken hin. Ähnlich argumentiert auch OrigenesOrigenes: „Für denjenigen, der den Geist unserer Schriften ganz untersucht (… ῷ ἐξετάζοντι ὅλον τὸ βούλημα τῶν ἡμετέρων γραμμάτωνγράμματα …), ist klar, dass Celsus … Pseudobehauptungen ohne Prüfung (ἀνεξέταστος) erhebt.“ (Orig. Cels. 3,53). Das Adverb ἀνεξέταστος meint in diesem Kontext ohne Lektüre der christlichen Schriften. In Iul.Iulianus, Flavius Claudius (Kaiser) ep. 25 [428b] ist ein genaues, auf Fehler hin prüfendes Lesen gemeint.

 

Ebenfalls zum Bereich „Lesen konzeptualisiert als Suchen“ zuzuordnen ist das Verb εὑρίσκωεὑρίσκω, das, als LeseterminusLese-terminus gebraucht, gleichsam das Ergebnis bzw. Resultat suchender Zugänge zu Texten beschreibt,22 im Sinne von „verstehenVerstehen“ verwendet wird,23 aber auch einfach dazu genutzt wird, eine LesefruchtLese-frucht einzuführen bzw. ein ZitatZitat zu markieren.24 Ähnlich kann im Übrigen auch μανθάνωμανθάνω das Ergebnis eines Rezeptionsaktes (z.B. aus einem BriefBrief),25 v. a. aber selektiverUmfangselektiv und intensiver ZugriffeAufmerksamkeitvertieft auf Texte,26 also die Inhaltsentnahme, das Verstehen, die kognitivekognitiv Verarbeitung beim Lesen bezeichnen.

Weitere Verben müssten im Hinblick auf das unter diesem Punkt besprochene Konzept weitergehend angeschaut werden: ἀναζητέωἀναζητέω (aufsuchen, durchforschen),27 ἐκζητέωἐκζητέω (untersuchen), ἐπιζητέωἐπιζητέω (aufsuchen), ἱστορέωἱστορέω (erforschen, erkunden, untersuchen),28 πολυπραγμονέωπολυπραγμονέω (genau erforschen),29 ἐπισκέπτομαιἐπισκέπτομαι (etw. untersuchen, prüfen),30 μαστεύωμαστεύω (suchen, aufspüren, forschen)31 und die lateinischen Lexeme quaeroquaero,32 reperioreperio,33 scrutorscrutor,34 u. v. m. Dies kann aber im Rahmen dieser Studie nicht geleistet werden.

3.7 Lesen als Bewegung

LesenBewegung wird in der antiken Mittelmeerwelt sodann vielfach mit dem Konzept „BewegungBewegung“ konzeptualisiert, wobei das in der Forschung bekannte Konzept des Lesens als ReiseReise darunter zu subsumieren ist.1 Im Folgenden ist die weite Verbreitung des Konzepts, seine Spezifika und seine Implikationen für antike LesepraktikenLese-praxis anhand einiger wichtiger Verben und aussagekräftiger Quellen herauszuarbeiten. Vorab sei aber schon darauf hingewiesen, dass sich die These eines kausal-relationalen Verhältnisses der Bewegungsmetaphorik und dem Medium der RolleRolle (scroll)2 in den Quellen schwer nachweisen lässt. Diese These einer Korrelation ist außerdem v. a. deshalb zu hinterfragen, weil das Konzept (in der Spätantike) definitiv auch im Zusammenhang mit KodizesKodex verwendet wird3 und auch in der heutigen Beschreibungssprache des Lesens noch zu finden ist (überspringen, überfliegen usw.).

