Loe raamatut: «Jugendliche Mobilität im ländlichen Raum»

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Eine Streitschrift

für Jugendbeteiligung im

Öffentlichen Personenverkehr

Jugendliche
Mobilität
im ländlichen
Raum


Originalausgabe

© 2021 Hirnkost KG

Lahnstraße 25, 12055 Berlin

prverlag@hirnkost.de

www.hirnkost.de

Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage August 2021

Vertrieb für den Buchhandel

Runge Verlagsauslieferung

msr@rungeva.de

Privatkunden und Mailorder

https://shop.hirnkost.de

Layout

Johanna Legnar

www.legnar-design.com

Lektorat

Klaus Farin

ISBN

PRINT: 978-3-949452-03-1

PDF: 978-3-949452-05-5

EPUB: 978-3-949452-04-8

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Jugendliche

Mobilität

im ländlichen

Raum

Inhaltsverzeichnis

Jugendliche Mobilität – ein Projekt

Wie kam es zu einem Bundesmodellprojekt in Wilhelmsfeld?

Das Projekt im Bundesmodellprojekt LandMobil – unterwegs in ländlichen Räumen

Das Modellprojekt im Luftkurort Wilhelmsfeld

Jugendliche erarbeiten ein Mobilitätskonzept

Es lohnt sich, mit Jugendlichen zu arbeiten

Jugendliche haben Mobilitätsideen entwickelt

Verlauf und Ereignisse der Modellprojektarbeit

Erkenntnisse aus dem Modellprojekt: Jugendbeteiligung zur Mobilität

Die Einschätzung des Modellprojekts aus überregionaler Sicht durch den Verkehrsingenieurs Christoph Gipp, IGES Berlin

Die Einschätzung des Modellprojekts aus kommunaler Sicht von Christoph Oeldorf, Bürgermeister von Wilhelmsfeld

Schlussfolgerungen aus Sicht der Projektverantwortlichen Jessica Simeth und Stefan Lenz

Kinder- und Jugendbeteiligung ist kein „nice to have“, sondern geltendes Recht (Klaus Farin)

Anhang

Literatur

Online-Quellen

Film

Dank

Jugendliche Mobilität – ein Projekt
Wie kam es zu einem Bundesmodellprojekt in Wilhelmsfeld?

Der Postillion e. V. führt seit dem Jahr 2016 jährlich eine Bedarfsabfrage bei Jugendlichen im Rhein-Neckar-Kreis durch. Dabei war Mobilität an unterschiedlichen Orten ein Thema, das von den Jugendlichen benannt wurde. Es handelt sich vor allem um die Orte, in denen kein Schulstandort für weiterführende Schulen vorhanden ist und in denen am Abend der öffentliche Personennahverkehr (Freizeitverkehr) nicht sehr gut ausgebaut ist. Bei der großen Befragung von 2.400 Jugendlichen aus dem Jahr 2016 (veröffentlicht in Check das! – Jugend im Rhein-Neckar-Kreis, Hirnkost Verlag 2017) waren es beispielsweise in Schönau 13 Prozent der Jugendlichen, die dies bei den offenen Fragen zum Thema gemacht haben. In den folgenden jährlichen Bedarfsuntersuchungen (letztmalig im Sommer 2018) ist das Thema Mobilität häufiger genannt worden. Sicherlich hängt dies auch mit einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung bezüglich der Notwendigkeit eines öffentlichen Personennahverkehrs zusammen.

Hinzu kommen die Diskussionen zu Fahrverboten bzw. Klimaschutz. Dadurch ist auch bei Jugendlichen deutlich geworden, dass der Individualverkehr, wie er im Moment praktiziert wird, nicht sehr zukunftsfähig ist. Dazu gehört auch die in den Ballungsgebieten vorhandene Verkehrsverdichtung. Selbst in der Gemeinde Wilhelmsfeld (3.200 Einwohner:innen), die dem ländlichen Raum zugehörig ist, allerdings direkt an die Stadt Heidelberg anschließt, ist der Anteil der Pkw von 1985 bis heute um über 65 Prozent gestiegen, was insgesamt natürlich eine Zunahme an Verkehrsbelastungen bewirkt.