Ein gängiges Verb, das im Griechischen (vielfach auch für die Literatur der Alten KircheKircheAlte bezeugt) Lesen als BewegungBewegung konzeptualisiert, ist διέρχομαιδιέρχομαι (hindurchkommen, durchgehen/-laufen, bis ans Ende kommen).4 Dionysios von Halikarnassos beschreibt in seiner äußerst aufschlussreichen Reflexion des Leselernprozesses in der Antike das geübte Lesen oder VorlesenRezeptionkollektiv-indirekt als stolperfreies Hindurchgehen durch einen Text mit Leichtigkeit und SchnelligkeitLese-geschwindigkeit (vgl. Dion. Hal.Dionysios von Halikarnassos comp. 25; diese Stelle wird unten unter 4.2 ausführlich zu besprechen sein). Eine sehr aufschlussreiche Stelle findet sich in einem bei Athenaios überlieferten Fragment des Komödiendichters Platon (Athen.Athenaios deipn. 1,8 [5b]), der eine Szene bei einem GemeinschaftsmahlGemeinschaftsmahl darstellt, bei dem jemand in der Einsamkeit des Gemeinschaftsmahls ein BuchBuch für sich selbst durchgehen will (ἐγὼ δ᾽ ἐνθάδ᾽ ἐν τῇ ἐρημίᾳ τουτὶ διελθεῖν βούλομαι τὸ βιβλίονβιβλίον πρὸς ἐμαυτόν). Dann wird er aber von einer anderen Person gefragt, um was für ein Buch es sich handle und liest daraufhin aus „einem neuen Kochbuch von Philoxenus“ exemplarische Passagen vor. Die Szene impliziert eindeutig das Konzept nicht-vokalisierendeStimmeinsatznicht-vokalisierendr individuell-direkteLektüreindividuell-direktr Lektüre (freilich reflektiert ironisch gebrochen; in einem Kontext, in dem diese Form von Lektüre eigentlich nicht möglich ist), da der Fragende sonst zumindest erkannt hätte, um was für eine Art Buch es sich handelt, und da außerdem das folgende Vorlesen von Ausschnitten (sequentiellKontinuitätsequentiell-selektivUmfangselektiv; vgl. Athen. deipn. 1,8 [5b /c]) aus dem Buch sonst redundant wäre.

PlutarchPlutarch berichtet, dass Pompeius nach dem Sieg über Mithridates VI. im 3. Mithridatischen Krieg dessen privateÖffentlichkeitnicht-öffentlich/privat Geheimdokumente in einer Festung am Lykos fand und diese „nicht ohne Vergnügen durchging (διῆλθεν οὐκ ἀηδῶς), da sie vieles enthielten, das den Charakter des KönigsKönig offenbarte“ (Plut. Pomp. 37). Unter den Schriftstücken waren u. a. Aufzeichnungen von seinen Träumen und erotische Korrespondenz mit Monime, auch Kopien von den BriefenBrief an sie. Pompeius hat diese Texte offenbar nicht nur aus dienstlichem Interesse gelesen, sondern sich damit auch unterhaltenUnterhaltung. Dass Plutarch mit dem Verb individuell-direkteLektüreindividuell-direkt Lektüre zum Ausdruck bringt, zeigt sich eindeutig in der Biographie des jüngeren CatoCato der Ältere, Marcus Porcius, der vor seinem Selbstmord nach dem Essen allein in seinem Schlafgemach Platons Phaidon „schon zum Großteil durchgegangen war“ (διελθὼν τοῦ βιβλίου τὸ πλεῖστον καὶ ἀναβλέψας; Plut. Cato min. 68), als er bemerkte, dass sein Schwert nicht mehr an seinem Platz hing.5 An anderer Stelle begründet Plutarch die Abfassung seiner Schrift Non posse suaviter vivi secundum Epicurum in Frontstellung gegen eine Schrift von Kolotes damit, dass er zeigen wolle,

„dass man […] die Schriften derer, die man widerlegt, nicht bloß beiläufig durchgeht (τὰ γράμματαγράμματα μὴ παρέργως διελθεῖν) und da oder dort Äußerungen herausreißen oder Aussprüche, die nicht in ihren Schriften stehen, angreifen darf, um den Unerfahrenen Sand in die Augen zu streuen“ (Plut.Plutarch non posse suav. 1 [mor. 1086d]; Üb. angelehnt an OSIANDER/SCHWAB).

PlutarchPlutarch unterstellt Kolotes hier mit polemischem Impetus eine oberflächlicheAufmerksamkeitoberflächlich/flüchtig und selektiveUmfangselektiv Lektüre der von ihm zitierten Schriften. Dies bringt er mit der MetapherMetapher des beiläufigen Durchgehens zum Ausdruck. Im folgenden Dialog6 sagt Aristodem, er sei kürzlich zufällig durch die Briefe Epikurs über den Tod des Hegesianax hindurchgegangen (ἔναγχος γὰρ κατὰ τύχην τὰς ἐπιστολὰςἐπιστολή διῆλθον αὐτοῦ) – d. h. er hat sie individuell-direktLektüreindividuell-direkt gelesen – und bereichert mit seinen Lesefrüchten die Diskussion (Plut. non posse suav. 20 [mor. 1101b]).

Nicht das Lesen eines schriftlich in einem Medium fixierten Textes, sondern ein rein mentaler Prozess ist gemeint, wenn der PhilosophPhilosophie Athenodorus Augustus als Rat gibt, er solle, wenn er zürne, nichts sprechen und tun, als bis er die vierundzwanzig BuchstabenBuch-stabe für sich durchgegangen sei (τέτταρα γράμματαγράμματα διελθεῖν πρὸς ἑαυτόν)“ (Plut.Plutarch mor. 207c). Der Kontext impliziert das Fehlen hörbarerLautstärkehörbar stimmlicherStimme Realisation.

Vergleichbar zur Verwendung von διέρχομαιδιέρχομαι finden sich auch die Verb διαπορεύωδιαπορεύω,7 διέξειμιδιέξειμι (durchgehen, hindurchziehen) und ἔπειμιἔπειμι (durchgehen, durchwandern)8 als LesemetaphernMetapher in den Quellen. Isokrates bietet in seinem Panathenaikos (Isokr.Isokrates or. 12,231) eine eindrucksvolle Beschreibung des Vorgehens bei der Ausarbeitung seiner RedenRede, in der ferner auch zum Ausdruck kommt, wie sich unterschiedliche Gemütszustände auf die Darstellungs- und Rezeptionsweise auswirken. Und zwar diktiert er eine Rede einem SklavenSklave, nachdem er durch diese mit Freude durchgegangen sei (ὃν ὀλίγῳ μὲν πρότερον μεθ᾽ ἡδονῆς διῆλθον). Vermutlich bezieht sich letzteres auf die Lektüre (und Überarbeitung) einer Vorfassung, die er womöglich auf TafelnTafel/Täfelchen schriftlich vorkonzipiert hat. Beim diktierten Text handelt es sich um eine vermutlich auf Papyrusrolle ausgearbeitete Fassung der Rede, die er einige Tage später erneut liest und durchgeht (τριῶν γὰρ ἢ τεττάρων ἡμερῶν διαλειφθεισῶν ἀναγιγνώσκων αὐτὰ9 καὶ διεξιών). Mit diesem zeitlichen Abstand fällt ihm einiges Negatives in der Darstellungsweise auf, was in ihm den Impuls auslöst, das ManuskriptHandschrift/Manuskript zu zerstören, woran ihn nur die viele Arbeit hindert, die er in die Ausarbeitung hineingesteckt hat (vgl. Isokr. or. 12,232). Die Verben ἀναγιγνώσκωἀναγιγνώσκω und διέξειμιLektüreindividuell-direkt meinen hier denselben individuell-direkten Lesevorgang, wobei durch letzteres Verb eine gewisse evaluative und womöglich auf KorrekturenKorrektur (s. auch Evaluation) und Überarbeitung ausgerichtete Rezeptionshaltung zum Ausdruck gebracht wird. Dies wird im Folgenden dadurch bestätigt, dass Isokrates in or. 12,246 den oberflächlichenAufmerksamkeitoberflächlich/flüchtig Lesern (τοῖς μὲν ῥᾳθύμως ἀναγιγνώσκουσινἀναγιγνώσκω) einer Rede die sorgfältig Hindurchgehenden (τοῖς δ᾽ ἀκριβῶς διεξιοῦσιν) gegenüberstellt. Und zwar sind dies solche, die nach „ihrem eigenen Ermessen, gerade so viel davon lesen und durchgehen (διέρχομαι), wie sie jeweils selber wollen“ (Isokr. 12,136; Üb. ROTH, leicht modifiziert JH), d.h. die den Text abschnittsweise durchgehen und mit zeitlicher Unterbrechung (z.B. zum Nachdenken) nur Portionen lesen. Dies ist wegen der von Beginn an von Isokrates angedachten besonderen Länge und planvoll gestalteten Gesamtkonzeption der Rede notwendig.10 Diese drei Stellen zeigen im Übrigen, dass die von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertretene These, die publizierten Reden von Isokrates seien für die RezitationRezitation vor PublikumPublikum (s. auch Lesepublikum) bestimmt, kritisch zu diskutieren wäre.11