Gleichzeitig ist der öffentliche Personennahverkehr für die Jugendlichen der Mobilitätsfaktor schlechthin, zumindest dort, wo Fahrradverkehr nicht möglich ist, da die Distanzen zu weit bzw. die Strecken zu bergig sind. Klaus Farin beschreibt in seinem Buch Über die Jugend und andere Krankheiten(Hirnkost 2018), wie die Privatisierung einstmals staatlicher Dienstleistungen (Telefon, Post, öffentlicher Verkehr etc.) zu einem realen Bedeutungsverlust des Staates für den jugendlichen Alltag geführt hat:

„Die zunehmende Verlagerung von Entscheidungsstrukturen auf die internationale Ebene, bei gleichzeitig nicht abreißenden Berichten über gewaltige Ausmaße ökonomischer Misswirtschaft mit nicht selten verheerenden ökologischen Folgen, hat die Distanz der Jugendlichen gegenüber der Politik weiter verstärkt.“

Er führt ferner dazu aus, dass auch die Jugendparlamente und Beiräte in den Kommunen daran im Grundsatz nichts geändert haben. Gleichzeitig nehmen wir in der Mobilen Jugendarbeit eine zunehmende Politisierung von Jugendlichen wahr, wenn ihre Interessen berührt werden, wobei dies meist nicht von langer Dauer ist. Als Beispiel kann angeführt werden, dass über die Mobile Jugendarbeit und Jugendbeteiligungsformen die Öffnungszeiten des Jugendhauses per Gemeinderatsbeschluss verlängert worden sind und Jugendliche durch die Einschaltung der Presse eine Wirksamkeit von Politik erlebt haben.

Unterstützt wird dies durch die Änderung der Gemeindeordnung Baden-Württemberg im Jahr 2016. Durch die Neuaufnahme des § 41a Gemeindeordnung Baden-Württemberg ist es eine Verbindlichkeit für die Gemeinden, dass sie Jugendliche in allen sie betreffenden Angelegenheiten einbeziehen müssen. Dies ergibt sich insbesondere für den öffentlichen Personennahverkehr und zur Frage der Mobilität allgemein. Gleichzeitig ist dieser Sektor sehr stark über das Europarecht (Ausschreibungspflicht) und die Debatte, inwieweit Vergaben von ÖPNV-Leistungen notwendig sind, reglementiert worden. Konkret bedeutet das, dass formal die Kommunen bestellen und bezahlen, aber die Landkreise (im Rhein-Neckar-Kreis sogar eigentlich der länderübergreifende Verkehrsverbund Rhein-Neckar) sehr viel mehr das Sagen haben als die jeweiligen Kommunen. Dies führt zu einem Mangel an Flexibilität und es wird eine gewisse Starre erkennbar, die konträr zu den Interessen der Jugendlichen wirkt.

In der WIR-Studie (veröffentlicht in: WIR. Heimat – Land – Jugendkultur, Hirnkost 2020) wird deutlich, dass sich gerade Jugendliche aus dem ländlichen Raum ein besseres ÖPNV-Angebot wünschen. Sie sind deutlich unzufriedener hinsichtlich Fahrtdauer und Erreichbarkeit von beliebten Freizeitzielen. Zudem wurde herausgearbeitet, dass gerade die „unmobilen Jugendlichen“ vom Dorf ihre Heimat deutlich öfter verlassen wollen als Jugendliche, die mit dem ÖPNV-Angebot zufrieden sind und sich bereits in frühen Jahren, aufgrund der guten Anbindung, frei bewegen können. Je ländlicher die jungen Menschen leben, desto eingeschränkter ist ihre Mobilität. Diese müssen eine wesentlich höhere und andere Mobilitätsleistung aufbringen, um an ihr weiter gelegenes Freizeitziel zu gelangen, als Jugendliche, die in größeren und besser angebundenen Städten wohnen. Dies kann natürlich nur im Frust enden, wenn die Mobilitätsvoraussetzungen – vor allem die Anbindung an den ÖPNV – nicht gegeben sind. Dies führt schnell und bereits sehr früh zu einer Unzufriedenheit am Wohnort und löst den Wunsch aus, schnell in eine (andere) Stadt zu ziehen.


Um eine Buslinie nach Heidelberg zu bekommen, musste die Gemeinde eine Wagenhalle bauen, die „Autohalle“ – Foto von 1982. Foto: Archiv Postillion e. V.

Der Postillion e. V. hat für seinen hauptamtlichen Bereich im Jahr 2018 eine Mobilitätsbefragung durchgeführt und darauf aufbauend gemeinsam mit dem Berliner Planungsinstitut IGES ein Mobilitätskonzept erstellt. Dabei hat sich gezeigt, dass gerade junge Menschen ohne Auto in der Region leben wollen und damit auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind. Gleichzeitig gibt es hier sehr viele Schwachstellen und Lücken. Eine Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mobilität ist ohne Auto im Rhein-Neckar-Kreis oft eingeschränkt. Dies hat natürlich Bedeutung für den Berufseinstieg von jungen Menschen, aber auch für den Postillion e. V., da wir mitunter Stellen nur sehr schwer besetzen können, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht oder gar nicht zu erreichen sind. Von daher ist hier politischer Druck wichtig, um Verbesserungen zu erzielen.