Eine weitere aufschlussreiche Stelle findet sich in Eusebs KirchengeschichteKirche-ngeschichte, der mit dem folgenden Satz ein längeres ZitatZitat (Ios.Josephus, Flavius bell. Iud. 5,12,3f [512–519]) einleitet.

„Hole das fünfte Buch der Geschichte des JosephusJosephus, Flavius und nimm es wiederum zur Hand (μετὰ χεῖρας αὖθις ἀναλαβώνἀναλαμβάνω), dann gehe die damaligen traurigen Ereignisse durch (δίελθε τὴν τραγῳδίαν)“ (Eus.Eusebios von Caesarea h. e. 3,6,1).

Auch wenn es sich hier um eine ZitateinleitungZitat-einleitung/-markierung handelt und der LeserLeser der KirchengeschichteKirche-ngeschichte das ZitatZitat im Folgenden aus dem ihm vorliegenden Text lesen kann, spiegelt sich in der Formulierung eine spezifische individuell-direkteLektüreindividuell-direkt LesepraxisLese-praxis wieder, bei der (schon einmal gelesene) BücherBuch zu spezifischen Fragen in die Hand genommen und selektivUmfangselektiv konsultiert werden. Da Euseb hier seine Leser mit imperativischen Formulierungen anspricht, kann man schlussfolgern, dass auch sein eigenes Werk für die individuell-direkte Lektüre konzipiert war.

DiodorDiodorus Siculus nutzt das Verb διέξειμι an oben schon besprochener Stelle (Diod. 1,3,8; s. o. S. 124) zur Beschreibung individuell-direkteLektüreindividuell-direktr Lektüre von historiographischen Texten. Das Verb findet sich sodann als LeseterminusLese-terminus beim antiochenischen Astrologen Vettius ValensVettius Valens, der im 2. Jh. n. Chr. in seiner neunbändigen Schrift Anthologiae, im neunten Buch folgendermaßen über die anvisierte Rezeption reflektiert:

 

„All of the preceding methods are effective and easily understandable to those who study them (χρηματιστικαὶ καὶ εὐκατάληπτοι τοῖς ἐντυγχάνουσίν) […]. I have set a table rich in learning and I have invited guests to the banquet (πλουσίαν οὖν μαθημάτων τράπεζαν αρασκευασάμενος συνεστιάτορας ἐπὶ τὸ σύνδειπνον ἀνακέκληκα.). Let those who wish to feast act with the physical assistance of the body, which helps them to use the nourishment not in a greedy or insatiable way, but only in so far as the victuals can provide reasonable pleasure. (What is consumed beyond the bounds of nature usually causes harm.) Now if any of the guests should wish to continue living unharmed, let him eat one or two courses, and he will be happy. […] if anyone spends some time on one or two of the preceding methods, he will find his goal to be easily grasped, and he will spend his time in pleasure and delight and will enjoy great repute. If, however, anyone is slow to understand what he reads, yet wishes in one day to run through two or three books, he will not discover the truth (εἰ δέ τις εἴη μὲν εἰς τὸ ἀναγινώσκειν δυσνόητος, θέλοι δὲ εἰς μίαν ἡμέραν δύο καὶ τρεῖς βίβλους διεξιέναι, τὴν μὲν ἀλήθειαν οὐκ ἐξιχνεύσει). Instead, he will be like a storm-fed river, rolling its burden along, worthless and profitless to the onlookers, and sinking back quickly to its useless state. Nor does a racehorse running in a desert place, outside of a stadium or a battle, win any prizes“ (Vett. Val.Vettius Valens 9,9; Üb. M. RILEY; Herv. JH).

Vettius ValensVettius Valens führt hier zunächst aus, dass seine Methoden (ἀγωγή) für die LeserLeser prinzipiell kognitivkognitiv gut zu verarbeiten (εὐκατάληπτος) sind. Mit einer eindrucksvollen Kombination aus verschiedenen Essens- und Bewegungsmetaphern erläutert er dann die Bedingungen für das VerstehenVerstehen. (Auch wenn die LesemetaphernMetapher des Essens und Trinkens erst unter 3.9 besprochen werden, ist diese Stelle wegen der Metaphernkombination schon hier anzuführen.) Seine Darlegungen gleichen einem reichen „Tisch des LernensLernen“ und seine Leser sind Gäste, die sich beim MahlGemeinschaftsmahl (d. h. bei ihrem Rezeptionsprozess) daran bedienen können. In Analogie zu allgemeinen Ansichten antiker Diätetik spezifiziert er, dass beim Lesen maßzuhalten ist, damit die Speise für den Körper ohne Schaden verdaut, also das Gelesene gut kognitiv verarbeitet werden kann. Die hier verwendete Metaphorik spiegelt eindeutig eine individuell-direkteLektüreindividuell-direkt Lektüresituation, bei welcher der Leser sich selbstbestimmt für seine LeseweiseLese-weise entscheidet. Insbesondere legt Vettius Valens den Lesern mit der Metaphorik des Essens eine intensive selektivUmfangselektiv-diskontinuierlicheKontinuitätdiskontinuierlichAufmerksamkeitvertieft Form der MehrfachlektüreLektüreMehrfach- nahe. Diese Form der anvisierten Rezeption führt er sodann explizit aus: Derjenige, der einige Zeit investiert und sich eine oder zwei Methoden aus dem Vorhergehenden herausgreift, wird Freude und großen Nutzen davon haben. Mit Hilfe der Bewegungsmetaphorik bringt er sodann zum Ausdruck, wie seine BücherBuch nicht zu lesen seien – und zwar insbesondere von solchen, die langsamLese-geschwindigkeit bei der kognitiven Verarbeitung beim Lesen sind (εἰς τὸ ἀναγινώσκειν δυσνόητος). Insbesondere solche Leser sollen nicht versuchen, in einem Tag durch zwei oder drei BücherBuch durchzugehen (διέξειμι). Die weitere Ausarbeitung der Bewegungsmetaphorik in den folgenden Sätzen zeigt, dass mit διέξειμι hier durchaus an ein relativ schnelles, oberflächlichesAufmerksamkeitoberflächlich/flüchtig Lesen gedacht ist. Diese Konnotation der Bewegungsmetaphorik war oben schon bei PlutarchPlutarch (Plut. non posse suav. 1 [mor. 1086d], s. o. S. 188) zu sehenSehen und wird uns im Folgenden insbesondere bei Seneca (Sen. ep.Seneca, Lucius Annaeus (d. J.) 2,2-6) wieder begegnen.