Das Projekt im Bundesmodellprojekt LandMobil – unterwegs in ländlichen Räumen

Mit der Fördermaßnahme „LandMobil – unterwegs in ländlichen Räumen“ fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft modellhafte Projekte, die eine Verbesserung der Mobilität in ländlichen Räumen zum Ziel haben. Die Fördermaßnahme ist ein Baustein des Bundesprogramms „Ländliche Entwicklung“. Die 41 geförderten Einzel- und Verbundprojekte haben 2020 ihre Arbeit aufgenommen und befassen sich mit aktuellen Aspekten der Mobilität in ländlichen Räumen. Die Projekte erhalten jeweils eine Förderung in Höhe von bis zu 180.000 Euro für einen Projektzeitraum von rund drei Jahren.

Die Projekte befassen sich mit den Themenbereichen „Integrierte Mobilität“, „Bewusstseinswandel in Richtung alternativer Mobilitätsformen“, „Neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit für Anbieter und Nutzer“, „Verbesserung der Anschlussmobilität“ sowie „Elternunabhängige Mobilitätslösungen“. Die nachfolgenden Beispiele stellen einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt der Ansätze zur Verbesserung der Mobilität in ländlichen Räumen dar.


Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert

So erweitert eine Regionalvermarktungsinitiative in der Mecklenburgischen Schweiz beispielsweise ihr bisheriges Angebot der Auslieferung von Waren des täglichen Bedarfs um den Personennahverkehr. Ziel ist es, die neue Kombination von Personentransport und Warentransport zu erproben. In den Gemeinden Spiekeroog und Neuharlingersiel entsteht ein auf den speziellen Bedarf der Küsten- und Inselbewohner:innen ausgerichtetes stationsgebundenes Elektromobilitätsangebot. Um die Erreichbarkeit von Bahnhöfen und somit die Anschlussmobilität für Einwohner:innen und Urlaubsgäste zu verbessern, ist hierzu am Fährhafen Neuharlingersiel ein Carsharing-Angebot mit einer Flotte von Elektrofahrzeugen geplant.

An der Bundesautobahn 24 wird ein Pendler:innenparkplatz im Landkreis Ludwigslust-Parchim zu einem Mobilitätszentrum auf dem Land ausgebaut. Dort werden eine Mitfahrstation in vier Himmelsrichtungen, eine Lade- und Mietstation für Elektromobilität – E-Autos und E-Fahrräder bzw. Pedelecs – sowie eine digitale Infosäule eingerichtet. Die Bewohner:innen der Region können mit einer Mobilitäts-App zusätzlich zu den lokalen Ride-Sharing-Angeboten auch überregionale Mitfahrgelegenheiten nutzen. Die Beratung der Nutzer:innen in den umliegenden Dörfern übernehmen ehrenamtliche Mobilitätsbeauftragte.

Gemeinsam mit der örtlichen Bevölkerung wird in der Thüringer Rhön ein Mobilitätsnetzwerk mit öffentlichen und privaten Partner:innen entwickelt und getestet. Dabei geht es um die Kombination von ÖPNV und Ride-Sharing-Angeboten. Geplant ist zudem eine länderübergreifende Umstrukturierung des ÖPNV-Netzes, sodass künftig eine Abstimmung der Fahrpläne länderübergreifend erfolgen kann und gemeinsame Tickets, Übergangstarife und neue Mobilitätslösungen in der Grenzregion der Bundesländer Thüringen, Hessen und Bayern geschaffen werden können.

Mobilitätsangebote sind ein wesentlicher Faktor, damit die ländlichen Räume und ihre Gemeinden für Menschen und Unternehmen attraktiv bleiben. Sie stellen die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes sowie von Nahversorgungsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung, Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten sicher. Im Zuge des demografischen Wandels und mit sinkenden Bevölkerungszahlen verändert sich in ländlichen Regionen die Nachfrage- und Angebotssituation von Gütern und Dienstleistungen. Zunehmend auf zentrale Orte konzentrierte Versorgungs- und Dienstleistungsangebote erschweren gerade bei weitgestreuten Wohnstandorten den Zugang zu Bildungs-, Gesundheitsund weiteren Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Die zu überwindenden Distanzen und der Mobilitätsbedarf nehmen zu. Die Sicherung der Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung für die Erreichbarkeit dieser Angebote und Einrichtungen und trägt damit zum Erhalt der Lebensqualität bei.


Zwei Buslinien erschließen Wilhelmsfeld: Die Linie nach Heidelberg und Schriesheim. Ursprünglich Post, dann Bahn nach Heidelberg, die OEG nach Schriesheim. Inzwischen beide vom DB Rhein-Neckar-Bus. Foto: Archiv Postillion e. V.

Aus den bis Anfang April 2019 eingereichten über 150 Projektskizzen wurde fast ein Drittel für das weitere Antragsverfahren vom Kompetenzzentrum Ländliche Entwicklung ausgewählt. Diese kreativen Projektideen verdeutlichten das große Interesse der verschiedenen Akteur:innen an guten Lösungen für die Mobilität auf dem Land und das große, in vielen Fällen ehrenamtliche Engagement der Menschen vor Ort.

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