Lesen wird in den Quellen sodann mit dem Verb ἐγκύπτωἐγκύπτω (wörtlich: „hineinbeugen“; den Kopf vorbeugen, vornüberbeugen, sich bücken) beschrieben. Als LeseterminusLese-terminus gebraucht, steht hier das Einnehmen der HaltungHaltung des Lesenden pars pro toto für den Gesamtprozess des Lesens. Deutlich wird dies z.B. bei Sextus Empiricus, der im Kontext von Ausführungen über die Farbwahrnehmung der AugenAugen die Wahrnehmung von Geschriebenem, nachdem man in die Sonne geschaut hat, als Beispiel heranzieht: „Ferner, wenn wir uns über ein BuchBuch beugen (ἐγκύψαντες βιβλίῳ), nachdem wir lange in die Sonne geschaut haben, scheint es so, als seien die BuchstabenBuch-stabe golden und tanzten herum.“ (S. Emp.Sextus Empiricus P. H. 1,45). Es ist nun interessant, dass das Verb vor dem 1. Jh. n. Chr. weder im Kontext von LeseszenenLese-szene noch als LeseterminusLese-terminus im engeren Sinne gebraucht wird und die Belege bis auf einige Ausnahmen überwiegend christlich sind.12 Inwiefern eine Interdependenz zur KodexformKodex besteht, lässt sich nur schwer sagen. In vielen Quellen, in denen ἐγκύπτω metonymischMetonymie für Lesen steht, ist es konnotiert mit einem intensiven Lesemodus bzw. einem Studienlesemodus. Die Semantik des Verbes kann zugleich die Haltung, den Grad der Aufmerksamkeit und die Intensität der LektüreAufmerksamkeitvertieft zum Ausdruck bringen. Ein gutes Äquivalent im Deutschen ist das Motiv des „In-ein-Buch-vertieftAufmerksamkeitvertieft-Seins“, da es die vertikal nach unten gerichtete Dimension der Semantik von ἐγκύπτω13 treffend zum Ausdruck bringt.

Aufschlussreich ist eine Episode (Ach. Tat.Achilleus Tatios 1,6,6) im RomanRoman Leukippe und Kleitophon von Achilleus Tatios: Der liebestrunkene Kleitphon nimmt, während er im Haus herumläuft, ein BuchBuch in die Hand, beugt sich darüber und liest (βιβλίονβιβλίον ἅμα κρατῶν, καὶ ἐγκεκυφὼς ἀνεγίνωσκον); aber immer, wenn er an der Tür von Leukippe vorbeigeht, späht er zu ihr hinüber, indem er nur die AugenAugen hebt (τὸν δὲ ὀφθαλμόν … ὑπείλιττον κάτωθεν). Dies impliziert, dass Kleitophon heimlich zu ihr hinüberspät, also der Leseprozess aus der Außenperspektive allein an seiner HaltungHaltung erkannbar sein muss. Damit ist deutlich, dass Kleitophon auf der Ebene der erzählten Welt des Romans nicht-vokalisierendStimmeinsatznicht-vokalisierend liest, da die Konstellation sonst wenig Sinn machen würde: Beim Heben der Augen wäre es Kleitophon ja nicht möglich gewesen, den Text weiter lautlich zu realisieren, und ein abruptes Abbrechen der Vokalisation hätte Leukippes Aufmerksamkeit auf Kleitphon gezogen. Der in sein Buch/seine SchriftrolleRolle (scroll) vertiefteAufmerksamkeitvertieft Kleitophon ist unverdächtig und unauffällig.

In der Forschungsliteratur findet sich die These, dass die hier bei Achilleus Tatios erzählte Rezeptionshaltung durchaus selbstreferenziellselbstreferenziell verstanden werden kann,14 Romane also zur individuell-direkteLektüreindividuell-direktn Lektüre gedacht waren, die Frage nach der sozialen Stellung der intendierten und tatsächlichen Leserschaft antiker Romane ist hingegen umstritten.15

Analog zu ἐγκύπτωἐγκύπτω kann im Lateinischen das wurzelverwandte16 Verb incumboincumbo verwendet werden, wie eine Stelle bei TertullianTertullianus, Quintus Septimius Florens zeigt, an der er im Kontext der Thematisierung der geistlichen Dimension einer keuschen Lebensführung das Lesen der Heiligen Schrift thematisiert: „Wenn er [scil. der Mensch] sich in die Schrift hineinbeugt, ist er ganz in jener“ (si scripturisscriptura incumbit, totus illic est, Tert. exhort. cast. 10,2). Es ist aufschlussreich, dass Tertullian hier allgemein vom Menschen redet, der in die Schrift vertieftAufmerksamkeitvertieft ist. Damit setzt er eine generelle (allerdings nicht näher zu quantifizierende) Praxis der individuell-direkteLektüreindividuell-direktn Lektüre der Schrift voraus.

Die konzeptuelle MetapherMetapher BEWEGUNG IST LESENBEWEGUNG kommt aber z.B. auch in folgenden Formulierungen zum Ausdruck: „Einige junge Leute, die erst seit kurzem regelmäßig zu den alten Worten [scil. Schriften der alten PhilosophenPhilosophie] gehen, tadelten Epikur …“ (Νεανίσκοι τινὲς οὐ πάλαι τοῖς παλαιοῖς λόγοις προσπεφοιτηκότες ἐσπάραττον τὸν Ἐπίκουρον … Plut.Plutarch symp. 3,6,1 [mor. 653b]);17 „damit die LeserLeser mitgenommen werden (συμπεριφέρεσθαισυμπεριφέρεσθαι)“ (Polyb.Polybios 3,34,3). Äquivalent finden sich in den Quellen auch Formulierungen, die zeigen, dass das Konzept auch aus der Autorenperspektive verwendet werden konnte. So formuliert z.B. JosephusJosephus, Flavius leserlenkendLeserlenkung im Hinblick auf die KompositionKomposition seines BuchesBuch, er werde das „was aber vor meiner Zeit geschah, auf kurzem Wege durcheilen (ἐπιτρέχω)“ (Ios. bell. Iud. 1 prooem. 6 [18]).

Das metaphorischeMetapher Konzept BEWEGUNG IST LESENBEWEGUNG findet sich auch in lateinischen Quellen und ist z.B. impliziert in einer Aussage der praefatio des vierten Buches von LiviusLivius, Titus’ Geschichtswerk, dass er nicht daran zweifle, „daß den meisten Lesern (legentium) die ersten Anfänge […] weniger Freude machen wird, da sie es eilig haben (festinantibus), zu unserer Neuzeit zu kommen“ (Liv. 4 praef.; Üb. PAUSCH). Diese Aussage ist deshalb interessant, da der AutorAutor/Verfasser hier im Hinblick auf eine individuell-direkteLektüreindividuell-direkt LesesituationLese-situation antizipiert, dass seine LeserLeser den Text nicht gleichbleibend sequentiellKontinuitätsequentiell entlang des Textes lesen, wobei allerdings nicht sicher zu entscheiden ist, „ob mit festinare hier eine in höherer GeschwindigkeitLese-geschwindigkeit erfolgende, aber vollständigeUmfangvollständig Lektüre oder eine selektiveUmfangselektiv Form der Rezeption, in der auch Teile vom Leser ausgelassen werden können, gemeint ist.“18 Eindeutiger mit selektiven Zugriffen verknüpft ist das Konzept BEWEGUNG IST LESEN dagegen bei Martial, der mehrfach „die Verben transiretransire und praetirepraetire [verwendet], um damit zu beschreiben, wie Leser ein oder mehrere Gedichte nicht beachten bzw. ‚übergehen‘.“19 Diese beiden Verben müssten im Hinblick auf das Konzept BEWEGUNG IST LESEN weiterführend untersucht werden. Dies kann im Rahmen dieser Studie jedoch nicht geleistet werden.